Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass ab Freitag neue Folgen von „KDD — Kriminaldauerdienst“ laufen. Die Quoten der ersten Staffel waren nicht berauschend — bei den jungen Zuschauern waren sie selbst für ZDF-Verhältnisse enttäuschend. Umso dankbarer muss man dem Sender sein, dass er Geduld beweist mit dieser sehenswerten, atemberaubenden deutschen Krimiserie. Sogar eine dritte Staffel wird bereits entwickelt (allerdings nur noch mit acht Folgen; die erste hatte zwölf, die zweite zehn).
Für die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ habe ich mit Orkun Ertener, dem Autor von „KDD“, gesprochen: über die Lust an dramaturgischen Knalleffekten, den Schauplatz Berlin-Kreuzberg/Neukölln, die Kombination kürzester Miniaturen mit fortlaufenden Geschichten, die Vorbilder „E.R.“ und „The Shield“, Fluch und Segen des traditionellen ZDF-Krimisendeplatzes am Freitag — und das Drama um die deutsche Serie:
„Vor vier, fünf Jahren, habe ich gedacht: Die Serie ist die Königsdisziplin des Fernsehens, und ich möchte das gerne machen. Eigentlich ist das auch jetzt noch so — theoretisch. Aber die letzten Jahre frage ich mich: Was soll ich hier erzählen? Alles, was mich interessiert, floppt. Ich habe das Gefühl, als befänden wir uns in einer Beerdigungsphase: das Ende der Fiktion. Es gab ein Projekt, auf das ich viel Lust hatte, eine Krankenhausserie, sehr realistisch erzählt, auch ein bisschen ambitionierter (was auch immer das heißt). Ich habe lange recherchiert, war im Krankenhaus, und es waren auch schwere Geschichten: Wenn Kinder sterben, ist das nicht so schön. Der Sender hat dann irgendwann gesagt, so schwer geht das nicht. Nicht im Moment. Wenn es überhaupt noch Fiction gibt, ist die Frage überall: Kriegen wir das nicht auch ein bisschen leichter?“
Das ganze Gespräch steht nebenan, beim Fernsehlexikon.
Wenn es überhaupt noch Fiction gibt, ist die Frage überall: Kriegen wir das nicht auch ein bisschen leichter?
Diese Frage stellen doch nur noch die Unbelehrbaren. In den USA sind anspruchsvolle Serien wie „die Sopranos“, „Six Feet Under“, „Deadwood“, „Nip/ Tuck“ oder „Damages“ hochgradig beliebt und haben für die internationale Aufwertung und Anerkennung der US-Serie gesorgt. Dem Mut vieler amerikanischen Sender ist es zu verdanken, dass mittlerweile die Drehbücher für TV Serien deutlich besser, spannender und anspruchsvoller sind, als die der großen Hollywoodfilme.
In Deutschland hat man noch nicht verstanden, dass die Zuschauer mit neuen Ideen überrascht werden wollen und eben nicht die hunderttausendste Folge einer standard Krimiserie oder Actionserie sehen möchten.
Die deutsche Fiktion braucht Mut und interessantere Drehbücher.
Wenn alles, was Du kulturell gut findest, ein kommerzieller Flop ist, dann ist das tendenziell ein Beweis für Deinen guten Geschmack, also freu Dich :).
Umgekehrt: Wenn alles ein Hit wäre, was Du gut findest, wäre Deine Meinung der kleinste gemeinsame Nenner: Qualitativer Durchschnitt halt.
Oder, zum dritten Mal anders formuliert: Die richtig guten Sachen sind nur in den allerseltensten Fällen auch megapopulär. Schon das heute inflationär verwendete Vor-Wort „Kult-“ impliziert eine kleine, aber hochinteressierte Anhängerschaft.
Hallo,
ich glaube, die erste Staffel hat einen Pilotfilm + 10 Folgen und die 2 Staffel hat einen Pilotfilm + 8 Folgen.
