Ich fürchte, ich könnte es den Kollegen von „Spiegel Online“ in ihrem Dauerzustand professioneller Atemlosigkeit nicht einmal erklären, was daran so abstoßend ist, die aufgeregt präsentierten Meldungen über den Tod von Robert Enke noch unter dem Banner „Eilmeldung“ zu verkaufen.
(Die Variante, die die Konkurrenz von stern.de gewählt hat, müssen Sie sich in Originalgröße ansehen, um die passende Eigenanzeige ganz oben lesen zu können.)
„Sprachlosigkeit“ ist das Wort, das Journalisten seit gestern immer wieder gebrauchen, um die Reaktionen auf den Tod zu beschreiben, und während sie reden und reden, merken sie gar nicht, dass das eigentlich eine angemessene Reaktion ist: Sprachlosigkeit. Man muss sich, zum Beispiel, das Gespräch im „heute journal“ gestern ansehen, in dem der Reporter Boris Büchler im Studio beschreibt, dass alle trauernden Menschen, die er noch am Abend angerufen hatte, trauern und viele davon sogar so sehr, dass sie gar nicht ans Telefon gegangen seien, um mit ihm darüber zu reden.
Marietta Slomka wusste, dass Robert Enke „vom Pech verfolgt“ war, und Boris Büchler wusste, dass er ein Ausnahmefußballer war, weil er Musicals mochte und lesen konnte und mental so stark war, also, jedenfalls, schien. Für die Sender der Pro-Sieben-Sat.1-Gruppe musste ein Reporter den ganzen Morgen vor dem Hotel der DFB-Mannschaft stehen und im Minutentakt erzählen, dass sich immer noch keiner habe blicken lassen, aber alle geschockt seien und trauerten.
Die Kollegen von „11 Freunde“ haben vor der Aufgabe, über Enkes Tod zu „informieren“, nach eigenen Worten „kapituliert“. Wenige Stunden später wich die Fassungslosigkeit der Empörung:
Diese Art von enthemmtem Journalismus legitimiert sich gern selbst durch die vermeintliche Pflicht, informieren zu müssen. Doch wie kann diese Information an einem solchen Abend aussehen? Archive werden durchwühlt, Formkrisen und Schicksalsschläge des Robert Enke bilden Resonanzräume, in die man gierig hinein lauscht. Gerüchte werden zu Fakten, Hypothesen zu Erklärungen. Aus der scherenschnittartigen Charakteristik der öffentlichen Person, die Robert Enke war, werden Diagnosen für eine private Person konstruiert, von der niemand, der sich daran beteiligt, behaupten kann, dass er sie kannte.
Mutmaßungen sind hier nichts als Anmaßungen. Niemand weiß, was in Robert Enke vorging.
Und noch einmal: Wer will es wissen? Und wen geht es an?
Ja, das habe ich auch schon öfter gedacht…
„alle trauernden Menschen, der noch am Abend angerufen hatte,“ Mit dem Satz stimmt irgendwie was nicht.
Das Unheil nimmt bereits seinen Lauf: http://www.quotenmeter.de/cms/?p1=n&p2=38397&p3=
danke.
RIP Robert Enke
Danke für diesen Artikel. Ich habe mich schon den ganzen Morgen geärgert: Da stehen die Kollegen von N24 und ntv stundenlang vor dem Stadion und zerren wirklich jeden trauernden Fan für ein Statement vor die Kamera, um ihre Sondersendungen zu füllen, weil sie ansonsten noch keine Infos haben. Eklig!
SAT1 sendet grad ein nachrichten-spezial dazu
oje, sie wollen das bei kerner bringen. ich weiß, was ich heute definitiv nicht gucke!
Jetzt die iPPod-Reklame bei stern.de über dem Bild der trauernden Ehefrau ist aber noch besser! Zitat:
„Warum wird sie diesen Tag nie vergessen?“
Als ich gestern die Nachricht im Videotext gelesen haben, habe ich (nach einem kurzen Moment der „Sprachlosigkeit“) gleich daran gedacht, dass jetzt wieder viele Journalisten wie Hyänen über die Sache herfallen werden. Passender Weise kam dann fast unmittelbar im Anschluss das heute journal mit dem im Beitrag erwähnten unerträglichen Gespräch (Hr. Büchler mag eine guter Sportreporter sein, aber für solche Themen ist er nicht geeignet).
Ich bin auch der Meinung, dass die Öffentlichkeit (egal bei welcher Person) absolut kein Recht auf weitergehende Informationen über das Warum und Wie hat. Die schlichte Tatsache muss ausreichen.
Außerdem stelle ich mir die Frage, ob Frau Enke die Pressekonferenz heute nur so gestaltet hat (inkl. einiger Details), um Ruhe vor der „Öffentlichkeit“ zu haben. Wenn ja, dann ist das ein ganz schlimmes Zeichen!
Für den Fall, dass stern.de die Werbung doch ändert hab ich mal einen Screenshot gemacht:
http://www.imgimg.de/bild_sterndeEnkeiPodf1369b19JPG.jpg.html
Ja, die „interessante“ Werbeformulierung in der Kopfzeile bei stern.de stiess mir auch einigermassen sauer auf, als mir der Artikel begegnete. Ebenso sauer wie der beknackt-atemlose „EIL+++“-Fetischismus im dpa-Ticker, mit dem Faktenfragmente rausgehauen werden (sehr hübsch um 13:18, Titel der Meldung: „Eil+++ Arzt: Enke 2003 erstmals in Behandlung wegen Depressionen“ – kompletter Inhalt der Meldung: „Eil+++ Arzt: Enke 2003 erstmals in Behandlung wegen Depressionen“). Ja, das muss man natürlich eilig wissen. Wo kämen wir denn sonst hin.
Auch hier ging Schnelligkeit eindeutig vor:
Überschfirt des tagesschau.de Telegramm vom 11.11.2009, 14:52 Uhr: „DFB sägt [sic!] Landerspiel gegen Chile ab“.
:-) lies: Überschrift
[…] Berichterstattung über Robert Enkes Tod anwidern. Jetzt sehe ich, dass Stefan Niggemeier soeben genau das getan hat – mit Verweis auf Dirk Gieselmann von den 11Freunden, der ebenfalls genau das getan […]
Trotz oder weil es eine kleine Publikation ist, zeigte 11 Freunde die einzig angemesse Reaktion. Was man auf SPON bis Welt sieht, da kann einem nur das Kotzen kommen (Entschuldigung, aber eine andere Begrifflichkeit fällt mir dazu nicht ein). SAT1 versucht das natürlich nochmal zu unterbieten…
danke… und was schnelligkeit sowie sprachlosigkeit in sachen eilmeldung betrifft, ist der dfb momentan von der presse nicht zu schlagen. siehe screenshot:
http://i34.tinypic.com/29p9cad.jpg
Die Berichterstattung ist einfach nur widerlich. Mit Grauen erwarte ich, was der Bild morgen noch an Unglaublichkeiten einfallen wird.
