Alle drei Monate gibt der Deutsche Presserat die Rügen bekannt, die seine Beschwerdeausschüsse ausgesprochen haben. In knapper Form nennt er die Medien, beschreibt die Fälle und zitiert die Richtlinien des Pressekodex, gegen die sie verstoßen haben. Aus der Pressemitteilung machen dpa, andere Nachrichtenagenturen und die Branchendienste dann durch Kürzen und Umstellen einzelner Sätze Meldungen. Eine Recherche findet nicht statt.
Am Donnerstag war es wieder so weit. Die Pressemitteilung trug diesmal den Titel „‚Erstklassige‘ Schleichwerbung: Presserat rügt Zeitung für Luxusflug-Reportage“. Die Agentur dpa behielt die Überschrift gleich bei und meldete: „Presserat rügt Zeitung für Luxusflug-Reportage“. Die Kollegen der Katholischen Nachrichtenagentur KNA entschieden sich für: „Presserat erteilt sechs Rügen“.
„Kress Report“, „W&V“, „Horizont“, „Meedia“, „DWDL“ — sie alle verwursteten die Pressemitteilung zu Online-Meldungen, nicht ohne gelegentlich kleine Fehler einzubauen. Bei kress.de wurde aus der öffentlichen Rüge für die „Thüringer Allgemeine“ eine nicht-öffentliche; bei horizont.net aus einer Rüge wegen Diskriminierung von Sinti und Roma eine wegen Verletzung der Intimsphäre. Die Ab- und Umschreibespezialisten von „Meedia“ übernahmen beim Copy & Paste ganze Absätze der Pressemitteilung inklusive Flüchtigkeitsfehler („Persönlichkeitsreichte“), missverstanden eine zeitlose Richtlinie aus dem Pressekodex als aktuelle Anspielung auf den Fall Robert Enke und personalisierten auf fast perfide Weise die Rüge für die „Thüringer Allgemeine“, indem sie so taten, als sei der „von der WAZ freigestellte und in der Diskussion als Qualitätsjournalist etikettierte“ Ex-Chefredakteur Sergej Lochthofen persönlich getadelt worden.
Mit Ausnahme von horizont.net, die immerhin den Link zu einem der gerügten Artikel heraussuchten (aber absurderweise zur Illustration irgendeine „Welt am Sonntag“ zeigen und nicht die Seite mit dem gerügten Text), hat keines dieser Medien in irgendeiner Weise selbst recherchiert.
Dabei hätte es nur wenige Minuten gedauert, die gerügten Online-Artikel zu ergooglen oder aus den Archiven zu suchen. Die Kollegen hätten sich die Artikel selbst durchlesen und sie mit eigenen Worten beschreiben können, anstatt sich auf die Formulierungen des Presserates verlassen zu müssen. Sie hätten sich ein eigenes Bild machen und die Urteile des Presserates, der ja nicht unfehlbar ist, kritisch würdigen können. Sie hätten merken können, dass die eine Werbegeschichte aus der „Welt am Sonntag“, die der Presserat gerügt hat, von einem nicht unbekannten Schriftsteller verfasst wurde. Sie hätten bei Edda Fels, der Kommunikationschefin von Axel Springer, nachfragen können, ob die „Welt am Sonntag“ für den Bericht über die First Class von Singapore Airlines tatsächlich die Kosten von rund 9000 Euro selbst bezahlt hat, wie es ihre ach so strengen journalistischen Leitlinien vorschrieben. Sie hätten darüber stolpern können, dass die gerügten Online-Medien nur die Artikel aus ihren Print-Müttern übernommen haben, und beim Presserat nachfragen, warum er in solchen Fällen nicht beide Versionen rügt.
Es hat mich 15 Minuten gekostet, herauszufinden, wer der Bürgermeister und ehemalige Bundestagsabgeordnete ist, über den sein früherer Pressesprecher eine Abrechnung in der „Thüringer Allgemeinen“ schreiben durfte. Vermutlich wäre das mit einem Anruf beim Presserat auch in drei Minuten zu erfahren gewesen.
Je nach vorhandenem Interesse und verfügbarer Zeit hätten sich mit einer Investition von wenigen Minuten oder zwei Stunden auf Grundlage der Pressemitteilung des Presserates interessante, relevante, lesenswerte eigene Artikel produzieren lassen. Stattdessen haben sich alle Mediendienste sowie die Nachrichtenagenturen dafür entschieden, nichts weiter zu tun, als die Pressemitteilung umzuschreiben.
Das ist typisch ist für die Art, wie in vielen (Online-)Redaktionen gearbeitet und auf die Möglichkeit verzichtet wird, sich mit geringstem Aufwand ein eigenes Bild zu verschaffen, sich von der Konkurrenz zu unterscheiden und, herrje: journalistisch zu arbeiten. Und ich glaube, dass sich das nicht nur mit Geld-, Zeit- und Personalnot erklären lässt. Es ist eine Frage des Handwerks. Und der Haltung.
Wenn einem journalistischen Medium die Mittel fehlen, mit einer Pressemitteilung mehr zu tun als sie zu kürzen, dann fehlen ihm die Mittel, ein journalistisches Medium zu sein. Und warum sollte es ökonomisch sinnvoll sein, zuverlässig dasselbe zu produzieren wie die Konkurrenz? Worin besteht der Mehrwert für den Leser?
Journalismus ist in einem erstaunlichem Maße durch das routinierte, fast mechanische Reproduzieren von Inhalten ersetzt worden. Ein Teil der Belegschaft ist ganz für die Arbeit am Content-Produktions-Fließband abgestellt, wo selbst der Gedanke an eine Mini-Recherche, wie in diesem Fall ein Link auf die gerügten Artikel des Presserates, abwegig ist.
Es ist ein Journalismus, dem das Interesse an seinem Gegenstand abhanden gekommen ist. Wer braucht den?
(Nein, dieser Text hat nicht die versteckte Botschaft: Seht her, wie toll wir das im Vergleich bei BILDblog machen. Ich ärgere und wundere mich nur jedesmal über den Umgang mit den Presserats-Meldungen und halte sie für ein besondes anschauliches Beispiel dafür, wie Journalismus bloß simuliert wird.)
