Von Unschulds- und anderen Vermutungen

In viele Berichte über die Vorwürfe gegen Jörg Kachelmann mischt sich ein merkwürdiges Bedauern: Ja, es sei nicht auszuschließen, dass der Mann unschuldig ist, aber man müsse wohl davon ausgehen, dass seine Karriere in jedem Fall erledigt ist, auch wenn er freigesprochen wird oder es gar nicht zur Anklage kommen sollte, leider, die Welt ist da nicht gerecht.

Wie verlogen ist das, bitte?

Wenn das stimmt, wenn also schon die Berichterstattung über einen Verdacht gegen einen Prominenten sein Leben zwangsläufig zerstört, dann kann es daraus doch nur eine einzige Konsequenz geben: nicht über diesen Verdacht zu berichten. Die Abwägung zwischen den Interessen der Öffentlichkeit und denen des Betroffenen fiele in diesem Fall leicht. Wenn über jemanden nicht berichtet wird, der sich später als schuldig herausstellt, wäre das Opfer der Öffentlichkeit nur, spät davon erfahren zu haben. Wenn über jemanden berichtet wird, der sich später als unschuldig herausstellt, wäre sein Opfer seine ganze Karriere.

Die Medien tun so, als müssten sie über den Fall berichten, auch um den Preis, einen Unschuldigen zu ruinieren. Das ist wieder die alte Diskussion, ob Journalisten nur für den Inhalt dessen, was sie schreiben, verantwortlich sind, oder auch die Folgen. Zum Berufsethos von Journalisten gehört es, die Verantwortung für die Folgen ihrer Berichterstattung abzulehnen.

An einigen Stellen wird jetzt sogar nicht mehr darüber diskutiert, ob es erlaubt ist, über den Fall zu berichten, sondern ob es erlaubt ist, nicht über den Fall zu berichten. Stefan Winterbauer macht auf „Meedia“ der „Tagesschau“-Redaktion Vorwürfe, weil sie (aus guten Gründen, wie ich finde) den Fall nicht in der Sendung behandelte. „Spätestens, als Kachelmanns Anwalt sich öffentlich zur Sache geäußert hat, war der Fall ein Thema für jedes Medium“, schreibt er, und er meint damit offenbar, dass nicht nur jedes Medium berichten durfte (was auch zweifelhaft ist), sondern musste. Eine Informationspflicht hat, wenn ich ihn richtig verstehe, schon deshalb bestanden, weil sich Zuschauer, die die Dienstpläne von Meteomedia kennen, sich hätten wundern können, warum Kachelmann nicht den Wetterbericht macht. Ja, klar, dafür kann man natürlich schon mal die Karriere eines Menschen aufs Spiel setzen.

Als mahnendes Beispiel dafür, wie gefährlich genau das ist, was die Medien gerade tun, nennen dieselben Medien dann den Namen Andreas Türck. Das ist vermutlich gut gemeint, denn der Fall ist tatsächlich ein mahnendes Beispiel. Aber dadurch, dass man es erwähnt, macht man eigene Berichterstattung in Sachen Kachelmann noch nicht besser. Und womöglich geschieht auch der Hinweis, dass Kachelmanns Karriere vor der Kamera nun bestimmt ebenso zuende ist, wie sie es bei Türck trotz seines Freispruchs damals war, in bester Absicht. Aber der Effekt könnte der gegenteilige sein: Solche Sätze haben den Hang zur self-fulfilling prophecy. Wenn alle sich einig sind, dass es das ja wohl war mit Kachelmann als Wettermann, dann ist es das schnell tatsächlich gewesen mit Kachelmann als Wettermann.

Auf die Gefahr hin, dass meine Haltung paradox klingt: Ich bin nicht der Meinung, dass die Medien über den Fall Kachelmann hätten berichten sollen geschweige denn müssen, denn der tatsächliche und potentielle Schaden für den möglicherweise Unschuldigen ist riesig. Aber ich bin auch nicht der Meinung, dass jetzt schon fest steht, dass Kachelmanns Karriere damit beendet ist. Bei aller Misanthropie, die mir nicht fremd ist: Das wäre schon sehr erschütternd, wenn die Mahnung „irgendwas bleibt immer hängen“ zwingend eine so unausweichliche, folgenreiche Tatsache wäre.

Bei Andreas Türck übrigens war es nicht irgendein Naturgesetz, das dazu führte, dass er bis zu seinem Freispruch und auch noch danach wie ein Schuldiger behandelt wurde. Es war die Folge einer verachtenswerten Kampagne vor allem von „Bild“ und „Bild am Sonntag“, auf deren Höhepunkt ein Mann namens Stefan Hauck, der auch heute noch für „Bild am Sonntag“ arbeitet, über Türcks Leben richten und es als „erbärmlich“ abtun durfte. (Nicht zu vergessen die lustige Kolumnistin Evelyn Holst, die den Moderator nach seinem Freispruch noch zur „peinlichen Person“ erklärte.)

Der von vielen Medien häufig mit einem Experten verwechselte In-Mikrofone-Sprecher Jo Groebel hat laut dpa im Radio gesagt, es gebe „einen schweren Imageschaden“ für Kachelmann, und wie zum Beiweis hinzugefügt: Auch bei Roman Polanski werde nach 30 Jahren immer noch darüber geredet. Irgendwie scheint Groebel vergessen zu haben, dass Polanski damals unbestritten Geschlechtsverkehr mit einem 13-jährigen Mädchen hatte, dass er vor dem Urteilsspruch aus den USA geflohen ist und dass über die Sache deshalb gerade wieder geredet wird, weil er erst vor kurzem aufgrund eines internationalen Haftbefehls verhaftet wurde.

Aber wenn er Kachelmann nicht gerade mit Polanski vergleicht, ist sicher auch Jo Groebel total dafür, niemanden vorzuverurteilen.

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235 Replies to “Von Unschulds- und anderen Vermutungen”

  1. Das Problem liegt doch eher in der Gesellschaft. Die Journalisten könnten den angerichteten Schaden leicht beheben, indem sie einfach seine Unschuld entsprechend laut berichten.

    Man sollte Kachelmann demonstrativ wieder anstellen, wenn er sich als unschuldig herausstellt.

  2. Die Berichterstattung, dass es einen „Verdacht“ gibt, impliziert nicht bereits eine Vorverurteilung. Wer das glaubt, ist noch schlimmer als diejenigen, die Niggemeier als „verlogen“ bezeichnet (im übrigen steht im verlinkten Artikel ebenfalls, dass „diese Meldung mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dann das Ende der Karriere von Jörg K. bedeutet, wenn er unschuldig sein sollte“).

    Dass ein Hautgout in den meisten Fällen zurückbleibt, ist empirisch nachweisbar. Das hat beispielsweise noch nie eine Gerichtsreportage verhindert. Warum auch.

  3. Abgesehen davon, dass ich diesem Beitrag in absolut jeder Hinsicht zustimme, stelle ich mir vor allem diese Frage:
    Was tun die Medien, die Herrn Kachelmann jetzt so verunglimpfen, wenn sich später herausstellen sollte, dass Kachelmann tatsächlich unschuldig ist? Ich kann nicht beurteilen, ob und wie die ARD und der WDR über diese Sache berichtet haben. Offenbar ja fairerweise überhaupt nicht. Aber wenn wir auf den Fall Türck zurück kommen, so meine ich mich zu erinnern, dass Pro7 damals zumindest anfangs auch nur verhalten über den Fall berichtet hat, dann haben alle anderen Medien auf ihn eingeprügelt und als die Unschuld dann bewiesen war, hat Pro7 ihn dennoch nicht wieder eingestellt. Und auch kein anderer Sender.
    Ich möchte hier den Öffentlich-rechtlichen nichts im Vorfeld unterstellen, bin aber schwer gespannt, wie ehemalige oder derzeitige Arbeitgeber im Falle eines Unschuldsbeweises mit Herrn Kachelmann umgehen werden. Einfach nur mitleidig auf die zerstörte Karriere zu starren bringt da äußert wenig.
    Ich war kein großer Fan Andreas Türck, ärgere mich aber dennoch, dass er aus den Medien gänzlich verschwunden ist. Doch weder ich, noch die Presse, haben die Möglichkeit den Zustand zu verändern, egal wie sie jemals über die Vorverurteilung gedacht haben. Und so KÖNNTE es uns allen auch mit Herrn Kachelmann gehen. Wenn die Sender beschließen, dass man ihn nicht mehr auf den Bildschirm lassen kann, gucken alle andern nur blöde drein….

  4. In diesem Zusammenhang möchte ich gerne auch erwähnen, dass Bettina Röhl von Welt Online sogar die Unschuldsvermutung „im Fall Kachelmann übertrieben“ findet.
    Unfassbar.

  5. Darf man an dieser Stelle einmal die Frage in den Raum werfen, ob nicht alle Schweine sind, die derzeit mit Kachelmann Quoten, Auflagen und Klickzahlen erhöhen?
    Ich setze an dieser Stelle übrigens fünf Euro darauf, dass Kachelmann der erste sein wird, der wieder in seinen Job zurückkehrt, wenn er unschuldig ist.

    (PS: Um nicht als Schwein dazustehen, das seine Klickzahlen mit Kachelmann erhöht, habe ich mein Blog ausnahmsweise nicht verlinkt. So bin ich!)

  6. Lieber Stefan,

    ich bin ganz Deiner Meinung.
    Jedoch denke ich auch, dass wir uns aus diesem Zustand nicht mehr befreien können. Zumindest solange eine äußerst fragwürdige Interpretation der Nachrichtenfaktoren in unserer Medienlandschaft vorherrscht.

    PS: Vielen Dank für die Anzeige zum Kurzfilm „I`m here“.

  7. Hier z.B. Beispiel wäre es an der Zeit, an die ewig abgedroschene Phrase zu erinnern, dass sich Medien gerne als Vierte Gewalt gerieren, wenn es um die Kontrolle von staatlicher Gewalt geht.

    Die damit verbundene Verpflichtung einer solchen Gewalt wird dann gerne vernachlässigt – nämlich die Rechte des Einzelnen gegenüber einer solchen Gewalt, wie z.B. die Unschuldsvermutung.

    Mittlerweile ist die Staatsanwaltschaft Mannheim dazu übergegangen ihre PMen zu anonymisieren. Andere Staatsanwaltschaften sind da in der Vergangenheit ja noch nicht so weit gewesen (siehe Nadja B., Klaus Z. etc.).

  8. @4/Brummsel
    Ich weiss ja nicht, vielleicht sehe, höre und lese ich die „falschen“ Medien. Vielleicht können Sie mir ja sagen, wo Herrn K. „verunglimpft“ wurde? Es wurde berichtet, er sei verhaftet worden und es gäbe einen Verdacht. Und es wurde berichtet, der Anwalt von Herrn K. bestreite im Namen seines Mandanten die Anschuldigung und man erhebe nun seinerseits Klage. Wo erkennen Sie da eine Verunglimpfung?

  9. Tatsache ist: Der aus dem Fernsehen bekannte Unternehmer Jörg Kachelmann wurde festgenommen und sitzt in U-Haft. Der Vorwurf lautet: Vergewaltigung. Kachelmanns Anwalt bestreitet das.
    Warum soll das nicht gemeldet werden?
    Warum darf über lange zurückliegende Verdachtsfälle in katholischen Einrichtungen und fortschrittlichen oder rückschrittlichen Landerziehungsheimen berichtet werden?

  10. Die Argumentation erscheint mir dann doch ein wenig dünn. Wenn ich das richtig überschaue, geht es doch wohl nur darum, dass über Kachelmanns Festnahme berichtet wurde. Das ‚Wie‘ der Berichterstattung wird nicht bemängelt, jedenfalls werden dafür keine Beispiele angeführt.
    Die Forderung, die Festnahme des Wettermannes unter den Tisch zu kehren, erscheint mir dann doch reichlich weltfremd. Kachelmann ist tagtäglich im Fernsehen präsent und damit gewissermaßen eine Person des Zeitgeschehens. Wie kann man da von den Medien verlangen, die Thematik gänzlich zu ignorieren?

    Auf einem anderen Blatt steht, welche Wirkungen von dem Publikwerden des Verdachtes (!) ausgeht. Selbst wenn Kachelmann keine Schuld nachgewiesen werden sollte, wäre er bis zu einem bestimmten Grad gebrandmarkt. Dies ist aber vor allem eine Frage der Gesellschaft und nicht der Medien, jedenfalls solange sie sich im Rahmen sachlicher Berichterstattung halten.

    Natürlich kann und muss man die Frage stellen dürfen, welche Wirkungen Medienberichte für die betroffene Person und die Umwelt haben können. Das kann aber andererseits keine realitätsfernen Forderungen rechtfertigen. Und das Verlangen, den Fall Kachelmann medial zu ignonieren, stellt denn wohl ein mit der Wirklichkeit unvereinbares Wunschdenken dar.

  11. ob jemand nach erwiesener Unschuld wieder in seinen Beruf zurück kehren kann, hat mit den Medien finde ich relativ wenig zu tun.
    Hängt doch bloß vom Arbeitgeber ab. Stellt der ihn wieder ein, können die Medien schreiben, was sie wollen.
    Der Versuch, die Deutungshoheit in einem solchen Fall medial an sich zu reissen, scheitert meistens grandios.
    Natürlich ist es schön, wenn bei den Medien eine gewisse Zurückhaltung herrscht, aber davon ausgehen kann man nicht.
    Hier müssen vielmehr die Arbeitgeber Mut beweisen, Zeichen setzen, und einem vormals geschätzten Mitarbeiter, der nichts falsches getan hat, eine Chance geben.

    Ich glaube zudem, dass sich der Fall Kachelmann vom Fall Türck unterscheidet. Türck war als Moderator viel mehr das „Gesicht“ des Senders. Kachelmann ist mit Meteomedia als Dienstleister beschäftigt, das lässt sich im Zweifelsfall leichter von seiner Person abkoppeln.

    Ich denke daher nicht, dass Kachelmann, sollte seine Unschuld bewiesen werden, große Probleme haben wird, in seinen Beruf zurück zu kehren.

  12. Abgesehen davon, dass Herr Pantelouris Michalis heißt, kann ich Ihren Text unterschreiben… /Klugsch…modus aus

  13. Ich gebe Ihnen in jeder Hinsicht recht. Man stellt Kachelmann an den Pranger und prophezeit schon jetzt, dass seine Karriere vorbei sei. Ich fand es auch damals sehr beschämend, wie diverse Fernsehsender und die Printmedien mit Andreas Türck umgesprungen sind.

    Es kann auch nicht sein, dass sich sämtlich Journalisten, bei derartigen Themen auf die „Informationspflicht“ beruffen, wie u.a. auch im Fall der HIV-positiven Sängerin. Es darf nicht sein, dass eine reißerische Schlagzeile scheinbar mehr Wert ist, als das Privatleben.

  14. Ich nehme die Berichterstattung über den Fall Kachelmann eher als Vorfreisprechung denn als Vorverurteilung wahr.
    Kachelmann hat nach meiner Wahrnehmung auch einen höheren Sympathiefaktor als Türck. Intellektuell ist er ihm ohnehin überlegen.
    Alles das sind Aspekte, warum eine Mehrheit in DE einem Türck so eine Tat zutraut und einem Kachelmann nicht.
    Ich denke, ich stehe mit dieser Haltung nicht alleine da. Auch dieser Artikel hier suggeriert eher eine Unschuld .. wahrscheinlich aus den o.g. Gründen.
    Objektiv betrachtet ist das natürlich alles Unsinn. Niemand von uns weiß was passiert oder nicht passiert ist. und auch ein Gericht wird es nicht zweifelsfrei feststellen können. Selbst wenn Kachelmann verurteilt wird, ist m.E. sein Sympathiefaktor hoch genug, um seine Karrtiere nicht zu beenden. Ein bisschen Dackelblick, „aufrichtige“ Entschuldigung und Eingeständnis des Fehlverhaltens, dazu noch eine „Therapie“, würden bei ihm ausreichen. Einem Kachelmann würde man das abnehmen. Einem Türck misstraut man auch nach einem Freispruch.
    Ich funktioniere selber auch so. Kachelmann mag ich. Türck ist mir unsympathisch bis egal.

  15. Abgesehen davon, daß ich es (wie schon im anderen Beitrag kommentiert) total Moppelkotze finde, für was sich diese ganzen (Möchtegern-)Schreiberlinge nicht zu schade sind, nur um ein paar Zeilentaler zu kriegen: Mich interessiert das Privatleben von J.K. überhaupt nicht. Weder, ob er auf Milchkühe steht, noch ob er eine tolle neue Ehe in einer superschönen Villa lebt und Stilmöbel hat und, jawohl, nicht mal, ob er da was angestellt hat. Mich interessiert bestenfalls das, für das er öffentliches Gebührengeld kriegt und da vor allem, ob er das ordentlich macht (macht er), an seinem außerdienstlichen Leben will ich überhaupt nicht teilhaben!

    Das einzig legitime öffentliche Interesse an der ganzen Chose ist, ob ggf. bei eindeutiger Beweislage ein dem Rechtsstaatsgedanken angemessener Urteilsspruch gegen einen dann als solchen erwiesenen Straftäter ergeht. Dafür wird die Verhandlung – wenn es denn überhaupt zu einer kommt – vmtl. öffentlich sein. Bis es eventuell soweit ist, geht das ganze überhaupt keinen (außer direkt betroffenen) etwas an, und schon erst recht nicht moralisch.

    Die Leute, die darauf pochen, über jeden Verdacht informiert zu sein, sind die, die in der „Bunten“ nach retuschierten Homestories über genau die gleichen Leute lechzen, über die sie unbedingt jedes (angebliche) schmutzige Detail in (eventuellen) Fällen wie dem aktuellen aufsaugen wollen. Bedauernswerte Sensations- und Bilderweltjunkies, immer auf der Jagd nach dem nächsten Emo-Trip.

    Nur um das klarzustellen: Ich spreche von Fällen, in denen ich nicht zu den potentiell Betroffenen zähle. Das dürfte hier einwandfrei der Fall sein. Wenn ein Herr Z. von der Post eventuell ein paar Millionen Steuern hinterzieht, geht mich das durchaus vom ersten Moment was an, denn die gehören unter anderem von Rechts wegen mir. Ich erwähne das nur, weil der Z.-Vergleich an anderer Stelle an den Haaren herbeigezogen wurde.

  16. Ich denke ein „Ehrenkodex der Medien“ hätte helfen können (Selbstbeschränkung). Berichterstattung über die Festnahme kann/sollte sein. Weitere Berichte (Gegenstand / Einzelheiten) müssten dann aber mindestens den Haftprüfungstermin abwarten. Erst dann ist doch eine Festnahme ge-/überprüft. Wer trotzdem vorher über Einzelheiten berichtet, sollte dann auch Konsequenzen (Schadensersatz) tragen, wenn der Beschuldigte freigesprochen wird.

  17. Da haben wirs. Gut dass hier mal erwähnt wird, dass Herr Türck damals freigesprochen wurde. Ich hatte es nämlich anders abgespeichert. Grund dafür ist die dreckige Wäsche, die zwangsläufig in den Medien gewaschen wird.

    Kann es sein, dass in Deutschland mit zweierlei Maß gemessen wird? Gefährliche, laut Gutachten rückfallgefährdete Verbrecher lässt man auf freien Fuß, so dass man sie rund um die Uhr observieren muss um die Sicherheit für die Kinder in der Stadt sicherzustellen und einen bis dato unbescholtenen, namhaften Bürger nicht ohne eine stattliches Ansehen knastet man mit Hinweis auf Fluchtgefahr einfach ein.

    Beschämend!

  18. Ach ja: Bei einer „Nachricht“, die zuallererst in „Bild online“ erscheint und überall sonst anfangs bestenfalls ohne Namen und/oder mit Prädikaten wie „angeblich“ oder „mutmaßlich“ zu lesen ist (das rauszufinden, genügt eine simple Google-Suche), sollte eigentlich jedes funktionierende Hirn ohnehin mit Skepsis reagieren…

  19. Das heisst dann also nach Ihrer Logik, dass man über keinen derartigen Fall mehr berichten dürfte – weil auch bei Nicht-Prominenten kann die Karriere ja leiden, wenn sie zu Unrecht beschuldigt würden.

    Ergo gäbe es zwei Alternativen: Überhaupt nicht mehr berichten. Oder für Prominente wie Kachelmann gelten andere Regeln als für Normalbürger – was mit zweierlei Mass messen wäre.

    Klingt beides in der Konsequenz gleich absurd. Ich fürchte, da haben Sie nicht zu Ende gedacht.

  20. Eigentlich werden Arbeitsverhältnisse in Deutschland durch Gesetze geregelt und geschützt. Das gilt jedoch nicht für freie Mitarbeiter in der Fernsehbranche. Da wird einem Moderator nach einer Schmutzkampagne die Erwerbsgrundlage entzogen, ein anderer wird hinterrücks durch Kollegen im Internet verhöhnt, während der Kandidat eines Musikwettbewerbes wegen einer (Sucht-)Krankheit vor die Türe gesetzt wird. Jeder einzelne Fall hätte in anderen Branchen ganz andere Arbeitsrechtliche Konsequenzen: Da dürfte der Betrieb dem Moderator nicht feuern, der Bashing-ausübende Kollege bekäme die sofortige Kündigung und der Sucht-Kranke wäre bis zur seiner Heilung krank geschrieben. Gesetze dazu gibt es. Die sogenannte „Vorbildfunktion“ von Fernsehen scheint jedoch im Bereich der eigenen freien Mitarbeiter für die Verantwortlichen nicht zu existent!

    Das schlimme an der Sache ist: Diese Fälle sind ja noch die harmlosesten, da sie Persönlichkeiten mit dem Status „vom öffentlichen Interesse“, vor den Augen Aller passieren. Normalsterblichen „Freien“ widerfahren da noch viel schlimmere Dinge, bei denen Unterschlagung, Nötigung sowie sexuelle Übergriffe noch die harmlosesten Fälle sind. Geredet wird hier drüber nie – mit wem auch? Freie Mitarbeiter müssen in der Arbeit mit Produktionsfirmen und Fernsehsendern die Tatsache hinnehmen, dass sie in einem rechtsfreien Raum arbeiten müssen. Solange niemand klagt, wird sich daran wohl auch nichts ändern und alle schweigen.