Ich fand das Gespräch zwischen Boris Büchler und Marietta Slomka angemessen. Beide haben sehr persönlich erzählt, wie sie den Menschen Robert Emke erlebt haben, Natürlich gehört es für einen Journalisten auch dazu in so einer Situation die Stimmen der Betroffenen einzuholen. Es mag zwar banal klingeln, aber in so einem Moment der Trauer ist es doch tröstlich, wenn man weiß, dass andere auch trauern. Dafür gibt es ja in allen Gesellschaften die gemeinsamen Trauerrituale. Im Medienzeitalter spielt sich ein Großteil der kollektiven Trauer bei Personen des öffentlichen Lebens in den Medien ab. Das ist an sich nichts Schlimmes, solange die Privatspähre der Trauerenden respektiert wird – und im Heute Journal war das so.
Boris Büchler hat man angehört, dass er einen Kloß im Hals hatte und fast vor dem Losheulen war. Und Marietta Slomka hat die Überleitung zum nächsten Thema auch kaum rausgebracht, weil sie fast weinen musste.
Wahrscheinlich überbieten sich Kerner und RTLs Stern-TV gerade gegenseitig mit finanziellen Angeboten an die Witwe, in ihrer Show aufzutreten.
@ 17: Mit Sicherheit.
mir wird schlecht, wenn cih daran denke wie viel mein Welt und Selbstbild von diesen Medien zwangsläufig bestimmt wird.
@16: heute-journal powered by emotions?
Leute, Leute: Merkt ihr eigentlich gar nicht, wie ihr die Moralkeule schwingt? Was soll die Diskussion über die Diskussion über ein Thema das schlicht unwichtig ist?
Ich gehöre definitiv nicht zu den Leuten, die das (und ähnliche Boulevard-Themen) auch nur die Bohne interessiert. Aber soll ich deshalb anderen vorschreiben, ob sie drüber sprechen dürfen? Wo ist denn der Unterschied dazu, solche Themen im kleinen Kreis zu diskutieren? Dass potentiell ein Millionenpublikum mitlesen kann? Dass die Diskussion in Popularitätskennziffern messbar wird? Wo ist das Differenzierungskriterium? Schwachsinn.
Da könnt ihr gleich auf den Zug derjenigen aufspringen, die Twitter und Blogs auch gern nur deshalb regulieren wollen, weil dort überhaupt live berichtet werden kann.
Lest es nicht – und gut. Sonst müsst ihr euch nämlich fragen lassen, ob ihr euch nur drüber aufregt, damit ihr das von euch missbilligte Thema letztlich doch – aber hintenrum – diskutieren könnt. Eben von einem „höheren moralischen Standpunkt“ aus. Sehr fein, herzlichen Glückwunsch!
@sa7yr
Es geht nich darum ob oder wieviel berichtet wird oder wieviele Leser oder Kommentatoren involviert sind, lediglich die Qualität der Aussagen und der Aufbereitung ist fragwürdig.
Meine ersten Reaktionen auf die Berichterstattungsorgie waren eigentlich genau so, wie sie in dem Artikel beschrieben werden. Mittlerweile jedoch frage ich mich, ob Enke das nicht [b]genau so[/b] gewollt hat. Immerhin hat er seine Selbsttötung sehr spektakulär und öffentlich begangen.
Der Grund dafür könnte dann darin liegen, dass er seinem Tod den Sinn geben wollte, etwas zu ändern und zu bewegen. Selbst prominente Beispiele wie Deisler oder Simak, die trotz hochgradiger Depressionen gerade noch die Kurve gekriegt haben, zeigen, dass sich im Prinzip nichts ändert, wenn nicht eine Katastrophe geschieht, die das ganze Land / die ganze Welt zwingt, sich damit auseinander zu setzen.
@ MiniMoppel: Wenn sich jemand an einem Novemberabend im Stockdunkeln bei Nieselregen irgendwo in Niedersachsen auf die Gleise stellt, dann ist das ein spektakulärer, öffentlicher Tod?
Sebastian (8), bevor du hier in Niggemeyermanier die Moralkeule schwingst, solltest du dir lieber einen anderen Bildhoster suchen. Die Anzeige, die deiner über deinen investigativen Screenshot gemacht hat, zeugt nämlich auch nicht grad von überbordender Pietät:
http://farm3.static.flickr.com/2785/4095692906_d6c2584cd3_o.jpg
Davon abgesehen würden „von Spon bis Welt“ sicher nicht alle so intensiv dieses Thema behandeln, wenn es keinen interessieren würde. Hätte die erste Meldung zu wenig Klicks produziert, wären wahrscheinlich nicht so viele neue Meldungen gekommen. Nicht nur die Medien selektieren, auch die Nutzer nehmen einen gewissen Einfluss auf die Themen und die Relevanz. Man sollte also, wenn man schon den moralischen Rundumschlag probt, auch die Rezipienten mit einbeziehen und nicht nur auf die Redaktionen kloppen.
Aber dass differenzierte, sachliche Diskussionen im Netz eher Seltenheitswert haben, lässt sich so ziemlich auf jeder Seite mit Kommentar- oder Forenfunktion besichtigen.
@ 22:
Wie willst du deinen Freitod als angehende Nr. 1 im deutschen Tor nicht öffentlich begehen?
Den Beitrag der 11 Freunde finde ich (angesichts der eigenen Berichterstattung am frühen Abend) mehr als heuchlerisch. Dient der Profilierung. Mehr nicht.
Was sagt der Pressekodex zu Berichten über (gerade psychische Erkrankungen?
Achso, ist ja online, da gilt das ja alles nicht.
@Umberto:
Ja.
Es ist ja wohl klar, dass der Zug anhält, Notarztwagen, Polizei und Feuerwehr gerufen werden, und und und…
@Phil: Naja, meinst du nicht auch, dass man von einer Redaktion eines bedeutenden Nachrichtenmagazins in diesem Zusammenhang ein bisschen mehr erwarten darf, als von jemandem, der nur kurz mal einen Screenshot ins Netz stellt?
Und dass Nachfrage nach dieser Berichterstattung besteht, lässt sich wohl kaum bestreiten, aber wenn man sich nur in der Rolle sieht, diese ohne Zurückhaltung oder Selbstkritik zu bedienen, sollte man wenigstens ehrlicherweise aufhören, von Ethik und Pressekodices und solchen Sachen zu reden, die ja angeblich die klassischen Medien auszeichnen.
@21 / JMK Welche Qualität findest du denn angemessen? Öffentliche Trauerreden? Magst du vielleicht auch die „Aufbereitung“ und „Qualität“ privater Gespräche über das Ereignis kritisieren? Nein? Warum nicht?