„ […] wie Journalismus bloß simuliert wird.“
Das trifft es so dermaßen auf den Punkt!
Die Thüringer Zeitung heißt „Thüringer Allgemeine“. In den zitierten Meldungen steht’s richtig. Entweder du machst die Anführungszeichen weg, oder schreibst den richtigen Titel.
Genauso erstaunlich finde ich eigentlich, dass es die Leser anscheinend kaum stört. Ich habe jedenfalls noch nie von einem Zeitungsleser gehört, dass er irgendwie mit seinem Medium unzufrieden wäre. Vielleicht hat das was mit Gewohnheit zu tun. Oder ich kenne die falschen Leute.
(Nein, dieser Kommentar hat nicht die versteckte Botschaft: Ich verstehe die ganze Aufregung nicht. Ich wundere mich nur, wie unkritisch viele Leute mit ihren Informationsquellen umgehen.)
@3 (muriel):
sind sie kein zeitungsleser, oder stört es sie denn selbst auch nicht? mich stört das ungemein und mündet immer wieder in abokündigungen, zeitungswechsel, leserisches nomadentum. eventuell werde ich sogar zum ex-zeitungsleser.
.~.
„zwei Stunden auf Grundlage der Pressemitteilung des Presserates interessante, relevante, lesenswerte eigene Artikel produzieren lassen“
Zwei Stunden Arbeit für eine Online-Meldung über ein Medienthema?
Es IST ökonomisch begründet, dass niemand so etwas macht.
Das ändert aber nichts an den handwerklichen Schwächen, die auftreten, wenn man PM nicht richtig liest, falsch versteht… usw.
Vielleicht ist das auch nur eine stille Übereinkunft zwischen den einzelnen Zeitungen. Da will keiner dem anderen durch Recherche oder Nachhaken ans Bein pinkeln. Beim nächsten Mal könnte man ja selbst unter den Gerügten sein und möchte dann keine Retourkutsche abbekommen.
Muriel, woher soll denn die Information für den Leser kommen? Die Haltung ‚Die lügen sowieso alle‘ ist nicht kritisch, nicht skeptisch, sondern nur lächerlich. Sie hilft auch nicht weiter. Somit bleibt der Leser, ob kritisch oder nicht, darauf angewiesen, dass die Jungs und Mädels „Journalisten“ zumindest ihr Handwerk verstehen und ordentlich ausführen.
Bei ’nem Klempner, Elektriker oder Tischler erwarte ich auch ordentliche Arbeit, werde natürlich auch mal enttäuscht, weiche dann auf andere aus, die mir empfohlen werden. Habe ich einen gefunden, der gut arbeitet, bleibe ich bei ihm. Im Falle Zeitungen und Magazine wird die Konkurrenz aber immer kleiner, zum einen wegen der von Stefan Niggemeier beschriebenen Problematik, zum anderen, weil es keine eigenständigen Redaktionen mehr gibt.
Welche Wahl hat denn der Nordrhein-Westfale, wenn Bodo Hombach mit stolzgeschwelltem Kamm erklärt wie toll das ist, wenn seine Zeitungen alle von denselben 25 Leutchen redaktioniert werden? Oder wenn Matthias Döpfner erfahrene Schlachtrösser zur Verwertungsanstalt schickt, um billige Praktikanten den Job von echten Männern machen zu lassen?
@ Stefan Niggemeier
Ich habe zwei Fragen. Erst einmal, ist es angebracht in der BILDblog Überschrift das Wort Zigeuner einzubauen? Das ist für meinen Geschmack sehr reißerisch und muss nicht sein. Und natürlich frage ich mich, wie es denn sein kann, dass nach einer erteilten Rüge die Artikel unverändert und ohne Hinweis noch immer im Netz stehen können – seit Freitag?
Herr Niggemeier, Sie hätten das auch in Ihre Rubrik „Geht sterben xy“ einsortieren können, denn das plumpe Abgeschreibe ist ein Kennzeichen dieser Medien, die längst nicht begreifen, welche Möglichkeiten zur Recherche und Darstellung es längst gibt. Sie zeigen das mal wieder vorbildlich, auch im Bildblog. Wenn Sie sich selbst dafür nicht loben wollen, dann tue ich das hiermit. Ich bin dankbar, dass es Sie und Ihre tollen Seiten gibt.
Und damit jetzt aber Schluss mit dem Geschleime.
Ein paar (unrecherchierte) Thesen dazu:
* Dem durchschnittlichen Zeitungsleser gehen Rügen des Presserats am Allerwertesten vorbei. Wieso soll also die Redaktion für die Berichterstattung darüber nennenswerten Aufwand betreiben?
* Online-Mediendienste (oder überhaupt Online-Dienste) haben – bis auf wenige Ausnahmen – noch nie große Recherche-Arbeit für irgend etwas betrieben – und diese Beobachtung geht zurück bis in die alte Btx-Zeit (been there, done that). Das liegt meines Erachtens an der Finanzierung, die erstens schmalbrüstig ist und zweitens überwiegend nicht durch den Nutzer, sondern durch die werbetreibende Wirtschaft erfolgt.
* Volos bekommen inzwischen schon in der Ausbildung eingeimpft, es sich ja nicht mit den Werbekunden zu verderben. Das mündet langfristig darin, dass der Wahrheits- und Informationsgehalt der Werbebanner und -Anzeigen gleich groß oder gar größer ist als der der daneben stehenden „redaktionellen“ Beiträge.
* Wer wirklich unabhängige Berichterstattung haben will, muss Medien nutzen, die entweder komplett unfinanziert sind (Blogs) oder ausschließlich durch die Nutzer bezahlt werden (die auf die Barrikaden steigen können, wenn das abonnierte Medium schlechte Arbeit abliefert).
@dot tilde dot: Ich bin mehr so gelegentlicher Zeitungsleser, unter anderem eben, weil es mich stört.
