Eines müsse ich ihm glauben, sagt Christian Körner, der Pressesprecher von RTL: „Wir wollen, dass unsere Programme auch von Zuschauern gesehen werden.“
Klingt nach einer Selbstverständlichkeit. Ist es aber nicht. RTL hat sich zum Beispiel gerade richtig viel Mühe gegeben, die letzte Folge der Erstausstrahlung von „Der Lehrer“ vor dem Publikum zu verstecken. Und schaffte es, dass sie nicht, wie die anderen, von gut zwei Millionen Leuten gesehen wird, sondern nur von ein paaar Hunderttausend.
Und das ging so:
Der Sender hat von der Schul-Comedyserie neun Folgen produzieren lassen. Die lagen dann erst ein paar Jahre rum, bis sich RTL im Sommer dazu durchrang, sie in Doppelfolgen schnell wegzusenden. Bei neun Teilen stellen Doppelfolgen die Programmplanung eines Senders allerdings vor gewisse Herausforderungen. Sicher, man hätte einfach zum Schluss drei Folgen senden können – aber dann hätten die Leute vom RTL-Mischmagazin „Extra“ im Anschluss womöglich nicht genügend Zeit für ihre beliebten Verbrauchertests gehabt. Man hätte die letzte Folge im Doppelpack mit etwas anderem zeigen können, aber mit was? Und man hätte die neunte Folge als erste einer zweiten Staffel zeigen können, aber dazu müsste es eine zweite Staffel geben, und das kann man wohl ausschließen. Also zeigte RTL nur die Folgen 1 bis 5 und 7 bis 9 und hoffe, dass niemandem auffiel, dass da was fehlte.
Um dann, ohne jede Ankündigung, am 25. November doch noch die sechste Folge nachzureichen. Morgens um 4.20 Uhr. Und wer das verpasst hatte und unter Schlafstörungen litt, entdeckte vielleicht zufällig die Wiederholung: zwei Tage später, am Freitagmorgen um 4.30 Uhr.
Warum die Geheimniskrämerei? Christian Körner sagt, bei so kurzfristigen Programmänderungen sei es ja ohnehin zu spät, noch die Zeitungen und Zeitschriften rechtzeitig zu informieren. Warum aber auch auf den Programmtafeln im RTL-Teletext anstelle nicht „Der Lehrer“, sondern „Staatsanwalt Posch ermittelt“ angekündigt war, kann er nicht sagen. Und eine Antwort auf die Frage, warum RTL überhaupt ganz plötzlich einfällt, kurzfristig noch eine verwaiste Serienfolge ausstrahlen zu müssen, findet Körner auch nach längerer Recherche nicht. Man hört ihm aber eine gewisse Amüsiertheit an, dass man sich überhaupt für das Programm zu einer Zeit interessiert, wo eh keiner guckt.
Aber genau das ist es ja. RTL versendet gerade auch die komplette letzte Staffel der erfolgreichen und vielgelobten Serie „Mein Leben & ich“ zu einer Zeit, wo eh keiner guckt. Auch diese Comedy hing zunächst ein paar Jahre im Keller ab, bis der Sender vor einigen Wochen plötzlich und unangekündigt damit begann, sie in der Nacht von Freitag auf Samstag und im Morgengrauen am Sonntag zu verstecken – gerne in Doppelfolgen, in der jeweils zuerst die zweite Folge läuft und dann die erste.
Eine halbwegs plausible Antwort, warum RTL so mit in jeder Hinsicht hochwertigen Programmen umgeht, ist vom Sender nicht zu bekommen. Auch die Freunde aktueller Primetime-Serien müssen sich von RTL einiges zumuten lassen: Die Handlung von „Dr. House“ wird immer wieder durch lange Wiederholungsblöcke unterbrochen. Bei „C.S.I.“ hat es der Sender geschafft, die wöchentliche Ausstrahlung gerade dann einmal aussetzen zu lassen, als es eine dramatische Doppelfolge gab. Stattdessen lief auf dem Sendeplatz der Pilotfilm zur Neuauflage von „Knight Rider“ – einer Serie, die aber erst eine Woche später begann. Es ist ein einziges Rätsel und Trauerspiel.
Wenn RTL wenigens konsequent wäre und die Nachtstrecke konsequent für die verbliebenen sehenswerten Programme verwenden würde – man könnte sich drauf einlassen und auf Verdacht den Rekorder programmieren. Neben versprengten Serienresten und der schönen Abschlussstaffel von „Mein Leben & ich“ hätte man so Ende November (natürlich ebenfalls unangekündigt) schön noch einmal „Doctor’s Diary“ sehen können, jeweils gegen 2 oder 3 Uhr. Und Vox ahmt es dem großen Bruder nach und hat in den vergangenen Tagen einfach mehrere bislang ausgelassene Folgen der amerikanischen Krimiserie „The Closer“ ausgestrahlt, eine am Montag, zwei im Doppelpack am Mittwoch, eine am Dienstag, aber immer gegen drei Uhr morgens.
Offenbar hat es buchhalterische und lizenzrechtliche Gründe, Dinge kurz vor Jahresende noch wegzusenden. Aber welchen Sinn hat es, das so zu tun, dass möglichst niemand die Schätze entdeckt, unangekündigt, im Morgengrauen, wild durcheinander? Von RTL gibt es darauf keine Antwort. Irgendwelche Vorschläge?