Und jetzt erzähl mir bitte nicht, dass das was anderes ist, weil sich ja hier der Spiegel oder der Stern oder das Fernsehen dazu geäußert haben. Müssen die besser sein als Blogs? Als Twitter? Müssen die wiederum besser sein als Stammtische? Als das Privatgespräch?
Wenn du natürlich nur auf „Konsens“, womöglich unter den hier offenbar eher Vertretenen aus bist: dann brauchst du auf diese Fragen nicht zu antworten. Eine rationale theoretische Fundierung solcher Vorwürfe erscheint mir allerdings nicht möglich, wenn man nicht Moral zum Maßstab der Ratio machen will. Und das will ich jedenfalls nicht.
„11 Freunde“ hat doch gestern abend selber fleißig mithyperventiliert?! Scheinheilig, das!!
Und, so groß meine Abneigung gegen Depri-Eilmeldungen wie bei Spon und stern.de ist – natürlich ist es (im Gegensatz zur Meinung derer, die fordern, Seiten als Zeichen der Trauer abzuschalten…o.ä.) völlig in Ordnung, ausführlich über den Tod eines Nationaltorwarts zu berichten. Jedenfalls, so lange die Medien anständig mit den Angehörigen umgehen, das ist aber nochmal ein anderes Thema.
Ich meine: Es ist doch einfach so, in dieser Mediengesellschaft, wenn sich etwas von enorm hohen Nachrichtenwert rührt.Rühren sie alle sich und wenn es Mantra – mäßig bei jeder Schalte ist. Da kann man das Gehirn besser ausschalten.Und man kann bewusst oder unbewusst Trauerarbeit leisten.Ich leiste sie auch ohne die Große Medienklaviertur auf meine Art ! Danke !
@sa7yr
was soll das Gerede von Blogs und Twitter? Wer führte die hier an, stehen diese zur Debatte? Die Aussage war doch recht eindeutig, ja ein Medium wie ein Nachrichtenportal mit journalistischem Hintergrund hat eine andere Verantwortung als „der Stammtisch“.
In diesem Zusammenhang fällt ja sehr oft das hässliche, hässliche Wort „geschockt“. Meine Deutschlehrerin hat immer gesagt, dass es „schockiert“ heißt. Und selbst wenn dem nicht so ist, bleibt „geschockt“ ein bescheuertes Wort um die Gefühlslage eines Menschen zu beschreiben. Ich denke dabei immer an Defibrilatoren.
@Sebastian: Wo haben die „11 Freunde“ denn mithyperventiliert? Ich habe nur diesen (oben auch verlinkten) Text gefunden, der tasächlich für meinen Geschmack einer angemessenen Sprachlosigkeit sehr nahe kommt: http://11freunde.de/bundesligen/125577
Schlimmer noch, Eppelsheim von der FAZ hat damals in einem Beitrag über die Trauernden von Winnenden seine moralische Keule, die er über die Presse geschwungen hat, selbst missachtet.
Man muss sich einmal vorstellen, dass in ein und dem selben Bericht der Autor darüber schimpft, dass Menschen in Trauer von den Medien verfolgt werden, er, der vor Ort war, aber selbst diesen quasi hinterher gelaufen ist. Unfassbar.
Erstaunlich, wie viele…
Ich kannte diesen Herrn Enke nicht mal dem Namen nach.
@32 / JMK: Dann kannst du diese Meinung sicher auch begründen. Oder bist du für sie auf einen irrationalen Konsens angewiesen?
Fand den Text bei „11 Freunde“ auch angemessen (und das halte ich hier auch für das einzige Kriterium).
PS: Obwohl ich die Bayern nicht leiden kann, haben auch die Ihre Startseite angemessen geändert – hätte ich eigentlich von allen Bundesligisten und vom DFB so oder ähnlich erwartet.
Und PPS: Wann ist eigentlich die Tradition der Schwarz-Weiss-Bebilderung im Todesfall verlustig gegangen?
Mich schmerzt dieser Medienrummel besonders dann, wenn ich ihn mit der Berichterstattung über einen anderen Verstorbenen des heutigen Tages vergleiche. Ehsan Fattahian war nur kein Fußballnationalspieler und schied unfreiwillig aus dem Leben: http://www.mideastyouth.com/2009/11/11/ehsan-fattahian-was-hanged-this-morning-in-iran/
@Phil/24: *schäm* Wurde mir offenbar durch einen Werbeblocker erspart, war auch nur eine Spontanlösung.
Mittlerweile hat stern.de dem Werbebanner übrigens den Text rausgeschnitten.
es macht totentraurig, dass inzwischen die phasen, in denen nach einem unglück die trauer pur ist und das entsetzen eine natürliche reaktion sein darf, so kurz sind.
ich habs gestern in den tagesthemen noch als angemessenen bericht gesehen und empfunden. heute morgen sind medial dann die dämme gebrochen.
wie schlimm steht es, wenn ein trauernder partner an einer pk teilnimmt und damit evtl. versucht, dem ganzen zangsläufig zu erwartenden hinterherschnüffeln und spekulieren so ein bißchen den wind aus den segeln zu nehmen.
Ich finde, von allen hier angeführten Medien hat sich stern.de mit seinen launigen iPod-Gewinnspielfragen mit großem Abstand am geschmacklosesten verhalten. Die kommen mir hier eigentlich noch deutlich zu glimpflich davon …
Nee is klar, Klaus. Jetzt fangen Sie schon an, sich selbst zu belügen, nur Ihrer lachhaften Anti-Rolle wegen?!?!
@Stefan Niggemeier:
Das ist aber nur EIN Autorenstück, das „11 Freunde“ neben Agentur-Content (der eben doch -auch- rausgehauen wurde) publiziert hat.
Interessant unterdessen, dass die Frage „wer will das sehen?“ dort in den Kommentaren mehrfach beantwortet wurde: Das gleiche Publikum, das dort nun dem kritischen Stück Beifall spendet (Frage, die mich beschäftigt: weil es so kritisch ist oder so schön dramatisch??).
Könnte es darüber hinaus nicht auch einfach sein, dass ich als ein Portal wie „11 Freunde“ in der Art der Berichterstattung schon von vornherein eingeschränkter bin als andere Medien?
Heißt: Ich kann gar nicht umfangreicher berichten, weil -wenn es es das Publikum in den falschen Hals bekommt- ich erledigt bin? Dennoch will ich aber berichten, und (nur mal kurz böse gedacht:) mitreden, ebenfalls was „davon abhaben“, als Fußballportal nicht tatenlos den anderen zusehen….?
Was mache ich also, wenn ich „11 Freunde“ bin? Medienschelte! Und zwar mit den gleichen Stilmitteln wie der „Gegner“…dramatisierend.