@Dierk: Wer sprach denn davon, dass alle lügen? Mich wundert einfach nur, dass die Leute, die ich kenne, anscheinend nach wie vor äußerst zufrieden mit ihren Tageszeitungen (Größtenteils FAZ, ein paar SZ) sind und auch gar nicht wissen, was ich meine, wenn ich mal nörgle.
Ich kann mir gut vorstellen, dass S.N. manchmal recht verzweifelt ist. Mir kommt ja schon die Galle hoch, wenn ich immer wieder über solch‘ Schludereien und Unvermögen lese, oder das selbst beim Online-Lesen der SZ, ZEIT, Berliner Zeitung, Spiegel und auch FAZ etc. bemerke.
Da hat sich offensichtlich seit Gustav Freytag und K.K. nix geändert. Früher war’s Schere und Kleister, heute copy+paste & Gleichgültigkeit bis Dummheit, mindestens.
Dieser Blogbeitrag spricht mir aus dem Herzen. Es gibt in zuvielen Redaktionen zu viele „Pressemeldungsdurchschieber“. Für zu viele Medienmacher zählen heute nur noch Auflage, Quote oder Klicks bei geringstmöglichem Aufwand. Die Wertschätzung der Qualität und des guten Inhalts leidet.
Hm. Ich könnte mir vorstellen, daß die gerügten Geschichten solche sind, die mir als Leser der Zeitung gar nicht gefallen haben. Umso mehr würde ich es schätzen, wenn sich die Zeitung groß damit auseinandersetzt: Wir haben das und das geschrieben und dafür eine Rüge bekommen. Zu der Geschichte kam es so und so, wir entschuldigen uns dafür beim Leser und haben das und das unternommen, damit sowas in Zukunft ncht mehr vorkommt. Würde Größe zeigen, nötige Selbstkritik und bei mir jedenfalls richtig gut ankommen.
Ich sehe ja die ökonomische Notwendigkeit der Kollegen der Mediendienste ein („glaubhafte Quelle, also nehmen wir die PM“). Aber Verlinkung ist online tatsächlich das Mindest-Handwerkszeug. Alles weitere ist eine „richtige“ Geschichte – und die interessiert wirklich nur wenige
6vor9 liefert heute für’s Bildblog einen Link zu einem Interview mit Konstantin Neven duMont. In dem sagt er: „Dann erinnere ich daran, dass Blogger keinen Reporter nach Afghanistan schicken oder aufwendige Recherchen finanzieren.“
Nicht nur, dass der „Qualitätsjournalismus“ (so langsam ist dieses Wort doch eigentlich reif für’s Unwort des Jahres – entweder hat es Qualität, dann nennt man es Journalismus, oder es hat keine, dann nennt man es wahlweise Boulevard oder abkürzend „BILD“) immer seltener anzutreffen ist. Ich frage mich auch, was Embedded Journalists in Afghanistan mit Qualitätsjournalismus zu tun haben, denn die werden ohnehin nur aus Sicht der Truppen berichten, die nie Fehler machen, nie Schlimmes tun und immer nur Opfer im fremden Land sind. Und ich lasse die Frage mal offen im Raume stehen, ob und inwieweit gerade duMont-Schauberg Journalisten nach Afghanistan schickt oder sich lediglich von Agenturen beliefern lässt und dies dann zum „Qualitätsjournalismus“ umetikettiert.
„Die Ab- und Umschreibespezialisten von „Meedia” “
Danke, musste mal gesagt werden.
„simulierter Journalismus“ finde ich eine sehr schöne Formulierung
@16, offtopic:
Ich mag mich irren, aber nach meinen Infos kürzt DuMont derzeit heftig seinen Auslandsetat. Was Afghanistan betrifft: dass die Berichterstattung z.B. des mds-Battes Stadt-Anzeiger in dem Fall oft deutlich besser als der Durchschnitt ist, hat nicht mit dem Verlag und Konstantin zu tun. Ursächlich dafür ist vor allem die Qualifikation und vor allem das Engagement eines Einzelnen, nämlich Willi Germund (der für einen Pool von Zeitungen schreibt).
Zum Threadthema: ich kann den Ärger von SN gut verstehen, diese Art von „Journalismus“ ist wirklich eine Pein am Gesäss.
Was mich immer wundert: Dass bei diesen Diskussionen über nicht nachrecherchierte PMs ein Faktor nie genannt wird: Faulheit. Warum nicht auch einfach mal pure Faulheit und Wurschtigkeit unterstellen.
Gerade was hier wunderbar passendes beim nostalgisch von der Studentenzeit schwärmenden Don A. in seinem FAZ-Blog gefunden:
„Und wer sich keine allzu grosse Mühe geben wollte oder einfach zu dumm war, studierte Kommunikationsdesign oder gleich Journalismus.“
@ #18 Usel: Wir finden die Formulierung „simulierter Journalismus” nicht schön sondern falsch.
Informationsauszug wiki:
„Die Simulation oder Simulierung ist eine Vorgehensweise zur Analyse von Systemen, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu kompliziert sind.“
Es handelt sich um „emulierter Journalismus”!
Informationsauszug wiki:
„Als Emulator (von lat. aemulare, „nachahmen“) wird in der Computertechnik ein System bezeichnet, das ein anderes in bestimmten Teilaspekten nachahmt.“
MfG
Mensch-Emulation-Roboter
@dré: Danke. Ist korrigiert. (Peinlich.)
@Patrick: Ich schrieb „mit einer Investition von wenigen Minuten oder zwei Stunden“. Und wir reden hier nicht von „Spiegel Online“, für die Medienmeldungen vielleicht eine untergeordnete Relevanz haben, sondern von Mediendiensten.
@JO: Wieso ist das Wort „Zigeuner“ reißerisch? Natürlich ist es bösartig, von „typischen Zigeunern“ zu sprechen, wenn es um mutmaßliche betrügerische Bettler geht. Aber genau das ist das Voruteil, das die „Offenbach-Post“ bedient — und deshalb steht das bei uns in der Überschrift.