    @ Westentaschen-Beobachter
    Aus meiner Sicht zeigt sich immer mehr, dass die Medienkompetenz von vielen Internetnutzern weit unter ihren technischen Möglichkeiten liegen. Als Beispiel möchte ich den von Ihnen genannten Link nennen, im dem joghurtKULTUR, eine „…öffentliche Entschuldung für seine Beleidigung…“ von Herrn Niggemeier fordert. Warum sollte bitte ein Medienkritiker denn für die Schulden eines Bloggers aufkommen – ist das nicht super doof?

  21. @Ulrich: Und Sie glauben, bei Nicht-Prominenten hätte die „Bild“-Titelseite heute so ausgesehen: „Nicht-Prominenter Fliesenleger/Autohändler/Önologe im Knast – Er soll seine Ex vergewaltigt haben“?

    Für die Medien ist es doch nur eine Nachricht, weil ein Prominenter unter Tatverdacht steht.

  22. Mir geht es wie Gregor Keuschnig und ixiter: Bei alldem, was ich gehört oder gelesen habe, hatte ich oft sogar den Eindruck, dass das aber neutral und vorbildlich war. Im Radio und online habe ich explizit mehrfach gehört und gelesen, dass die Festnahme laut StA etwas mit dem Wohnsitz zu tun habe und es wurde mir als Konsument eher vermittelt, dass das ein Routinevorgang ist (und nicht etwa heißen soll: „dann is da auch was dran…“). Ich habe völlig anders empfunden, als es hier oder bei „Print würgt“ dargestellt wird. Ich fand das nicht verlogen, sondern sogar als positiv. In meinem Bekanntenkreis wird seit dieser Nachricht kaum über Kachelmann geredet, aber viel über die Unschuldsvermutung.

    Es ist schäbig, wenn die Bildzeitung in der Krminalitätsberichterstattung aus Menschen, gar Verdächtigen und nicht Verurteilten, „Monster“ macht o.ä. Aber ich halte das für etwas völlig anderes als die wahrheitsgemäße Berichterstattung über die Festnahme eines bekannten Moderators, die in vielen, vielen Kanälen für mein Empfinden völlig unproblematisch war. Den Artikel von welt.de oder ähnliches mal nicht beachtet, darüber kann man sich, muss man sich streiten. Das sind aber nicht „die“ Medien.

    Anders gefragt: Wenn wir die Messlatte, die Grenze zur Berichterstattung an den Maßstab anlegen, den Stefan Niggemeier fordert, insbesondere mit Hinblick auf die Verantwortung… zeugt es von großer Verantwortung, Tweets von Privatpersonen hier zu verbloggen? Oder seinerzeit, als die RTL-Mitarbeitern für ihre Schalte in Winnenden völlig berechtigt in der Kritik stand. Hat das was mit Verantwortung zu tun, als viel beachteter Kritiker sich aufgrund dessen, über die völlig zulässige Kritik hinaus das Urteil zu erlauben, sie habe ihren Beruf verfehlt? Solche Beispiele gibts, wenn ich mich nicht täusche, noch eine Menge. Ich habe da eher eine gespaltene Meinung. Das hat zwar nichts mit strafrechtlichen Vorgängen/Presse zu tun, aber um Verantwortung gehts da auch.

    @Stefan Niggemeier: Räumen Sie jemanden, den Sie kritisieren möchten, die Möglichkeit ein, seine Sicht darzustellen – und zwar vor Veröffentlichung? Wann sollten journalistische Grundregeln eingehalten werden? Immer oder besonders dann, wenn der Gastblogger betroffen ist? Und dann über ein Maß hinaus, das so unrealistisch ist (nicht einmal wegen der Medien, sondern weil doch heute längst nicht nur böse Witze, sondern auch Fakten im Netz auftauchen – erster muss ja nicht zwangsläufig „Bild“ sein, dass kann und wird künftig noch viel öfter z.Bsp. ein Twitterer sein, der gehört hat, dass jemand gehört hat…und am Ende ist es eine bestätigte Nachricht). Im Umkehrschluss bedeutet die große Verantwortung, die sie fordern: Die Medien sind noch viel mehr Gatekeeper und noch viel mehr „alte“ Medien, als man das im Netz allerorts wahrhaben will. Oder?

    Und die Tagesschau: Ja, die war zurückhaltend. Aber die ARD (inkl. Rundfunk?) – Kachelmann war überall; und die Berichterstattung auch ok und sehr sachlich.

  23. Der Karrieretot ist aber nur Folge der bösen unausgewogenen Berichterstattung der anderen Medien, nicht des eigenen.

  24. Früher nannte man sowas „Boulevardmedien“. Heute lässt man den Präfix „Boulevard“ weg.

  25. @13 B.Schuss „Ich denke daher nicht, dass Kachelmann, sollte seine Unschuld bewiesen werden, große Probleme haben wird, in seinen Beruf zurück zu kehren.“

    Stellt das Problem schön dar, dass hier die Unschuld und nicht die Schuld zu beweisen ist.

  26. @5zjunge: Nö. Das heißt nur, dass die Rückkehr in seinen Beruf problematisch wird, falls er verurteilt wird.

  27. Eigentlich ist es schon bitter, dass man so etwas überhaupt diskutieren „muss“.
    @T. Zett „Ehrenkodex der Medien”: Auch wenn ich in keinster Weise etwas mit Journalismus zu tun habe fürchte ich, dass dies wohl eher ein Wunschgedanke bleibt. Wie in allen Bereichen scheinen mir hier (oder vor allem hier) alle sich selbst am nächsten zu sein. Nach dem Motto, wenn ich berichte, fließt Geld, Konsequenzen für Andere?, who cares. Leider spiegelt das doch viele Bereiche unserer Gesellschaft
    @Ulrich – Ja absolut. Ich denke die Unschuldsvermutung gilt immer, ungeachtet des sozialen und öffentlichen Status. Ich finde das keineswegs absurd. Vielleicht hilft es ja manchmal sich in Andere hinein zu versetzen. Gelingt dies in Kombination mit dem Abwägen etwaiger Konsequenzen im Unschuldsfall, dürfte das Vorgehen doch klar sein.

    Was den link von joghurtKULTUR betrifft, verstehe ich zwar dessen Verärgerung, andererseits „Ironie ist eine Kunst“ die sich in tweets zu einem solchen Thema vielleicht erst recht gut verstecken kann. Insofern würde ich es mal bei der erfolgten „Gegendarstellung“ bewenden lassen. Es gibt doch echt Wichtigeres!

  28. Es gibt sicherlich noch viiiiiiiiiiiiiele andere Unterschiede zwischen Kachelmann & Türck aber in diesem Fall einen ganz wesentlichen:

    Bei Andreas Türck war es eine junge Dame, die er kurz zuvor in einer Bar kennenlernte.

    Bei Herrn Kachelmann handelt es sich um seine langjährige Lebensgefährtin!

  29. @ Laja
    Es gibt ja den Pressekodex. Da in diesem Fall Haftbefehl vorlag, durfte deshalb ja auch in dieser Weise berichtet werden. Würde man da noch den Zusatz, nach Haftprüfungstermin, hinzufügen, gäbe es jetzt diese Nachrichtenschlacht (noch) nicht.

    http://www.presserat.info/76.0.html

  30. zeugt es von großer Verantwortung, Tweets von Privatpersonen hier zu verbloggen?

    Ich finde es auch unverantwortlich von Herrn Niggemeier, diese Tweets einfach ans Licht der Öffentlichkeit zu zerren, obwohl sie dafür nie best…

    Moment.

    Möchten Sie Ihre Frage vielleicht noch mal neu formulieren?

  31. der wdr hat in seinen fernseh-nachrichten gestern von kachelmann berichtet. die ard ist also nicht grds. ausgewichen.

  32. @Lukas, 37: Wieso soll er die Frage neu formulieren? Dürfte sich BILD -oder wer auch immer- ebenfalls an dieser „Öffentlichkeit“ bedienen und sich aufregen („Schauen Sie mal, wie fies im Internet über Kachelmann gelästert wird – hier die 20 übelsten Sprüche“?)
    Die Twitterer hier wollten, so vermute ich, genauso wenig in diesem Blog erscheinen wie die meisten Twitterer i.d.R. wohl sonst irgendwo. Hier wie dort werden sie für eigene Zwecke genutzt. Hier zwar ehrenhaft (im kritischen Kontext), aber auch ohne besondere Auseinandersetzung damit. Außer „doof, Idiot..“ sind die Worte, mit denen man sich adäquat einem eigentlich tatsächlich besprechenswerten Thema annimmt.

  33. Ich verstehe den Beitrag nicht und schließe mich Herrn Keuschnig (#10) an.

    Es wird eine Person des Zeitgeschehens verhaftet. Der Tatvorwurf wird genannt, wo die Person in U-Haft sitzt, und warum er in U-Haft sitzt. So stand es heute z.B. in der Neuen Westfälischen.

    Ich habe keine Lust, irgendwelche Beispiele zu bringen, das hält man mir nur nachher wieder vor, aber muss ich die Frage von Herrn Keuschnig wiederholen: wo ist das schon negativ?

    Ich finde auch nicht, dass die Medien hätten berichten _müssen_. Ich finde auch nicht, dass bereits jetzt ein Schaden entstanden ist.

    Ich finde aber AUCH nicht, dass im Umkehrschluss keine Berichterstattung zu verurteilen ist. Ich finde es auch in Ordnung, dass die Tagesschau nicht berichtet hat. Es handelt sich hier schließlich um Interna. Vor allen Dingen wird die ARD so oder so kritisiert, egal wie sie berichtet, von daher ist das ein Nullsummenspiel.

    Also: auch wenn ich die NW nicht im Abo habe, den Bericht von heute fand ich korrekt und wenn sie ihn so nicht gebracht hätten, hätte ich mich „nicht informiert“ gefühlt von der Zeitung, für die ich Geld bezahle.

    Die Grenze ist aber ganz eindeutig bei Mutmaßungen, Spekulationen, Gerüchten. Das Beispiel Türck zu nennen finde ich deshalb angebracht, auch um damit nicht sofort folgende Berichte zu begründen.

    Wenn’s nach mir geht sollte der nächste Bericht von der Verhandlung kommen, wenn’s denn eine gibt. Die Aspekte, die z.B. im Lawblog besprochen werden, finde ich dagegen höchst interessant, nämlich den Umstand, dass der Angeklagte in U-Haft genommen wird, obwohl er seine Reisegewohnheiten eindeutig nicht den Umständen angepasst hat. Dort ist die Besprechung der allgemeinen Umstände gut und richtig wie ich finde.

  34. @39 Westentaschen-Beobachter: eindeutig ja.

    Gegenteiliges wäre doch total abwegig. Kachelmann ist dauernd nach den Tagesthemen im Fernsehen, mehrere Millionen Menschen wissen mit seinem Namen etwas anzufangen.

  35. 39: Ja, JK ist eine Person der Zeitgeschichte. Eine Berichterstattung über den aktuellen Fall widerspricht nicht dem Pressekodex. Ich kann im Gegensatz zu SN auch nicht erkennen, dass die Vermutung eines Karriere-Knicks „verlogen“ ist. Es ist halt so wie in fast jedem Fall, wo ein Prominenter in Schwierigkeiten gerät.
    Im Gegensatz zur Sache Türck wird nicht gegen Kachelmann Stimmung betrieben, jedenfalls für mich derzeit nicht erkennbar. Dass die Tagesschau sich in dem Fall heraushält, hängt ganz simpel auch damit zusammen, dass die Tagesschau solche Berichte grundsätzlich selten bis gar nicht bringt. Das ist das gute Recht der Tagesschau (und ich mag sie ja dafür), bedeutet aber keine Selbstverpflichtung für andere.

    Man kann natürlich darüber nachdenken, ob z.B. in dem Umfang berichtet werden muss wie es z.T. geschieht. Dann landet man aber früher oder später bei der Frage, ob es dienlich ist, dass in diesem Blog der Fall – wenn auch anders – gepusht wird.

    Allerdings könnte man in solchen Fällen wie jetzt bei Kachelmann oder ähnlich beim Fall Käßmann fragen, ob nicht die Justiz härter gegen den Verkauf von Infos an bunte Blätter durch Staatsbedienstete vorgehen sollte. Die das tun, sind ja keine wohlmeinenden Whistleblower. Und wenn sich herausstellen sollte, dass z.B. die Zeitung Y für solche Infos gezahlt hat, dann wäre ich für eine empfindliche Strafe für beide Seiten.

    PS: Über Bettina Röhl muss man nicht reden. Das Agieren dieser Frau ist seit Jahren grenzwertig und hat mit Journalismus weniger zu tun als mit dem Versuch, Ideologien in Zeilen zu pressen.

  36. „Zum Berufsethos von Journalisten gehört es, die Verantwortung für die Folgen ihrer Berichterstattung abzulehnen.“
    Schon länger hast du es erkannt, und (nun, erstmals eventuell?) gut in einem Satz zusammengefasst.

  37. @34: Das verstehe ich jetzt nicht so ganz… worin liegt jetzt der (qualitative?) Unterschied, ob das vermeintliche Opfer die langjährige Freundin oder eine zufällige Bekannte ist? Vergewaltigung ist nicht gleich Vergewaltigung oder wie ist das gemeint??

  38. @treets
    Nach dieser massiven Berichterstattung bring man Herrn Kachelmann doch nicht mehr mit dem Begriff „Wetterfrosch“ in Verbindung, sondern „den“ Kachelmann, der eine Frau vergewaltigt haben soll. Hätte es diese massive Berichterstattung nicht gegeben, sondern nur die Meldung, Herr Kachelmann wurde festgenommen, hätte dieses Thema auch hier nicht Einzug gehalten.

  39. Der vorherige Blogeintrag trug ja noch wesentlich deutlicher Züge persönlicher Betroffenheit, dieser Eintrag geht jedoch ins Prinzipielle. Und da frage ich mich, warum der Schutz des mutmaßlichen Opfers bei den Erwägungen überhaupt keine Rolle spielt.

    Wenn ich durch die Leserkommentare browse, dann fällt mir auf, dass viele sich weniger dem Wettermoderator beschäftigen, sondern sich Gedanken über das Opfer machen. Dass das bestimmt nur eine Racheaktion ist. Dass manche Frauen doch etwas Gewalt beim Sex mögen und dann Oberhand haben (als ob es ein Spass ist, als Opfer eines Prominenten ins Rampenlicht zu geraten). Hinzu kommen berichtete Aussagen eines „engen Geschäftspartners“ Kachelmanns, es handle sich um eine Stalkerin.

    Eher aus Gründen des Schutzes der nicht-prominenten Betroffenen bin ich für eine reduzierte Berichterstattung (die es nicht geben wird, leider).

  40. @Gregor Keuschnig #3:

    Sie leben in einer anderen Welt. Haben Sie den Artikel, den ich drüben verlinkt habe gelesen? Oder das, was n-tv verzapft hat? Oder, oder, oder?

    Das von Ihnen oder mir der Verdacht nicht der Verurteilung gleichgesetzt wird nutzt leider wenig.

    Es fängt damit an, dass das Opfer bzw. deren Anwalt behauptet, nach der Vergewaltigung direkt Anzeige erstattet zu haben und untersucht worden zu sein, aber dann der vorgebliche Täter Kachelmann nach Vancouver hat reisen können. Nach Wochen kehrt er zurück und nun muss er wegen Fluchtgefahr verhaftet werden. Schauen Sie mal beim lawblog, was daran krumm ist. Die Staatsanwaltschaft hat in diesem Falle wohl keinen Namen veröffentlicht, an den ist die Bildzeitung wiedereinmal anders gekommen. Die dpa, zeit.de hat (anfangs) auch ohne Namensnennung berichtet. Scheinte zu reichen. Aber dann war der Damm gebrochen und alle glaubten nachziehen zu müssen. In der Welt wird die Unschuldsvermutung schon relativiert und das sich wehren gegen die Vorwürfe gegen kachelmann ausgelegt.

    Aber alles kein Problem. Für Sie.

  41. Was heisst hier Tweets an die Öffentlichkeit zerren? Lese doch einer was da geschmiert wird. Total geschmacklos teilweise und ein Schlag ins Gesicht eines jeden Opfers von Vergewaltigung. Da kamen Dinge wie „macht mir den Kachelmann“. Sowas muss hier nicht öffentlich gemacht werden. Das IST öffentlich. Darüber sollte sich jeder bewusst sein.

  42. @svenR:

    „Die Nachrichtenagentur apn berief sich auf Armin Thiel von der Bundespolizei, der bestätigt habe, dass es sich bei dem Verhafteten um Kachelmann handele.“

    „Auch der Leiter der Justizvollzugsanstalt Mannheim, Romeo Schüssler, hielt sich offenbar nicht an die Vorgabe der örtlichen Staatsanwaltschaft. Die Agentur ddp will von dem JVA-Beamten die Bestätigung bekommen haben, dass Jörg Kachelmann in seinem Gefangnis sitze. Er werde „bereits anwaltlich vertreten“, fügte er hinzu.“

    http://www.swp.de/ulm/nachrichten/vermischtes/art4304,414940

  43. @ — KatrinW — 23. März 2010, 23:34

    In meinem obigen Kommentar geht es gar nicht um Vergewaltigung und noch weniger um „(qualitative?) Unterschiede“, sondern um die Glaubwürdigkeit des Opfers.

    @ — woz — 23. März 2010, 23:48

    Meine volle Zustimmung!

  44. Mal ne Gegenfrage SvenR: Kachelmann wird verhaftet, taucht nicht nach den Tagesthemen auf. 8 Millionen Fernsehzuschauer schauen zu.

    Wie genau soll denn bitte vermieden werden, dass ganz langsam durchsickert, wer da verhaftet worden ist?

    Die Art und Weise, wie manche Medien berichten, ist schäbig, da gibt Dir sicherlich auch Herr Keuschnig Recht, die Frage ist doch ob Medien wie er und ich sie zitiert haben, die neutral berichtet haben, denn bitte auch nicht berichten sollen.

    Mir geht es ehrlich gesagt irgendwie an jedweder Logik vorbei zu sagen „Ihr hättet besser nicht berichtet“. Wofür macht man dann überhaupt noch Zeitung? Wofür ist man Journalist? Für’s Ignorieren?

  45. Einige kurze Bemerkungen, damit es nicht bloß ein E-Mail-Abo wird:

    Die beiden Beiträge zur medialen und/oder öffentlichen Behandlung der Causa Kachelmann gehören doch zusammen. Ich will nicht splitten, deshalb gleich hier: Ich finde die Thematisierung der schließlich öffentlichen Verlautbarungen einiger Zeitgenossen bei Twitter und ihre Benennung als das, was sie sind, nämlich eine schmierig anmutende Sauerei, vollkommen in Ordnung. Es erscheint mir unlauter, diesen Leuten irgendeine Schonung zuzubilligen, nur weil sie mutmaßlich eine so heftige Resonanz ihrer Entgleisungen nicht erwartet hatten. Verlagert man seinen Stammtisch auf einen Marktplatz, könnte das Echo auf dort getätigte Äußerungen ein dem Stammtisch ungewohntes sein. Ziel dieser Maßnahme war es ja offensichtlich, weitere Verbreitung zu finden. Mit deutlicher Erwiderung mußte also rechnen, wer seinen Dreck vor aller Augen absondert.

    Schweine, die ihren Schweinereien in der Öffentlichkeit nachgehen, sollten sich gewahr sein, durch ihr Tun womöglich auch die Aufmerksamkeit des Metzgers zu erregen. Und angesichts ihres Tuns, haben sie noch Schonung erfahren.

    Auch teile ich nicht die Auffassung, daß es der Aussicht auf eine Verhaltensänderung der Stammtischler bedarf, um einmal klare Kante zu geben. Es genügt, wenn man einige jener erreicht, die sich unreflektiert an den Schweinereien degustieren. Und darüber bewirkt man vielleicht auch eine Verhaltensänderung bei einem Teil der Schweine.

    Die in obigem Beitrag aufgestellte Forderung an die Medien, die Tatsache der Verhaftung Kachelmanns oder doch zumindest deren Gründe zu verschweigen, geht meiner Meinung nach fehl. Sie ist eine unbewußte Kapitulation vor gesellschaftlichen Zuständen, die aus der Meldung der Tatsache einer Verhaftung wegen einer angeblichen Vergewaltigung einen dauerhaften Schaden für das berufliche Fortkommen und privates Umfeld Kachelmanns ableiten.

    Das Problem ist aber nicht die Meldung als solche, sondern der gesellschaftliche Umgang mit ihr, wie man auch an den Einlassungen einiger Twitterer sehen kann.

    Es ist also völlig in Ordnung, als Medium ein dramatisches Ereignis bei einer Person des Zeitgeschehens zu melden. Und so wie es beispielsweise Spiegel Online (jedenfalls bis vor zwei Stunden, da war ich zuletzt dort) behandelt, geht das auch in Ordnung.

    Wandeln muß sich der gesellschaftliche Umgang mit diesen Vorgängen. Dazu trägt die Causa Kachelmann am Ende gar bei.

    Mindestens einer muß das mal ausbaden, damit dies geschieht. Und es wäre schön gewesen, wenn es schon bei Türck geschehen wäre. Bei Kachelmann scheinen mir die Aussichten dafür besser bestellt zu sein, wenn er sich als unschuldig erweist. Leider nur dann.

    Es ist nun doch etwas länger geworden.

  46. 46: Da haben Sie völlig Recht. Aber was hilft´s? Da hätte man dann auch nicht über die Steuerhinterziehung eines prominenten Konzernmanagers berichten dürfen. Auch nicht über die verunglückten Liebesgeschichten einer sehr wohlhandenden Erbin und Konzerneigentümerin. Und und und. Ich bin da völlig auf Ihrer Seite, von mir aus muss man das alles nicht berichten. Aber ich sehe derzeit weder moralische noch standesrechtliche Gründe, das zu verurteilen. Und bis auf Frau Röhl, die man nicht ernst nehmen muss, läuft es zur Zeit noch relativ nachrichtlich.
    Ich fürchte jedoch, dass es dabei nicht bleiben wird. Ich sehe schon die ersten berufsmäßigen Spanner vor dem Haus der Dame lauern. Da wird dann tief im Mist gewühlt und manches noch erfunden, um die Geschichte weiter zu köcheln.

  47. @Heike: Dass die Tweets unterirdisches Stammtischniveau haben, steht außer Frage. Größere Aufmerksamkeit bekamen sie aber erst durch die Veröffentlichung hier. Und danach gab es nicht nur viele, die auf Twitter dankbar für diese lustige Zusammenstellung von Stefan Niggemeier waren, einige haben sich auch gleich noch überboten mit neuem Schwachsinn.