Kann sein, dass meine Einschätzung falsch ist, aber das ist doch inzwischen ein üblicher Vorgang, um Publikum zu generieren, oder nicht? w&v nach Winnenden fällt mir da ein, ZAPP und „11 Freunde“ waren ja nun auch schnell zur Stelle. Immer fällt die Schelte dramatisiert aus, immer blendet sie größere Zusammenhänge aus, differenziert wenig bis gar nicht (und wenn, oftmals grausam falsch), immer ist sie mit emotionalen Elementen gespickt.
Das Stück bei „11 Freunde“ macht ja eben nicht das, was Sie hier tun, also völlig zurecht Quatsch-Eilmeldungen anprangern, sondern ist selbst Teil des Ganzen, der ganzen Dramatik (schön zu sehen bei manchen Twitterern: 1.) RT @RTL: ….depressiv… 2.) Lesen, Leute!: 11 Freunde! Blöde Medien! 3.) Gleich reingucken RT @N24: Gleich Live-PK… usw.
Ich befürchte, die kritische Sicht auf solche Fälle ist inzwischen genauso schwarz/weiß wie die Sicht der Massen-/insb. Boulevardmedien.
Mangels tatsächlicher persönlicher Betroffenheit gerät die ausführliche mediale Beschäftigung mit dem Tod bekannter Menschen scheinbar unvermeidlich früher oder später zur Farce
Was ist denn die übliche Reaktion auf so eine Meldung? Schock? Definitiv, es ist unerwartet und schwerwiegend. Trauer? Nö. Ich könnte höchstens um die öffentiche Person trauern, nie um den Menschen – allein schon, weil ich den gar nicht gekannt hab/kennen konnte.
Wenn jemand trauert, dauert dieser Zustand eine ganze Weile an, ein Schock dagegen nicht. Stattdessen macht sich ein schmieriger Voyeurismus breit für den Trauer nur noch ein kaum kaschierendes Feigenblatt ist.
Auf die Gefahr hin, unsensibel zu erscheinen, möchte ich ausserdem kurz anmerken, dass Schienensuizid so ziemlich die asozialiste Möglichkeit ist, aus dem Leben zu scheiden. Das wäre vielleicht wichtiger gewesen zu erwähnen, wenn man schon unbedingt berichten muss.
Den ganzen Tag Breaking News im Laufband auf den Nachrichtensendern, die ARD ändert um 18 Uhr ihr Programm und im ZDF kommt ein „ZDF-Spezial“. Hallo?! Nach neuesten Informationen macht der Bundespräsident heute abend eine Ansage an das Deutsche Volk zum Tod von Robert Enke und teilt mit, das Weihnachten dieses Jahr ausfällt.
Ergänzung zu 44:
Bei „11 Freunde“ lese ich:
„Ü-Wagen fahren durch die Provinz. Wo ist Eilvese?“
„Wann beginnt die Pressekonferenz im Landgasthof? Sagt der DFB das Länderspiel gegen Chile ab?“
„Senden! Bilder flackern. Wie das Blaulicht am Bahndamm. Flickering lights. Die Leute, glaubt man in den Ü-Wagen-Kolonien von Eilvese, wollen dabei sein.“
Dass die Leute dabei sein wollen, schreiben sie ja selbst, zum Beispiel bei „11 Freunde“ in den Kommentaren.
Und sonst? Ein Torwart der Nationalmannschaft hat Suizid begangen. Nachrichtenwert wäre wohl dann gegeben, wenn in einem solchen Fall keine Reporter antanzen würden. Ohne aus diesen Banalitäten („wann beginnt die Pressekonferenz?“ – Wahnsinn, was für schlimme Dinge sich die Journalisten fragen) gestrickten Dramen wäre der Text drüben bei den elf Freunden schon nur noch halb so lang. Über alles andere können wir reden. Über (tatsächlichen) Voyeurismus, über Schwachsinns-O-Töne vorm Stadion und die „Eilmeldungen“ da oben.
Aber ich werfe jemandem, der aus „wann beginnt die Pressekonferenz?“ ein Drama macht, sehr wohl den Blick auf die angeblich verhasste Quote vor.
@sa7yr (29)
„Müssen die besser sein als Blogs? Als Twitter? Müssen die wiederum besser sein als Stammtische? Als das Privatgespräch?“
Ja. Ja. Ja und ja. Von professionellen Berichterstattern ist Pietät, gerade wegen der enormen Reichweite, definitiv in höherem Maße erwartbar und wünschenswert. Trotzdem beteilige ich mich auch im Privaten nicht an sensationslüsternen Gesprächen, Mutmaßungen und ahnungslosen Urteilen, weil ich es auch dort nicht in Ordnung finde (nein, ich schreibe niemandem vor, worüber er diskutieren darf oder nicht, aber ich erlaube mir eine Meinung darüber und äußere diese ggf. auch).
„Eine rationale theoretische Fundierung solcher Vorwürfe erscheint mir allerdings nicht möglich, wenn man nicht Moral zum Maßstab der Ratio machen will.“
Was wohl Kant, bekanntermaßen Vertreter haarsträubender Irrationalität, dazu sagen würde?!
Wenn in diesem Blog schon so oft das Wort „menschenverachtend“ fällt, dann finde ich, trifft diese Bezeichnung auf Selles letzten Absatz ganz besonders zu… Ekelhaft.
@48 / inga
Nein, sie müssen nicht besser sein. Sie sollten es. Aber ich finde es überflüssigst (!), sich gerade in einer solchen Angelegenheit über die Qualität der deutschen Presse aufzuregen, aber Tag für Tag hinzunehmen, wenn die „4. Gewalt“ nicht ihren demokratischen Aufgaben nachkommt. Was ist wohl der Grund dafür, dass gerade hier, in einer so überaus belanglosen Sache ein Aufschrei durch die Blogs geht, aber nicht auch dann, wenn Merkel wieder ein bisschen lügt? Eben: die persönliche Betroffenheit, deren Missbrauch den Blättern gerade vorgeworfen wird. Doppelmoral, zur Ablenkung.
Und zur Moral in der Vernunft: Nein, Moral akzeptiere ich nicht, nur Ethik. Die wird aber nicht schon dann verletzt, wenn in Blättern Geschmackloses steht. Über die Mindeststandards hinaus bin ich nicht bereit, Einschränkungen der Freiheit zu akzeptieren.
Und das sollte niemand, der nicht letztlich auch bereit ist, totalitäre Systeme zu befürworten. Denn das ist es am Ende: Der Sieg der Mehrheit über (potentielle) Minderheiten. Wobei hier noch nicht einmal von zahlenmäßigen Mehrheiten, sondern höchstens empfundenen intellektuellen „Mehrheiten“ gesprochen werden kann.