Und eine Rüge bedeutet nicht, dass ein Medium den Artikel irgendwie löschen, ändern oder ergänzen muss.
@Marcus: Von mir aus auch Faulheit. Ich würd’s als eine Mischung aus Desinteresse und Routine beschreiben, aber die Grenzen sind sicher fließend.
Viele Menschen werden mit ihrem Blatt zufrieden sein, weil ihnen die Fehler nicht auffallen dürften. Es dürfte wohl auch ziemlich viel verlangt sein, wenn sich die Leser auf allen Gebieten so gut auskennen bzw. so gut in den Details stecken, dass ihnen so was auffällt — darüber spielt natürlich der Zeitfaktor eine große Rolle. Außerdem wäre es übertrieben, z.B. sein FAZ-Abo zu kündigen, nur weil da mal ein Fehler drin war.
Gerade die Debatte um die Internetsperren sollte inbs. jungen Menschen zeigen, wie gut man in die Irre geführt werden kann. Wenn wir uns einfach mal in die Haut von 40-, 50- oder 60-Jährigen, die wenig bis gar nichts mit dem Internet zu tun haben, begeben, dann kommen wir einfach nicht umhin, das, was die von der Leyen vor einiger Zeit von sich gab, für bare Münze zu nehmen. Ich möchte gar nicht wissen, was mir sonst so als plausibel aufgetischt wird.
Häufig kommt es nur darauf an, wie man es formuliert.
„Simulieren“ heißt nichts anderes als „vortäuschen“, „ähnlich scheinen lassen“ oder in älterem Deutsch „nachsinnen“ (in Gleichnissen über etwas nachdenken – so bei Luther und Goethe). So ist auch der Simulant keiner, der Systeme, die für die theoretische oder formelmäßige Behandlung zu kompliziert sind, analysiert, sondern einer, der vortäuscht, krank zu sein.
„Emulieren“ kommt von einer ganz anderen Wurzel, nämlich mulgere (abmelken), so dass „emulgieren“ nichts anderes als „abmelken“ heißt, was hier unfreiwillig auch einen schönen Sinn ergibt.
Was ist denn ein „Informationsauszug“?
—
Gibt es unter den Friseuren, Zahnärzten, Köchen, Ärzten, Wissenschaftlern und Rechtsanwälten nicht genauso viele Nieten wie unter den Journalisten? Ich weiß nicht, ob das früher schon ein Massenberuf war, aber heute ist er es in jedem Fall. Ich kenne etwa ein Dutzend Journalisten persönlich. Von denen hat keiner den Grips und das Talent für den Journalismus, wie ich ihn sich Herr Niggemeier wünscht. Vielleicht gibt es heute einige, die guten Journalismus machen könnten, angesichts der Lage aber die Segel gestreckt haben. Die können aber nicht die Mehrheit sein. Genau wie bei der Horde von hilflosen Rechtsanwälten fehlen ihr schlicht die Mittel für bessere Arbeit.
Langsam wird’s doch öde: Stefan Niggemeier wiederholt gebetsmühlenhaft, dass MEEDIA ein Spezialist fürs Ab- und Umschreiben sei. Das, lieber Herr Niggemeier, ist Kampagnenjournalismus und unterscheidet Sie in nichts von vielen, die Sie so hartnäckig kritisieren. Und genau genommen ist das auch ein Zeichen für schlechten, weil voreingenommenen Journalismus. Wenn Sie MEEDIA regelmäßig verfolgen (ich meine nicht mit Gehässigkeiten ;-)), dann sollte Ihnen auch auffallen, dass wir sehr wohl sehr viele eigene Themen und -ansätze haben.
Die Presseratsrügen haben wir nicht so hoch gehängt, wie Sie es sich vielleicht gewünscht hätten, aber das ist eine redaktionelle Entscheidung. Der Artikel trug, anders als unsere Autorenstücke, nicht einmal ein Kürzel und war nur eine von vielen Meldungen. Wenn man Ihre Maßstäbe anlegen würde, dann könnte man jedes News-Portal dafür bashen, dass es dpa-Artikel publiziert.
@Georg Altrogge: Sie meinen, das ist völlig normal für ein sich journalistisch gebendes Online-Medium, Artikel zu veröffentlichen, die sich ganze Absätze einer Pressemitteilung zu eigen machen, mitsamt Original-Tippfehler? Okay, ich gebe Ihnen Recht, das ist normal, aber Sie meinen, das ist auch gut so?
Warum hat „Meedia“ nicht einfach, anstatt die Pressemitteilung ab- und umzuschreiben, einen Link gesetzt zur Original-Pressemitteilung des Presserates?
Sie haben mich missverstanden: Mir ist völlig egal, wie „hoch“ Sie das Thema hängen. Was mir nicht ganz so egal ist, ist zuzusehen, wie eine ganze Branche sich von einer Vorstellung von Journalismus verabschiedet, die noch etwas mit, nun ja: Journalismus zu tun hat.
Und, ja, ich finde es sehr abwegig, dass Online-Vielfalt in der Praxis oft bedeutet, dass ich mir aussuchen kann, unter welchem Logo ich dieselbe Agenturmeldung lesen kann.
(Aber verstehe ich Ihren Kommentar insofern richtig, dass man bei „Meedia“ nur an hochgehängte Artikel mit Autorenkürzel irgendwelche journalistischen Ansprüche stellen darf?)