    Der Beitrag von Stefan Niggemeier hätte auch beim „Express“ stehen können: „Die fiesen Sprüche der Internet-User. Hier die krassesten Tweets gucken und abstimmen!“

  48. @45 ich glaube 34 möchte auf die Glaubwürdigkeit der jeweiligen Person hinweisen. Eine langjährige Lebensgefährtin ist evtl. glaubwürdiger, als eine mit dem Drogenmilieu in Kontakt stehende Person die Herr Türck in einer Bar (mehr oder weniger) kennen lernt.

  49. @Westentaschen-Beobachter #50:

    nachdem die Bildzeitung es schon herauspossaunt hatte! Das diese Spezialisten es dann auch noch bestätigt haben halte ich auch für ziemlich dumm.

  50. Auch total gaga, die „Märkische Allgemeine“:
    „Der Fleck auf seiner Weste, und sei es nur der vermutete, unterstellte, wird bleiben. Kachelmann wird durch Comedy-Shows geistern und in Parodien verhöhnt werden. Es mag den Richtigen treffen, aber dass es den Falschen genauso treffen könnte, muss nachdenklich machen.“

    http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11760033/63629/Vor-Verurteilung-verurteilt-Ralf-Schuler-ueber-den-Fall.html

  51. @ (# 55) Westentaschen-Beobachter

    Das sehe ich anders. Für mich ist das was bei Twitter gelaufen ist, wie bei Rot über eine Ampel gehen, während ein Kind daneben steht. Es ist doch nun wirklich ein Unterschied, ob man solche Sprüche privat am Küchen- oder Stammtisch, per SMS oder für jedermann, auch für Kinder und Jugendliche, lesbar im Internet schreibt. Was denken Sie denn, wie junge Menschen eine solche Kommunikation von Erwachsenen verarbeiten? Auf eine so erzogene Generation von jungen Internetnutzer habe ich persönlich keine Lust.

    Wenn weiterhin unkommentiert solche Tweets verbreitet werden, breitet sich die Meinung immer weiter aus, jeder könne im Internet über jeden alles schreiben. Eine Reflexion über das, was Personen bei Twitter öffentlich von sich geben, kann durch Schweigen nun wirklich nicht erreicht werden.

    Das selbe sehe ich übrigens auch mit der Diskussion über Schuld oder Unschuld von Herrn Kachelmann. Natürlich steht auf der einen Seite seine wirtschaftliche Existenz auf dem Spiel. Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch eine Frau, die nach ihren Angaben eine Vergewaltigung erlebt hat, und unsichtbar hinter ihr das Interesse von vielen Gewaltopfern. So etwas nicht zu berichten sehe ich als Fehler an. Jedoch sollte mit der selben Aufmerksamkeit nicht nur die gegenwärtige Situation beobachtet, sondern der Prozess auch bis zum Ende verfolgt werden.

  52. Eine der bekanntesten Fernseh-Persönlichkeiten Deutschlands, der führende Kopf einer ganzen Branche, wurde verhaftet. Natürlich ist das eine Story, der komplette Verzicht auf Berichte ist in meinen Augen keine Option.

    Das unvermeidbare Karriereende war es (noch) nicht – auch wenn die unsägliche Actimel-Werbung wohl auf absehbare Zeit nicht mehr kommen wird.

  53. Gestern Käßmann, heute Kachelmann. Dazwischen die Schweinepriester von der katholischen Kirche und die Vertrauenslehrer an der Odenwaldschule. Und immer wieder Westerwelle. War sonst noch was?

  54. Die beiden Niggemeier-Blogeinträge hintereinander (erst Twittererschelte, dann Medienschelte) belegen doch gerade eines: In einer Zeit, in der jeder alles veröffentlichen kann, ist die Vorstellung, den Namen eines prominenten Verhafteten lange geheim halten zu können, absolut weltfremd. Wenn Medien ihn nicht veröffentlichen, tun es Twitterer oder Facebooker oder Blogger. Ganz unabhängig davon, wie man also eine Veröffentlichung moralisch bewertet – sie ist letztlich nicht zu verhindern.

    Deswegen kann es für seriöse Medien nur darum gehen, die nötige (und bei einem prominenten TV-Mann, der wegen dringenden Tatverdachts in Haft genommen wird, auch vollkommen angemessene) Verdachtsberichterstattung als solche zu kennzeichnen. Es muss klar sein, dass es ein Verdacht ist, ein laufendes Verfahren, das so oder so ausgehen kann.

    Die Forderung, auf jegliche Verdachtsberichterstattung zu verzichten, ist grotesk. Dann dürfte über keinen Prozess, über keine Festnahme/Verhaftung (wie z.B. die von Herrn Zumwinkel), keine Durchsuchung, keine Razzia mehr berichtet werden. Dann müssten auch die meisten investigativen Journalisten ihren Job hinschmeißen – und die Welt würde nur noch von Twitterern informiert. Über die Qualität von deren „Berichterstattung“ hat sich Niggemeier ja ebenhier ausgelassen.

    Also bitte, Leute, entscheidet Euch! Manchmal ist es ganz hilfreich nachzudenken, bevor man die tägliche Klugscheißersuppe anrührt.

  55. @B.Schuss (#13/14): 1.) Kachelmann arbeitet in den Medien. Seine Präsenz dort hängt nicht zuletzt von der Akzeptanz beim Publikum ab. Mit dem Willen des Arbeitgebers allein ist es nicht getan.

    2.) Andreas Türck war zu jenem Zeitpunkt längst nicht mehr das Gesicht von ProSieben. Er moderierte nur noch die „McChartShow“.

    3.) Der Link liegt (von Anfang an) unter den Worten „verachtenswerten Kampagne…“

    @ixiter (#18):

    Alles das sind Aspekte, warum eine Mehrheit in DE einem Türck so eine Tat zutraut und einem Kachelmann nicht.

    Das ist ohne jedes Indiz dahinbehauptet. Und selbst wenn es stimmt, kann es doch nicht sein, dass die Rehabilitation eines Verdächtigen davon abhängt, wie sympathisch das Volk ihn findet?!

    Ich wüsste auch gerne, woraus Sie aus diesem Artikel die Suggestion einer Unschuld lesen. Ich kann mir überhaupt kein Urteil in der Sache erlauben. Ich bin weder mit den Fakten vertraut noch kenne ich Jörg Kachelmann gut. Ich gehe nur von seiner Unschuld aus, weil und solange die Schuld nicht bewiesen ist.

    @JO (#62): Das Opfer hat einen Anspruch darauf, dass die Staatsanwaltschaft der Sache nachgeht und, wenn sie Anklage erhebt, auf einen fairen Prozess. Aber doch nicht auf Berichterstattung?!

    @Ulrich (#23) und diverse ähnliche: Warum ist das absurd? Was würde uns, Ihnen und mir, fehlen, wenn über diese Fälle – von Prominenten und Nicht-Prominenten – nicht berichtet würde, so lange es sich um einen reinen Verdacht handelt? Warum ist es „keine Option“ (Torsten, #63), über einen solches Verfahren, das zunächst einmal nur zwei Menschen betrifft, den mutmaßlichen Täter und das mutmaßliche Opfer, zunächst nicht zu berichten? Oder @Sebastian (#52): „Wofür ist man Journalist? Für’s Ignorieren?“ Nein. Für die Abwägung, was eine Nachricht ist und was nicht. Dazu gehört auch die Abwägung, ob das Interesse der Öffentlichkeit an einer Berichterstattung das Interesse der betroffenen Person an dem Schutz ihrer Privatsphäre überwiegt. Ich sage nicht, dass diese Abwägung immer leicht fällt. Aber gerade dann, wenn man als Berichterstatter der Meinung ist, dass schon eine sachliche, unvoreingenommene Verdachtsberichterstattung dem Leben des Verdächtigen irreparablen Schaden zufügt, müsste man doch auf eine Berichterstattung in Fällen wie diesem verzichten. Das und nur das meinte ich mit „verlogen“.

  56. Stimme tendenziell zu. Es ist m.E. moralisch nicht zulässig das abstrakte Verhaftetwerden einer öffentlich sehr bekannten Person als ausreichenden Grund für Berichterstattung herzunehmen. Wesentlich ist die Art des zur Last gelegten Verbrechens. Wenn ein Politiker oder ein Manager (meinetwegen auch ein Wetterfrosch) wegen mutmaßlicher Korruption, Steuerhinterziehung oder Ähnlichem verhaftet wird, sehe ich keinen Anlass, Berichte darüber zurück zu halten. Und zwar aus dem Grund, dass der Schaden, der angerichtet wird, auch wenn die Unschuld erwiesen wird, viel geringer ist, als bei Vorwürfen von Vergewaltigung oder Dingen wie Kindesmissbrauch. Ein solches Stigma wird man nie wieder ganz los, das öffentliche Interesse am Tun und Lassen bekannter Personen wiegt dagegen nicht genug. Eine – wie S.N. auch sagt – Abwägung ist somit unerlässlich. Leider funktioniert die Medienwelt nicht so.
    An jeder Berichterstattung dieser Art klebt der Geifer der Sensationslust, egal wie seriös oder sachlich sie vorgetragen ist.

  57. @Stefan Niggemeier

    „Ich sage nicht, dass diese Abwägung immer leicht fällt. Aber gerade dann, wenn man als Berichterstatter der Meinung ist, dass schon eine sachliche, unvoreingenommene Verdachtsberichterstattung dem Leben des Verdächtigen irreparablen Schaden zufügt, müsste man doch auf eine Berichterstattung in Fällen wie diesem verzichten.“

    Es mag Ihnen nicht bewußt sein, aber mit dieser Forderung torpedieren Sie die Pressefreiheit in einem kaum oder nicht abschätzbaren Maße. Beim Fall Kachelmann mag es noch eindeutig scheinen, aber eine sichere Abgrenzung ist praktisch unmöglich. Bei welchem Sachverhalt geht die Verhaftung einer Person des Zeitgeschehens die Öffentlichkeit etwas an? Mord? Vergewaltigung? Stasi-Spitzelei? Beim einzigen Laden mit Westprodukten für DDR-Mark in der DDR, in Wandlitz, im tiefsten realen Sozialismus?

    Wir haben doch nun wahrlich im Überfluß Rechtsvertreter in diesem Lande, die mit Persönlichkeitsrechten argumentierend in Hamburg oder andernorts, wo der fliegende Gerichtsstand gerade genehm scheint, die Wahrheit bzw. eine kritische Berichterstattung unterdrücken. Sei es durch meinungsfreiheitsfeindliche Urteile und Verfügungen der Gerichte oder durch Kostenexplosionen mit Hilfe eingesetzter Rechtsmittel. Das kann man nicht wollen!

    Mit der obigen Argumentation bereiten Sie aber den Weg für solches.

    Außerdem bleibt das Argument, daß unterschlagene oder unterdrückte Berichte Futter für Verschwörungstheoretiker aller Art sind.

    Die Angst, daß eine „sachliche, unvoreingenommene Verdachtsberichterstattung dem Leben des Verdächtigen irreparablen Schaden“ zufügen könnte, sollte doch eher die Frage auslösen: Wie trägt man dazu bei, die Werte und Wertvorstellungen einer Gesellschaft so zu ändern, daß eine sachliche und unvoreingenommene Verdachtsberichterstattung“ nicht mehr zu irreparablen Schäden führt?

    Indem man sich zum Beispiel die schmierigen Heinis greift, die sich bei Twitter sprachlich perfide verlustieren.

    Und indem man eben sachlich und unvoreingenommen über einen Verdacht berichtet, versucht Vorbild zu sein.

    Indem man sich die „Bild“ vorknöpft, wenn sie Kapital aus dem Schüren eines Verdachts schlagen möchte.

    Es ist der einzige Weg: Steinig, unvollkommen, lang. Aber letztlich doch alternativlos.

  58. Mich würde interessieren, auf welcher gesetzlichen Grundlage oder Verpflichtung sich Polizei und Staatsanwaltsschaft ständig genötigt sehen, die Öffentlichkeit über ihre Ermittlungen zu informieren.

    Deutschland verwehrt seinen Bürgern jede Einsicht in Akten, wo es für die Demokratie wichtig wäre (besonders Bayern) und beruft sich auf das Amtsgeheimnis.

    Aber in Fällen wie Herrn Kachelmann und Frau Käßmann, wo aus juristischer Sicht zunächst kein öffentliches Interesse besteht, sieht man ständig Staatsanwälte Erklärungen abgeben. Welche Vorschrift verpflichtet sie dazu?

    Keiner der beiden übt jedoch einen Beruf aus, bei dem eine Vorstrafe zu Berufsverbot führt.

    Als ich neulich geblitzt wurde, gab es keine Presseerklärung. Aus staatsbürgerlicher Sicht gibt es zwischen Herrn Kachelmann und mir aber keinen Unterschied. Im Grundgesetz steht nirgendwo, daß die freiheitliche Grundordnung durch Bekanntheit eingeschränkt wird.

    Wenn Kachelmanns Staatsanwalt wegen dessen Bekanntheit an die Öffentlichkeit geht, erkennt er die freiheitliche Grundordnung nicht an und müßte sofort suspendiert werden.

  59. ich halte im konkreten fall des j.k., aber auch generell nicht die berichterstattung der medien als solche oder in der art und weise für schädlich- m.a.w.: ich finde es nicht vorwerfbar, wenn über die verhaftung und den tatvorwurf berichtet wird, soweit dieser bekannt geworden ist. es werden allerdings relevante informationen unterschlagen, die für die meinungsbildung wichtig sind; namentlich z.b. die unschuldsvermutung mit einer vernünftigen darstellung ihres sinnes und der herkunft, warum ein auslandswohnsitz für sich genommen keine fluchtgefahr begründen kann und warum es gut vertretbar wäre, hier fluchtgefahr zu verneinen; dass pressemitteilungen oder informationsstreuung von staatsanwalten und polizei durchaus problematisch, weil ggf. unzulässig sind. dafür ist aber entweder ein maß an juristischem wissen erforderlich oder vernünftige recherche.

  60. Wieso verlogen. Die Welt lügt jetzt gerade in diesem Fall nicht. Sie zeig ihr wahres Gesicht, wie sie wirklich tickt.

    Nehmt euch das zu Herzen und ihr werdet die menschen mit anderen Augen sehen.

  61. @JO: Das Beispiel mit den Kindern und der roten Ampel ist super. Das ist ja auch meine These. Ich sehe allerdings die Twitterer, die hier im Blog aufgetaucht sind, als die Kinder. Diejenigen -also „Meinungsmacher“ und so-, die das mit den Sprüchen vormachen und dafür Erfolg, Liebe und Follower abbekommen, stehen hier nicht in der Kritik.

    @Stefan Niggemeier: Peter Viehrig hat meiner Meinung nach Recht, ein Dr. Schertz kann mit der Argumentation viel zu viel anfangen. Bei aller Kritik kann man es auch mal anders sehen. Wir erfahren davon, wenn ein (durchaus auch unbequemer) Moderator in U-Haft kommt. Es gibt Länder, da läuft das anders. So zu tun, als sei die Entscheidung für/gegen Berichterstattung sooo einfach mit „nein“ zu beantworten, halte ich für in vielerlei Hinsicht schwierig.

  62. Kai Gniffke übrigens, schreibt im Tagesschau-Blog, man habe „um das Thema gerungen“. Das heißt nichts anderes, als dass es auch in der Tagesschau Stimmen gab, die nicht von vornherein gegen das Thema waren. Dass die Tagesschau das Thema nicht gemacht hat, ist ok – aber das „Ringen“ um das Thema zeigt deutlich, dass es bei Weitem nicht so einfach ist.

  63. @ 2. (eeeeeee)

    „Die Journalisten könnten den angerichteten Schaden leicht beheben, indem sie einfach seine Unschuld entsprechend laut berichten.“

    Das geht mir aber nicht weit genug: Medien, die mit einer Vorverurteilung den wirtschaftlichen Untergang eines Menschen (oder Unternehmen) mitverursacht haben, sollten auch zu einer finanziellen Wiedergutmachung des Opfers beitragen müssen. Eine Rolle dabei spielen Reichweite und Ertrag der einzelnen Medien, die vorverurteilt bzw. geschädigt haben. Danach ließe sich die Höhe des zu leistenden Schadenersatzes berechnen.

    Gäbe es solche fairen Wiedergutmachungs-Regeln, würden sich alle Redaktionen ihre Artikel 3 Mal ansehen, bevor sie veröffentlicht werden. Schön wärs …

    Leider zählt nur Auflage und Profit, weil die zu erwartenden Strafen lächerlich sind. Die Schadenersatz- und Schmerzensgeldregelungen für Medienopfer gehören dringend überarbeitet. Und jetzt sollte jeder Journalist, bevor er mich kritisiert, mal durchspielen, wie es ihm erginge, wenn er einmal in die Mühlen des unseriösen Journalismus gerät, dabei Haus, Hof, Ansehen und Existenz verliert …

  64. nein, polanski hatte nicht nur „Geschlechtsverkehr mit einem 13-jährigen Mädchen“, er hat sie unter dorgen gesetzt und anal und vaginal vergewaltigt. herrn niggemeiers harmlose formulierung finde ich im zuge dieser diskussion bezeichnend. so sind nicht etwa geschmacklose tweets über kachelmann das größere übel, sondern geschmacklose tweets über vergewaltigungen.

    die unschuldsvermutung muss gewahrt bleiben, auch wenn die medien anders funktionieren. dennoch: eine „vorfreisprechung“ a la „kachelmann ist ein netter typ, der macht so etwas nicht. außerdem war sie seine lebensgefährtin, dann kann es ja so schlimm nicht gewesen sein.“ finde ich mindestens ebenso verheerend.

  65. Habe ich die meisten Kommentatoren jetzt richtig verstanden: Ich haue ’ne Anzeige über irgendeine echte Schweinetat gegen jeden einzelnen von Ihnen raus und sorge dann dafür, dass der eine oder andere etwas geschwätzige Staatsdiener bekannt macht, dass der oder jener wegen des Verdachtes auf eine Schweinetat untersucht wird. Und das ist dann vollkommen i.O. Egal, was davon stimmt, egal wie schwierig es die Arbeit von Staatsanwaltschaft, Verteidigung und Gericht macht. Egal, wie problematisch die Rehabilitation/Wiedereingliederung wird.

    Manches mal mag es unserem gesunden Volksempfinden seltsam vorkommen, dass auch Täter und noch mehr potenzielle Täter Rechte haben, was aber nichts daran ändert, dass es so ist. Was genau ist denn der Schaden für die Öffentlichkeit, wenn Herr K. mal einige Tage nicht vor der Kamera zu sehen ist? Wo genau schadet es denn, wenn wir erst nach einigen Wochen erfahren, dass Herr K. Schwierigkeiten mit der Justiz hat? Vor was müsste die Öffentlichkeit im Fall K. eigentlich geschützt werden, um die Berichterstattung zu rechtfertigen? Inwieweit steht der Verdacht einer Tat im Widerspruch zu Herrn K.’s öffentlichem Auftreten [seiner Persona]?

    Die bisher bekannt gewordenen Fakten lassen keinerlei Schlüsse auf die Tat, ihre Folgen oder den Charakter Herrn K.’s oder der anzeigenden Dame zu. Die Häme, die aus vielen Artikeln, Kommentaren und Tweets trieft, beweist, dass es hier gar nicht um die Tatsachen geht. Hier wollen einige einfach nur ihren inneren Schweinehund mal richtig von der Kette lassen.

    Josef K. musste sich wenigstens nur mit Bürokraten rumschlagen.

  66. ich bin ganz bei #52 (Sebastian) und #66 (Jens Meyer-Wellmann).
    Wenn die Verhaftung in der Öffentlichkeit erfolgt, gibt es sowieso keine Möglichkeit, das „geheim“ zu halten. Damit lässt sich dann auch eine Berichterstattung der Medien nicht mehr verhindern. Herr Kachelmann wurde am Flughafen festgenommen. So was bekommt immer irgendjemand mit, und der steckt das dann halt den Medien.

    Ich wäre daher dafür, dass die Polizei generell versuchen sollte, ihre Festnahmen so unauffällig wie möglich durchzuführen, und zwar zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten, egal ob er/sie nun „prominent“ ist, oder nicht.

    Was natürlich nicht sein darf, ist, dass Justizangestellte oder Staatsanwälte plaudern. Da bin ich für drakonische Maßnahmen.

    @Stefan,#67:

    zu 1) da bin ich anderer Meinung. Nehmen wir mal an, es wird vor Gericht bewiesen, dass Kachelmann unschuldig ist. Warum sollte dann das Publikum etwas dagegen haben, dass er weiterhin das Wetter ansagt ? Nicht das Publikum entscheidet, ob Kachelmann seinen Job weiter machen kann, sondern sein Arbeitgeber.
    Darüber hinaus: niemand kann doch ernsthaft behaupten, die Quote der Tagesschau könnte Schaden nehmen, weil sie einen
    Unschuldigen beschäftigen. Ich glaube vielmehr, die Reputation der
    Sendung würde eher noch steigen, ob eines solchen Vertrauensbeweises für Herrn Kachelmann. Man könnte sogar argumentieren, dass die ARD als Anstalt des ÖR eine Verpflichtung hat, Kachelmann nach einem Freispruch weiter zu beschäftigen.

    Sagst du ja auch selbst: „es kann es doch nicht sein, dass die Rehabilitation eines Verdächtigen davon abhängt, wie sympathisch das Volk ihn findet?!“
    Stimmt. Kann es nicht. Sollte Kachelmann unschuldig sein, ist die ARD in der Pflicht.

    zu 2) mit „Gesicht“ bezog ich mich eher auf seine Tätigkeit als Moderator diverser Unterhaltungsformate. Das ist für mich was anderes als wenn man, wie Kachelmann, lediglich eine technische Dienstleistung wie den Wetterbericht erbringt. Klar, Kachelmann
    steht auch selbst vor der Kamera und sagt das Wetter an, aber
    im Zweifelsfall könnte das auch jemand anders von Meteomedia tun.

    zu 3) habe ich ja auch nicht bestritten. Keine Ahnung, warum der Boulevard bei Türck so aggressiv gegen ihn war, und sich bei
    Kachelmann so zurück hält. Lobby ? Höhere gefühlte Sympathiewerte bei Kachelmann ?

