Anwalt Schertz verliert gegen „Stalker“ (2)

[Vorbemerkung: Die Kanzlei von Christian Schertz hat mich in mehreren rechtlichen Auseinandersetzungen vertreten; er hat mich und BILDblog unterstützt. Ich habe mich jedoch vor einiger Zeit aus Gründen entschlossen, seine Dienste nicht mehr in Anspruch zu nehmen. 2. Vorbemerkung: Ich bin freier Mitarbeiter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Dieser Eintrag gibt nur meine persönliche Meinung wieder.]

Es sieht nicht so aus, als ob der klagefreudige Medienanwalt Christian Schertz gegen meinen Blog-Eintrag über ihn und seine Niederlage vor dem Landgericht Berlin vorgehen würde. Er tut es aber gegen einen kurzen Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zum gleichen Thema. Der Kollege Joachim Jahn schrieb darin:

Kein „Cyberstalking“
Niederlage für Berliner Anwalt

Der Prominentenanwalt Christian Schertz ist mit dem Versuch gescheitert, einen Kritiker mit den Vorschriften des Gewaltschutzgesetzes außer Gefecht zu setzen. Das Landgericht Berlin lehnte eine Berufung von Schertz gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Berlin-Charlottenburg ab, das eine von ihm beantragte Verfügung gegen den Internetpublizisten Rolf Schälike aufgehoben hatte. (…) Das Landgericht hielt die Berufung von Schertz für verspätet und damit unzulässig. Auch räumte die Mitarbeiterin, die er zur Verhandlung geschickt hatte, einen Fehler in ihrem Schriftsatz ein. Die Vorsitzende Richterin machte deutlich, dass Schertz sein Anliegen im Hauptsacheverfahren klären solle. Schälike bestreitet den Vorwurf, er sei ein „Cyberstalker“.

Schertz fordert nun von der FAZ und ihrem Online-Ableger FAZ.net Unterlassung, Widerruf und Gegendarstellung. Er stört sich im Grunde an einem einzigen Wort: der Formulierung, das Landgericht habe seine Berufung für „verspätet“ gehalten. Er stellt fest: Die Berufung sei fristgerecht eingelegt worden, und das Landgericht habe das in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich betont.

Das stimmt. Aber das, was die „FAZ“ schrieb, stimmt auch.

In Jahns Artikel ist nicht die Rede davon, ob die Berufung „fristgerecht eingelegt“ wurde. Verspätet war Schertz‘ Berufung nach Ansicht des Gerichtes insofern, als der Zeitraum längst abgelaufen ist, in dem die Einstweilige Verfügung gegen den vermeintlichen „Stalker“ gegolten hätte, die Schertz wieder in Kraft gesetzt sehen wollte. Die Richterin sagte es im Juristendeutsch: „Die Beschwer ist weggefallen, die Zeit ist abgelaufen.“ In diesem Sinne hielt das Gericht Schertz‘ Berufung zweifellos für verspätet. Es erklärte seiner Anwältin in der mündlichen Verhandlung (bei der ich Zuhörer war), er müsse, wenn er in dieser Sache weiter gegen Schälike vorgehen wolle, in der Hauptsache klagen.

(Auch von dem Internetdienst „Meedia“, der die Formulierung aus der FAZ übernommen hatte, fordert Schertz Unterlassung. Der entsprechende Artikel ist deshalb nicht mehr online. Nachtrag, 22. März: Jetzt ist er wieder online; nur die beanstandete Formulierung fehlt.)

Es geht also in der Auseinandersetzung scheinbar um komplizierte juristische Verfahrensdetails oder, wenn man mag, schlicht um Wortklauberei. Deshalb liegt die Frage nah, warum Schertz so viel daran liegt, dieses seiner Meinung nach falsche Detail zu korrigieren, und warum er dabei sofort mit einer gewaltigen Keule angerannt kommt.

Meine Frage an Schertz, warum ein solches juristischen Vorgehen notwendig ist, beantwortete er nicht. Andere Antworten von ihm auf meine Fragen darf ich nicht zitieren.