Herr Altrogge, wollen Sie bitte selbst nachprüfen, wieviel Prozent dieses Artikels die Arbeit von meeeeedia. de thematisieren? Danke. So, und wie wollen Sie jetzt bitte den Vorwurf einer kampagne gegen meeeeeeedia.de halten?
dieses thema des schwindenden qualitätsjournalismus wurde erst gestern abend in der ndr-sendung zapp aufgegriffen. dort wurde aufgezeigt, dass viele zeitung tatsächlich aus ökonomischen gründen copy & paste eingeführt haben, um die wenigen journalisten, die sich noch so schimpfen dürfen, ja nicht zu überlasten. dafür geht’s dann allerdings tiefer in die tasche des lesers. niemand hat mehr wirklich zeit zu recherchieren. ist auch nicht weiter schlimm, wahrscheinlich merkt es der eine oder andere leser nicht einmal. der hat ja auch schon genug um die ohren, da ist die zeitung nur ein zeitvertreib, der nicht auch noch anstrengen sollte. ich habe schon lange aufgehört den masseneinheitsbrei zu lesen und schaue lieber was meine peers zu erzählen haben.
http://www3.ndr.de/flash/zapp/interactivePlayer.html?xml=zappsendung164-interactiveBroadcasts.xml&sr=zapp
der artikel des herrn niggemeiers und so einige kommentare zeigen allerdings eins auf: alles wird sich nicht gefallen gelassen. doch erst wer ausspricht, was ihn stört, kann auch auf eine antwort hoffen. so kommen wir in einen dialog. doch statt sich nur auf den wenigen lorbeeren auszuruhen, sollte kritik auch in antrieb gewandelt werden, es beim nächsten mal besser zu machen. oder einfach: es beim nächsten mal wieder selbst machen. statt daher-, auch mal wieder dagegenreden.
Mr Greeen,
für jemanden mit zwei „e“ im Namen dürfte der „e“-Knopf_gedrückt_halten-Witz eigentlich garnicht so witzig sein.
@ 30: Ich verstehe Ihren Kommentar nicht.
@Niggemeier
Wenn dieser Journalismus kein Interesse mehr an seinem Gegenstand hätte, würde er keine Nachrichten mehr verbreiten, sondern nur noch Spiele und „Wissens“-Klickstrecken veranstalten. Der Gegenstand ist die Nachricht. Eine Nachricht ist die Information, dass sich irgendein Aspekt aus irgendeinem Themengebiet in irgendeiner Weise verändert hat. Dass Federer gegen Roddick gewonnen hat, dass im Urwald ein neuer Vogel entdeckt wurde und dass eine Zeitung eine nach Pressekodex unlautere Handlung zur Last gelegt wird, sind solche Informationen. Und solange diese Onlinemedien und Nachrichtendienste von Presseratsrügen und Tennisergebnissen berichten, die neuen Erkenntnisse in der Ornitologie aber auslassen, zeigt das, dass sie Interesse an den einen und kein Interesse an den anderen haben.
Dieser Journalismus hat nicht das Interesse an seinem Gegenstand verloren, sondern an der Technik, wie man diesen Berufsstand ausübt. Und solange viele verschiedene Portale die gleiche Meldung bringen, zeigt das lediglich, dass sie keine Angst von der von Ihnen angeführten Konkurrenz haben. Und das wiederum liegt daran, dass die Mehrheit aller Internetnutzer bis heute noch ein oder zwei präferierte Medien im Internet aufsucht und viel schwerer vom Eingeschliffenen wegzukriegen ist, als das so manchem mediengewandten, breitinformierten Internetnutzer verständlich ist. Was glauben Sie, wie viele Menschen heutzutage einfach nur ihre Lieblingsinformationsseite öffnen, einmal pro Tag, so wie sie damals einfach einmal pro Tag ihre abbonierte Zeitung in die Hand genommen haben? Ihre Leser, Her Niggemeier, und die Leser anderer Portale, in denen Themen besprochen werden, für die man, um mitreden zu können, mehrere Quellen gesehen und selbst darüber nachgedacht haben muss, sind ganz bestimmt nicht in der Mehrheit und ich möchte sogar behaupten, ihr Anteil an allen Internetnutzern übersteigt nciht 10 Prozent.
Viele Online-Medien brauchen sich nicht vor Konkurrenz zu fürchten, weil die Internetkompetenz hierzulande nach wie vor schwach gestreut ist. Sobald sich diese flächendeckend erhöht, werden auch die Anbieter von Informationen wieder mehr Individualität bieten müssen. Das wird dann auch der Zeitpunkt sein, ab dem sich weitaus mehr Geld damit verdienen läßt, was wiederum zu mehr Ehrgeiz führen könnte.
Gut, so genau weiß ichs auch nicht, aber ich hoffe, dass so laufen wird.
Ich fand Ihren Artikel auf jeden Fall sehr schön, vielen Dank.
[…] Welches deutsche Medium kann das für sich in Anspruch nehmen (Stefan Niggemeier weist im Gegenteil gerade wieder nach, dass vor allem Online-Journalismus inzwischen sogar weitestgehend ohne eigene Recherche […]
„…die Mehrheit aller Internetnutzer bis heute noch ein oder zwei präferierte Medien im Internet aufsucht ..:“
Nun ja… ich besuche jeden Tag 8 Webseiten etablierter Medien (SZ, ZEIT, SPon, Berliner Zeitung, Tagesschau, NZZ, FAZ, Economist, dazu den Perlentaucher) und regelmäßig – alsoauch täglich – etwa 20 Blogs die sich mit allem möglichen beschäftigen, auch mit Pressekritik; daber auch über Drucken, Kochen, Recht, Politik, Internet und ich geb’s zu: auch Don Alphoso in den FAZ-Blogs … und dann geht’s in noch mehr Sites, wenn mir ein Link vielversprechend erscheint.
Ich glaube nicht, dass ich die große Ausnahme bin.
Achso: ich mach das NICHT beruflich sondern aus schlichtem Interesse an vielem.
Lasse dich nicht unterkriegen von der Hamburger (*Zensur*)-Räusper ich meine Pressekammer.
Also ich finde den Begriff „Abschreibespezialisten“ für Meedia auch völlig daneben. Das impliziert ja, dass sie fehlerfrei abschreiben könnten, was bei einem Großteil ihrer Meldungen nicht zutrifft.
@ 25. Helen:
Die Interpretation von „Informationsauszug“ überlassen Wir ihrer Birne Helen.