    In jedem Fall aber sollten die Medien das Recht haben, sachlich richtig und unvoreingenommen zu berichten. Wenn Sie das bei RA Schertz ./. Schälike fordern, können Sie da bei Kachelmann kaum eine Ausnahme machen. Entweder alle, oder keiner.

    Die Menschen auf der Straße ( um mal ein absolutes Klischee zu bemühen ) bilden sich ihre Meinung sowieso selbst, egal was SZ, FAZ, Spiegel, oder BILD schreiben. Wer Kachelmann, aus welchen absurden subjektiven Gründen auch imer, eine solche Tat zutraut, interessiert sich doch gar nicht für „wahrheitsgemäße Berichterstattung“.

    Wenn Sie das verhindern wollen, müssten Sie alle Handlungen der Justizorgane und der Polizei generell geheim halten, und das erlaubt die Rechtslage nicht, von den praktischen Erwägungen mal abgesehen.

  67. „Die Menschen auf der Straße (um mal ein absolutes Klischee zu bemühen) bilden sich ihre Meinung sowieso selbst, egal was SZ, FAZ, Spiegel, oder BILD schreiben. “

    Schön wär’s. Die Realität ist wohl leider eine andere.

  68. Die plaudernden Beamten können ruhig einen auf den Sack bekommen, das sehe ich auch so. Aber ich tu mir schwer, aus dem Fall so viel grundsätzlich Negatives herzuleiten. Es gibt nicht umsonst auch offizielle Vorschriften und Anweisungen für Behörden, die festlegen, wann die Medien/Öffentlichkeit unterrichtet werden sollen/müssen, wie und wann Medienanfragen wahrheitsgemäß beantwortet werden usw. (Ja, Medien haben im Gegenzug auch Pflichten, keine Frage). Das hat aber auch mit Rechtsstaat zu tun, genau wie die Unschuldsvermutung (die selbstverständlich in jedem Fall hochzuhalten ist).

    Wie genau sähen die Pläne aus, Informanten/Maulwürfe zu ermitteln, wenn sie nicht wie hier offenbar bekannt sind, jedenfalls die, die „Kachelmann“ bestätigt haben. Eine Vorratsdatenspeicherung und einfacheren Zugriff bei undichten Stellen bräuchte man, weniger Informantenschutz und überhaupt..!? Nicht wirklich, oder?

    Dass Medien verantwortungsvoll mit solchen Themen umgehen müssen: richtig. Ob es verantwortungsvoll ist, deshalb (ob sie es im Fall Kachelmann nun tun oder nicht, ich finde: sie tun es) gewissen Anwälten und gar den Feinden des Rechtsstaats in die Hände zu argumentieren, ja den Eindruck zu erwecken, als sei Pressefreiheit der Ursprung allen Übels, sei mal dahingestellt.

  69. Hm,
    der Fall Polanski liegt nicht ganz so klar, wie es scheint. Ohne den Mann verteidigen zu wollen; es gab seinerzeit einen Deal mit Staatsanwaltschaft, weswegen er gestanden hat und er ist geflohen weil der Richter ankündigte sich nicht an diesen Deal zu halten.
    Nimmt man es genau, dann steht aufgrund dieses Systems nicht einmal seine Schuld fest.

    @#80: Es stellt sich doch die Frage, wie berichtet wird. Eine reine Information ist eine Sache, aber sobald hier schon „Experten“ befragt werden… Und nein, die Polizei sollte sich mE nicht auch noch darum kümmern, ihre Festnahmen zu verstecken. Das führt zu einer Verkomplizierung der Sache, die nur noch mehr Medieninteresse bewirkt.

  70. Wobei das Unheil durch die seltsame Begründung der „Fluchtgefahr“ und damit U-Haft begann.
    Ein bekannter Schweizer, dessen Arbeitsmittelpunkt in Deutschland ist und der freiwillig einen Flug von Kanada über Deutschland in die Schweiz bucht ist wohl eher nicht fluchtgefährdet.
    Siehe auch lawblog

  71. Ist ein solcher Vorgang nicht der Verantwortung aller in Teilstücken geschuldet? Mit Sicherheit wird es genug vernünftig denkende Menschen geben die sich sagen: „Ist seine Unschuld erwiesen, ist er unschuldig.“. Die Schlagmedien berieseln tagtäglich die breite Masse – diese wird gar kein Interesse haben, sich èn Detail mit den wahren Fakten zu beschäftigen. Eigentlich funktioniert Deutschland wie ein großes Dorf:

    – „Du, der Kachelmann soll eine Frau belästigt haben…“
    – „Du, der Kachelmann soll eine Frau vergewaltigt haben…“
    – „Du, der Kachelmann hat eine Frau vergewaltigt…“
    – „Du, der Kachelmann ist ein perverser Vergewaltiger, Drecksau…“

    So oder so ähnlich funktioniert der „Landfunk“ in jedem kleineren Dorf. Die Wahrheit will man gar nicht wissen, man will mitreden, sich wichtig machen, vielleicht was dazu erfinden. Welche schädigende Auswirkungen das haben kann: Durfte ich selbst erleben.

    Einmal im Monat bin ich vor vielen, vielen Jahren mit meiner Lebenspartnerin ins Casino gefahren. Unser maximales Limit: 50 D-Mark. Darin enthalten: Spritgeld, Verpflegung, Nikotinversorgung. Wir hatten einfach Freude an der Beobachtung der ganzen Rentner vor den Bingo-Automaten und haben selbst vielleicht maximal 5 oder 10 D-Mark eingesetzt – das war es dann auch.

    Eines Abends besuchte der Kegelverein aus meinem damaligen Heimatort das Casino, mehrere Mitglieder erkannten mich, da ich zu diesem Zeitpunkt auch ein Ladenlokal im Dorf betrieben habe. Als ich den Laden 3 Monate später aufgegeben habe, konnte ich folgenden Tratschverlauf anhand von Aussagen der peinlich berührten Tratschmäuler rekonstruieren:

    – Kegelvereinsmitglied meinte: Der geht ja auch ins Casino!
    – Weitererzählung: „Der geht regelmässig ins Casino!“
    – Weitergabe: „Der ist spielsüchtig!“
    – Endfazit: „Der hat seinen Laden im Casino verspielt!“

    Hängen bleibt nur das Ergebnis, jede Form der Verteidigung wird als Selbstanklage gewertet, getreu dem Motto: „An seiner Stelle würde ich auch nichts anderes sagen!“.

    Bleibt als Fazit:

    Wir müssen uns allesamt an die eigene Nase fassen und erst einmal abwarten. Abwarten, was ein Verfahren ans Tageslicht bringt. Und die Medien? Die sollten so manches Mal sachlicher berichten, dann abwarten, dann wieder sachlich Ergebnisse präsentieren. Oder es mal andersherum probieren:

    Erst sachlich dezent eine Meldung:

    „Jörg Kachelmann in U-Haft, Verdacht auf Vergewaltigung!“

    Dann erst mal nichts… abwarten… und dann die großen Schlagzeilen im Falle der Unschuld. Titelseite Bild, Aufmacher in Nachrichtensendungen, Kachelmann in Talkshows. Aber ich befürchte: Da wir alle nur Menschen sind, wird das so nie funktionieren….

  72. @ Stefan Niggemeier

    Selbstverständlich hat ein Opfer ein Anrecht auf eine Berichterstattung – nach einem Prozess, wenn ein Täter festgestellt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt muss eine neutralen Berichterstattung über den Prozess stattfinden. Wenn man schon darüber berichtet, gehört für mich die Stellungnahme der Anklägerin genauso dazu wie die des Angeklagten.

    Im Fall von Herrn Kachelmann heißt das, dass so lange die Anklage läuft der Anwalt der Anklägerin und des Angeklagten dazu Stellung nehmen – für mein Gefühl die beste Wahl. Ob sich Herr Kachelmann oder die Frau dazu persönlich dazu äußern wollen oder (schlimmsten Falls) dazu genötigt werden, steht selbstverständlich auf einem anderen Blatt. Ich würde beiden raten: tut es nicht!

    Spekulationen über den Wahrheitsgehalt der Äußerungen und die Persönlichkeit beider Seiten müssen in Berichten unter allen Umständen unterlassen werden. Grund sind hierbei die von mir bereits angesprochenen Opfer von Gewalttaten bzw. Verleumdungskampagnen, die über solches Gerede über die eigentliche Tat hinaus beleidigt, verletzt und beschädigt werden. Nur hierdurch wird eine Schmutzkampagne in Gang gesetzt.

  73. @Xaerdys: Hier wird gefordert, dass „die“ Medien (auch die, die ohne Möchtegern-Experten arbeiten) auch nicht sachlich und unter Verweis auf die Unschuldsvermutung im Fall Kachelmann berichten dürfen sollen, weil es die Bevölkerung immer als Vorverurteilung begreife. Es wird also eine große Verantwortung über den Inhalt der Berichterstattung hinaus gefordert. Ok.

    Dann kann man aber auch sagen, dass man Verantwortung übernehmen muss für das, was die Kritik an der Berichterstattung auslösen kann. Nämlich, dass diese als etwas per se Negatives empfunden wird und verkannt wird, dass das Ganze eine sehr schmale Gratwanderung ist. Anderswo wäre man froh, Verhaftungen kämen an die Öffentlichkeit.

    Ich behaupte damit nicht, dass diejenigen, die in diesem Fall Kachelmann ausgeplaudert haben, besonders vorbildlich gehandelt haben. Aber es behauptet ja auch niemand, dass Kachelmann Täter ist. Sehr wohl behaupte ich aber, dass es ein kurzer Weg ist zwischen der berechtigten Kritik und dem Geschäftsmodell einschlägiger Anwälte.

    Die Kritiker tragen ihrer eigenen Logik folgend dann auch weitergehende Verantwortung dahingehend, dass ihre Worte zum Beispiel in diesen Kreisen anders begriffen und ausgelegt werden, als sie gemeint sind und ihre Tätigkeit von vielen mit ehrenwerter Arbeit verwechselt wird. Wer würde ernsthaft fordern, dass man eine Persönlichkeitsrechtsverletzung von „Bild“ nicht anprangern darf, weil bestimmte Anwälte damit, oder vielleicht mit dem Thema als Vorwand, ihr Geld verdienen?

  74. @Dirk (Szenario von @B.Schuss)
    „Das heißt nur, dass die Rückkehr in seinen Beruf problematisch wird, falls er verurteilt wird“

    Nein, es ist auch problematisch, wenn die Unschuld nicht bewiesen wird. Auch ohne Verurteilung. Also wenn genau der Zustand des Informationshalbwissens bestehen bleibt, der jetzt herrscht:
    Es besteht ein Verdacht. Der kann stimmen („mit hoher Wahrscheinlichkeit“), kann aber auch frei erfunden sein.
    Ich gehe davon aus, dass dieser Zustand sich nach dem Verfahren nicht ändern wird. Es werden ein paar dreckige Details dazukommen, von denen man auch nicht beweisen kann, ob wahr oder erfunden.

    Eine Berichterstattung halte ich immer dann für gerechtfertigt, wenn der Tatvorwurf etwas mit der Arbeit zu tun hat. Erfundene Wetterdaten um die Quote zu steigern. Bei Politikerinnen und Priestern kann das dann schon deutlich mehr sein. Das liegt hier aber nun wirklich nicht vor.

  75. @5zjunge: Oder wenn der Tatvorwurf etwas damit zu tun hat, wie sich jemand in der Öffentlichkeit präsentiert. Kachelmann hat sich in seinem Status als Prominenter für Aktionen gegen häusliche Gewalt eingesetzt. Jedenfalls berichten das „die“ Medien und bringen entsprechendes Archiv-Fotomaterial.

  76. gestern war irgendwo eine anwältin in robe und schwadronierte so vor sich hin, dass in bestimmten situationen bla bla bla der vorwurf der vergewaltigung auch vom opfer benutzt worden sein könnte bla bla bla und es eigentlich doch ganz anders gewesen ist, wie sich dann später herausstellen würde.

    das schlimme an dieser angelegenheit ist tatsächlich, dass sowohl kachelmann erheblich geschadet wird aber auch der im zusammenhang mit der person kachelmann erhobene vorwurf als so unglaublich hingestellt wird, dass der opfer-vortrag schon vorab in zweifel gezogen wird.
    total irre, was in den medien abgeht.
    mich hat eigentlich nur noch überrascht, dass kachelmann am samstag verhaftet wurde und nicht montag morgen.

  77. Beim Verfolgen der Debatte, über die Berichterstattung in Sachen Jörg Kachelmann, ist mal wieder fein zu beobachten, in wie fern das technische Wesen von Medienkanälen eine Rückkopplung auf die Inhalte erzeugt. Wir lassen uns durch die Zeichenbegrenzung bei Twitter, oder in den Facebook-Statusmeldungen, zu Hobby-Stand-Uppern erziehen: Jeder Spruch eine Punchline, „gelernt“ bei „Bild“ und anderen Boulevardblättern mit der Rubrik „Die besten Sprüche von…“. Und der vermeintliche Zwang zum Vollpumpen des Netzes, mit immer mehr vermeintlichen Meldungen, in immer kürzerer Taktung, tut sein Übriges. Da man nicht davon ausgehen kann, dass sich Medien, bzw. ihre Macher, in ihrer Atemlosigkeit –und den damit verbundenen Schludrigkeiten, Unverantwortlichkeiten und den ganzen anderen Fischabfällen- bremsen werden, kann man sich in so fern eigentlich nur selbst schützen: Nicht alles lesen, hören, gucken und nicht nach jeder Sensationsmeldung schnappen, wie der sprichwörtliche „Pawlowsche Hund“.

  78. @ Westentaschen-Beobachter

    Schön, dass wir uns da verstehen. Jedoch habe ich ein Problem. Sollte man wirklich einen ARD-Moderator wie Dennis Willms als Kind ansehen? Ich tue mich damit mehr als nur schwer, wenn jemand vor der Kamera allen die Welt erklärt und selbst eine solche Haltung besitzt.

    Sein Tweed zu dieser Diskussion, 11:31 AM Mar 22nd via web:
    Niggemeier macht auf Moralist und bekämpft die Dynamik, der er seine Brötchen verdankt. Wer Twitter journalistisch betrachtet amüsiert mich.

    Haha?

  79. JO, wenn Sie den Unterschied zwischen einem Moderator bei der ARD und einem Twitter-User mit 30 Followern (von denen bestimmt 20 Bots sind) nicht erkennen können, sind Sie glaube ich in der Diskussion fehl am Platze…

  80. @ Sebastian

    … und wenn Sie den Unterschied zwischen einem nicht öffentlich zugänglichem, privatem Gespräch und einem öffentlichen, per google auffindbaren schriftlichen Verkehr, der für jedermann zugänglich ist und darum einer anderen Gesetz- und Gerichtsfähigkeit fällt, nicht begreifen, sind Sie es wohl …

  81. Ich meine, es gibt wesentliche Unterschiede in der Angelegeneheit Türck und der von Herrn Kachelmann.

    Bei Herrn Türck wurde die Redeweise, beim Journalismus handle es sich um die 4. Gewalt, radikalst ausgenutzt. Herr Türck, der damals eine Jugendmusiksendung moderierte, wurde in der Berichterstattung immer wieder latent als arrogant und heimtückisch dargestellt. So, wie das einen Sensationspresseleser befriedigt. Mir scheint das so aggressiv bei Herrn Kachelmann nicht der Fall zu sein. (Abgesehen davon ist der Verlust von Andreas Türck für die Außendarstellung des Fernsehens insgesamt ein herber Imageschaden.)

    Wenn sich die Angelegenheit von Herrn Kachelmann für alle Seiten gut klären lässt, sehe ich eigentlich kein Problem, dass er wieder das Wetter in der Tagesschau vorhersagt. Denkt irgendjemand, dass die Tagesschau-Quote wegen ihm sinkt? Wenn eine solche Klärung so nicht eintreten kann, wird das wohl anders aussehen. Letzteres würde sich aber für die ARD nur sachgerecht lösen lassen, wenn die Zuständigen bei den Öffis sich einer ethischen, nicht einer marktgerechten Diskussion stellen. Und das könnte noch sehr spannend werden.

  82. @48/Sven R
    Nein, das ist tatsächlich für mich kein Problem, weil selbst der notorische „Bild“-Leser längst nicht mehr alles glaubt, was in seinem Revolverblättchen so steht. Ich lebe insofern in einer anderen Welt, dass ich Kloaken vermeide zu besuchen und n-tv nicht für ein seriöses Medium halte. Und wenn der lawblog irgendetwas mutmasst ist das für mich auch nicht das Evangelium. Aber ich glaube, dass Stefan Niggemeier in einer anderen Welt lebt, obwohl sein Beitrag vollkommen unpräzise ist und eine Deutung dahingehend verweigert, dass er sich ebenso oft FÜR wie GEGEN eine Berichterstattung ausspricht.

    Ich glaube, dass es keines paternalistischen Schutzes braucht, um den so medieninkompetenten Bürger von jeder Form einer wie auch immer als Vorverurteilung empfundenen Berichterstattung zu bewahren und die Rechte eines Angeklagten bis zum Prozessende durch Verschluss zu konservieren. Um es deutlich zu machen: Ich kann nichts ehrenrühriges an einer Namensnennung erkennen, wenn es sich um eine Person handelt, die derart im Fokus der Öffentlichkeit steht.

    Das diese Form der Berichterstattung unabhängig vom Ausgang des Verfahrens der Person K. noch anheften wird, ist natürlich ebenfalls eine Tatsache. Das als „verlogen“ zu bezeichnen, ist pure Demagogie, weil es gesellschaftliche Abläufe leugnet (wie Peter Viehrig hervorgehoben hat). Außerdem hat der Promi von heute moralisch sauber bis ins letzte I-Tüpfelchen zu sein (das macht sie für mich in der Regel auch so uninteressant) – da ist jeder „Fleck“ auf der Weste hinderlich, zumal er in Zeiten von Google & Co. Immer präsent sein wird (Feuilleton-Rufmorddebatten haften den Protagonisten heute ebenfalls noch an). Im übrigen ist dies kein neues Phänomen: Für die Antisemiten Frankreichs war Dreyfus trotz erwiesener Unschuld ein Verräter.

    Ich frage mich, wo die Empörung von wegen Persönlichkeitsrechte im Fall Zumwinkel geblieben ist? Oder von mir aus auch Fritzl; der von einigen Medien heuchlerisch „F.“ genannt wurde, aber dann mit Bild. Herr Niggemeier betont doch, dass er jegliche persönliche Vorverurteilung ablehnt bzw. man dann zu schweigen habe. Gilt das eigentlich auch für persönliche Animositäten? Das heisst – bezogen auf dem Fall Zumwinkel: Weil Z. (Persönlichkeitsrechte!) politisch nicht genehm war oder dem Reporter einfach unsympathisch, bleibt eine Berichterstattung über die Berichterstattung aus? Was gilt denn nun? Der persönliche Kompass des Journalisten oder die möglichst objektive Sicht? Um den Beitrag über die Twitterer zu strapazieren: Die geschmacklosen Aphorismen des Kumpels Lobo sind okay, die von Möchtegern-Harald-Schmidts „unlustig“?

    Hier wird in den Kommentaren auf ein „nicht öffentliches Interesse“ der Fälle Kachelmann oder Käßmann hingewiesen. Beides sehe ich anders. Bei Frau Käßmann war es deswegen von öffentlichem Interesse, weil sie sich als moralische Instanz geriert hat und durch ihr Verhalten, was sie selbst als Fehlverhalten gesehen hat, moralische Integrität einbüsst. Das ist in diesem Fall sehr wohl von Interesse. Kachelmann ist ja nicht nur „Wetterfrosch“; er sitzt auch in Talkshowrunden als Gastgeber und ist omnipräsent. Wie lange soll eine Absenz mit falschen Aussagen aufrecht erhalten werden?

    In einer Parellelwelt ist die Unschuldsvermutung längst ein gestriges Relikt: im Sport. Dort wurde bei Indizien für Doping die Beweislastumkehr eingeführt. Der Beschuldigte hat zu belegen, dass er unschuldig ist. Das ist keine Welt, die ich möchte. Aber ich möchte auch nicht die klinisch saubere Welt einer Nicht-Berichterstattung, nur weil sich ein paar sogenannte Journalisten nicht an die Mindeststandards halten. Wohin das führen kann, vermag ich nicht zu denken.

    (PS: Der eigentliche Fall Kachelmann interessiert mich nicht. Mich interessieren die Affekte, die von der einen und der anderen Seite erzeugt werden und das Umgehen damit.)

  83. Kann mal jemand kurz die Stelle verlinken, an der Stefan schreibt, dass Lobos Tweets okay sind? Ich finde sie gerade nicht mehr.

    Oder heisst Nichtberichterstattung Zustimmung? Die Folgen, wenn man das Ganze zuende denkt, mag ich mir gar nicht ausmalen.

  84. Das ist doch gar nicht der Punkt.

    Der Punkt ist, dass krampfhaft Tweets gesucht werden, die man schön plakativ hinstellen kann, um sich drüber aufzuregen, und der Deutsche Web 2.0 Mann Nummero Uno, der den ganzen kleinen Lichtern vorlebt, wie Twitter genutzt zu sein hat, der bleibt unbehelligt.

    Klar, war nicht über Kachelmann was Herr Lobo gesagt hat, aber ist die Begründung da, dass es ja genügend schwarze Schafe gibt, dass man ruhig auf den anderen 99% Priestern rumhacken kann? Mehr noch – 2 Milliarden Menschen sind katholisch. Klar passt das nicht zum Thema aber trotzdem, wieder das Beispiel mit den Kindern und dem Über-Rot-Gehen der Vorbilder… wenn der Kerl mit dem roten Iro sich benehmen kann wie er will, warum wird ihm das nicht vorgehalten? Statt dessen reagiert man sich an Usern ab, deren Reichweite gleich Null ist, und konstruiert sich dann einen Krampf zurecht dass das ja alles öffentlich ist, während man anderswo damit argumentiert, dass die Notwendigkeit der Veröffentlichung doch bitte abzuwägen ist.

    Das passt doch alles hinten und vorne nicht.