Aber angesichts der Häufigkeit und Heftigkeit, mit der Schertz immer wieder auch in eigener Sache vorgeht, liegt der Verdacht nahe, dass dahinter eine Abschreckungsstrategie steht. Die Botschaft an die Journalisten scheint zu lauten: Überlegt euch zweimal, ob ihr wirklich über mich und meine Fälle schreiben wollt. Denn auch wenn Schertz eine solche juristische Auseinandersetzung um ein Wort oder einen Satz am Ende nicht gewinnen sollte: Der Kampf ist für den betroffenen Journalisten ungemein zeitaufreibend.

Entsprechend verführerisch ist es, ihn dadurch zu vermeiden, dass man gar nicht erst etwas schreibt, was Herrn Dr. Schertz nicht gefallen könnte. Zum Glück gibt es auch den gegenteiligen journalistischen Reflex: sich gerade wegen dieser unterstellten Abschreckungsstrategie nicht einschüchtern zu lassen.

Die FAZ hat die von Schertz geforderte Unterlassungserklärung abgegeben. Schertz interpretiert das fälschlicherweise als Beweis dafür, dass die Meldung falsch war. In Wahrheit ist es wohl eher Folge der verhängnisvollen „Stolpe-Enscheidung“ des Bundesverfassungsgerichtes: Danach kann ein Unterlassungsanspruch schon dann begründet sein, wenn man eine Formulierung auf mehrere Arten deuten kann, von denen eine unzulässig ist.

Schertz‘ Forderung nach Gegendarstellung und Widerruf hat die FAZ hingegen noch nicht nachgegeben.

71 Replies to “Anwalt Schertz verliert gegen „Stalker“ (2)”

  1. Danke für das Update. Faszinierende Geschichte, allerdings die komische Art Faszination die man halt bei solch unfassbaren Geschichten empfindet.

  2. Meine These lautet dahingehend, dass Anwälte, die derart auf sich selbst kapriziert sind, unter chronischer Kliennot leiden.

    Aber das ist eine Vermutung, unbewiesen und bedarf ausdrücklich daher keiner expliziten Gegendarstellung.

  3. Solch eine Vergeudung von geistigen Kapazitäten kann sich auch nur eine Gesellschaft wie die unserige leisten. Wenn die gleiche Energie für wirklich essenzielle Dinge aufgebracht würde, wäre die westliche Zivilisation – und vielleicht sogar die Welt – schon ein ganzes Stück weiter.

  4. Einen normal denkenden Menschen macht es schon Fassungslos wenn man sich mit „Stalker“ 1 und 2 etwas intensiver (alle Links) beschäftigt.

  5. Der Mann möchte natürlich nicht, daß über ihn berichtet wird, denn es ist ihm vermutlich auch klar, daß die meisten Leute so ein Gebaren widerlich finden. Und vielleicht regt sich ja irgendwann mal wirksamer Widerstand gegen dieses Geschäftsmodell und den sehr häufigen – meiner Meinung nach mißbräuchlichen – Gebrauch von Unterlassungserklärungen, Einstweiligen Verfügungen, Abmahnungen und Kostennoten.

    Ich frage mich, ob Du Dich vor dem täglichen Weg zum Briefkasten sedierst. Wie hälst Du das aus?

  6. Sannie: Wenn man zum Briefkasten geht, weiß man’s in der Regel schon. Denn das Zeug kommt immer zwei, drei Tage zuvor per Fax.

  7. Wg. Geschäftsmodell
    Geschäftsgebaren wäre das passendere Wort gewesen, keinesfalls würde ich in in Deinem Blog von Methode sprechen. Wollte damit auf das schnell verdiente Geld hinweisen, das mit der Abmahnung in eigener Sache aber durch einen Kollegen der eigenen Kanzlei von Jens Weinreich verlangt wurde.

    (Ich hoffe, den Sachverhalt juristisch korrekt wiedergegeben zu haben. Genaugenommen war es ja nicht der Kollege, sondern der Partner. Und sowas ist erlaubt, ja?)