„Die Grenze verläuft nicht zwischen Profis und Amateuren oder zwischen Print und Online,Sie verläuft zwischen quantitativem und qualitativem Journalismus.“
Niggemeier frei modifiziert von Roh Boter
MfG
Roboter-Simulation-Crash Test Dummies
@ (# 25) Helen
„… Friseuren, Zahnärzten, Köchen, Ärzten, Wissenschaftlern und Rechtsanwälten nicht genauso viele Nieten wie unter den Journalisten?“
Friseure und Köche haben eine Ausbildungsordnung, Zahnärzte, Ärzte und Rechtsanwälte sind durch die Staatsprüfungen die Ausbildungen gesichert, bei den „Wissenschaftlern“ kann man auf die Uni vertrauen (da wird es schon etwas kritisch).
Journalist ist jedoch KEIN geregelter Beruf und die Wege dahin sind total unterschiedlich und individuell. Daher auch die großen Qualitätsunterschiede im Journalismus.
„Journalismus ist in einem erstaunlichem Maße durch das routinierte, fast mechanische Reproduzieren von Inhalten ersetzt worden.“
Word! Leider nicht nur das Reproduzieren der gesetzten Pressemitteilungen, sondern auch der Themen der Konkurrenz. Ständiges Hinterherhecheln, bis alle den gleichen Tenor einmal gebracht haben. Und: Natürlich ist die Nachricht der Agentur immer die Wahrheit…
Die Absetzung von Sergej Lochthofen finde ich sehr bedauerlich. An sachlichen und differenzierten Stellungnahmen in der deutschen Presselandschaft im Bereich der politischen Kommentatoren herrscht nun wirklich kein Überfluß.
Dass er nun für „neue Aufgaben“ im Konzern vorgesehen ist, läßt mich eher schlechtes ahnen, auch da er sich im Nachklapp eher unsachlich geäußert hat.
Die Rügen des Presserates sind ohne Relevanz. Der einzige, der sich daran aufgeilt, ist Herr Niggemeier.
Fehlerteufel: „Das ist typisch ist für die Art“
@Jeeves (#34): wann machen Sie das alles? Ich für meinen Teil bin verheiratet, habe 2 Kinder und einen Job (der so rein gar nichts mit Journalismus zu tun hat). Ich habe vor ein paar Jahren mein SZ-Abo gekündigt, weil ich in der Woche keine Zeit mehr hatte, diese zu lesen (gepriesen sei meine Zeit als Student). In meiner Firma wird täglich beim Arbeiten die Bild gelesen, wobei sich ein Teil der Belegschaft amüsiert und der andere Teil daraus seine kompletten Informationen über das Weltgeschehen zieht (und die haben von einem Presserat noch nie was gehört). Dann gibt’s da noch die Hildesheimer Allgemeine. Manchmal komme ich noch dazu, die Cellesche Zeitung zu lesen, und dann bin ich erstaunt, wie viele Meldungen wortgleich mit Meldungen aus der Bild/Hildesheimer sind. Abends dann hin und wieder das eine oder andere Blog, und da muss ich schon wählen, damit das zeitlich hinkommt (Musik oder doch Politik? Oder Journalismus-Kritik? Herrjeh, ich kann nicht alles lesen…).
Sich zu informieren kostet Zeit. Die Medien zu hinterfragen, die die Informationen liefern, kostet noch mehr Zeit. Ich habe die nicht, u.a. deswegen bin ich Leser dieses Blogs. Herr Niggemeier nimmt mir Arbeit ab, und der Kommentarbereich hier amüsiert mich immer wieder.
Was wollte ich eigentlich sagen? Ach ja: Sie, werter Jeeves sind eine Ausnahme. Eine Große!
Korrektur – das muss heißen: In meiner Firma wird täglich beim gemeinsamen Frühstück die Bild gelesen,…
Es ist völlig natürlich und erklärlich, dass Online-Journalisten keine Zeit mehr für Recherche haben. Sehr viel Zeit geht sicher schon damit drauf, Klickstrecken zu basteln. 8-)
@42: Mosel, Sie sind ein Nebenfluss.
Ich muss ja jetzt einfach mal sagen: Sie haben einen Mehrwert, Herr Niggemeier. Also als Journalist jetzt. Ihr Geschreibsel. Ich schätze mal, das wissen Sie, aber ich dachte mir, es kann ja nicht schaden, es zum 385sten Mal zu erfahren.
ich glaube, es stört die konsumenten viel weniger, als man wahrhaben möchte.
@Mathias: „Herr Niggemeier nimmt mir Arbeit an…“ und Sie nehmen mir das Kommentieren (bzgl. Jeeves) ab. Danke.
Vielleicht hat sich in den Redaktionen ja auch endlich einmal herumgesprochen, dass Medienjournalismus generell eigentlich nur Journalisten interessiert und die knappen Ressourcen zweckmäßigerweise in lesernahe Themen investiert gehören.
Aber Medienjournalismus hat ja leider in jeder Redaktion eine eingebaute Lobby: „Oh, der Kollege schreibt über unsere eigene Branche… das muss man natürlich wichtig nehmen!“ Ob’s gelesen wird? Wen interessieren solche Nebensächlichkeiten?
„Es ist eine Frage des Handwerks.“
Das sagt doch alles!
Ich kenne nur 10 Sorten Menschen (alter IT-Witz, Entschuldigung): Die, denen die Gleichförmigkeit und Unprofessionalität nicht auffällt – denen ist es dann logischerweise auch egal – und die, die es bemerken, und sich darüber aufregen und Konsequenzen ziehen.
@Mathias #44 hat vollkommen Recht, das mit der Zeit ist das Kernproblem.
Ich bin privilegiert, weil ich den ganzen Tag in einem warmen Büro sitzen darf und always online bin. Wir dürfen auch (noch?) das Internet zu privaten Zwecken nutzen, solange wir auch noch ein wenig Zeit für unsere eigentliche Arbeit aufbringen (gut, das haben die ein wenigh anders formuliert, als ich). Des Weiteren stellt mir mein Arbeitgeber einen Daten-/Mobilfunkanschluss zur Verfügen, den ich auch (noch?) privat nutzen darf. Auf meinem (privat gekauften) BlackBerry (das ist bei uns der Firmenstandard) kann ich unterwegs die meisten Dinge tun, die ich auch an meinem warmen Schreibtisch kann.