@ Sebastian
Schon einmal live bei so etwas dabei gewesen? Das Verhalten mancher Journalisten und Kamerateams empfinde ich in solchen Momenten einfach nur als widerlich und ich schäme mich für das Verhalten der Sensationsreporter in Grund und Boden! Sinnvolle und humane Trauerarbeit geht nun wirklich anders.
Verständlich daher in meinen Augen auch der Artikel. Verständlich, angemessen und sehr gut geschrieben. Daher: Danke.
[…] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/eilmeldung/ […]
@sa7yr:
Moralisches oder von mir aus ethisches Handeln (Stichwort: kategorischer Imperativ) führt eben gerade nicht zu einem Sieg der Mehrheit über die Minderheit. Reine Rationalität (im Sinne der Nutzenmaximierung) dagegen mitunter schon (hier nämlich liegt der Schluss nahe, den Nutzen einer Handlung mit der Anzahl der Profiteure zu multiplizieren und gegen die Nachteile der Minderheit aufzurechnen).
Aber egal. Ansonsten verstehe ich nicht, warum man das eine (Umgang der Medien mit einem tragischen Todesfall) nicht kritisieren sollte, wenn man das andere (4. Gewalt) mal gerade nicht thematisiert. Ganz in Ihrem Sinne (Freiheit!) sollte doch jeder selbst entscheiden dürfen, welches Thema ihm oder ihr gerade auf den Nägeln brennt (oder zumindest ausreichend interessiert, um einen Artikel zu verfassen).
Wortreiche Sprachlosigkeit, wie gehabt. Jetzt auch mit Bildern. Und Selle (#45) hat vielleicht etwas überzogen in seinem letzten Absatz, aber denkt auch jemand an den Lokführer? Eben.
Ich finde das ganze Gewese so oder so peinlich und überflüssig wie einen Kropf, hier und anderswo gleichermaßen.
@53 / inga
Ethisches Handeln kann auch nur auf der Grundlage von Gesetzen verlangt werden. Wo es solche nicht gibt – und im vorliegenden Fall darf es sie auch nicht geben – liegt kein Regelverstoß vor; eine Ethik jenseits kodifizierter Standards kann nicht anerkannt werden (außer in Grenzfällen wie etwa dem 3. Reich).
Und Vorschriften will ich bestimmt keinem machen. Allerdings durchaus die Frage aufwerfen, wohin denn die Debatte führen soll, wenn nicht am Ende zu normierten Geboten oder Verboten. Man sollte IMO auch Schwerpunkte der Debatten(un)kultur setzen und ATM gibt es wirklich mit Abstand Wichtigeres als den Privatselbstmord eines Sportlers und seine Verarbeitung in den Medien.
@JO / 51:
Ja, beruflich und privat, leider.
Sie bestätigen doch alles, was ich sage: Immer feste druff. Hüben wie drüben.
@JO / 51:
Haben Sie den Artikel bei „11 Freunde“ gelesen? Was ist an dem Verhalten eines Reporters falsch, der (sich) fragt, um wie viel Uhr die Pressekonferenz startet? Auf eine Landkarte guckt?
Natürlich steht es den elf Freunden frei, dies zu skandalisieren. Nur arbeiten sie halt dann mit den gleichen Mitteln, die s(S)ie im gleichen Atemzug verteufeln.
Das Perverse ist ja, daß das Interesse an diesem Ereignis gerade deswegen so groß ist, weil Robert Enke eben KEIN glattgebügeltes Nutella-Medienprodukt a la Schweinsteiger o.ä. war, sondern durch den Tod seiner Tochter bereits etwas Privates hatte durchscheinen lassen. Dieser „menschliche Faktor“ ist jetzt der Grunde, weswegen die ich nenne es mal „entmenschlichte“ Medienindustrie so einen Rummel und Profit mit seiner Person machen kann.
Hm nun ja, vielleicht liege ich auch daneben. Wenn Schweini sich umbrächte, wurde die Maschine wohl genauso auf Hochtouren fahren…
Der „Therapie“-Text im Werbebanner auf stern.de ist übrigens inzwischen komplett gelöscht/rot übermalt, so dass es beim „jetzt iPod gewinnen“ belassen wird.
Leider scheinen es fast alle wissen zu wollen, wenn man sich die Resonanz auf z.B. bild.de ansieht.
Die Frage, wen es etwas angeht, verhallt dabei leider ungehört…
1. Während es gestern in den Spätnachrichten (Radio, habe kein TV) noch hieß, Enke habe sich „von einem Zug überrollen lassen“ wandelte sich die Meldung im Laufe des heutigen Tages dahingehend, dass Enke sich „vor einen Zug geworfen“ habe. Ich spreche hier vom NDR-Radio, nicht von Kommerzsendern. Aber auch die ÖffR springen auf die effekthascherische Kolonne auf.
2. Nach JEDEM Song kam erst der Trailer („Sie hören Radio XYZ mit dem besten Mix der 90er, 2000er und heute“) und dann gebetsmühlenartig die Meldung. Bis 11.41 Uhr kam nicht ein einziger redaktioneller Beitrag bei NDR2 ohne Enke aus.
3. Über den Tag konnte eine Zunahme der Bezeichnung „Tragödie“ beobachtet werden. Enke ist nicht mit geplatztem Reifen in einen Brückenpfeiler gerast, bei einem Hausbrand ums Leben gekommen, bei einem Massaker getötet worden oder von einem Betrunkenen über den Haufen gefahren worden. Er hat sich selbst für diesen Tod entschieden. Das ist nicht tragisch, das ist feige, besonders seiner Umwelt (und von mir aus auch seinen Fans) gegenüber. Tragisch ist, dass er die Hilfe seines Umfelds aus welchen Motiven auch immer nicht angenommen hat bzw. annehmen konnte. Dass er seinem Umfeld nicht die Möglichkeit gegeben hat, ihm zu helfen. Tragisch sind seine Schicksalsschläge. Und – auch wenn bereits auf einem ähnlich lautenden Kommentar weiter oben rumgehackt wurde – es ist tragisch für den Lockführer, für Rettungskräfte und für seine Familie.
4. Eklig ist der Eilmeldung-Journalismus zur nachmittäglichen PK, dass er an Depressionen litt. Das hätte den Journalisten jeder Mensch auch schon gestern abend erzählen können, der selbst schon mit wirklicher Depression (selbst betroffen oder durch Freunde & Bekannte) konfrontiert war. Surprise, surprise! Ich spreche hier aus einer Erfahrung, die mit beiden Seiten Berührungspunkte hat. Ich stand sowohl vor der „Entscheidung“, mein Leben zu beenden, als auch vor einer Situation der Hilflosigkeit, einen geliebten Menschen davon abhalten zu müssen (bzw. nicht zu können). Dass man in einem solchen Moment nicht an die Konsequenzen für sein Umfeld denken KANN, ist tragisch. Dass man es nicht TUT, ist egoistisch. Denn es ist in so einem Moment schwerer, sein Leben nicht zu beenden.