  8. Ist das eigentlich der gleiche Christian Schertz http://www.amazon.de/Rufmord-Medienopfer-Verletzung-pers%C3%B6nlichen-Ehre/dp/386153424X ? Und saß nicht auch ein RA Schertz schon in Talkshows und hat auf S. Niggemeier gemacht, als er sich als ehrenvoller Moralwächter präsentiert hat? Oder war das ein anderer von der RA-Sorte?

    Und, falls das der gleiche ist – hat der wirklich so viele Gesichter oder gibt er nach außen hin den Saubermann, um Mandanten zu fischen (@Stefan Niggemeier: Immerhin haben auch Sie schon den Weg zu ihm gefunden. Sie werden ja nicht nur Gründe gehabt haben, sich nicht weiter von ihm vertreten zu lassen, sondern auch die Dienste seiner Kanzlei in Anspruch zu nehmen)?

    Wünsche allen eine gute Woche ohne presserechtliche Informationsschreiben :-)

  9. @ SN

    Warum antwortet Schertz auf ihre Fragen, verbietet anschließend jedoch die Veröffentlichung dieses Gesprächs?

  10. Vielleicht hat Schertz auch einfach nur gewaltige Angst vor das Internet, als den „noch“ relativ rechtsfreien Raum; ihm fällt schwer nicht gleich zu zucken wenn das böse böse Cybersapce ins Spiel kommt. Es fällt jedenfalls auf, dass seine strengen Vorgehen zumeist mit dem www zu tun haben.

  11. @ Sanníe

    „Image“ ist wohl ein besseres Wort als „Geschäftsmodell.“ Ich gehe schon davon aus, dass Herr Schertz es gut findet, wenn über ihn geredet wird. Wie sonst ist auf seiner Homepage der Bereich aktuelles zu verstehen? Nur möchte er darüber persönlich die Kontrolle haben.

    Aus dem Artikel vom 01.11.2005 :
    Für seine Mandanten geht er nicht nur gegen Veröffentlichtes vor, sondern sorgt in vielen Fällen auch dafür, dass ungewollte Meldungen gar nicht erst verbreitet werden. „Wir können Dinge entschärfen, wenn nicht sogar verhindern“, sagt Schertz, sichtlich stolz.

    Der Mann lebt also unter anderem davon, dass er in der Lage ist, mit juristischen Mitteln Meldungen aus den Medien zu halten. Wenn er das für seine persönlichen Anliegen nicht schafft, wieso sollten ihm dann seine Klienten noch vertrauen?

  12. Wenn der Herr Schertz meint, eine Meldung über ihn sei nicht ganz richtig, dann könnte er doch darum bitten, seine Sicht der Dinge zu veröffentlichen.
    Täte die Zeitung das, wäre die Angelegenheit für normale Menschen beendet.

  13. Ich habe mir gerade das Zapp Interview angesehen. Kann es leider nicht mehr kommentieren, da ich Erbrochenes aus der Tastatur entfernen muss.

  14. Ich weiß nicht, ob RA Schertz meint, durch solche Aktivitäten PR in eigener Sache machen zu können. Ich vermute, dass besonders die zahlungskräftigen unter den Anwalt-suchenden Menschen eher zu einem RA neigen, der diskreter vorgeht. Insofern kann man wahrlich nicht von einem „Geschäftsmodell“ sprechen.

  15. Als Medienanwalt müsste Dr. Schertz wissen, was passiert, wenn man versucht, Medien etwas zu verbieten – sie berichten darüber und es zieht weite Kreise. Hätte er die Füße stillgehalten, wäre alles binnen weniger Tage in der Flut der täglichen Meldungen untergegangen. Wer allerdings wegen eines einzigen Wortes zum Gericht läuft, hält die Soße künstlich am Kochen.

  16. Diese Abläufe kommen mir nur zu bekannt vor.

    Ich habe auch schon mal zu einem Beitrag eine einstweilige Verfügung und Gegendarstellung erhalten, deren Inhalt aussagte, daß mein Artikel zu harmlos gewesen war, daß es sich in Wirklichkeit noch schlimmer verhielt, als von mir beschrieben. Also sinngemäß:

    Gegendarstellung

    Es ist im Beitrag xxx unrichtig dargestellt, daß ich ein Arschloch sei. Es ist vielmehr korrigiert festzuhalten, daß ich ein großes Arschloch bin“.