  85. Herr Keuschnig,

    ich teile Ihr Interesse an Affekten, habe aber einen anderen Blick. Schauen wir uns die Affekte an, die im Fall Kachelmann wirksam sind. Sie sind so niedrig, dass sie hintenrum als „Pressefreiheit“ und „Recht der vierten Gewalt“ legitimiert werden müssen. Wir sprechen hier von kognitiver Dissonanz: Ich konstruiere mir eine schiefe, krumme Begründung für etwas, dass ich als wichtig und wohltuend für mich empfinde – aber eigentlich nicht darf. Schon diskutieren wir die Pressefreihiet, weil wir einen guten Grund brauchen, um uns Schaulustigkeit und Sensationsgier zum Zwecke der Selbsterhöhung zu erlauben.

    Konkret im Fall Kachelmann? Der als „netter Saubermann“ wahrgenommene Mensch hat vielleicht Dreck am Stecken – und darin erkennen wir uns alle wieder. Es ist das Dunkle auf der weißen Weste des Anderen. Wie wohltuend – der ist also gar nicht so nett, der ist auch mal scheiße. So wie ich. Es ist die gleiche Lust, mit der unsere Vorfahren Hexenverbrennungen bejubelt haben: Das eigene Böse, Dunkle „außen“ bekämpfen – statt es innen, in mir auch nur wahrzunehmen.

    Über Herrn Kachelmann wird jetzt berichtet, weil sich die Menschen da draußen wohl damit fühlen. Weil seine Schuld ihre Selbstwahrnehmung erträglicher macht. Punktum. Es ist eine Katalysatorhandlung der Masse. Und die funktioniert nur, wenn Schuld intern auch zugewiesen wird. Deshalb können wir alle klug über die Unschuldsvermutung debattieren – gefühlt aber hat der Mechanismus längst gegriffen: Ein anderer ist schuldig – und ich kann mich darüber erheben. Ich bin besser als der Saubermann. Das ist eine angenehme Erfahrung, eine interne, soziale Aufwertung ohne großen Aufwand. Und sowas ist sehr gefragt; grade, wenn gesellschaftliche Normen vor lauter Oberflächlichkeit ins Schlittern kommen.

    Die Frage ist also: Warum brauchen so viele Menschen im Land die Kachelmann-Geschichten dieser Welt?

  86. @Sebastian (107): Laut Keuschnig is es wohl ein Punkt: „Die geschmacklosen Aphorismen des Kumpels Lobo sind okay, die von Möchtegern-Harald-Schmidts „unlustig”?“

    Man soll ja nicht schon wieder ein Fass aufmachen, aber es wird unterstellt, dass Stefan alleine wegen persönlicher Beziehungen Lobo schont und dabei wird vergessen, dass der gestrige Bericht ja einen ganz anderen Kontext hatte, nämlich die Gruppendynamik und eben nicht den einzelenen Fehlspruch als solchen (oder gar die „persönlichen“ Beziehungen zu Kachelmann, hilfehilfe, da kommt man auch nicht mehr raus).

    Abgesehen davon, dass ich persönlich durchaus einen großen qualitativen Unterschied sehe zwischen Tweets über Institutionen und konkreten Einzelpersonen, beim Rest bin ich ja nach wie vor bei Dir. Ich fand das mit den Tweets auch unnötig (bis falsch). aber wie der Web 2.0 Mann Numero Uno hier in die Debatte reingepresst wird, finde ich mindestens genau so konstruiert.

  87. @107: Da musste niemand „krampfhaft“ suchen.

    @104: Deine Unschuld musst du nur vorweisen wenn eine Probe bei den Kontrollen durchfällt. Aber ich schätze zu spielst eher darauf an, dass ein Sportler ständig Kontrollen über sich ergehen lassen muss. Das ist der Verkehrsüberwachung recht ähnlich. Dort wirst du auch ständig kontrolliert – das ist aber noch keine Beweislastumkehr, die davon ausgeht das du schuldig bist und deine Unschuld beweisen musst, sondern einfach – schlimm genug – Überwachung.

  88. @Xaerdys, #84:

    verstecken muss die Polizei sicher nichts, aber es gibt durchaus die Möglichkeit, solche Festnahmen unauffällig durch zu führen. Im Fall Kachelmann hätte man z.B. bei seiner Ankunft einfach in Zivil am Gate stehen können. Keine Handschellen, einfach nur ein kurzes Gespräch, und dann ab in das neutrale Dienstfahrzeug. Man hätte auch warten können, bis Kachelmann im Hotel ist, o.ä.
    Wenn es sich nicht gerade um polizeibekannte gewalttätige Straftäter handelt, die ein „robustes“ Eingreifen erfordern, sollte es immer Möglichkeiten geben, die Sache „zivil“ abzuwickeln, ohne großes Aufsehen.

    Die Kritik an der U-Haft wurde ja schon deutlich genug dargelegt.

    @5zjunge, #91: das Problem mit der Unschuld ist ja, man kann etwas, was man nicht getan hat, auch nicht beweisen. Hier steht Aussage gegen Aussage, und wenn Herr Kachelmann nicht z.B. beweisen kann, dass er sich zum Tatzeitpunkt gar nicht in Deutschland aufgehalten hat, wird es ihm schwer fallen, Entlastungsmaterial zu präsentieren. Dann hängt alles an den Aussagen der Gerichtsmediziner und der Glaubwürdigkeit des Opfers.
    Ggfs. wird er aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Ist das dann ein Beweis seiner Unschuld ? Oder heisst das bloß, er könnte es auch getan haben, man konnte nur nicht genug Beweise finden ?

    Darum sagte ich, es ist entscheidend, dass Kachelmann seine Unschuld beweisen kann. Juristisch mag es ausreichen, wenn man ihm keine Schuld nachweisen kann. Aber im Bild der Öffentlichkeit reicht das nicht. Stehen solche Vorwürfe erst mal im Raum, sind Freisprüche aus Mangel an Beweisen oft nur Freisprüche zweiter Klasse.

  89. @Stefan Niggemeier: Ein trauriges Beispiel, das bestimmt niemand -ich zumindest nicht- verteidigt.

    Aber wenn solche Beispiele als echte Gründe für eine ziemlich starke Forderung herhalten müssen, dann fordere ich jetzt die Einstellung Ihrer Arbeit als Medienjournalist, wenn andere (Beispiele kennen Sie sicher selbst genug) in diesem Metier Unsinn verzapfen.
    Immerhin leiden da Menschen drunter, wenn über sie falsch, unzureichend oder sonstwie berichtet wird. So lange Branchendienste und Medienportale wie dieses eine oder dieses andere Bekanntere frei herumlaufen, bin ich strikt gegen Medienberichterstattung.

    Die Berichterstattung in dem genannten Fall und in ähnlichen ist zu kritisieren, wenn sie sich nicht an die Spielregeln hält. Das ist aber meiner Meinung nach auch alles. Verantwortung ist sicher wichtig. Aber bis nach der Methode (dieses und jenes gar nicht berichten oder zurückhalten) ein Niveau erreicht sein wird, auf dem niemand mehr etwas kaputt machen kann, muss noch viel „verboten“ werden. Ich schätze nicht, dass das eigentlich ihre Position ist, erst recht nicht wenn ich die Einträge zu Schertz aktuell lese. Dennoch schäumt das Blogposting so sehr, dass das der Eindruck ist, den man bekommt („Stefan Niggemeier weiß, was er sagt und der ist gegen die Medien“. Sollte das nicht so sein -ich nehme an, sie fordern einfach anständige Berichterstattung- unterschätzen sie nicht vielleicht auch ein wenig Ihre eigene Verantwortung? Möglicherweise?).

  90. @Gregor Keuschnig:

    „Aber ich möchte auch nicht die klinisch saubere Welt einer Nicht-Berichterstattung, nur weil sich ein paar sogenannte Journalisten nicht an die Mindeststandards halten. Wohin das führen kann, vermag ich nicht zu denken.“

    Genau.

  91. @Sebastian S. (#110)

    Nein ich bin der Ansicht dass alle anderen Twitterer genau so behandelt werden sollen wie Herr Lobo. Nämlich indem man irgendwann anfängt, mit den Augen zu rollen, und wenn man es nicht mehr hören kann ihm auf Twitter nicht mehr folgt.

    Beides habe ich getan, so ganz nebenbei. Kevin Smith würde mich für die Aussage jetzt auf Twitter bannen, ich wollte aber mitteilen dass wenn man sich den Scheiß von manchen Leuten nicht anhören will, man auch einfach weghören kann, und nicht ein „riesengroßes Fass“ aufmachen muss, nur weil manche Leute der Ansicht sind, sie müssten sich benehmen wie Schwei… Ferkel.

    Das ist aber auch so nicht der Punkt. Von mir aus diskutiert man über diese Tweets, dann macht man sich halt über „Diese(r) Idiot(en)“ lustig, ok, aber dann mit der Moralkeule zu schwingen im gleichen Atemzug wirkt doch ehrlich ungeschickt.

    Wenn sich der [W] wie Wissen Moderator seine Öffentlichkeits-Wirksamkeit vorwerfen lassen muss, dann doch sicherlich auch SN. Es ist aber wirklich nicht so, dass ich darüber jetzt _sauer_ wäre, MICH betrifft das ja alles nicht, es ist nur so dass hier so extrem alles aus einem ziemlich spitzen Winkel betrachtet wird, so wie man es selbst gerne hätte.

    Ich sehe einfach nicht, wie das mit den Regeln zusammen passt, die ich dachte dass sie hier immer angeprangert werden. Ich kann einfach nicht sehen, dass die sachlichen Berichte über den Herrn K. in irgendeiner Art und Weise gegen den Pressekodex verstoßen. Bisher wurde immer anhand dieses Kodex argumentiert und jetzt auf einmal reicht das nicht mehr – nein jetzt muss man noch weiter gehen.

    Natürlich habe ich noch den Beitrag hier im Blog in Erinnerung über den Vortrag in der Journalistenschule in München (?) glaub ich, wo es auch darum ging, ob man sich generell von den Folgen der eigenen Tätigkeit freisprechen sollte oder aber sein Tun abwägen muss als Journalist. Ich weiß, dass das alles aus Sicht von Stefan logisch ist. Ich kann es sehr gut nachvollziehen, was hier gemeint ist, was gefordert wird.

    Nur muss ich einfach vehement widerspreche. Meine Auffassung von Journalismus, der Ethik in diesem Beruf, geht wirklich NICHT so weit wie die von SN. Ich möchte gerne neutral informiert werden und mir selbst meine Meinung bilden. Der Missstand in Deutschland ist doch bitte ein ganz anderer – heimliches Sponsoring, Weasel-Words etc. etc. Ich sehe diese Art der Berichterstattung hier im Moment AUCH aber halt überwiegend sehr abgewogenes, neutrales Berichten über den Vorfall, hauptsächlich angeregt durch die Tatsache, dass ein schweizer Bürger in U-Haft genommen wurde, und das man sowas auch diskutieren kann.

    Den Rest bekomme ich gar nicht so mit, weil ich keine Schmierblätter lese.

  92. @105/Simon
    Woran wollen Sie das denn bemerken? Oder sind Ihnen Argumente, Thesen generell abstrus, wenn sie nicht in Ihren Mikrokosmos passen?

    @106/Sebastian S
    Das steht nirgendwo. Wenn Sie mein Elaborat gelesen haben würden Sie feststellen, dass es genau darum geht.

    @109/Christian
    Ich stimme Ihnen ja vollkommen zu. Aber die Frage Warum brauchen so viele Menschen im Land die Kachelmann-Geschichten dieser Welt? beantworten wir uns letztlich selber: Auch wir reden drüber, oder?

    @111/Strabo
    Hier steht: „Ein »von der Norm abweichendes« Ergebnis kommt einem Dopingvergehen gleich, während ein »auffälliges« Ergebnis (atypical finding), d.h. »ein Bericht eines Labors oder einer anderen von der WADA anerkannten Einrichtung, der weitere Untersuchungen gemäß dem internationalen Standard für Labors oder entsprechende technische Dokumente erfordert, bevor ein von der Norm abweichendes Analyseergebnis festgestellt wird«, entweder weitere Untersuchungen nach sich zieht oder aber als Indizienbeweis fungiert. Nach dem strict-liability-Grundsatz muss dann der Sportler nachweisen, dass er nicht gedopt hat, bzw. zeigen, wie die Substanz ohne eine Absicht der Leistungssteigerung in seinen Körper gelangt ist.“ – Das nenne ich – juristisch korrekt oder nicht – Beweislastumkehr.

  93. RTL Eilmeldung: „Kachelmann weiterhin in Haft“ (nach Haftprüfungstermin). Irgendwo geisterte heute schon herum, dass es sich gar nicht um einen Haftprüfungstermin gehandelt habe. Das fände ich in der Einzelbetrachtung(!) ggf. sehr kritikwürdig und was für S.N.

    Ansonsten Zustimmung @Sebastian.

  94. @116/Gregor Keuschnig –

    Aber ja reden wir drüber. Um unser Weltbild zu prüfen und idealerweise zu stabilisieren, bitteschön. Auf der Meta-Meta-Ebene benutzen wir Herrn Kachelmanns Fall ebenso zur eigenen Positionsverortung.

  95. 115, Sebastian:

    „Nein ich bin der Ansicht dass alle anderen Twitterer genau so behandelt werden sollen wie Herr Lobo.“

    Man kann da noch etwas mehr suchen, es findet sich bestimmt irgendwo noch ein prominenter Twitterer, der einen schlechten Witz macht und nicht von Stefan kritisiert wird. Und dass schlechte Witze von Herrn Lobo mit der aktuellen Pseudo-Witz-Masche in Sachen Kachelmann etwas zu tun haben sollen, ist schon arg kraus.

    Denken Sie ihre Haltung mal konsequent weiter. Demnächst möchten Sie vielleicht mal jemanden belangen, der sich auf der Autobahn Ihnen gegenüber fast gemeingefährlich verhalten hat. Ich höre schon den Polizisten fragen, ob Sie in jedem solchen Fall vorstellig werden – und wenn nicht, dann…

  96. Danke Stefan Niggemeier
    für diesen Beitrag… er spricht mir von der Seele.

    Vor kurzem im Radio:

    „In Schwetzingen live zugeschaltet unser Reporter X… Was gibt´s neues X?“

    Tja, in Schwetzingen kennt ihn fast keiner, er ist der große Unbekannte hier…
    Und wenn man die Leute hier zu den Vorwürfen befragt, sagen sie,
    dass es ja ein lieber Kerl sei dem man das nicht zutraue…
    Aber festlegen wollte sich dann doch keiner…

    „Vielen Dank X… wir halten sie natürlich weiter auf dem Laufenden…“

  97. @118/Christian
    Ja, genau. Ich fragte (frug) nur, warum man das nicht mit Zumwinkel, Fritzl, Marco Weiss oder ähnlichen Fällen gemacht hat – sondern Kachelmann als geprügelten Hund darstellt (was er definitiv nicht ist). Ein bisschen beschleicht mich der Verdacht, dass die Berichterstattung auf einen „Medienmann“ im weitesten Sinne als besonderer Angriff aufgefasst wird. Aber das wäre vielleicht ganz falsch.

  98. @Gregor Keuschnig #121:

    Ich weiß nicht mehr, was „man“ bei Zumwinkel machte, aber ich fand’s damals schon empörend einen vor laufender Kamera hauszudurchsuchen und zu verhaften. Denn kann man am Ende nur hart verurteilen. Ich habe das auch bestimmt irgendwo aufgeschrieben. Falls es Sie wirklich interessiert…

  99. @122/Sven R
    Die Suche auf diesem Blog nach „Zumwinkel“ bringt nur ein Resultat, was mit dem Fall direkt nichts zu tun hat. Das meinte ich. (Ich fand’s auch nicht besonders schlimm, nur merkwürdig, woher die ganzen Journalisten wussten, wann die Polizei bei ihm vor der Tür stand. Das fällt aber unter „Informantenschutz“ nehme ich an.)

  100. „Wenn das stimmt, wenn also schon die Berichterstattung über einen Verdacht gegen einen Prominenten sein Leben zwangsläufig zerstört, dann kann es daraus doch nur eine einzige Konsequenz geben: nicht über diesen Verdacht zu berichten.“

    Also eigentlich muss man grad bei Medien Botschaft und Sender trennen finde ich. Denn Medien sind hauptsächlich Sender und keine moralischen Institutionen die den verbreiteten Botschafter selber genügen müssen, anders etwa als die Kirchen. Finde ich jetzt.

    Zu Ende gedacht, dürfte man dann aber auch nicht, schon gar nicht mehrfach, drüber bloggen.

    Kachelmann ist eine öffentliche Person und lebt von seinem Saubermann Image, dass ausgerechnet er in so einen schrecklichen Verdacht gerät ist sehr nachrichtenwertig, zumindest in der Welt außerhalb des Elfenbeinturms des Moralisten.

  101. Stefan: Würde der Fall alleine zwei Personen betreffen, säße Kachelmann nicht in U-Haft. Es geht nicht um einen Beziehungsstreit, sondern um den Vorwurf eines Gewaltverbrechens.

    Zudem: welche Frage würde man jedem Journalisten stellen, wenn denn die Pressemeldung der Staatsanwaltschaft ohne Namen veröffentlicht?

    Bringen wir das in Dialogform:
    „Ein Moderator wurde verhaftet“
    „Welcher denn?“
    „Sei nicht so neugierig, das geht Dich nichts an“
    „Ist es Kachelmann? War er deshalb nicht im Fernsehen heute abend?“
    „Sag ich nicht. Niemand wird es verraten!“
    „Ich glaube, Du hast den Beruf verfehlt. Ich weiß es übrigens auch so.“

  102. jup.

    „Eine Informationspflicht hat, wenn ich ihn richtig verstehe, schon deshalb bestanden, weil sich Zuschauer, die die Dienstpläne von Meteomedia kennen, sich hätten wundern können, warum Kachelmann nicht den Wetterbericht macht.“ <– da ist ein "sich" zu viel drin. mir egal, aber dir vielleicht nicht. :)

  103. alter, was hängt ihr hier noch rum – noch nicht gesehen? die ersten bilder von kachelmann nach der festnahme!

    :>

  104. Entfernt erinnert mich die Geschichte an den Fall des Geschäftsführers eines großen Unternehmens unserer Stadt, der im Lokalmaßstab durchaus als prominent galt. Die Staatsanwaltschaft ermittelte gegen ihn, und wir beschlossen – auch gegen Widerstand aus unserem eigenen Haus – in den Zeitungsbeiträgen dazu NICHT seinen Namen zu nennen.
    Auch wenn sich später herausstellte, dass die Ermittlungen gegen ihn zu Recht eingeleitet worden waren, halte ich unsere Entscheidung bis heute für richtig.
    Journalisten können nun mal aufgrund ihrer Berichterstattung Biografien zerstören. Sich öfter in aller Bescheidenheit an diese Tatsache zu erinnern, dürfte auch im Fall des Wetter-Mannes nicht verkehrt sein.

  105. DANKE! Kurz und knapp formuliert. Die richtigen Punkte anvisiert. Geschmacklos wie die Presse mit einer in U-Haft sitzenden, „öffentlichen Person“ umgeht, sie vorverurteilt und einem verheerend verblödetem Volk auch noch die Möglichkeit bietet, völlig unzulängliche und mehrheitlich geschmacklose Kommentare veröffentlichen zu dürfen.

    Erinnert euch daran: Nicht schuldig, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.

    Darüberhinaus: falsche Berichterstattung soweit das Auge reicht (K.’s Partei spricht von einer Vernehmung und Bild/Welt/etc glauben dies als „Lüge zu entarnen“ – es sei eine Haftprüfung – zum Schluss war es das nicht, aber die Anschuldigungen gegen K’s Partei, sie würde lügen etc, wird schließlich auch nicht wieder gerade gerückt. Peinlich ist das.)

    Demontage einer öffentlichen Person. Auf Teufel komm raus. Das ist Deutschland, das ist die Presse.

  106. @rog: Aber Sie haben über den Fall berichtet. Gerade im Lokalen hat sich der Name des Betroffenen sicherlich spätestens ein paar Stunden später komplett im Erscheinungsgebiet rumgesprochen, oder?

    Im schlimmsten Fall haben Gartenzaun-Reporter aufgrund der NICHT-Nennung des Namens noch (unzutreffende) Gerüchte über irgendjemand Unbeteiligtes weiterverbreitet.

    Gut fürs Gewissen, den Namen nicht zu nennen, aber sinnvoll?

  107. @136: Berichtet haben wir, weil der Vorwurf lautete, es sei Geld aus der Firma für andere Zwecke abgezweigt worden. Da es sich um ein kommunales Unternehmen handelte, denke ich, es ist richtig, die Öffentlichkeit über die Ermittlungen zu informieren.

  108. @rog: Denke ich auch.

    Stefan Niggemeier wirft aber die Frage auf, wie weit die Verantwortung der Berichterstatter geht. Wenn man es ehrlich betrachtet, ist es doch ein bisschen scheinheilig, über „einen bekannten Unternehmer aus xy“ zu berichten, dessen Identität erfahrungsgemäß ohnehin schnell Stadtgespräch sein dürfte.

    Wenn man ausschließen will, dass -im Falle der Unschuld- nichts hängen bleibt – wie sähe die korrekte Form der (Nicht-?)Berichterstattung aus, @Stefan Niggemeier? Der Tatvorwurf „Knete abzwacken“ ist ja durchaus von öffentlichem Interesse, das sehe ich wie rog. Dennoch ist es bis zum Urteil Verdachtsberichterstattung, von der etwas hängen bleiben könnte. [S.N. zu K.: „(…) dann kann es daraus doch nur eine einzige Konsequenz geben: nicht über diesen Verdacht zu berichten.“]

  109. @138: Sie haben schon Recht, ein gewisses Problem bleibt dabei bestehen, weil wir ja nicht umhin kamen, den Namen des Unternehmens zu nennen.
    Ich tue ja auch nicht so, als hätte ich mich damals mit dieser Geschichte leicht getan; aber wir haben zumindest den Versuch unternommen, so zu berichten, dass klar wird: Es gibt bislang einen Verdacht, aber nicht mehr als eben diesen Verdacht.