5. Ich bin letztendlich dahingehend sprachlos, wie hier, wie oben bereits erwähnt, journalistisch und medial derart die Dämme brechen konnten.
Der Herr im Heute-Journal ging ja noch einen Schritt weiter als hier beschrieben. Er unterstellte all den Leuten, die er am Abend des Todes vergeblich anzurufen versucht hatte, Sprachlosigkeit auf der Grundlage, dass sie nicht mit ihm reden wollten.
Die Floskel war beim ZDF-„Experten“ (für Sprachlosigkeit?) also gewissermaßen zum Resultat empirischer Ermittlungen geworden.
Auch ich habe den Namen Robert Enke gestern zum ersten Mal gehört (habe erst gedacht, die meinen Werner Enke!)
Im heutejournal habe ich dann mehr über ihn erfahren, ich fand das Gespräch dort sehr angemessen und so, daß ich für den jungen Mann durchaus freundliche Gefühle aufbrachte. Offenbar nicht nur irgend so ein dummschwätzender Fußballer.
In den Tagesthemen dann hielt man es für nötig, den Bericht mit getragenen Klaviertönen zu unterlegen. Damit auch der Letzte in die „richtige“ Stimmung kommt. Reiner Gefühlskitsch. Das habe ich ganz schnell abgeschaltet.
@sa7yr: „Ethisches Handeln kann auch nur auf der Grundlage von Gesetzen verlangt werden.“
Ach iwo. Das Bewusstsein, die Sensitivitäten seiner Mitmenschen zu respektieren, fusst auf Mitgefühl und relativ informellen gesellschaftlichen Konventionen innerhalb einer Kultur. Stichwort „Anstand“ – egal wie altmodisch das klingen mag und wie sehr sich sowas über Generationen hinweg verändern mag. Das hat mit „Gesetzen“ oder gar „Verboten“ oder sonstig „Totalitärem“ nun wirklich herzlichst wenig zu tun, sondern primär mit menschlichem respektvollem Miteinander. Bitte den Ball etwas flacher halten, danke.
Und jetzt gerade bringt die Tagesschau als Top-Meldung, daß Enke Depressionen hatte. Verdammte Scheiße!
Früher haben die Nachrichten gebracht.
Sehr schön auch die Klickstrecke die SPON aus Screenshots der Webseiten verschiedener Fussballvereine gebastelt hat.
@64 / nona
Von dem Satz rücke ich keinen Milimeter ab, da steht nämlich drin „… kann… verlangt werden“. Und genau darum gehts: um den Unterschied zwischen gesellschaftlichen Konventionen (in welcher Gesellschaft eigentlich genau? Gehören da auch Bauarbeiter dazu oder eher nicht, weil die sich nach deiner Vorstellung nicht benehmen können?) und gesetzlichen Regeln. Wie du dich da verhältst ist rein freiwillig. Und was die Magazine bringen, die ich sowieso nicht lese, ist auch ihre Sache. Damit tun sie ihrem guten Ruf unter Umständen keinen Gefallen, aber das ist ein anderes Thema.
@ 57 Sebastian
„Aber ich werfe jemandem, der aus „wann beginnt die Pressekonferenz?” ein Drama macht, sehr wohl den Blick auf die angeblich verhasste Quote vor.“
Im Internet und bei Zeitungen gibt es keine Quote.
„Was ist an dem Verhalten eines Reporters falsch, der (sich) fragt, um wie viel Uhr die Pressekonferenz startet?“
Die Einstellung. Die innere Einstellung zum Thema Tod und Krankheit eines Menschen und die Piätätlosigkeit gegenüber den Verwandten, den Freunden und den Fans dieses Sportlers. Scheinbar verlieren Journalisten, welche die Welt nur noch durch eine Kamera betrachten, den Blick auf das Wesentliche: Journalisten sollen den Menschen dienen und nicht der Quote.
Bei N-TV hat man den Enkebericht mit der Musik aus „Amelie“ unterlegt, das war schon nicht schön und unangemessen.
Am übelsten aber war die Drehscheibe im ZDF heute Mittag. Der Refrain von „I Will Always Love You“ zu den Bildern von Robert Enke. Ekelhaft.
Stimme dem Kommentar 20 zu und wundere mich immer, wie viele Leute es gibt, die eine solche Berichtererstattung, wie sie gerade über Enke läuft, abstoßend finden und trotzdem alle gelaufenen Beiträge, Meldungen und Überschriften auswendig aufsagen können. Ihr wisst doch, was da kommt! Jeder Fernseher hat einen Aus-Knopf, jede Zeitung passt in einen Papierkorb. Ich jedenfalls werde in den nächsten Tagen jede Website, auf der die Worte „Enke“ und „BILD“ oder „Spiegel“ gemeinsam zu lesen sind, ungesehen weiterklicken oder -scrollen. Das befreit.
> Im Internet und bei Zeitungen gibt es keine Quote.
Das ist natürlich richtig. Aber auch ein bisschen kleinkariert, hm. Einigen wir uns halt auf: „11 Freunde“ hat seine Medienkritik so formuliert, dass sie möglichst viele Leser erreicht und wachrüttelt (oder wie ich es formulieren würde: die Medienkritik war eine geschickte Art, ohne sich augenscheinlich selbst die Finger schmutzig zu machen, auf der Welle mitzureiten – sogar Stefan Niggemeier, der es selbst besser macht und wissen müsste (?), verlinkt anerkennend. Die effekthascherischen Formulierungen bei „11 Freunde“ werden übrigens dort auch von den eigenen Lesern durchaus kritisch betrachtet).
Köstlich: Wenn Sie es natürlich für eine Sünde halten, dass Reporter fragen, um wie viel Uhr eine Pressekonferenz beginnt (und aufgrund dessen Pietätlosigkeit unterstellen) erklärt sich einiges. Und was für eine innere Einstellung? Ich erkenne da höchstens Pünktlichkeit ;-) So oberflächlich, dass ich da eine weitergehende Wertung vornehmen würde, bin ich nicht.
> Journalisten sollen den Menschen dienen und nicht der Quote.
Und was ist mit Zeitungs-und Online-Journalisten? Die haben ja gar nicht diese „Quote“, wie ich gerade gelernt habe …?! (die sind also von Natur aus immer anständig? das sind gar keine echten Journalisten? Fragen über Fragen).
@69/Matthias: Zustimmung.
Ich verstehe noch nicht wirklich, warum das private Drama um Robert Enke überhaupt eine nationale Nachricht oder gar Tragödie sein soll.