    Völlig absurd und kontra. Aber dem Betreffenden ging es gar nicht darum, seinen Ruf zu retten (da war nichts mehr zu machen), sondern lediglich darum, Ärger und Kosten zu generieren. Gegendarstellungen sind kostenlos, der eingeschaltete Anwalt jedoch nicht.

    Der letzte Anwalt, der dachte, mit dieser Methode des dauernden Ärger machens reich und berühmt zu werden, hat sich vor ein paar Wochen schließlich verarmt, vereinsamt und unglücklich erschossen.

  17. Als führender deutscher Moralist muss man nicht zwischen „scheinbar“ und „anscheinend“ unterscheiden können.

  18. @Jan Hegenberg: Es geht in der Auseinandersetzung scheinbar um komplizierte juristische Verfahrensdetails. Worum es meiner Meinung nach in Wahrheit geht, steht zwei Absätze weiter.

  19. @Jan Hegenberg

    „scheinbar“ passt hier ganz hervorragend:

    „Es geht also in der Auseinandersetzung scheinbar um komplizierte juristische Verfahrensdetails …“

    Stefan Niggemeier will hier ganz offensichtlich andeuten, dass es Schertz nur scheinbar um die Richtigstellung juristischer Verfahrensdetails geht, während er tatsächlich jegliche (auch korrekte) Berichterstattung über den Sachverhalt verhindern will.

  20. Ein Staatsanwalt ist der Anwalt des Staates. Ist also ein Rechtsanwalt zwangsläufig der Anwalt des Rechtes?

  21. Ein bisschen könnte man vermuten, sie betteln geradezu darum von Dr. Schertz verklagt zu werden. Kollege Weinreich hat sich durch den Fall Zwanziger Reputation und Ruf erkämpft – schadet ja nie als Journalist in diesem Licht zu stehen! Also: Drauf!

  22. @33: Eben! Und ne goldene Nase hat er sich dabei verdient. Ich meine mich erinnern zu koennen, dass er seinen Fans sogar Zwanzig-Euro Scheine gespendet hat… oder so aehnlich.

  23. Wer ernsthaft glaubt, verklagt zu werden steigere die Reputation, hat das noch nicht selbst erlebt.

    Wenn ich heute nochmal die Wahl hätte, würde ich lieber Fritz Pleitgen meine Kreditkartendaten und meine Privatmails in die Hand drücken und ihn mein Konto plündern lassen, als mich nochmal 10 Jahre lang von seinen Juristen, von Kollegen und von anderen Mitläufern als „ausgewiesener Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunkssystems“, „Schmarotzer“, „Trittbrettfahrer“ und was nicht noch alles beschimpfen lassen zu müssen und weit mehr zahlen zu müssen, als er mir damals vom Konto hätte phishen können mit den Zugangsdaten.

    Die Juristen, der das damals gegen mich durchgezogen haben, wurden von den Intendanten dafür reich belohnt und machten Karriere. Die KEF hat dafür dann zwar den Sendern 300 Millionen beantragte Online-Kohle nicht mehr bewilligt, weil denen das zuweit ging. Aber das interessiert solche Leute nicht, genauso wie die natürlich die paar Kröten auf meinem Konto nicht wirklich gebraucht hätten (aber ich!). Aber es geil finden, so etwas mit der Jura-Keule durchsetzen zu können. So, wie sie aktuell versuchen, Rundfunkgebühren für Registrierkassen zu kassieren, obwohl ihnen absolut klar sein dürfte, daß das Rechtsmißbrauch ist. Und genauso versucht dieser Herr halt nun, wie weit er es treiben kann. Für Juristen zählt sowas unter „sportliche Späße“ – für die Attackierten ist es oft der Ruin. Mit einem „Zwanziger“ ist da nur in halbwegs gesitteten Fällen noch was zu retten. Ich kenne Leute, die leben seit 10 Jahren von „nichts“, weil sie in den Konkurs geklagt wurden, nur weil ihr Nachname (so wie der 10.000 anderer Menschen in Deutschland) mit dem einer konkursgegangenen Baufirma korrelierte.