  110. Nachtrag zu 139: Und uns war es aus diesem Grunde wichtig, nicht den Namen des Geschäftsführers zu nennen.

  111. @rog: Ich bin ganz Ihrer Meinung, ein ganz normaler Abwägungsprozess. Mich würde eher interessieren, wie Stefan Niggemeier -an Ihrer Stelle als Lokaljournalist- gehandelt hätte, ohne mit seiner eigenen Forderung in Konflikt zu geraten. Und wie groß seiner Meinung nach Ihre (Mit-)Verantwortung als Zeitung gewesen wäre, wäre der Unternehmer freigesprochen worden, aber „erledigt“ gewesen. Was ja nicht von vornherein auszuschließen ist; WENN man berichtet, besteht die Gefahr, auch wenn man ihn selbst nicht mit Namen nennt (gerade im Lokalen). Ein Geschäftsführer eines kommunalen Unternehmens, der im Verdacht steht, Kohle zu veruntreuen. Das Beispiel würde mich sehr interessieren.

  112. @Torsten: Schon die fiktive Frage „War er deshalb nicht im Fernsehen heute abend?“ zeigt, dass Du den impliziten Rechtfertigungshalbwahrheiten der Kollegen auf den Leim gegangen bist. Kachelmann ist nicht jeden Abend im Fernsehen. Anders als bei „Anne Will“, wo es auffällt, wenn Anne Will fehlt, hat er keineswegs immer Dienst. Anscheinend war er ja jetzt wochenlang in Kanada, ohne dass ihn jemand vermisst hätte. Schon daraus eine Rechtfertigung der Berichterstattung abzulesen, dass die Leute ja Fragen stellen würden, ist wirklich Quatsch.

    Und ich sage ja gar nicht, dass die Abwägung einfach wäre. Aber ich bestehe darauf, dass Journalisten diese Abwägung treffen müssen. Anders als es die Leute von „Meedia“ (besonders krass Georg Altrogge hier) und viele andere suggerieren, ist Journalismus etwas anderes als ein blinder Berichterstattungs-Automatismus. Ich habe etwas erfahren, deshalb muss ich es aufschreiben (…Beispiel Robert Enke: egal, wieviele Menschen sich deshalb mehr das Leben nehmen). Die Bild schreibt etwas, also muss ich es auch schreiben. Bei Twitter steht etwas, also muss es in meinem Medium auch stehen. — Nein, das ist kein Journalismus.

  113. In meiner Phantasie male ich mir etliche mögliche Szenarien, Drehbücher für den weiteren Verlauf der Kachelmann-Story aus. Spekulationen allesamt und ich will davon hier nichts schreiben

    Nur von der ekligsten Variante möchte ich erzählen. Ich sehe eine Kampagne „Bild ist gut. Bild kämpft für die Rehabilitierung von Jörg Kachelmann.“ Ja, ich sehe das „Bildhaft“ vor mir. K.D. und Mitarbeiter werden uns zeigen, dass sie alles können.

  114. @Stefan Niggemeier: Die Sache mit dem Dienstplan stimmt wohl, es ist ein schlechtes Argument, das überall angeführt wird.

    Andererseits widerspricht es dennoch aller Erfahrung, dass es lange ein „gut behütetes Geheimnis“ bleibt (ob man das gut findet oder nicht). Das muss ja nichtmal der Beamte sein, der geschickt von „Bild“ ausgequetscht wird, Kachelmann dürfte ein größeres Umfeld haben, vor dem es sich nicht vollständig verheimlichen lässt. Und die Kunst des Schweigens beherrschen viele Menschen ja nicht so richtig gut.

    Dass es für Medien „eine schwierige Abwägung“ ist, klingt gut. Viel besser als im ursprünglichen Blogposting, das irgendwie nur schwarz/weiß kennt.

  115. @Westentaschen-Beobachter: Schwarz-Weiß? Sie haben wirklich alle Konjunktive und Wenns in dem Eintrag überlesen? Ich formuliere nicht einmal, dass die Medien nicht hätten berichten dürfen, sondern nur, dass sie es meiner Meinung nach nicht hätten tun sollen.

    Sie (und einige andere) steigern sich mit zunehmender Kommentarfrequenz (ist eigentlich irgendwann wieder gut?) in etwas rein, was da gar nicht steht.

  116. Ok, ich korrigiere mich gerne: Hinter dem „Wenn“ wurde es sehr schwarz/weiß. Deshalb auch meine Frage in 141. Es würde mich (und möglicherweise andere auch) ehrlich sehr interessieren, wie Sie wohl abwägen würden und wo/wie weitgehend Sie die Verantwortung der Zeitung in dem Fall sehen (würden). Falls Sie sich dem Beispiel annehmen: Im Voraus vielen Dank. Und gute Nacht.

  117. Ich „konsumiere“ das Thema übrigens seit Montag nur über diese Webseite hier (und den einen NW-Artikel für den ich Zeit gefunden habe während ich warten musste). Ähnliches gilt für Twitter. Ich folge niemandem, der solche Witze gerissen hätte, deshalb war für mich das Phänomen auch gar nicht vorhanden.

    Vielleicht liegt es an mir, dass ich Stuss nicht mitbekomme. Mehr noch, ich bin dazu in der Lage, wegzuhören, wenn jemand anfängt, Schwachsinn zu fabulieren, den er/sie nicht mit Fakten hinterlegen kann.

    Von daher kann ich den Appell an die Journalisten verstehen, denn sie sind ja die Torwächter für die Leute, die’s nicht besser wissen (können). Auch das Argument „es kommt ja eh irgendwie raus“ halte ich für nicht angebracht.

    Nur wie gesagt, bei der Faktenlage finde ich ging nichts an einer Thematisierung vorbei. Die Argumentation ist sicherlich angebracht, nur ist der Fall einfach der falsche. Oder unglücklich gewählt.

    Denn im Moment ist ja noch nicht einmal abzusehen, ob K. überhaupt Schaden erleidet.

    Eins wollte ich aber noch anmerken: ich muss die ganze Zeit an Hubertus A. und Schaumkuss Karlheinz denken. Die wollten sich „nur“ bezüglich der negativen Wirkung von Presseberichten schützen. Für Anwalt S. gilt das Gleiche. Ist das Argument da, dass Juristerei grundsätzlich böse ist, und die Presse zu schützen? Musste über Hubertus wirklich berichtet werden? War da ein Schaden nicht auch abzusehen?

    Es ist wie gesagt diese andere Seite der Medaille, die an so vielen Beispielen hier aus dem Blog veranschaulicht werden kann. Mir klingeln einfach die ganze Zeit die Ohren…

  118. Manche Kommentare verschwinden hier schneller als die Staatsanwaltschaft erlaubt, z.B. dieser:

    148. Das wäre ja noch schöner, wenn die Medien über Kachelmann nichts berichten dürften, weil Kachelmann Gastautor auf diesem Blog war.

    — Kai Dickmann — 25. März 2010, 1:25 #

  119. 135, Marta:

    „Demontage einer öffentlichen Person. Auf Teufel komm raus. Das ist Deutschland, das ist die Presse.“

    Ich wäre versucht zu fragen, ob es außerhalb von Deutschland anders oder gar besser in ihrem Sinne läuft.

    Grundsätzlich kommt im Fall Kachelmann halt noch ins Spiel, dass der ihm gemachte Vorwurf ja auch vom moralischen wie strafrechtlichem Verständnis her weitaus schwerwiegender ist als z.B. Steuerhinterziehung.

    Aber ein Mann mit seiner Popularität kann sich faktisch und auch rechtlich, wenn er in U-Haft kommt, nicht mehr auf Schutz seiner Privatheit berufen. Das mag für einige bedauerlich sein, andere würden es als Zensur empfinden, wenn es nicht so wäre.

    Ich stimme Stefan Niggemeier zu, wenn er davon spricht, dass Journalisten das mit sich selbst ausmachen müssen, wie sie handeln. Das Argument „Die Bild hat es, also wir dann auch“ ist wirklich ärmlich.

    Typisch für unsere heutige Zeit ist, das die öffentliche Verarbeitung dieses Themas wieder eine gewisse Atemlosigkeit hat. Alle wollen am liebsten sofort alles wissen. Jeden Tag, so meinen manche Journalisten bzw. mehr noch deren Geldgeber, müsse etwas Neues zum Fall her. Daher auch die Gier nach Bildern, die – wie jetzt bei Kachelmann – null Informationswert besitzen.
    Der Vorteil daran ist, wenn es überhaupt einen gibt, dass vieles auch schnell wieder aus dem Focus gerät.
    Das wirklich Traurige an dem Fall ist, was aus der Liebe zweier Menschen geworden ist. Das ist vielleicht für manche hier banal, aber aus meiner Sicht bedeutsamer als das meiste Presse-oder Twittergedöns.

  120. #67

    Sicher eher nur ein Nebenschauplatz bei dem Thema: ich finde es erstaunlich, dass eine mögliche Vergewaltigung eine Sache sein soll, die „zunächst einmal nur zwei Menschen betrifft“. Es handelt sich dabei immerhin um ein Offizialdelikt, bei dem der Staatsanwalt im Verdachtsfall aus gutem Grund auch ohne Anzeige zu ermitteln hat, gegebenenfalls sogar gegen den Willen des Opfers. Es wird unabhängig vom Verhältnis zwischen Täter und Opfer ein gesellschaftliches Interesse an der Strafverfolgung unterstellt, und das, wie ich finde, zu recht.

  121. Die Herren, stimmen wir das Kommentatorenlied an:
    ♪ Wenn der Kopf aber doch ein Loch hat … ♪

  122. irgendwie erinnert mich das ganze an den enke-wether-artikel und die frage, ob die presse über ALLES berichten darf oder sogar muss, ganz gleich, welche konsequenzen sich daraus ergeben.

    die frage, ob es überhaupt realistisch sei, über einen solchen fall NICHT zu berichten, zeigt, dass es anscheinend als normal gilt, dass gefälligst über JEDEN promi zu berichten ist, was es neues über ihn gibt.
    ganz egal, welche positiven oder negativen konsequenzen sich dabei für ihn oder andere ergeben.

    ein vermeintliches opfer hat ein recht auf gerechtigkeit, ein potentiell unschuldiger aber auch.
    ein recht auf verdachtsberichterstattung sehe ich aber nicht.

    komischerweise wird sich in öffentlichen foren ständig aufgeregt, wenn von wissenschaftlichen studien berichtet wird, die vermuten, ein bestimmtes hormon KÖNNTE im zusammenhang mit übergewicht stehen (oder ähnliche thesen).
    da heißt es immer „schon wieder so eine studie ohne konkrete beweise!“.
    im fall der anklage eines prominenten will man aber anscheinend auch schon während der untersuchung, BEVOR fakten in form eines gerichtsurteils verkündet werden, ständig auf dem laufenden gehalten werden.

    nichts anderes als sensationsgier.

  123. Stefan: Die Kernfrage ist wohl: könnte man über den Fall nicht verantwortungsvoll berichten – ohne Heuchelei, Paparazzi-Methoden und dicke Schlagzeilen?

  124. ergänzung/korrektur:
    „enke-weRther“

    und:
    es würde doch völlig genügen, im falle eines schuldspruchs zu berichten „promi xy wurde heute vom dingensgericht schuldig gesprochen, dasunddas getan zu haben.“
    im nachgang könnte dann über die ermittlung, die zum schuldspruch geführt hätte, berichtet werden. damit wären alle allumfassend informiert.

    eine beinahe schon live-berichterstattung in echtzeit bliebe aber die befriedigung reiner sensationsgier.

  125. Nur, damit das mal klar wird: Jeder, der die aktuelle Kachelmann-Berichterstattung für wichtig hält, fühlt sich klammheimlich von gewalttätigem Sex angezogen oder ist sozial bzw. moralisch so verunsichert, dass er/sie sich über die Causa Kachelmann erhöhen oder stabilisieren kann.

    Die Mechanik dieser ganzen Geschichte funktioniert allein und ausschließlich durch eine stille Übereinkunft zwischen Sender und Empfänger: „Siehste wohl! Der alte Schmutzfink! Hoho, der hat aber Dreck am Stecken.“ Der Nachrichtenwert besteht genau in dem, was nicht geschrieben steht – der vorweggenommenen Verurteilung; der gemeinsamen Übereinkunft, der weiße Ritter habe dunkle Seiten. Und: „Das hamwa doch immer gewusst.“

    Wie das funktioniert, lässt sich hier in den Kommentaren wunderbar beobachten:
    [zitat]
    Kachelmann ist eine öffentliche Person und lebt von seinem Saubermann Image, dass ausgerechnet er in so einen schrecklichen Verdacht gerät ist sehr nachrichtenwertig, zumindest in der Welt außerhalb des Elfenbeinturms des Moralisten
    [/zitat]

    „Schrecklich“ ist nicht der Verdacht, sondern die (vermeintliche) Tat. In dem „schrecklich“ steckt hingegen schon alles drin, was an Vorverurteilung möglich ist – moralische Erhebung inklusive. Wenn ich die Schuld nicht vorwegnehme, kann nichts schrecklich sein. „Schrecklich“ ist nur möglich, wenn ich die Schuld vorwegnehme. Gleichzeitig verurteilt der Moralist die Moralisten im Elfenbeinturm, also alle, die über ihm stehen und auf ihn herabblicken könnten. Die Strategie ist altbekannt.

  126. @Christian: Der Pressekodex(!) spricht hinsichtlich der Abwägung ausdrücklich vom Tatvorwurf (der unter bestimmten Bedingungen ausreicht, um zu berichten, zum Beispiel wenn die Tat, für die jemand verdächtigt wird, im Gegensatz zu seinem Bild in der Öffentlichkeit steht).

  127. @159 Westentaschen-Beobachter

    Wer definiert denn Kachelmanns Bild in der Öffentlichkeit? Er selber? Die Öffentlichkeit?

    Und wenn er als Macho-Rauhbein gilt, dann darf man erst recht berichten? Oder gar nicht? Weils ja nicht im Gegensatz zu seinem Bild steht? Oder wie oder was?

  128. @158:
    Der Malleus Maleficarum – der Kodex der Inquisition, auch genannt der Hexenhammer – nannte als taugliches Mittel, magisch verderbte Frauen zu enttarnen, die Wasserprobe: Gehen sie unter, sind sie unschuldig. Bleiben sie an der Oberfläche, sind sie Hexen und sind zu verbrennen.

    Der „Hexenhammer“ war ein Abbild der damaligen Überzeugungen und Moralvorstellungen. Ähnliches gilt für den Pressekodex: Er ist eine zeitgenössische Wertorientierungstabelle. Mein Punkt sind aber nicht die aktuell gültigen Wertvorstellungen, sondern die Mechanismen hinter solchen – heute medialen – ja, sagen wir ruhig: Hexenverfolgungen.

  129. @ Christian

    Hexen waren nicht nur Frauen, sondern genauso gut auch Männer. Hinter ihrer Verfolgung lag meistens (in Deutschland) ein Machtkampf zwischen Kirche und Staat. Diesen Machtkampf sehe ich in diesem Fall nicht, da sich nun mal das Fernsehen gar nicht an den Pressekodex halten muss sondern an den Rundfunkrat. Wie man beim MDR bekommen dadurch Redakteure einen Rüffel, wenn sie über das Thema nicht berichten.

    Was ebenfalls bei der Diskussion hier abhanden kommt ist, dass beim Thema Vergewaltigung oft von Seiten des Täters Druck auf das Opfer ausgeübt wird um es zum Schweigen zu bringen: „Dir glaubt ja sowieso niemand!“, „Die wollte es ja doch so.“ Den Mut, den ein betroffenes Opfer aufbringen muss um eine Tat anzuzeigen und sich gegen mögliche gesellschaftliche Vorwürfe entgegenzustellen, ist enorm. Daher sollte die Berichterstattung auf genau dieses Phänomen Rücksicht nehmen und einfach den Abstand zu dem Prozess und den Personen suchen. Mehr als Warten auf einen Richterspruch kann zur Zeit nicht.

  130. Und der Preis für den unpassendsten Vergleich dieser Woche geht an *tätää tätää tätää* …. CHRISTIAN ….

  131. So langsam reicht es mir auch…

    Gerade bei „RTL Punkt 12“: Eine „Expertin“ für Körpersprache definiert einzelne Gesichtsausdrücke und Körperhaltungen Kachelmanns, der nach einem stundenlangen Verhör das Gericht verlassen hat. Warum trägt er welche Kleidung? Warum so schlunzig und kein Anzug? Warum ist der Bart abrasiert? Warum zieht er eine Schnute.

    Das kann doch alles nicht wahr sein… die „Expertin“ definiert hier irgendwas zwischen „könnte schuldig sein, muss aber nicht“. Und als Fazit der Sprecher: „Ob Kachelmann unschuldig ist oder nicht, muss das Gericht nun klären!“. Sicher doch… aber vorher definieren wir jedes Haarsträhne danach, ob es ein Anzeichen für Schuld sein könnte oder nicht.

    Wenn ich bisher RTL Punkt 12 lächerlich fand und zwischendurch peinlich: Inzwischen ist der Status eindeutig „abartig“.

    In diesem Sinne…

  132. @157/Christian
    Nur, damit das mal klar wird: Jeder, der die aktuelle Kachelmann-Berichterstattung für wichtig hält, fühlt sich klammheimlich von gewalttätigem Sex angezogen oder ist sozial bzw. moralisch so verunsichert, dass er/sie sich über die Causa Kachelmann erhöhen oder stabilisieren kann.
    Ich hoffe, dass ist ironisch gemeint. Ansonsten wäre es Unsinn. Ich fühle mich nämlich nicht als Apologet für Steuerhinterziehung wenn ich die Bilder von Herrn Zumwinkel sehe. Die wurden überall gebracht – ohne dass Herr Niggemeier oder andere in Empörung verfallen sind. Da war aber auch „nur“ ein „böser Unternehmer“ betroffen – der wird ganz schnell gezeigt. Wer hat denn hier bis zum „Schuldspruch“ gewartet?

    Selbst der Fall Enke war anders und pervertierte erst, als es Videos von der Unfallstelle gab. Die Berichterstattung an sich kann doch nicht unterbunden werden. Ich plädiere dafür, die Frage zu stellen, wie man diese Causa seriös berichten kann. Es zu unterdrücken, reizt doch die Bluthunde erst recht. Und die Äusserungen eines Dr. Gniffke sind doch eher peinlich.

  133. „Ich plädiere dafür, die Frage zu stellen, wie man diese Causa seriös berichten kann.“

    Ich auch, vermutlich ist der Ansatz aber zu konstruktiv ;-)

  134. @Westentaschen-Beobachter

    Sie beantworten die Frage nicht. Wer definiert Ihn als Saubermann? Und wenn er kein Saubermann wäre, dürfte man…ja was?…erst recht berichten oder doch eher nicht?

  135. @ Gregor Keuschnig

    Ich plädiere dafür, die Frage zu stellen, wie man diese Causa seriös berichten kann.“

    Ich bin für: gar nicht! So lange nichts Entscheidendes passiert kann man mal über den Frühling berichten oder die anstehende Grundgesetzänderung. Wäre ja auch mal was. Ansonsten: einfach am Gericht und den Anwälten orientieren und sämtlich Hintergrundberichte sein lassen! Punkt.

  136. „Ich frage mich, wo die Empörung von wegen Persönlichkeitsrechte im Fall Zumwinkel geblieben ist?“ Gregor Keuschnig, 24.3., 13:53

    „Ich fragte (frug) nur, warum man das nicht mit Zumwinkel, Fritzl, Marco Weiss oder ähnlichen Fällen gemacht hat – sondern Kachelmann als geprügelten Hund darstellt (was er definitiv nicht ist).“ Gregor Keuschnig, 24.3., 16:06

    „Die Suche auf diesem Blog nach „Zumwinkel” bringt nur ein Resultat, was mit dem Fall direkt nichts zu tun hat. Das meinte ich.“ Gregor Keuschnig, 24.3., 18:24

    „Ich fühle mich nämlich nicht als Apologet für Steuerhinterziehung wenn ich die Bilder von Herrn Zumwinkel sehe. Die wurden überall gebracht – ohne dass Herr Niggemeier oder andere in Empörung verfallen sind.“ Gregor Keuschnig, 25.3., 12:05

    Kann ich irgendwas tun, dass Sie nicht jedesmal, wenn Sie sich diese Frage stellen, hier einen Kommentar abgeben?

  137. @Linus, #167:

    naja, dass Kachelmann in der Öffentlichkeit steht, wird niemand leugnen können. Dadurch ergibt sich eine gewisse Prominenz.

    Diese hat er soweit ich weiss u.a. dafür verwendet sich gegen häusliche Gewalt einzusetzen, worüber die Medien natürlich berichtet haben. Ich weiss nun nicht, ob das allein schon für ein „Saubermann-Image“ ( der Begriff ist sowieso konstruiert ) ausreicht, aber es geht zumindest in diese Richtung.

    In dem Zusammenhang kann man dann durchaus argumentieren, dass der Tatvorwurf der Vergewaltigung in deutlichem Gegensatz zu der bisherigen Wahrnehmung seiner Person steht, und daher berichtenswert ist.

    Wie tendenziös, und in welchem Ausmaß, muss natürlich jedes Medium für sich entscheiden.

    Ansonsten schliesse ich mich Hansi in #164 an…^^

  138. Ich finde das als Begründung auch unwesentlich – Saubermann-Image hin oder her.

    Ich finde die U-Haft reicht hingegen definitiv dazu, dass man darüber berichtet. Eine Person der Zeitgeschichte wird verhaftet und ins Gefängnis gesteckt sollte doch wohl ausreichen, diesen Umstand ohne jede Wertung in einem Bericht – von mir aus auch auf der Titelseite – zu erwähnen, und ggf. auch den Fall Türck dabei zu nennen.

    Auch weitere wichtige Termine des weiteren Vorgangs können meiner Ansicht nach Erwähnung finden, wie Haftprüfungstermine et cetera, so lange diese Berichte sachlich bleiben. Bei weiteren Fragen zum Thema würde ich mir Aussagen dazu wie im Lawblog wünschen – was bedeutet das, warum macht man eventuell diesen Schritt oder nicht jenen, genau wie Udo Vetter das getan hat.

    Das kann meiner Ansicht nach nicht zu viel sein.

  139. @Stefan: nun, da fällt mir auf Anhieb Mike Tyson ein. Der ist sogar als Vergewaltiger verurteilt. Oder auch R.Kelly., bei dem so ein Vorwurf vermutlich auch niemanden überraschen würde.

  140. @Sebastian: „Das kann meiner Ansicht nach nicht zu viel sein.“ Für die Karriere und das Image des Betroffenen womöglich doch. (Womit wir wieder ganz am Ausgangspunkt meine Eintrags wären. Hilfe.)

