Die erste Frage, die sich stellt, wenn man den Beschluss des Kölner Oberlandesgerichtes liest, ist die, ob die deutsche Sprache dagegen klagen könnte. Oder wenigstens die Verben, wegen Diskriminierung:
Die gemäß §§ 99 Abs. 2, 567 ff ZPO statthafte und auch den sonstigen Voraussetzungen nach zulässige sofortige Beschwerde der Verfügungsbeklagten gegen die in dem nach Anerkenntnis zu dem geltend gemachten Unterlassungspetitum durch das angefochtene Schlussurteil getroffene gesonderte Kostenentscheidung ist in der Sache erfolgreich.
Ist das nicht sensationell, was die Richter alles zwischen den Artikel „die“ und das dazugehörige Substantiv „Kostenentscheidung“ gepackt haben? Und das ist nur der erste Satz. Der nächste lautet:
Allerdings gilt das nicht, soweit die sofortige Beschwerde sich im Hauptantrag dagegen wendet, dass das Landgericht die Kostenverteilung anhand der sich aus dem bisherigen Sach- und Streitstand ergebenden Erfolgsaussichten des Rechtsschutzbegehrens der Verfügungsklägerin vorgenommen hat, anstatt — wie die Verfügungsbeklagte das vertritt und mit der sofortigen Beschwerde in erster Linie zu erreichen sucht — den sich aus § 98 ZPO im Falle des Vergleichsschlusses formulierten gesetzlichen Verteilungsmaßstab der Kostenaufhebung als maßgeblich zu erachten.
So geht das viele Absätze weiter, und als sei der Beschluss durch diesen Sprachbeton nicht schon undurchdringlich genug, handelt es sich bei dem Verfahren auch noch um die Beschwerde gegen ein Urteil wegen einer einstweiligen Verfügung, weshalb die Verfügungsbeklagte gleichzeitig die Beschwerdeführerin ist und die Verfügungsklägerin die Beschwerdegegnerin. Logisch.
Jedenfalls hat Eva Herman gegen die Nachrichtenagentur dpa verloren. Es geht immer noch darum, dass dpa die frühere Fernsehmoderatorin am Abend der berüchtigten „Johannes B. Kerner“-Sendung im vergangenen Oktober sinnentstellend wiedergegeben hatte (Vorgeschichte Teil 1, Teil 2). Eva Herman mahnte die Agentur zwei Monate später ab und beantragte im Januar schließlich eine einstweilige Verfügung. Beide Seiten verglichen sich, umstritten blieb aber, wer die Kosten für das Verfahren tragen soll.
Das Kölner Oberlandesgericht gab jetzt einer Beschwerde von dpa statt und widersprach dem Urteil der Vorinstanz. Eva Herman muss die Kosten ganz allein tragen. Ihr Antrag auf eine einstweilige Verfügung hätte keine Chance gehabt. Es habe — mehrere Monate nach der Veröffentlichung der Meldung — keine dafür erforderliche Eilbedürftigkeit gegeben. Daran ändere auch nichts, dass Eva Herman eidesstattlich versicherte, erst am 10. Dezember von der dpa-Meldung vom 10. Oktober erfahren zu haben. Das Gericht zweifelte auch daran, dass eine Wiederholungsgefahr bestand.
Ein Bericht der evangelikalen Nachrichtenagentur Idea über einen Anfangserfolg Hermans endete im Februar mit den Sätzen:
Nach dem Sieg der Fernsehmoderatorin gegen die größte deutsche Nachrichtenagentur könnten bald weitere Medien zur Rechenschaft gezogen werden. Herman: „Es wurde Zeit, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Das war erst der Anfang. Nun geht es weiter.“
Über ihre Niederlage haben Herman und ihre publizistischen Verbündeten bislang nicht berichtet. Offenbar würde das ihrer Wahrheitsfindung nicht dienen.
Hä? Glücklicherweise hast Du dazu geschrieben, dass jene Zeilen im Gerichtbeschluss stehen. Ich hätte sonst schwer an mir gezweifelt … Auf E.Hs Homepage wird übrigens nach wie vor über juristische Erfolge gejubelt.
Aber ist es nicht auch toll, was man aus deutschen Wörtern so alles stricken kann.
Den zweiten Absatz versteht man zwar erst nach mehrmaligem Lesen, doch den ersten finde ich sehr schön.
Gibt es denn einen Vorschlag, wie man den ersten Satz der Begründung genauso präzise und vollständig aber für den Laien leichter verständlich formulieren kann?
Der juristische Fachmann jedenfalls kann aus diesem ersten Satz den gesamten Verfahrensgang und die Entscheidung entnehmen. Ist doch toll, daß das Gericht hier in nur 6 Zeilen eine Unmenge an Informationen vermitteln kann.
Mark Twain – The Awful German Language
@3 Das ist einfach, hier mein Vorschlag: „Es sind die Momente in einem Gerichtsstreit, wo man sich Gedanken macht, wie man weitermacht. Ich [das Gericht] habe mich entschieden, dass ich mit dem nächsten Fall weitermache und Sie, Frau Herman, jetzt verabschiede. Sitzung geschlossen.“
Dieses komplizierte unverständliche Juristen-Kauderwelsch im Urteil, passt doch zu Eva Herman, wie die Faust aufs Auge.