    Juristisch ist wirklich jeder Schwachsinn durchsetzbar, wenn jemand nur versessen genug darauf ist. Und ich wünsche keinem, auch in diese Lage zu kommen, nicht mehr in Urlaub gehen zu können, nicht mehr auf Messen, nicht mal mehr in die Arbeit, weil dann alle Stunde zwei bösartige Faxe nach Hause geschickt werden und es dann nur heißt „ja hähähä, dann müssen Sie halt jemand anstellen, der für Sie unsere Schreiben entgegen nimmt, wenn Sie so eigensinnig sind und meinen, zu Geschäftszeiten Ihrem Arbeitgeber dienen zu müssen, statt sich um unsere Anliegen zu kümmern!“

    Rolf Schälike ist sowas gewachsen, weil er die Zeit und Möglichkeiten hat, gegenzuhalten. Normale angestellte Arbeitnehmer, gerade in der Medienbranche mit ihren Arbeitsbedingungen und Anforderungen, haben da keine Chance – und das nützen die Anwälte gnadenlos aus. Gravenreuth hat es bis zum Exzeß durchexerziert, aber er war nicht der einzige.

  24. Lieber Stefan,

    ich respektiere Deine Loyalität der F.A.Z. und dem Koll. Jahn gegenüber. Trotzdem bin ich nicht Deiner Meinung und wundere mich, dass ich hier der bislang einzige bin, der das äußert.

    Dr. Soehring wird wissen, warum er die geforderte Unterlassung erklärt hat. Auch ich hatte beim Lesen das Missverständnis, dass mit „verspätet“ verfristet gemeint sei. Das wäre ein schwerer – nein schwerster – anwaltlicher Faux-Pas gewesen, denn der dabei verstrichene Termin hätte ohne richterliches Ermessen für ihn erkennbar festgestanden.

    Das ist bei der Frage, ob ein Antrag noch im Soforterechtsschutzverfahren zulässig ist oder ins Hauptsacheverfahren gehört – und darum ging es hier – oft nicht vorhersehbar. Die Richter haben da Spielraum, weshalb es nie schaden kann, den Eilweg als erstes zu probieren, derselbe Klageantrag wird im Hauptverfahren dadurch nicht abgeschnitten und man erkennt manchmal sogar nebenbei schon, wie die Kammer das andeutungsweise vorwegnimmt. Wenn es am Geld nicht scheitern muss, immer ein kluger Schachzug und eine geradezu klassische win-win-Situation.

    Weil ich diesen Unterschied kenne und die Formulierung im Beitrag von Joachim Jahn beim Lesen vollkommen falsch verstanden hatte, kann ich sehr gut nachvollziehen, warum Christian Schertz mit dem Text – zumal im vermutlich wichtigsten deutschen Leitmedium, der F.A.Z. – ein Problem hatte.

    Mir fehlt deshalb nicht die gebotene Solidarität, aber doch unangebrachte Mitleid. Der Kollege Jahn wusste, über wen er schreibt – und welche Konsequenzen es sofort haben würde, wenn ihm dabei auch nur der kleinste Fehler unterläuft. Er wird deswegen sicher kein Schreibverbot kriegen. Wenn Schertz dabei Unrecht geschehen ist, hat er jeden Anspruch auf Wiedergutmachung. Die F.A.Z. ist groß genug, um das zu überleben.

    Meint

    ChristianBerlin (Blogger auf freitag.de)

  25. Verfristet? Was soll das für ein Wort sein? Welcher Zeitungsleser kann damit etwas anfangen?

    Und warum hat Schertz nicht bei der FAZ angerufen, auf dem Austausch von verspätet und verfristet oder wasweißichfürnselbstausgedachtesscheißwort bestanden – und gut? Weil es ihm offenbar lieber ist, wenn der Artikel ganz verschwindet.