    Meine Frage ist übrigens auch unbeantwortet: Was wäre so schlimm daran, wenn man darüber nicht geschrieben hätte, sondern die Medien frühestens im Fall einer Anklageerhebung darüber berichtet hätten? Was wäre daran schlimm? Wem würde etwas fehlen (außer den Sensationslustigen)?

  141. Fehlen würde niemandem Etwas, denn das ist für mich wie die Frage danach, ob ich Internetsüchtig bin. Ich kann dies immer ganz klar mit nein beantworten. Ich käme auch ohne aus. Ich kann ohne Probleme abschalten von all den äußeren Einflüssen, deshalb habe ich auch keine Tageszeitung im Abo – die ganzen Informationen aus der Region brauche ich nicht. Ich brauche auch die Blogs über US-Fernsehen nicht, die ich verfolge. Ich benutze Twitter auch nicht mehr, weil ich festgestellt habe, dass mir die Zeit, die ganzen Links zu verfolgen und die ganzen „Quips“ zu lesen, einfach nicht habe. Ich lese aus diesem Grund auch den Spiegel und die SZ nicht. „Brauchen“ tut das niemand.

    Wenn ich denn von heute auf morgen keinen Zugang zu Zeitungen und Blogs mehr hätte, wäre ich aufgrund der „Entschleunigung“ sicherlich auch noch besser dran.

    Nur stellt sich für mich die Frage, WAS ich denn an Nachrichten dann überhaupt brauche. Brauche ich Guido Westerwelle? Brauche ich Wahlkampfberichterstattung?

    Wenn man morgen die gesamte Tagesschau abstellen würde, würde sie mir auch nicht fehlen, ich schaue sie nicht und das seit Jahren.

    Mir „fehlt“ so Vieles nicht, aber das ist doch hier überhaupt nicht der Punkt.

    WENN darüber berichtet wird, sachlich und neutral, dann kann das nicht falsch sein, und „Würd das jemandem fehlen“ ist meiner Ansicht nach kein Argument dagegen, kann es auch nicht sein.

  142. Vielleicht kann ich helfen: Sebastian, momentan hat bild.de den Aufmacher, dass ein hoch berühmter us-amerikanischer Schauspieler im Sterben liegt. Geht uns das was an? Nein, es reicht völlig über seinen Tod informiert zu werden; sein Leiden und sein letzter Weg sind nur für ihn und seine Angehörigen. Egal, was sein Anwalt, welchen Medien erzählt.

  143. @ Stefan Niggemeier

    Die ARD hätte sich den Vorwurf der „Vertuschung“ gefallen lassen müssen, hätte sie überhaupt nichts über das „Wegbleiben“ eines ihrer Moderatoren gesagt. Jeder Wechsel im Programm wird ja immer irgendwie kommentiert, siehe z.B. Doris J. Heinze. Auch die Mitarbeitern in der Produktion müssen es irgendwie gesagt bekommen, dass der Herr Kachelmann bis auf weiteres nicht kommt. Ich gehe davon aus, dass in diesem Zusammenhang auch das Wort „Dienstplan“ gefallen ist. Es gibt ansonsten zu viel Unruhe im eigenen Laden und die eigene Glaubwürdigkeit wäre in Gefahr.

  144. Was wäre so schlimm daran, wenn es das Blog von Herrn Niggemeier nicht gäbe? Was wäre daran schlimm? Wem würde etwas fehlen?
    Mir!

  145. @Stefen Niggemeier: So lange ich nicht weiß, wer diese „Sensationslustigen“ sind, ob sie die Festnahme Kachelmanns überhaupt als „Sensation“ sehen und ich mit dem Begriff „Sensationslustige“ wahrscheinlich viele Falsche (meine und auch Sie: Ihre eigenen Leser?) treffe, gibt es wichtigere Fragen:

    – Ist die U-Haft Kachelmanns eine Nachricht?

    – Wie weit geht nun diese Verantwortung der Medien tatsächlich, und zwar realistisch?

    Interessant ist ja auch, dass -wenn man die Sensationslust vorraussetzt- in allen Medien, in denen es die Möglichkeit, zu kommentieren gibt, keiner einen doofen, sensationslustigen Spruch ablässt, ohne dass fünf andere daherkommen und ihm das mit der Unschuldsvermutung erklären. Und schauen Sie sich mal die Kachelmann-Facebook-Seite an. Wird da jemand aufgrund der Berichterstattung von der Öffentlichkeit fertig gemacht? (Es gibt lediglich vereinzelt Stimmen von Leuten, die darauf hinweisen, man dürfe auch das mutmaßliche Opfer nicht als Lügnerin vorverurteilen.) Das spricht meines Erachtens eher dafür, dass der Konsument gar nicht so doof ist (oder: sensationslustig) und er mit der Nachricht umzugehen weiß. Hier gab es bereits Kommentare, die die Verantwortung zunächst mal beim Arbeitgeber (bei Kachelmann dann wohl Auftraggeber) sehen. Das glaube ich auch. Verantwortung zeigt die ARD nicht in erster Linie, wenn sie die Festnahme Kachelmanns aus der Tagesschau fernhält, sondern wenn sie ihn im Falle seiner Unschuld wieder für sich arbeiten lässt. Und die Zuschauer, „das Volk“: Auf Facebook gibt es bereits „Free Kachelmann“-Userbildchen (was ja nach aktuellem Stand der Dinge schon wieder zu viel des Guten ist). Wo wird da jemand vorverurteilt? Da haben sogar die Medien selbst vielleicht etwas überzogen und deshalb das geschrieben, was Sie „verlogen“ nannten. Offenbar hat es nicht so schlecht funktioniert in der Wirkung. Oder habe ich die ganzen „Pfui…-Kachelmann-ein-Frauenschänder-Rufe“ nur übersehen?

  146. Oft würde es ja schon helfen, wenn die Journalisten, die darüber schreiben, auch Ahnung vom Thema hätten, um das Geschehene einordnen zu können. Dann wären die Meldungen weniger rätselhaft und würden nicht so zu Spekulationen einladen. Einige Artikel, warum Herr Kachelmann weiterhin in Haft bleibt, waren so unstimmig, dass der Leser den Eindruck hatte, der Tatverdacht hätte sich erhärtet.

  147. Ob Promi oder nicht, es ist eine menschliche Eigenart, sein Urteil über Sachverhalte zu bilden und dieses auch mit anderen auszutauschen, mit den Informationen als Grundlage, die einem eben zur Verfügung stehen.
    Bei Promis findet alles einfach in einem größeren Rahmen statt. Wo ist der Unterschied zu einem vergleichbaren Vorfall in einer Kleinstadt? Es reden die Personen über einen anderen, die ihn kennen. Bei Promis sind es eben viele Menschen, daher ist das Diskussionsforum ein größeres. Auch in der Kleinstadt ist man erledigt, wenn es einen derartigen Vorfall gibt.

    Und ganz unabhängig von den Dimensionen ist es Realität, dass die meisten Menschen leider nicht zimperlich mit den anderen umgehen, wenn es um das Fällen von Urteilen geht. Ich finde das immer wieder erschreckend. Da würde ich mir oft mehr Contenance und Mitgefühl (nicht Mitleid!) wünschen.

    Es ist übrigens typisch für die Dynamik eines Missbrauchsszenarios, dass es die Tendenz gibt, den Täter als Opfer hinzustellen und dem Opfer eine Schuld zuzuschieben.

  148. > Es ist übrigens typisch für die Dynamik eines Missbrauchsszenarios, dass es die Tendenz gibt, den Täter als Opfer hinzustellen und dem Opfer eine Schuld zuzuschieben. <

    Jana – wenn es Dir vor gar nichts graust, kannst Du das beispielhaft in den Kommentaren des Lawblog nachlesen, wo die Frau, die den Kachelmann angezeigt hat, mit Dreck beworfen wird. Es wird phantasiert, wie man sich welche Verletzungen selbst zufügen kann, um dem unschuldigen Mann eins auszuwischen.

    Da wird die Unschuldsvermutung zu einer Unschuldsgewissheit pervertiert, die dann gegen die Frau verwendet wird. Alles sehr schäbig.

  149. „Was wäre daran schlimm? Wem würde etwas fehlen?“

    Und wo fangen wir an, die Grenze zu ziehen? Darf man dann über vermutete Schmiergeldzahlungen bei Siemens auch nicht mehr berichten, weil das dem Ruf des Unternehmens schaden könnte, wodurch Aufträge wegbrechen, Arbeitsplätze verloren gehen, etc?! Oder erst nachdem das gesamte Verfahren abgeschlossen ist? Das kann nicht Ihr ernst sein!

    Nein, das halte ich für hochproblematisch. Die Leute, die sich dafür interessieren, als Sensationslustige abzufertigen halte ich im Übrigen auch nicht für geschickt. Und ganz ehrlich Herr Niggemeier, Ihnen hätte es doch auch gefehlt, davon nichts in der Presse zu erfahren, sonst hätten Sie 2 Blogeinträge nicht schreiben können und würden sich jetzt vermutlich langweilen ;-)
    Über die Art, wie darüber geschrieben wird, kann man sich immer streiten. Ich finde aber, dass die Auswahl in ihrem Eintrag auch nicht besonders repräsentativ ist. Sie haben sich wieder die Härtefälle herausgesucht und räumen ihnen irgendeine Allgemeingültigkeit ein. Es gibt aber auch durchaus einzelne Artikel, die sich gut mit der Materie auseinandersetzen und natürlich auch die gegenteiligen Extrema, die deutlich Pro-Kachelmann anmuten. Am liebsten sind einem natürlich die differenzierten, aber nochmal: es gehört in einer offenen Gesellschaft einfach dazu, dass es auch Artikel gibt, die stark an Grenzen stoßen und teilweise auch darüber hinaus. Das kann man zum Glück nicht abstellen.

  150. @Konstantin: Das ist ja nun der billigste Scheinargumentations-Tricks der Welt: Wenn über eine Sache nicht berichtet werden darf, darf über alle anderen Sachen auch nicht berichtet werden?

    Ihre leider nur rhetorisch formulierte Frage, wo wir die Grenze ziehen, führt genau zum Kern. Darüber müssen wir diskutieren, welche Themen von öffentlichem Interesse sind. Der aktuelle Verdacht, noch vor einer Klageerhebung, ist es meiner Meinung nach nicht.

    Aber ja: Es gibt eine Grenze.

  151. @186:

    Wer soll die Grenzen ziehen, wer ist „wir“?
    Bislang wird dies in unserem Lande bei Bedarf juristisch entschieden. Nach gültiger Rechtssprechung ist eine Berichterstattung im vorliegenden Fall auch bei Verdacht zulässig. Wollen Sie eine andere Rechtsprechung?

    Und Konstantin hat nicht nur rhetorisch gefragt, wo die Grenze liegen soll. Er hat das Beispiel Siemens genannt, wo mich ihre Meinung interessieren würde. Tatsächlich ist der erste Satz von Konstantin ein Kernpunkt. Denn wenn Sie, Stefan Niggemeier, Grenzen ziehen wollen, müssen sie sie grundsätzlich ziehen.

  152. @186
    „Das ist ja nun der billigste Scheinargumentations-Tricks der Welt: Wenn über eine Sache nicht berichtet werden darf, darf über alle anderen Sachen auch nicht berichtet werden? (…)“

    Auch ziemlich billig, dieser Anwurf…. Denn:

    „Aber ja: Es gibt eine Grenze.“

    Dann beantworten Sie doch einfach die gestellte Frage, wo diese Grenze zu ziehen sei.

  153. > Der aktuelle Verdacht, noch vor einer Klageerhebung, ist es meiner Meinung nach nicht.

    Im Siemens-Fall?

  154. Ich weiß nicht, wo diese Grenze zu ziehen ist. Das entscheidende Kriterium ist das öffentliche Interesse. Das ist bei einem Korruptionsvorwurf gegen ein riesiges Wirtschaftsunternehmen ungleich größer als bei einem Fall, der zunächst einmal, wie gesagt, nur zwei Menschen betrifft (und, natürlich den Staat, der sich um die Ermittlung und evtl. Strafverfolgung zu kümmern hat).

    Ein weiteres Kriterium ist eine Abwägung der Folgen einer falschen Verdächtigung bzw. Vorverurteilung. Davon wäre auch ein Unternehmen betroffen, aber sicher in ungleich kleinerem Maße als eine Person in der Situation Kachelmanns.

  155. logisch ist das aber nicht. bei kachelmann soll die grenze überschritten sein, weil ihm die verdachtsberichterstattung schaden könnte. dann ist sie beim unternehmen auch überschritten. angenommen, ein auftraggeber springt ab wegen schlechter presse, mitarbeiter werden arbeitslos, dann trifft es u.u. sogar gleich mehrere, vielleicht richtig viele existenzen. da wären die medien dann genauso mit im boot. die mitarbeiter wären zwar nicht persönlich bestandteil der berichterstattung, quantitativ wäre die verantwortung aber noch größer.

  156. Auch die Frau, die Kachelmann angezeigt hat, ist offensichtlich von einer Vorverurteilung betroffen. Ob mehr oder weniger als Kachelmann, hängt wohl davon ab, welche Blogs und Foren man beobachtet.

    (Hängt Kommentar 185 im Spamfilter, weil ich ihn aus Versehen doppelt geschickt habe?)

  157. Ich erinnere mich an den Fall Schreinemakers. Im Jahr 1996 wurde, einen Tag vor der geplanten Live-Sendung, ihre Firma von Staatsanwaltschaft und Polizei auf den Kopf gestellt. Wegen angeblicher Steuerhinterziehung. Die Medien waren voll davon, auch und gerade die „seriösen“ wie Spiegel. Schreinemakers hatte wenig Freunde bei den meisten Medien und umso mehr, die in den darauf folgenden Wochen mit Häme nicht geizten.

    Soweit ich mich erinnern kann, hat später Frau Schreinemakers in sämtlichen Angelegenheiten vor Gericht gewonnen. Die damalige Razzia wurde quasi „live“ begleitet von einem Bild-Fotografen. Der „Sieg“ Schreinemakers vor Gericht hat ihr öffentlich wenig geholfen, darüber wurde auch eher zurückhaltend berichtet. Die Rufschädigung durch diese Sache war immens.

    Hätte damals kurz nach der Razzia jemand öffentlich appelliert, nicht zu berichten, es hätte einen Aufschrei gegeben.

    Ich erwähne das nur, weil es ein m.E. schöner Vergleichsfall ist. Damals ging es „nur“ um eine angebliche Steuerhinterziehung. Diesmal um eine (angebliche) schwere Straftat, wobei zudem der Beschuldigte sogar in U-Haft genommen worden ist (ob zu Recht oder nicht, muss allein die Justiz klären).
    Nomalerweise würde man z.B. bei einem Promi in so einer Sache, wenn es „nur“ eine Anzeige gibt, eher nicht berichten. So würde ich es halten. Aber das mit der U-Haft lässt mich diese Sache etwas anders betrachten. So nett ich den Herrn Kachelmann auch finde und so blöde vielleicht Frau Schreinemakers: dass kann kein entscheidendes Kriterium sein.

  158. Aber machen Sie es sich da nicht etwas zu leicht?

    1. Das öffentliche Interesse ist eine schwierige Angelegenheit. Es gibt ein großes öffentliches Interesse am Fall Kachelmann, das kann man schon allein an der Anzahl der Kommentare hier erkennen. Man könnte sogar schnippisch anmerken, dass der Fall Kachelmann größeres Interesse in der Öffentlichkeit hervorruft, als die Siemens-Geschichte oder die VW-Reiseaffäre. Vermutlich gerade weil es um 2 Menschen (einer davon sehr bekannt/beliebt) und nicht einen Firmenapparat. Sie argumentieren ja völlig zurecht, dass diese Art von Interesse voyeuristische Gründe hat, das öffentliche Informationsinteresse im Fall Siemens sollte höher sein, als das Interesse im Fall Kachelmann; das ist es aber leider nicht.

    2. Man kann durchaus auch anmerken, dass häusliche Gewalt und sexuelle Übergriffe in einer Beziehung durchaus Themen von öffentlichem Interesse sind. Die wird man leider nie in eine Debatte oder gesellschaftliche Diskussion ziehen können, ohne konkrete Zwischenfälle. Bei diesen Zwischenfällen sind immer 2 Personen beteiligt. Und die Diskussion wird nur angestoßen, wenn solche Dinge einem Prominenten passieren. Das ist natürlich unfair, aber ein öffentliches Interesse an der Materie, die hinter dem Fall Kachelmann steht, deshalb grundsätzlich abzulehnen, halte ich für falsch. Fragt sich natürlich nur, ob die Medien vom „Raufgaffen“ auf den Fall Kachelmann irgendwann noch die Kurve kriegen zu einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Phänomen häusliche Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe (völlig unschuldig vom Fall Kachelmann). Und gerade da entscheidet sich meiner Meinung nach, ob ein Medium „wertvoll“ ist oder nicht. Aber wenn die Medien die generelle Berichterstattung über Kachelmann auslassen würden, würden sie auch nie diese Diskussion ins Rollen bringen können.

    Absolut einig sind wir uns bei den Vorverurteilungen. Die gehören natürlich nicht in eine solche Berichterstattung. Aber ich habe eigentlich doch den Eindruck, dass das im Moment relativ vernünftig abläuft. Die große Schnittmenge ist dabei entscheidend und nicht einzelne kleine Ausreißer, die sich mit dieser Geschichte und einem provokanten Artikel dazu einen publizistischen Namen machen wollen.

    Und was Kachelmann angeht: Also der Fall ist relativ speziell. Durch einen Rufmord würde er sicherlich nicht mehr in Fernsehen auftreten können, seine Firma würde er aber behalten. Wäre er wirklich reiner Wetterkommentator, hätte eine vorverurteilende Berichterstattung sicherlich noch verheerendere Auswirkungen. Trotzdem sollte jemand, der unschuldig angeklagt wird, vollständig rehabilitierbar sein.

  159. @Stefan: #190: Bei allem Respekt, eine Grenze, von der man nicht weiss, wo sie ist, ist eine Grenze, die nicht existiert.

    Wie wäre es denn damit: wahrheitsgemäße und unvoreingenommene Berichterstattung muss erlaubt sein, unabhängig vom „öffentlichen Interesse“. Denn abseits von denen, die im öffentlichen Auftrag arbeiten und/oder mit Steuergeldern bezahlt werden, ist die Frage nach dem öffentlichen Interesse sowieso immer eine sehr subjektive, und kann nur im Einzelfall beantwortet werden.
    Dafür generelle Regeln aufstellen zu wollen, ist aus meiner Sicht sinnlos.
    Dann lieber die Wahrheit zum Maßstab machen. Die ist im Zweifel nämlich leichter verifizierbar als „öffentliches Interesse“.

  160. @Stefan Niggemeier
    Der aktuelle Verdacht, noch vor einer Klageerhebung, ist es meiner Meinung nach nicht [wert, darüber zu berichten]
    Meine Frage ist auch unbeantwortet: Was ist im Fall Marco W.? War es das wert? (Weil es interkulturelle Beziehungen betraf?) – Oder Zumwinkel? Weil er vielleicht alle betrogen hat durch seine Steuerhinterziehung? Richtet sich das nach Mehhreitsprinzip? Ein mutmasslicher Massenmörder wird auch „berichtet“ – vor der Klagerhebung. Oder Fritzl? Der war auch VOR der Klageerhebung bereits all-öffentlich?

    Noch einmal: Ich halte den Fall K. für nich besonders interessant. Aber ich mag das Messen mit zweierlei Mass nicht – wie bspw. im tagesschau-Blog. Solange mir das niemand erklären kann, beharre ich darauf, dass man seriös darüber berichten darf, ohne mit „Bild“ in einen Topf geschmissen zu werden. Ihr Eis ist zu dünn.

  161. Erst einmal stimme ich Konstantin und treets zu. Ebenso weiß ich wirklich nicht, ob man eine so spezielle Regelung für alle Redaktionen in allen Medien finden kann und sollte.

    Beispielweise hat die ARD als Auftraggeber von Herrn Kachelmann einen ganz anderen Bezug zu der Person, als nun Sie Herr Niggemeier oder die BILD. Und selbst in der ARD gibt es unterschiedliche Redaktionsrichtlinien und somit Ansichten: Für den aktuellen Bereich, bei ts oder tt, ist Herr Kachelmann zur Zeit kein Thema, für Brisant oder den MDR, bei dem er nicht nur „Wetterfrosch“ sondern auch Moderator ist, hingegen schon.

    Wie sie oben schon unter # 142 gesagt haben: „Nein, das ist kein Journalismus.“. Stimmt. Das ist eine Redaktionsentscheidung.

  162. @konstantin: das zweite beispiel ist so la la. ich halte es für falsch, dass hier hirschhausen oder zumindest seine managerin in ein schlechtes licht gerückt werden. hunderte/tausende andere künstler können sich ins fäustchen lachen, weil sie mit den gleichen verträgen hausieren gehen, aber verschont blieben. der leser von stefan niggemeier, der nichts mit der branche zu tun hat, erhält ein äußerst verzerrtes und schlechtes bild allein von hirschhausen. zu kritisieren ist selbstverständlich die situation, dafür muss aber hier hirschhausen herhalten. obwohl ich das thema knebelverträge für wichtig halte und hirschhausen nicht mag, bin ich dagegen sündenböcke zu kritisieren und nicht fairerweise zu sagen: er ist einer von vielen.

    dort wird, um auf kachelmann zurückzukommen, auch nur die wahrheit berichtet (den vertrag gibt es ja, genau wie die u-haft). trotzdem empfinde ich es als unfair, weil durch weglassen der eklatant wichtigen information, dass er alles andere als ein einzelfall ist, ein verzerrtes bild gezeichnet wird. das ist das gleiche wie zu sagen, kachelmann kommt nicht aus dem knast, also muss es harte fakten geben. es ist beides mal eine verzerrung zu ungunsten des betroffenen.

  163. Die Bildzeitung hat sich heute also endgültig entschlossen, dass Kachelmann schuldig ist. „Der nette Herr Kachelmann – kann man sich so in einem Menschen täuschen?“ Zum Kotzen. Ich verstehe nicht, warum die Anwälte nichts unternehmen.