Vielleicht ist das ja ein Wink mit dem Zaunpfahl in Richtung Eva Herman. :)
@Twipsy: Wunderbar!
Um mal den Pienser herauszukehren – meiner Meinung nach bezieht sich das erste „Die“ auf die Beschwerde…
Die […] Beschwerde […] gegen die […] Kostenentscheidung ist […] erfolgreich.
Es bleibt natürlich immer noch ziemlich undurchdringlich :)
Ja, das erste „die“ bezieht sich auf die Beschwerde. Ich sprach aber vom „die“, das sich auf die „Kostenentscheidung“ bezieht.
Ich verstehe irgendwie nicht, warum Frau Herman verloren haben soll, wenn die dpa anerkannt hat.
Weil sie ihre Auslagen erstattet haben wollte und das Gericht der Meinung ist, sie hätte nicht mehr klagen müssen.
Ok, dann habe ich den Eintrag falsch verstanden. Ich ging davon aus, der „Eva Herman gegen die dpa verloren“ Teil bezog sich auch auf die Hauptsache und nicht nur auf die Kosten.
Die Sache ist leider sehr kompliziert. dpa und Eva Herman haben sich nach einer ersten Gerichtsverhandlung verglichen. Dieser Vergleich sah vor, dass dpa die Meldung nicht mehr wiederholt und beide Seiten die Kosten teilen. Die Zustimmung zum Kostenvergleich widerrief Eva Herman aber nachträglich, deshalb mussten darüber die Gerichte urteilen. dpa ist der Meinung, Eva Herman habe gar keinen Anspruch auf Unterlassung gehabt und man habe sie nur freiwillig abgegeben – deshalb also auch nicht ihre Auslagen erstatten müssen. Im Prinzip hat das Gericht diese Position jetzt bestätigt.
(Bitte unbedingt die oben verlinkten Teile 1 und 2 der Geschichte lesen, sonst ist es juristisch völlig unverständlich. Okay, ist es eh.)
Sehr gut finde ich, dass das Urteil des LG Köln so differenziert denn nicht vorhandenen Sachzusammenhang zweier Aussagen rügt und das dpa zur eigenen Fehlleistung steht, diese korrigiert hatte und den Vergleich ermöglichte.
Besonders schade finde ich, dass Eva H. dieses Urteil mit stolz geschwellter Brust vor sich her getragen ht und dies für einen Anscheinsbeweis der Richtigkeit ihrer Behauptungen verkaufte.
Merkwürdig finde ich, dass Eva H. erst nach zwei Monaten von der ach so schwer wiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung erfahren haben wollte und dennoch eine Eilbedürftigkeit erkannt wurde, nachdem dpa den Fehler umgehend korrigiert hatte.
Schlimm finde ich, sich erst zu vergleichen und dann nicht mehr dazu stehen zu wollen.
Hervorragende finde ich, dass Eva H. damit nicht durchgekommen ist.
Interessant finde ich, dass bislang keine Reaktion von Seitens Eva H. zum neuerlichen Urteil bekannt geworden ist.
@ nona, #4
Schöner link, danke, hab´ mich beim Lesen köstlich amüsiert, dabei liebe ich die deutsche Sprache für all das, was der gute Herr Twain daran zu bemängeln hat (vielleicht hätte er mal das Baskische probieren sollen…)!
Herr Niggemeier,
es tut mir leid, Sie mit derlei Korinthenkackerei belästigen zu müssen, aber mir als studiertem und ausübendem Germanisten kommt es auch nach wiederholter Lektüre so vor, als ob sich in Ihr erstes Zitat aus dem Gerichtsbeschluss ein Fehler eingeschlichen hat, den ich in folgendem Bereich lokalisiere:
„gegen die in dem nach Anerkenntnis zu dem geltend gemachten Unterlassungspetitum durch das angefochtene Schlussurteil“.
Der Fehler könnte natürlich auch in einer Auslassung bestehen, weil in der vorliegenden Wiedergabeform einer der Dativ-Artikel ins Leere läuft.
Könnten Sie, falls es nicht zu viel Mühe macht, noch einmal den fraglichen Passus im Original überprüfen bzw. mir mitteilen, wo ich den Gerichtsbeschluss im Volltext nachlesen kann? Ich halte es freilich auch für möglich, dass sich die Richter durch ihre syntaktische Verschachtelung selbst ein Bein gestellt haben …
Vielen Dank.
Mit freundlichem Gruße
Ille
irgendwie musste ich an Karl-Heinz Stiegler (MdB) denken…: http://www.zippyvideos.com/9585446136467056/loriot_-_bundestagsrede/
@ille: Wenn Sie den Text weiterlesen, werden Sie sehen, dass das „die“ zu dem Wort „Kostenentscheidung“ gehört – grammatisch also korrekt, aber sonst…
@ niemand, 18: Die Frage ist aber wo das „in dem“ hingehoert. Das „die“ hatte Stefan ja schon im Text geklaert.