So versuche ich bei drei Publikums-Nachrichtenportale, drei fachbezogene Nachrichtenportale, drei Fachblogs, drei Medienblogs und meiner Twitter-Timeline, der Fratzenfiebel und LinkedIn auf dem Laufenden zu bleiben. Mir fällt gerade erst auf, dass das jeweils drei „Produkte“ einer Kategorie sind. Das hat sich aber im Laufe der Jahre so ergeben. Es kommt immer mal einer dazu, dann fliegt aber auch wieder einer aus meinem Aufmerksamkeitsfeld heraus.
Ich muss aber auch den ganzen Tag ziemlich viel geschäftliches lesen, an Telefonkonferenzen und Besprechungen teilnehmen, Dinge aufschreiben. Das letzte Jahr bin ich fast gar nicht dienstlich gereist, im Jahr zuvor war ich aber über vierzig mal 1 bis 2 Tage unterwegs.
Zudem bin ich wie Sie auch Ehemann und Familienvater (3 Kinder), treffe Familie und Freunde, koche und esse gerne, kaufe ein, mähe Rasen, versuche das Haus fertig zu bekommen, gehe (selten) aus, engagiere mich (zu wenig) gemeinnützig, gehe schwimmen, spiele mit den Kindern, besuche Elternabende.
Ich habe seit drei Jahren (privat) kein Buch mehr gelesen. Und außerhalb des Urlaubs seitdem Kind #1 auf der Welt ist/ich diesen Job mache nicht mehr. Ich finde das sehr schade, es ist mir aber wichtiger, informiert zu sein. oder mich so zu fühlen.
Ich schaue wenig fern, sehr selektiv, das meiste auf VDR, damit ich keine Werbung ertragen muss und etwas gescheites sehen kann, wenn ich Zeit und Lust habe, fernzusehen.
Abonniert haben wir ausschließlich die FAS, die ich ganz gern lese und über die ich mich bislang wenig ärgern musste. Bei meiner Mutter gibt es die mit Recht gerügte Heimatzeitung (Offenbach Post), in der ich ein- bis zweimal die Woche die Heimatstadtseite, den Kommentar (Kopschütteln!) und das Panorama (dpa, ddp, AFP etc.) überfliege. Oder mir das anschaue, was sie für mich ausgerissen hat.
@Jeeves #34 und #35 ist wohl nicht die „große Ausnahme“, aber der Durchschnitt sind wir auch nicht.
Also wenn ich schon direkt namentlich und indirekt als einer von denen angesprochen werde, die angeblich nur „embedded journalitmus“ betreiben“, habe ich mal was zu sagen. Die Qualität von Journalismus hängt vor allem von Kenntnissen über das Thema ab und nicht von der Fahigkeit, sich mit läppischen Bemerkungen vom Sofa zu melden.
Und wer glaubt, die Afghanistan-Berichterstattung komme embedded journalismus gleich, macht es sich sträflich einfach. Als erstes:Ob ich mit einer Guerillatruppe in Lateinmaerika rumziehe oder mit ISAF-Truppen in Afghanistan – beides ist eine Form von embedded journalism, beides ist legitim und notwendig, wenn man sich nicht darauf beschränkt.
Es mag sein, dass manche Kollegen sich darauf beschränken, in Afghanistan nur so zu arbeiten. Aber es gibt ein oder auch zwei Handvoll deutschsprachiger Kollegen und jede Menge aus anderen Sprachräumen, die sich teilweise unter hohem persönlichen Risiko bemühen, ein sachgerechtes Bild aus Afghanistan zu liefern. Das mag nicht zu Vorurteilen passen. Aber das ist so. Das diese Kollegen Risiken eingehen, ist normalerwieise kaum der Erwähnung wert. Das ist teil vom Job und wenn man das Risiko nicht eingehen will, soll man den job nicht machen.
Aber es nervt, wenn von Leuten, die keine Ahnung haben, alles einfach so mir nichts dir nichts über den gleichen Kamm geschoren wird. Auch zu einem Blog gehört, dass man differenzieren kann und vor allem etwas Ahnung hat, bevor man sich mit flachen stammtischsprüchen meldet.
@ #16 JJ Preston, offtopic: Ich bin der Südasien-Korrespondent der dpa mit Sitz in Delhi und seit knapp sieben Jahren regelmäßig in Afghanistan. Die allermeisten Reisen haben mit Embeds nichts zu tun gehabt. Mir und anderen Korrespondenten hier in der Region geht es darum, nicht nur Soldaten, sondern vor allem Afghanen zu sprechen – um den Lesern in Deutschland ein differenziertes Bild zu liefern. Wir berichten natürlich auch über Fehler der Truppen, über zivile Opfer (in Kundus und anderswo) und über Probleme des Einsatzes.
Ich will nicht darüber klagen, dass der Job in den vergangenen Jahren immer gefährlicher geworden ist, ich habe ihn mir selber ausgesucht. Mich wundert nur, wie leichtfertig Sie aus dem fernen Deutschland heraus über unsere Arbeit urteilen.
Gruß, Can Merey
Diese Kopierer, die sich Journalisten nennen, wundern sich und rufen per Verbandszeitschrift nach Hilfe, wenn sie öffentliche Kritik über sich im Internet lesen.
Diese Kopierer werden sich ebenso wundern und nach Hilfe rufen, wenn sie eines Tages durch Computer ersetzt werden.
@54, Willi Germund:
Lesen Sie noch mal nach, was hier über Willi Germund geschrieben wurde. Ich hatte Sie ausdrücklich gelobt. Mag sein, dass Sie das in den falschen Hals bekommen haben, warum auch immer.
Der Nachrichtenmarkt leidet unter Journalisimulationus, der Simulation von Journalismus.