Ich höre gerade Margot Käßmann in der Trauerfeier: „Er ist seinen Weg ganz allein zu Ende gegangen“. Ja hey, das tun wir doch alle irgendwie irgendwo irgendwann. Klar ist es schlimm für den Betroffenen, für die Angehörigen und vielleicht auch für die Fans von Hannover 96 und die Nationalspieler.
Aber die nationale Aufmerksamkeit scheint mir total übertrieben, fast obsessiv. Es scheint etwas an Depressionen und Selbstmorden zu geben, das die ganze deutsche Gesellschaft irgendwie beschäftigt.
[…] auch nicht. Doch auch diese Kritik möchte ich hier nicht vorbringen. Das können andere besser als ich. Ich möchte vielmehr über Depressionen schreiben. Oder besser – darüber wie […]
Interessante These @ der gespaltene westen:
> Es scheint etwas an Depressionen und Selbstmorden zu geben, das die ganze deutsche Gesellschaft irgendwie beschäftigt.
Ist es nicht so, dass (viel) mehr Menschen durch Suizid sterben als durch Unfälle o.ä.? Da sich bei Suiziden die Medien aber ziemlich zurückhaltend zeigen und sich einigermaßen strikt an den Pressekodex halten, findet das Thema öffentlich -obwohl quantitativ relevanter- viel weniger Beachtung. Zurecht. Wird da im Falle eines Nationaltorhüters, über den natürlich dann, ebenfalls zurecht, berichtet wird, etwas kompensiert? Und wenn ja: Ist das gut oder schlecht? Ist er dann der „Held der Depressiven“ und macht kaputt, was zuvor brav gehandhabt worden ist? Oder ist es so, dass das Thema zwar anständig, aber längst im größeren Stile behandelt gehört (möglicherweise gerade auch in Zeiten der Krise……)? Wäre eine häufigere Berichterstattung (deren Qualität mal außen vor…) über Suizide gar politisch relevant, würden die Medien so umfangreich über Selbstmorde berichten wie über andere Tote? Sehr spannende Frage eigentlich.
In dem Zusammenhang könnte man ja auch mal über Sterbehilfe reden, das wird ja auch komplett ignoriert.
Lest lieber mal Jean Améry „Hand an sich legen“ statt am medialen Brechdurchfall Aufmerksamkeit zu verschwenden (und sei es, um ihn nur zu kritieren) und ihn damit noch aufzuwerten. Und nebenbei würdet Ihr nie mehr „Selbstmord“ verwenden oder irgendeinen Unsinn über „Tragödie“ erzählen.
sport1.de war übrigens wie stern.de auch etwas überfordert damit, die pietät zu wahren und kurz die unter der todesmeldung empfohlenen beiträge zu checken:
http://twitpic.com/p0y31
Wen es interessiert: Hier die
Empfehlung an die Medien zur Berichterstattung über Suizide von der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention (DGS):
http://www.suizidprophylaxe.de/Medienempfehlung%20DGS.pdf
@25 Vollkommen richtig!
[…] auch an die Artikel von Stefan Niggemeier und 11.Freunde.de, die mir aus der Seele […]
In irgendeiner Sendung habe ich vorhin folgende Formulierung vernommen:
„Robert Enke war nie der Mensch, der sein Innerstes nach Außen gekehrt hat.“
Kann man sich noch zynischer über einen Menschen äußern, der sich vor einen Zug geworfen hat?
Oder sind diese „Journalisten“ derart hirnbefreit, dass die das gar nicht mehr bemerken?
Oh Herr Niggemeier, Großmeister der Medienkritik,
leider weicht die Medienkritik hier leider nur noch der Medienmeckerei. Wer hier den Voyerismus der Medien beklagt macht sich vollständig lächerlich – nur um auf das Boot 11 Freunde zu springen. Sorry, wo bleibt dann täglich die Kritik an ARD und ZDF, SAT1 und RTL etc. ob ihrer Berichterstattung über Tote hier und Tote da? Hier haben ei paar Redakteure das gemacht, wovon sie dachten es wäre richtig – ich finde die Bilderflut auch scheiße, deshalb habe ich es weder geguckt noch gelesen. Aber das ist keine Medienkritik – und wenn doch, ist sie erbärmlich.
Ich will mich dann doch mal ausführlicher äußern.
Was soll diese Heuchlerei? Wenn sich ein deutscher Nationaltorwart und dazu noch ein absoluter Symphatieträger des deutschen Sports umbringt, soll darüber nicht berichtet werden? Es ist doch schlichtweg unbestritten, dass die Menschen wissen wollen, wie und warum das passiert ist.
Und das hat meiner Meinung nach auch bei den meisten nicht mit Sensationsgier zu tun, sondern mit Mitgefühl. Ich finde es auch nicht gut, „Eilmeldung“ über die Zeile „E. hatte Depressionen“ zu pappen, aber das, was ich darüber hinaus gesehen habe, war völlig okay.
Es ist doch so: Angebot und Nachfrage regeln sich von selbst. Also warum sollten sich Journalisten nicht anstrengen, an die heißesten Informationen zu kommen?
Ich arbeite selbst als Journalist und kann berichten: In unserer Redaktion herrschte heute teilweise ziemlich Hektik, aber jeder einzelne fühlte mit und war z.B. berührt von T.E.s PK. Fühlt nur der mit, der seine Arbeit nicht mehr nachgeht und sich voll und ganz der Trauer hingibt? Das eine schließt das andere nicht aus, ihr lieben Moralapostel…
Stefan, du sprichst mir (wieder mal) aus der Seele…
(OFF TOPIC)
Stefan, ich will ein Kind von dir! Kreisch!
(OFF TOPIC ENDE)
*gueter Post*
Der Spiegel scheint mir nicht mehr seriös wie er einst mal war…
@15: BILD hat es bereits überboten: http://skitch.com/greyscales/n8rub/robert-enke-google-suche
[…] was die Medien momentan an allen Ecken und Eckchen zitieren: Sprachlos sein? Darüber hat sich auch schon an dieser Stelle Stefan Niggemeier gewundert. Aber Herr Niggemeier wundert sich eigentlich (recht schnell) über […]
Jedes Jahr nehmen sich in Deutschland 10.000 Menschen das Leben, aber die allerwenigsten tun dies auf die tragische Art und Weise des Herrn Enke. Denn er „überliess“ die endgültige Tat dem armen Zugführer. Anstatt „selber“ aus dem Leben zu scheiden übertrug er die endgültige Verantwortung dafür einem Menschen, der nun für den Rest seines Lebens traumatisiert ist, vielleicht nie wieder seinen Beruf ausüben kann, selbst nun psychologischer Behandlung bedarf.
Egal, wie tragisch und traurig das Leben – und das Ende – von Enke ist, man darf nicht vergessen, dass die Art und Weise seines Freitodes auch eine sehr feige Seite hat.
backlink:
oops: nr.89 bitte löschen
http://vossyline.blogspot.com/2009/11/tod-eines-torwarts.html
Was lernen wir?