    Fakt ist doch: Der Mann kam zu spät mit seiner EV. Zu spät bedeutet verspätet. Und eigentlich sollte man sich auf solche Abmahnungen nicht einlassen müssen – im Gegenteil. Jemand, der wegen einer solchen juristischen Spitzfindigkeit Gerichte bemüht, sollte eine Art Blaulichtsteuer zahlen wegen grober Verarschung der Justiz.

  26. @CB: Dr. Soehring vertritt inzwischen nicht mehr die FAZ, sondern die „Bild“-Zeitung (lustige Karriere). Und die Deutlichkeit, mit der die Richterin das Vorgehen von Schertz bzw. seiner Vertreterin würdigte, ließ mich als Zuhörer durchaus von einem „schweren anwaltlicher Faux-Pas“ ausgehen.

    Ich kann als Nichtjurist nicht beurteilen, wie die FAZ-Formulierung auf Anwälte unter den Lesern wirkt. Aber für mich geht aus dem Satz „Das Landgericht hielt die Berufung von Schertz für verspätet und damit unzulässig“ gerade hervor, dass es nicht um eine schlichte Fristversäumnis handelt, sondern eine Ermessensentscheidung des Gerichtes: „hielt … für verspätet“.

    Der Eintrag hat übrigens nichts mit meiner Loyalität gegenüber der FAZ zu tun. Im Gegenteil: Gerade weil es die FAZ betrifft, habe ich gezögert, es aufzuschreiben.

  27. Ui, check mal deine Seite auf dem iMac27 – die Schriftgröße der Anmerkung, erster Block, ist so mini, da braucht man ne Lupe. Unlesbar :-) Danke.

  28. Basierend auf der von mir nachhaltig als mit Art. 5 GG unvereinbar kritisierten Stolpe-Rechtsprechung, die gegenwärtig von den Gerichten praktiziert wird, kann sich bei missverständlichen Formulierungen der Kläger selbst aussuchen, welche gelten soll. Daher musste Kollege S. mit seiner Spitzfindigkeit Erfolg haben. -> http://www.heise.de/tp/r4/artikel/25/25721/1.html

    Was aber bringt es, wegen Lappalien den Kollegen S. von der Kette zu lassen, wenn in einem Laden der Wurm drinnen ist? Die Sache regelt sich häufig über das Karma: So war S. seinerzeit unverhältnismäßig für ein feines Kölner Bankhaus gegen einen Journalisten vorgegangen http://www.nachdenkseiten.de/?p=2360, das sich um sein „Unternehmenspersönlichkeitsrecht“ sorgte. Das edle Bankhaus hat nun ganz andere Sorgen, gegen die auch ein Medienanwalt wenig auszurichten vermag. -> http://www.sueddeutsche.de/finanzen/348/506528/text/

  29. Ich vermute dass der FAZ-Redakteur zu spät kam. Denn dass die Berufung rechtzeitig eingelegt war, hatte das Gericht ausdrücklich zu Beginn der Verhandlung gesagt.

  30. „Ich kann als Nichtjurist nicht beurteilen, wie die FAZ-Formulierung auf Anwälte unter den Lesern wirkt.“

    Das Wort „Verspätung“ löst bei Anwälten Abwehrreflexe hervor. Ist Sachvortrag im Rechtsstreit „verspätet“, ist er bei der Entscheidung prozessual nicht zu berücksichtigen, selbst wenn er richtig ist und zu einem materiell anderen Ergebnis führen würde.

    Sehr häufig stellt verspäteter Vortrag eine anwaltliche Pflichtverletzung dar, was zu Schadenersatzansprüchen des Mandanten und zu Reputationsverlust des Anwalts führt.

    Auch eine „verspätete Berufung“ ruft bei mir als Anwalt die Assoziation hervor, dass Herr Schertz einen Fehler begangen hat (nicht fristgerechte Einlegung der Berufung). Es ist Aufgabe des Anwaltes, Rechtsmittelfristen zu überwachen und einzuhalten.

    Ich kann daher gut verstehen, dass Herr Schertz diesen Eindruck in der FAZ nicht stehen lassen will – auch wenn meine Sympathien anders verteilt sind.