Es ist nicht die Frage für wie blöd der Journalismus seine Leser hält. Vielmehr zeigt sich einmal mehr wie sehr der Markt durch Angebot und Nachfrage geregelt wird. Wenn Zeitungen zu homogenen Nachrichtendienstvorlagenverwurster verkommen sind Alleinstellungsmerkmale Mangelware. In jeder Zeitung können wir heute schon die gleichen Meldungen mit nahezu identischem Inhalt lesen. Kostendruck hin, Kostendruck her – wer bei dieser Abwärstspirale keine eigene Identität findet wird von dem Kostensog aufgefressen – schließlich findet sich immer irgendeinen nicht rechnen könnenden Trottel der die gleiche Leistung für noch weniger anbietet. Dabei könnte doch schon ein bisschen mehr Qualität für Aufwind in dieser boulevardesken Journalismuslandschaft sorgen. Qualität als Alleinstellungsmerkmal; noch nie war es so einfach, sich von anderen Zeitungen zu unterscheiden; nur warum macht es keiner? (Außer der TAZ vielleicht)
Ich stelle mir Medien-Redaktionen also heute mal als Höllenorte vor, in denen die untoten News-Agents ihr Hirn im Foyer abgeben, im Büro massenweise Textbausteine verschieben und kopieren, kreative und engagierte Kollegen mit diabolischem Grinsen verhöhnen. Den letzten Funken Professionalität pustet der Vorgesetzte aus: Er defiliert wie ein chinesischer Blockwart im Internetcafé hinter den Reihen seiner Schreiberlinge vorüber – jederzeit bereit, ihnen den Stecker zu ziehen.
Aber mal im Ernst: Merkt ihr denn eigentlich gar nicht, wie ihr verargt werdet? Die Redaktionen, in denen nur noch gekrochen wird, sind das letzte Glied in einer Kette. Auch am untoten Journalismus verdienen sich noch einige wenige Investoren ein goldenes Näschen und die könnten über eine Qualitätsdebatte nur müde lächeln, wenn sie sie überhaupt mitbekommen. Wenn ihre entkernten Redaktionen das Produkt zu zerstören drohen – was lange dauern und viel abwerfen kann – wird verkauft, kurz bevor die Profitabilität einen kritischen Wert erreicht. Eine ethisch vertretbare Qualität im Journalismus erhält man nicht in der Welt des Kostendrucks aus Gründen privatwirtschaftlichen Profits.
Guten Tag!
Es geht noch lustiger zu, wenn man sieht, wie eine Zeitung auf journalistische Online-Konkurrenz reagiert.
Seit einiger Zeit verstärkt beispielsweise der Mannheimer Morgen seine lokale „Berichterstattung“ und bringt teilweise ein halbes Dutzend „Artikel“ pro Tag über das kleine nordbadische Örtchen Heddesheim.
Diese „Artikel“ sind überwiegend Terminankündigungen für irgendwelche Veranstaltungen, haben es aber aus der Terminübersicht auf die Artikelseiten geschafft.
Warum? Weil das von mir betriebene heddesheimblog.de jeden Tag eigenrecherchierte Geschichten bringt. Das sind – national betrachtet – sicherlich keine Knallerthemen, für den Ort aber mittlerweile der tägliche Lese- und Gesprächsstoff.
Was die „Arbeitsbelastung“ angeht: Es gibt beim MM für das Tagesgeschäft eine eigene Redakteurin für Heddesheim, sowie zwei weitere Redakteure, die aushelfen. Dazu noch fünf freie Mitarbeiter. Für das heddesheimblog arbeiten ich und ein Rentner, den ich gerade anlerne.
Eine schönen Tag wünscht
Hardy Prothmann
zu 57. treets: Sie schon, aber anderes war ärgerlich
@61:
Man hätte besser, wenn schon über Journalismus in Afghanistan diskutiert wird, sich der Reisegruppen aus Berlin annehmen sollen – also der Hauptstadtjournalisten, die Minister X auf Dienstreise begleiten. Da kommt zuweilen wirklich viel Blödsinn heraus. Und nicht selten auf den Schirm.
Vor zehn Jahren habe ich für eine 5000-Zeichen-Geschichte inkl. Recherche vor Ort und Zitate-Abgleich für ein Print-Wirtschafts-Magazin (das heute nicht mehr existiert) etwa sieben Tage gebraucht, heute – oft ohne Zitate-Abgleich – für ein großes Online-Portal etwa drei Stunden. Es ist nicht nur die kürzere Zeit, die die Artikel unterscheidet. Auch die inhaltliche Tiefe fehlt.
Aber nicht, weil ich es nicht kann oder nicht will, sondern weil die vergangenen Jahre zeigten, dass „tiefe“, ausrecherchierte Geschichten nicht „mehr“ gelesen wurden. Die Leserschaft wird „immer weicher inner Birne“ und will offenbar „seichtere“ Artikel. – Und das bediene ich erfolgreich – im Sinne meiner Chefs und Marketiers.
Dein Artikel „erinnerte“ mich daran, dass auch ich allmählich „weich gespült“ bin. Danke.
so traurig das ist, aber der mehrheit der menschen, die online nachrichten lesen wollen, geben anscheinend nichts drauf, ob das alles nachrecherchiert wurde. wie soll kunde 0815 denn den mehrwert eines journalistisch recherchierten artikels erfahren oder erkennen, wenn er nicht grundsätzlich medienkritisch eingestellt oder niggemeier-konsument ist? das ist eine ernst gemeinte frage, keine polemik. setzt sich wahrheit zwangsweise durch?
Was ich bei Meedia nie verstehe: Warum cut’n‘ pasten die nicht gleich?
Hätte den Nachteil, dass SN weiter spottet. Aber den Vorteil, dass wenigstens keine Fiptehler dazukommen. Die Denkleistung bleibt ja dieselbe ;)
Inspiriert von der Meldung über die Stiftung für Verteibung. So flüchtich kann man eigentlich nicht lesen, dass es nicht auffällt. Meeeedius schafft et.
[…] aber scheint dieses damals eher seltene Erfolgserlebnis zur Serie zu werden. Wie Stefan Niggemeier in seinem Blog an einem sehr schönen Beispiel fest macht, werden Pressemeldungen heute sehr oft durchkopiert. […]