Die Dreharbeiten für die 3. Staffel beginnen, glaube ich, ab Herbst 2008.
Grüße
oemer
Es ist wirklich nicht die Schuld der Zuschauer, dass im deutschen Fernsehen die Ödnis regiert. Vom KDD habe ich im ersten Anlauf nichts, aber auch überhaupt nichts mitbekommen. Wer kommt denn von sich aus auf die Idee am Freitag freiwillig das ZDF einzuschlaten?
Darüber hinaus, ist es beim Fernsehen mittlerweile eben das Gleiche wie bei der Bildung oder der Ernährung. Wenn man die Menschen jahrelang auf Junk konditioniert, mögen sie halt nur noch „was leichtes“. Beim Kochen also nie den Zucker vergessen! ;-)
Kalkofe hat das Thema in seiner Rede bei den Münchner Medientagen thematisiert und pointiert vorgetragen:
„Wenn man es mal mit etwas Anspruchsvollerem versucht […] und es dann floppt, dann heißt es danach ‚Ah, da sehen Sie, das war wahrscheinlich zu intellektuell für’s Publikum‘. Ich glaube, hätte mit in Amerika und Großbritannien mit der gleichen Serie gefloppt, würde man sagen ‚Wahrscheinlich war es doch nicht clever genug…‘.“ (frei zitiert, Minute 24 aufwärts).
Ganz ehrlich: ich glaube, die Antwort, die er gibt, ist zu einfach und damit nicht unbedingt richtig. Deutsche Drehbuchautoren sind nicht schlechter als andere, und viele der hochgelobten amerikanischen Serie laufen in Deutschland – und scheitern. Wahrscheinlich ist der Markt tatsächlich ganz einfach nicht gegeben.
Mal nebenbei: Sollten die Quoten für das ZDF nicht eh völlig irrelevant sein? Die Qualität ist wohl auch der einzige Grund, weshalb KDD fortgesetzt wird.
@r3lite: Das Zitat aus der Überschrift ist nicht von mir, sondern von Herrn Ertener.
@Armin: Um das Thema „Hab ich im ersten Anlauf gar nicht mitbekommen“ geht es auch in dem Gespräch, also dort weiterlesen: http://www.fernsehlexikon.de/blog/das-waer-jetzt-aber-bloed-wenn-das-nicht-ankommt/
@Jamask: Nein. Da die Rundfunkgebühr von allen gezahlt wird, kann sich das ZDF es nicht leisten, die Quote völlig zu ignorieren. Sonst heißt es: Alle müssen zahlen für ein Programm, das für wenige gemacht wird. Das würde ARD und ZDF in größte Legitimationsprobleme stürzen. Richtig ist aber: Sie dürfen, können und müssen auch Programme machen, die nur Minderheiten erreichen.
„Ohne Fernsehlexikon hätte ich nicht mal erfahren das es die Serie überhaupt gibt.“
Lustiger Moment gestern in der Videothek: ich frag, wo die DVD „KDD-Erste Staffel“ steht. Videothekar „Was soll das sein?“- Kunde „Nun, deshalb frage ich, es ist eine deutsche Krimiserie, aber anders als andere deutsche TV-Serien, und anders als deutsche Krimis. Es ist richtig gut.“- V: „Aha. Wenn mich noch einer drauf anspricht, frag ich dich, ob du dir die DVD bis dahin so geholt hast, und was haste gesagt, wann läuft das?“-K:“Freitagabend, im ZDF!“ -V: „Kann nicht sein, da guckt mein Papa immer den Fall für Zwei.“
Danke für den Tipp, war sehenswert, ich hatte allerdings ganz old school um 20.17 eingeschaltet, also den Vorspann nicht mitbekommen, und dachte: Das ist doch genau so statisch wie „Der Alte“! Wenige Minuten später wusste ich: es IST „Der Alte“. Da hatte ich dann aber einen ganz guten direkten Vergleich ;-)