  164. Im Falle von Jörg Kachelmann nehme ich die Medienberichterstattung durchaus als differenziert wahr. Das die BILD darüber berichtet, wie sie leider oft berichtet, dürfte keinen überraschen. Was mich allerdings besonders dort sehr erzürnt, ist die Informationpolitik der Behörden besonders diesen Blättern gegenüber: Ich kann nicht erkennen, welches andere Interesse bedient wird, als die Sensationslust, wenn der Leiter der JVA und der Sprecher der Staatsanwaltschaft in dieser Form mit der BILD über den Fall plappern! Mit dem „berechtigten Informationsinteresse der Öffentlichkeit“ haben z.B. die „Knastgeschichten“ nichts zu tun. Hier wird schlicht „Litigation-PR“ durch die Justiz betrieben, zur Rechtfertigung des eigenen Vorgehens gegenüber einer teilweise skeptischen Öffentlichkeit. Nur: Gemeinsam mit dem „Behördenprivileg“ der Presse ergibt das ein unerträgliches Gemisch für den Betroffenen und konterkariert jede Unschuldsvermutung. Was daherm.E. dringend fehlt, sind klare Grenzen der Öffentlichkeitsarbeit der Ermittlungsbehörden!

    http://www.moenikes.de/ITC/2010/03/25/turk-tauss-benaissa-und-jetzt-kachelmann-dringend-gesucht-grenzen-fur-die-offentlichkeitsarbeit-von-staatsanwaltschaften/

  165. Dann ein Parallelen zum Fall Zumwinkel

    1. Die Liveberichterstattung mit Funk und Fernsehen über die Hausdurchsuchung war sicher nicht gerechtfertigt.
    2. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung hat bei einem Spitzenmanger eines Staatskonzern einen Bezug zur Arbeit, spätestens mit seinem Rücktritt.
    3. Die öffentliche Vorverurteilung dürfte zu einem Strafrabatt geführt haben, der mein Lebenseinkommen vermutlich übersteigt. Das muss nicht heißen, dass für Zumwinkel der Schaden damit ausgeglichen wäre. Allerdings stand Zumwinkel auch so am Karriereende. Bei Freispruch oder Einstellung hilft das aber wenig.

    Und natürlich ist niemand verpflichtet darüber zu berichten, noch die Art der Berichterstattung zu kritisieren.

  166. @Sven Ruebe: naja, die Bild schreibt aber u.a. auch:

    „Kachelmanns Ex-Freundin entsetzt über Vergewaltigungs-Vorwürfe „Der Jörg war zu mir liebevoll, so zärtlich““

    Zumindest online ist das zwar boulevardesk, aber nicht unbedingt einseitig, wie ich finde.

  167. Ich begreife übrigens A. Türks Karriere nicht wie von Dir geschrieben als am Ende. Soweit ich weiß, gab es nach seinem Freispruch sehr wohl Angebote seines Haussenders wieder ins Moderatoren-Geschehen einzusteigen, die er von sich aus abgelehnt hatte, weil er sich mittlerweile beruflich neu (dies sicherlich zwangsläufig aufgrund des langen Verfahrens) orientiert hatte. Auch scheint er in dem Job recht erfolgreich zu sein. Es ist seine legitime Entscheidung gewesen von diesem Metier nicht mehr vorgeführt werden zu wollen, noch darin aktiv sein zu wollen.

    Im Fall Kachelmann erlebe ich erneut natürlich Auflagesteigerung zugunsten eines Prominenten. Sicherlich war Kachelmann falsch beraten, sich zunächst von seinem Medienanwalt vertreten zu lassen. Stellungnahmen auf der Homepage eines Anwalts zu seinem Mandanten empfinde ich als unangenehm und Übergriff. Noch unangenehmer finde ich zur Zeit aber den Aktionismus der Staatsanwaltschaft Mannheim, letztendlich wird hier zunächst ermittelt und Kachelmann ist auch nur festgesetzt, weil er keinen festen Wohnsitz in Deutschland hat. Warum eine Staatsanwaltschaft diese mit Pressemitteilung kolputiert (und sich damit zum Bestandteil dieses medialen Geweses macht), ist mir unverständlich. Auch das öffentliche Abtransportieren nach dem ersten Haftprüfungstermin eines Untersuchungsgefangenen hat so nicht zu erfolgen. Da halte ich auch eine Argumentation wie „der Gefangene hätte das so gewünscht“ für inakzeptabel. Dann hat man diesem seinen Wunsch nicht zu enstprechen. Vor allem aber: ein Mensch in Untersuchungshaft ist an dieser Stelle völlig unfrei in seinen Gedanken und handelt in dieser für ihn neuen Situation natürlich nur auf Zuruf einer ihm neuen oberen Instanz. Nichts anders lasse ich mir da erzählen. Auch nicht von einer offensichtlich sensationsgeilen Staatsanwaltschaft. Auch nicht von einem JVA-Leiter, der nichts Besseres zu tun hatte, als persönlich zu einem seiner Inhaftierten vor Kameras Stellung zu nehmen und indiskrete Auskünfte zu erteilen.

    Dennoch erlebe ich gerade im Fall Kachelmann zur Zeit – von den üblichen Hau-Drauf-Medien abgesehen – doch auch einen sehr fairen Informationsjournalismus. Sogar kritisch dem eigenen Journalismus gegenüber. Das mag vielleicht alleine daran liegen, dass man zu wenig von dem Privatmensch Kachelmann weiß zur Zeit, als das es etwas zu schreiben gäbe. Vielleicht liegt es auch daran, dass man aus den vergangenen Fällen – der von Nadja Benaissa ist für mich das Paradebeispiel gewesen – gelernt haben mag. Es ist im aktuellen Fall oft klar gesagt und geschrieben worden, wie das Prozedere der Ermittlungen in einem solchen Fall zu erfolgen hat, dass hier eben noch nur ermittelt wird.

    Ganz ehrlich, ich bin sehr kritisch was deutschen Journalismus anbelangt. Er ist hier in diesem aktuellen Fall aber noch ein guter.

    Ein Prädikat, das ich der Staatsanwaltschaft Darmstadt keines Falls ausstellen würde. Das Verhalten der Staatsanwaltschaft Darmstadt im Fall Benaissa war als offensiv schädlich zu bezeichnen – mir scheint Darmstadt und Mannheim liegen da vielleicht geographisch ungünstig nah beieinander, so dass sie hier gemeinschaftlich neuerdings Sonderregeln für sich beanspruchen im Umgang mit nicht verurteilten und somit nach dt. Gesetz als unschuldig zu geltenden Personen Und ich denke, diesbezüglich sollten sich einige Journalisten auch mal aufmachen und genauer hingucken, was da eigentlich gerade vor sich geht in den deutschen Staatsanwaltschaften – zumindest in diesem einen Bundesland.

  168. Die ganze Diskussion, ob man über so einen Fall berichten sollte, oder nicht, finde ich lächerlich.

    Mal angenommen, man berichtet nicht über Kachelmanns Verhaftung – wo zieht man die Grenze? Dann berichtet man also bis zum Prozess auch nicht über Zumwinkels Steuerhinterziehung, weil es ist ja NUR ein Verdacht? Und wenn der Bundeskanzler eine Mitarbeiterin angeblich sexuell belästigt – was vorkommen kann, siehe Ex-Präsident Olmert in Israel? Privatsache kein Bericht? Oder darf man hier doch, weil er gewählt ist? Weil er ein öffentliches Amt hat? Aber wäre ein Dax-Vorstand nicht irgendwo auch ein öffentliches Amt? Und wie wäre es dann beim – den Deutschen ansonsten unbekannten – Chef des Bauamts der Stadt XY? Berichten – oder nicht?

    Und natürlich kann man auch bei Kachelmann den Aspekt der Öffentlichkeit nicht wegdiskutieren – jeden Abend verkündet er öffentlich Dinge und die Menschen vertrauen ihm. Dann also doch über Kachelmann berichten?

    es gibt keine brauchbaren Abgrenzungskritierien, un deshalb ist die von SN angestossene Debatte ist m.M.n Schönwetter-Gerede, und sowas von wohlfeil – Abteilung „da kriegt man garantiert Beifall für“.

    Ich finde, es ist ganz simpel: Als Prominenter geniesst man eine Menge Vorteile – und wenn es schlecht läuft ist man umgekehrt unterm Brennglas. Das ist nur fair. Das mit Normalbürgern zu vergleichen und von Sensationsjournalismus zu sprechen, heisst Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Über Normalbürger wird in solchen Fällen nicht berichtet, und das ist gut so – und kein Argument dafür, dass es bei Kachelmann genauso sein sollte.

    Ausserdem wird mir hier enorm zu viel über Jörg Kachelmann gesprochen und viel zu wenig über sein mögliches Opfer. Dass sie – BILD mal ausgenommen – bislang geschützt wird, zeigt doch, dass wir nicht in Zeiten der puren Medienpiraterie leben.

  169. Bemerkenswert, wie hier vom Blogbetreiber ein Agenda Setting betrieben worden ist, das genau in Taktik von Spin Doctors seines Gastautoren passen würde. Und mehr als 200 Kommentare springen darauf ein. Als wenn es hier (nur) um die Persönlichkeitsrechte eines Prominenten und dessen ach so wichtige Karriere gehen würde.

    Vielleicht schafft es der eine oder andere sich tatsächlich hineinzuversetzen in die Version der Geschichte, die die Justiz (aus sicher guten Gründen) für wahrscheinlicher hält. Dann hätte man da nämlich schlicht und ergreifend eine vergewaltigte Frau. Der es sicher schon schwer genug gefallen ist, die ekelhaften Erlebnisse en detail fremden Ermittlern erzählen zu müssen (wie viele verschweigen solche Erlebnisse aus Scham?). Eine Geschichte, die man normalerweise selbst seiner eigenen Familie nicht erzählen will, geschweige denn Nachbarn oder den Kollegen. Alle diese Personen – scheinbar der halbe Ort inzwischen – wissen inzwischen dank der unerbittlich recherchierenden Reporter vor Ort Bescheid. Eltern werden zu Interviews genötigt. Der weitere Bekanntenkreis befragt. Gepixelte Fotos gedruckt, die dank der dazugehörigen Informationen zu Alter, Wohnort und Beruf auch weitläufige Bekannte in Kenntnis setzen.
    Und als wenn das alles nicht reicht, diskutiert die Welt um sie herum, ob dem mutmaßlichen Täter Unrecht angetan wird! Flankiert wird diese Diskussion im Boulevard von Mutmaßungen aus dem Umfeld des mutmaßlichen Täters (seine Firma, angebliche Freunde, „Jetzt spricht seine Ex-Geliebte“), die das vermutliche Opfer mal als Stalkerin, mal als rachsüchtige Ex erscheinen lassen.

    Wenn es etwas wirklich Beschämendes gibt an der momentanen Berichterstattung zu dem Fall, dann ist es, wie hier dem mutmaßlichen Opfer hundertfach hinterhergetreten wird – und welche Wirkung das alles auf andere Vergewaltigungsopfer haben muss bei der Frage schweigen oder anzeigen.

  170. Anja das ist hier nicht das Thema und dass Sie da jetzt was von „Spin Dorctors“ in Ihrem Beitrag geschrieben haben hilft nicht wirklich, vor allen Dingen in Anbetracht der Tatsache, dass von den 200 Kommentaren mehr als die Hälfte kritischer Natur sind.

    Das Thema war und ist, ob man im Hinblick auf die Zerstörung einer Karriere darüber berichten kann, sollte oder nicht.

    Wie das aus Sicht des Opfers ist wird sicherlich in ausreichender Breite woanders diskutiert. Und nein man muss das nicht aus beiden Blickwinkeln sehen in jeder Diskussion, das macht selbige dann nämlich unmöglich.

  171. @Anja:
    Wie Sie in eine Diskussion zum Thema Unschuldsvermutung den Versuch einer Reinwaschung des Beschuldigten hineininterpretieren können, bleibt wohl Ihr Geheimnis.

    Niemand hat hier das mutmaßliche Opfer diskreditiert oder ähnliches beabsichtigt. Es geht lediglich darum, die zulässigen Grenzen der Berichterstattung über einen Beschuldigten (nicht einen verurteilten Täter!) zu bestimmen.

    Dabei geht es auch nicht darum sich in irgendeine Version des Tatgeschehens hineinzuversetzen, sondern sich an die Fakten zu halten und die bestehen momentan aus einer Beschuldigung bzw. einem Verdacht und nicht mehr.

    Sie versuchen stattdessen den Eindruck zu vermitteln, als ob die Aufnahme eines Strafverfahrens einer Verurteilung moralisch beinahe gleichkommt (schließlich hat die Staatsanwaltschaft ja gute Gründe für das Verfahren, oder?) und missachten dabei einen (wenn nicht den wichtigsten) rechtsstaatlichen Grundsatz. dass dies offenbar aus nachvollziehbarem Mitgefühl mit Vergewaltigungsopfern geschieht macht es nicht besser.

  172. Ja das hab ich mir eben auch noch gedacht aber was wär denn dann los?

    Dann würden genügend Menschen sagen, dass die Angelegenheit totgeschwiegen wird.

    Siehe Kirche.

  173. @Sebastian: Was für ein unsinniger Vergleich. Bei der Kirche geht es nicht zuletzt darum, dass sie die ihr bekannt gewordenen Taten nicht der Polizei gemeldet hat. Das ist eine ganz andere Art von Schweigen. Die Ermittlungen laufen ja.

    @Mr. X: Was hat man den Zuschauern denn gesagt, warum er letzte Woche, die davor, die davor und (mutmaßlich) die davor gesagt, warum er nicht das Wetter moderierte?

    (Hilfe. Diese Diskussion wird immer wieder von vorne losgehen.)

  174. 211, SN:

    Nur die Anwälte hätten nichts davon gehabt, wenn nicht berichtet würde…

    Kein Schertz. Nicht ganz so selten sind es die Rechtsanwälte, die die Berichterstattung vorantreiben, erlaubt das ihnen doch kostenlose Werbung.

  175. Bei meedia schreibt nun ein ganz superdoll recherchierender Mensch, Kachelmann würde sich selbst inszenieren. Er beruft sich dabei auf das, was ein Gerichtssprecher gegenüber der „Bild“ geäußert hat. Das wird zwar woanders von Kachelmanns Anwalt ganz anders dargestellt, aber was kümmert´s den Autor bei meedia. Er kann auf Grundlage seiner „Bild“-Recherche und getreu seines Glaubens, dass alles wahr ist, was ein Behördensprecher von sich gibt, sogar eine „tiefschürfende“ Analayse ausbreiten.

    Ich weiß nicht, was wahr ist in dem Fall und was nicht. Aber auf Grund der vorliegenden Fakten ist das meedia-Geschriebene hanebüchen.

    http://meedia.de/nc/details-topstory/article/kachelmanns-mediale-selbstinszenierung_100027083.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=23&cHash=9b1d63c2c3

  176. Ich könnt jetzt über mein Beispiel diskutieren aber ich finde es sollte auch mal gut sein.

    Vor allen Dingen was das Verlinken von schlecht geschriebenen Artikeln angeht.

  177. @stefan niggemeier

    es funktioniert aber nur, wenn alle menschen, nicht nur die medien, mitmachen. hätte niemand berichtet, wäre es nur eine frage der zeit, bis es sich irgendwo herumgesprochen hat, von wo aus es im netz verbreitet wird. wer ein bisschen ahnung hat, weiß, dass es noch nichtmal indiskrete staatsbedienstete braucht, sondern es reicht, wenn zum beispiel auf dem meteomedia-umfeld eine kleinigkeit nach außen dringen würde. das ist die bittere realität, und den -wenn auch diskussionswürdigen- vertuschungs-vorwürfen gegenüber der tagesschau wären alle medien ausgesetzt.

    die idee mag gut klingen, in wirklichkeit würde aber halt dann noch mehr die gerüchteküche brodeln. kachelmann ist auch in meteorologenkreisen, hobbywetterfrosch-kreisen und so gut vernetzt. unwahrscheinlich, dass da niemand nachfragen würde. vielleicht kennt niemand den dienstplan, aber heftiges wundern über sein verschwinden würde alsbald einsetzen. die art der berichterstattung sollte man extra betrachten.

  178. nicht zu vergessen, dass gerade kachelmann viele gegner hat (dwd), die sich mit ihm schon solch herbe schlachten geliefert haben, dass meiner meinung nach spätestens von dort jemand die meldung „kachelmann in u-haft“ -wie auch immer und sicher aus schlechten motiven heraus- massiv verbreiten würde. kann natürlich glücklich laufen und dort erfährt es niemand. kann.

  179. @Westentaschen-Beobachter
    Die Aktion gegen häusliche Gewalt könnte ein Anlass sein. Allerdings taucht diese in den Berichten doch sehr versteckt auf, eher nicht als Anlass der Berichterstattung.

    @B.Schuss
    Ich wollte nur den massiven Unterschied zwischen erwiesener Unschuld und bloßen Freispruch hervorheben, da @Dirk #32 das wohl anders sieht.

  180. Laut „Spiegel“ war Kachelmanns Festnahme lange vorbereitet
    Frankfurt/Main (dpa) – Die Festnahme von Moderator Jörg Kachelmann am Frankfurter Flughafen war laut „Spiegel“ von langer Hand geplant. Drei Wochen lang habe eine „Soko Flughafen“ die geheime Kommandoaktion vorbereitet. Die Beamten hätten gewusst, dass am vergangenen Samstag und damit bereits einen Tag früher als geplant aus Vancouver ankommen würde. So sei der Parkhausabschnitt rund um Kachelmanns Wagen bereits 24 Stunden zuvor abgeriegelt worden. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Frankfurt lehnte jeden Kommentar ab.

  181. @222
    Ich stelle mir vor, wie ein Kripobeamter in der Firma von Kachelmann angerufen hatte und irgendeine Mitarbeiterin am Telefon sagte, „Rufen Sie am Soundsovielten an, dann ist Herr Kachelmann wieder im Büro zu erreichen.“ Dann haben sie alle Flüge aus Vancouver gecheckt, die in 3 Wochen landen sollten und per Staatsgewalt angefragt wann er gebucht ist, danach haben sie jeden Tag einen Strich auf dem Wandkalender gesetzt.

    Alles total geheim natürlich. Bin beeindruckt von so langer vorbereiteter präziser Ermittlungsarbeit.

  182. Wie kommt die Presse überhaupt an die Fotos der Polizei und Details der Tat?

    Dass von den 5 Sekunden Lächeln auf dem Weg zum Polizeifahrzeug der unvorteilhafteste Augenblick auf die Titelseiten gelang, wudert mich scho nicht mehr.

  183. […] hätten absehen sollen, die Verhaftung Jörg Kachelmanns zu thematisieren. Der Medienjournalist Stefan Niggemeier scheint genau dies zu verlangen, wenn er aus der verheerenden Wirkung der Reportage über einen […]

  184. Fast schon bizarr: Beim Plasmaspenden und nur da les ich den Stern. Die Sendung „Stern TV“ wird 40 oder so, darum ein Interview mit G. Jauch. Angesprochen auf die Affäre um gestellte Filmchen vor 15 Jahren, offenbart Jauch, seitdem sorgfältiger geworden zu sein. Sinngemäss sagt er, Wenn die letzten Zweifel an einer Beweiskette nicht zu beseitigen seien, werde eine Geschichte halt mal nicht gebracht.

    Wie naiv bin ich, dass ich dachte, so macht man das halt, da erzählt Jauch denen doch nix Neues. Hoffte ich.

    Paar Seiten später: der Fall Kachelmann. Einerseits gibt es ausser dem Dorfbürgermeister keinen neutralen Menschen, der bestätigen könnte, dass JK und diese Frau sich überhaupt kannten. In derselben Geschichte kommt ein Mensch, der namentlich nicht genannt werden möchte, vor. (Also derselbe Sockenpuppen-Trick, der SW zum Verhängnis geworden sein könnte…) Dieser habe manchmal an einem Tag drei Frauen getroffen, die sich für Frau Kachelmann in spe hielten.

    Und zu guter Letzt: im fraglichen Zeitraum, zu dem die Dame mit Herrn Kachelmann verpartnert gewesen sein soll, war Herr Kachelmann nacheinander mit 2 andren Frauen verheiratet.

    IANAL. Wenn man Paparazzo-Bilder hat, zu denen kein gescheiter Text passen mag, kann man die Bilder nicht für sich sprechen lassen. Ohne diese nie ganz aufzuklärende Geschichte wäre das Stern-Hefterl noch ein wenig dünner, und das waren mal 200 oder mehr Seiten. Aber solang es noch Zweifel gibt, (Kann es sein, dass die arme Frau Rufmord betreiben wollte? Wem nützt das, wenn Kachelmann demnächst nicht aufm Schirm ist?) sollte man da nicht die Geschichte nicht bringen?

  185. Die Sache mit den Fotos ist echt unheimlich. Wie mit Bildern manipuliert werden kann, da bin ich echt froh, dass ich nicht so in der Öffentlichkeit stehe (noch nicht ;-))
    Aber dass der Kachelmann beobachtet von hunderten Fotographen versucht fröhlich zu sein anstatt sein Gesicht zu verhüllen kann man ihm ja nicht vorwerfen. Wie das Foto in der zeitung dann ankommt ist natürlich was anderes. Wieso Polizeifotos aber öffentlich werden ist mir auch ein Rätsel.

  186. Es gibt anscheinend entscheidende Neuigkeiten im Fall Kachelmann:

    http://www.lawblog.de/index.php/archives/2010/06/05/gute-nachrichten-fur-kachelmann/

    Der Fall ist ein weiteres Beispiel dafür, dass in Sachen Verdachtsberichterstattung dringend etwas passieren muss – was Staatsanwaltschaft und Medien da veranstaltet haben, ist eines Rechtsstaats nicht würdig… und zwar unabhängig davon, was für ein Urteil nun dabei rauskommt. Man weiß vor einem Urteil nie, welche Wendungen ein Fall noch nehmen kann, daher sollte man sich auch bei scheinbar noch so starkem Verdacht mit Vorveruteilungen zurückhalten. Aber das wurde alles ja schon oben im Blogeintrag erläutert… es ist im vorliegenden Fall nur umso bitterer, da es allem Anschein nach wieder mal einen Unschuldigen getroffen hat.

  187. Ich gebe Dir in vielen Punkten Recht Squeedly, aber mit Deinem Satz dass es bitter zu sein scheint einen Unschuldigen getroffen zu haben greifst Du der Justiz in selber Weise vor wie die Leute bzw. Medien, die Kachelmann vorverurteilt haben. In diese Richtung ist es auch nicht besser, denke mal es stellt sich heraus er ist doch schuldig. Man sollte einfach das Urteil abwarten und dann wertend kommentieren.

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