    Im Übrigen gehe ich davon aus, dass die FAZ als Qualitätsblatt ebenfalls kein Interesse hat, missverständlich (und genau genommen: ungenau) zu berichten; zumindest eine Klarstellung sollte daher selbstverständlich sein.

  31. @ Stefan & 31

    stimmt, jetzt nach 2maligem Lesen bin ich dabei. Das „Deshalb“ im Folgesatz hatte mich stutzig gemacht, klingt so nach Indikativ… mea culpa.

    ciao Jan

  32. @ SN: Hat die FAZ nur die Unterlassung erklärt oder auch die anwaltliche Kostennote beglichen? In einfach gelagerten, eigenen Anglegenheiten kann man ja auch von Anwälten erwarten. Selbst tätig zu werden. Und einfach fand ich das hier schon ;-)

    Von wem werden Sie jetzt eigentlich vertrten

  33. Sind die nachträglichen Veränderungen an Ihrem ersten Beitrag zum Thema
    Anwalt Schertz verliert gegen „Stalker“
    von eben diesem veranlasst worden?

  34. Da stellt sich nun die Frage: Soll es ein Jurist verstehen oder ein normaler Mensch?

    Die FAZ schreibt nicht für Juristen.

    Aber wegen solcher Spielchen gibt es inzwischen leider gerade bei Dingen, die Normalmenschen wissen sollten, keine geeignete Literatur mehr. Ist alles nur noch für Juristen geschrieben, nicht in Normaldeutsch.

    Im Übrigen kann wegen einer strittigen Formulierung nur deren Korrektur oder Entfernung verlangt werden, nicht das Löschen des gesamten Beitrags. Wenn doch letzteres geschieht, dann weil der Verlag sich weiteren Ärger ersparen will (oft wird sonst ein Satz nach dem anderen separat abgemahnt, um mehrfach kassieren zu können, wenn noch mehr zu beanstanden ist).

    Und ja, nach so einem Vorfall wird dem betreffenden Kollegen üblicherweise sehr wohl ein „Schreibverbot“ erteilt, mindestens für bestimmte Themen. Ein weiterer Grund, warum Anwälte das ausnutzen: nach ein paar Abmahnungen sorgt der Verlag schon dafür, daß niemand mehr Namen wie Gravenreuth oder Schertz verwendet oder über diese Leute (auch ohne Namen) berichtet und es sind auch keine Autoren für solche Themen mehr übrig, die noch schreiben dürfen. -> Zweck erfüllt.

    Presse-Zensur ist ganz einfach…

  35. Mal zurück zum eigentlichen Thema:

    Ich hege zwar keine besonderen Sympathien für Herrn Schertz, kann ich hier aber doch etwas verstehen. Als ich den monierten Satz zum ersten Mal gelesen habe, bin ich auch zusammengezuckt. Der erfahrene Prozessanwalt Schertz soll eine Berufung verspätet eingelegt haben?

    In der Tat liest sich die Formulierung so, als sei die Berufung – im prozessualen Sinne – zu spät eingelegt worden. Auch der in diesem Zusammenhang verwendete Begriff der Unzulässigkeit wäre juristisch korrekt. Einzig das „hielt“ deutet ein wenig in eine andere Richtung, weil man die verspätete Einlegung Berufung festgestellt hätte. Das ist letztlich keine Wertungsfrage, zumindest nicht solange dem Anwalt die Fristversäumnis nicht bekannt ist und er gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

    Und wenn man das so verstehen kann (Stichwort „Stolpe“), würde ich darin auch einen Nachteil für den Anwalt sehen, da es natürlich kein Aushängeschild ist, wenn öffentlich (vermeintlich) verbreitet wird, der Anwalt hätte die Rechtsmittelfrist versäumt.

    In der Sache selbst bleibt aber nur festzustellen, dass sich Herr Schertz nun wahrlich nicht mit Ruhm bekleckert. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht…

  36. Wenn ich es richtig verstanden habe, war die explizit festgelegte zeitliche Befristung der einstweiligen Verfügung bereits abgelaufen. Allein aus diesem Grund hat das Gericht die Berufung mangels (fortbestehendem) Rechtsschutzinteresse für unzulässig gehalten.

    Die Klage im Hauptsacheverfahren hat damit nicht unmittelbar zu tun. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Herr Schertz das Problem hätte sehen müssen, da er mit der einstweiligen Verfügung ja auch dann (so oder so) nichts mehr hätte anfangen können, wenn sie die Berufungsinstanz überlebt hätte.

  37. @BV
    So habe ich es auch verstanden. Die Berufung hatte sich damit erledigt (im rechtlichen Sinne), die Kosten waren nach billigem Ermessen zu verteilen (91a ZPO). Einew solche Prozeßsituation sollte auch dem Anwalt auffallen.

    @Rolf Schälike
    Ohne Ihren Beitrag im Kampf für die Meinungsfreiheit schmälern zu wollen, geht es mir als Jurist massiv auf die Eier, daß sich immer Leute wie Sie, berufen fühlen über den Zustand der Anwaltschaft und Gerichtsbarkeit zu urteilen, die von der Materie aber auch gar keine Ahnung haben.
    Daß dem so ist, haben Ihre Kommentare ja gezeigt.

  38. @ 57: Dann macht Herr Schälike ja erfreulicherweise alles richtig, wenn er Ihnen „massiv auf die Eier geht“. Wo kämen wir hin, wenn Sie und Konsorten in Ruhe gelassen würden, oder Sie sich aussuchen dürften, wer Sie kritisieren darf; Sie bekommen doch noch lange nicht den Gegenwind, den Sie verdienen. Herrn Schälike wünsche ich alle Energie, die er nötig hat, um weiterzumachen.
    Ad fontes!

  39. @Rolf Schälike
    könnte man in einer sache, die gegen die npd geht, einfach auch mal zurückhaltung üben und sich in diesem speziellen fall eines beitrags enthalten, anstatt freude über den misserfolg zu bekunden?
    evtl. könnten sie hier angriffsziel (schertz) und streitsache in einem solchen fall auch mal gemeinsam betrachten und einfach schweigen. ach bitte.

  40. Wo soll ich eigentlich die Meldung posten, dass Herr Schertz den Herrn Kachelmann öffentlich vorgeführt sieht, weil er sichtbar in die „grüne Minna“ einsteigen musste?
    @Rolf Schälike Zustimmung. Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden.

  41. @60: Ich glaube nicht, dass es Grund zur Freude ist, dass die NPD gewonnen hat.

    Ausserdem gewinnt vor Gericht nicht unbedingt die Partei die den besseren oder berühmtesten Anwalt hat. M.a.W.: es ist nicht unbedingt die „Schuld“ vom Anwalt wenn ein Prozess verloren geht.

    Ich finde auch, der Focus auf einen RA lenkt etwas ab von dem was Sie (vermutlich) eigentlich wollen, nämlich auf die aus Ihrer Sicht restriktive Rechtsprechung der LG HH und BLN aufmerksam machen.

  42. Ralf Schälike @62
    meine frage zielt darauf hin, warum sie auch noch den fünften misserfolg von schertz in einer woche hinzu erwähnen müssen. genügen vier nicht schon, um ihnen genugtuung zu verschaffen?
    solche vehemenz in der sache könnte den blick darauf verstellen, dass es mandanten und gegner des von ihnen beobachteten anwalts gibt, denen man den einen oder anderen ausgang des verfahrens persönlich wünschen könnte. ohne dabei partei für den anwalt nehmen zu wollen.

  43. @ 65 (Rolf Schälike):

    Wenn ich das hier lese…

    Wir hatten alle Varianten mit Fachanwälten durchgespielt. Ich würde mal behaupten, es gab noch Varianten, die untrafrettchen nicht so ohne Weiteres kennen kann.

    …sind vielleicht eher die Fachanwälte die richtigen Ansprechpartner und nicht ultrafrettchen. (Ganz am Rande: Was für Fachanwälte waren denn das?)

    Ansonsten bin ich gerne bei der Übersetzung des Schreibens behilflich. Die Antwort auf das Schreiben in #52 lautet: „Nein!“

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