1. Medien streiten über angemessene Berichterstattung/Ausschlachtung unerhörter Begebenheiten. Ist das neu?
2. Arbeitgeber sollten sich mehr dafür interessieren, was ihre Arbeitnehmer bewegt. (Ich meine nicht zweckgerichtete Bespitzelung.) Fast das ganze Umfeld gibt sich ungeheuer überrascht. Das erstaunt mich.
3. Dass uns so eine Nachricht tiefer trifft als manche andere, ist verständlich, denn hier erkennen die meisten von uns etwas wieder. Darüber muss gesprochen werden, auch mit Ausrutschern (s.Punkt 1). Das Schwäbische Tagblatt schreibt heute gut, finde ich.
Das hat mich schon auch beeindruckt, als ich gestern in unsrer Lokalen Tageszeitung die Überschrift „Nationaltorwart Enke nimmt sich das leben“ las. Neben dem Bericht über den gewaltsamen Tod einer jungen Türking in unsrer Uni und der Prozessberichterstattung zur Schießerei in einer Rüsselheimer Eisdiele, stach der Enke-Selbstmord trotzdem heraus. Warum? Weil man das Opfer „kennt“, zumindest dem Namen nach. Für eine solche Tat erwartet man dann schlicht einen konkreten Anlass. Seit drei Jahren depressiv, Tochter verloren, beruflich lief es auch nicht immer rund, dann die seltsame Infektion. alles wird scheinbar duldsam ertragen. Monate später dann Suizid, da vermutet man einen Auslöser.
Mir tut vor allem die Witwe leid. Sie hat ja ebenfalls ihr Kind verloren, jetzt auch noch den Mann. Sie hat zuhause ein kleines Adoptivkind sitzen. Zu allem Überfluss muss sie der Welt jetzt ihre Trauer und die Probleme ihres Manns erklären. Einen Tag, nachdem sie von dessen Tod erfahren hat. Wenn das kein Alptraum ist.
Die Medienberichterstattung ist ekelhaft. Doch in wie vielen Blogs, in wie vielen Foren, in wie vielen Tweets haben sich die Blutsauger unabhängig von den Medien im Suizid Enkes festgebissen und kosten ihn sabbernd oder betroffenheitstriefend aus? Die Grundproblematik ist also eine ganz andere. Warum schreiben Sie über den scheußlichen Umgang der Medien mit Enkes Freitod und lassen die Kommentare offen? Sieht nicht so aus, als hebten Sie sich in irgend einer Weise von ihren Kollegen ab.
Volker Pispers hat es auf den Punkt gebracht:
„Wenn das Entsetzen so groß ist, dass es einem eigentlich die Sprache verschlägt, herrscht kein Mangel an hohlen Phrasen aus noch hohleren Köpfen.“
[…] „Eilmeldung” «: Stefan Niggemeier dividiert die inszenierte Nicht-Sprachlosigkeit der Medien auseinander und macht auf seine unnachahmliche Art und Weise klar, wie sehr sich die Medien in einem Berichterstattungszwang befinden. Auch wenn es nichts zu berichten gibt, tut man so als ob. Alle sind sprachlos aber jeder redet sich den Mund fusselig. […]
[…] die anderen Kommentatoren und diverse Blogs (z.B. 11Freunde, Niggemeier, Meedia, Spreeblick) sind sich im wesentlichen einig, dass hier mal wieder ein abscheulicher […]
@ Sebastian
„Einigen wir uns halt auf:…“
Nö.
Zitat aus einem Interview.
Dirk Gieselmann:
Wir sind nicht an Populismus interessiert. Zerrbilder, Kampagnen, Überhöhungen sucht man bei uns also vergeblich. Wir lieben den Fußball so, wie er ist. Das heißt: wie er sein sollte. Wenn er das annähernd schafft, feiern wir ihn. Mechanismen, die ihn davon abhalten, werden von uns gegeißelt.
Sebastian, der Mann meint das wirklich ernst!
Die Kritik der Kollegen von 11 Freunde mag in Teilen angemessen sein. Aber wie ist dann zu erklären, dass der Chefredakteur von 11 Freunde am Morgen nach dem Selbstmord auf Radio Eins ein ausführliches Interview über die möglichen Hintergründe des Suizids gibt? Es lebe die Bigotterie!
Es fehlen einem die Worte. Danke für Deine Sicht der Dinge! Das Etikett „Eilmeldung“ draufkleben und ab in die mediale Umlaufbahn.
[…] werden. Eine seltsame Hektik beherrscht das Geschäft, die sich auch bei Enkes Tod zeigte, als Spiegel Online „Eilmeldungen“ anzeigte. Die Erklärung von Enkes Frau – eine „Eilmeldung“? Die Berichterstattung läuft in einem […]
@JO / 97: Sind Sie der Pressesprecher von „11 Freunde“ oder haben Sie sich auch selbst ein Bild gemacht? Zwischen „nicht an Populismus interessiert“ bzw. „Überhöhungen sucht man bei uns vergeblich“ und dem, was dort dort schwarz auf weiß nachzulesen ist, liegt doch ein kleiner, aber feiner Unterschied. Ich finde dort sehr wohl Populismus, nur halt in der Medienschelte und nicht in Enke-Stücken. Heiligt der Zweck dann plötzlich die Mittel?
@Pillepalle / 98: Echt? Würde mich aber nicht wundern.
@98 / 101:
nachzuhören hier: http://www.radioeins.de/programm/programmbeitraege/20091111/nationaltorwart_robert.html
Ich habs mir gerade angehört und finde es aber zugegebenermaßen ganz ok, auch die kritischen Töne. Auffallend aber halt, dass das auf der Homepage, wo es Klicks zu generieren gilt, ganz anders klingt :-)
[…] finden muss, was seit zwei Tagen gesendet, gedruckt und veröffentlicht wird. Man kann sehr wohl kritiseren, dass SPIEGEL ONLINE und stern.de die Nachricht, dass Teresa Enke gestern in bewundernswerter Art […]
Tja, da tun sich offenkundig sehr viele Menschen mit dem Thema schwer. Gerade deshalb habe ich grundsätzlich viel Verständnis für die sehr unterschiedlichen Ansichten, die es darüber gibt. Das übermäßig dramatisierte Geschreibe „es-war-eine-Depression!!!“ (als ob das eine Sensation wäre) nervt mich, und unangemessen finde ich auch das übermäßige Eindringen in das Privatleben – andererseits habe ich wieder Verständnis für Interesse vieler Menschen daran. Ein Nationaltorhüter ist nun einmal eine Person des öffentlichen Interesses, und sein Tod ist nicht gerade eine Alltäglichkeit.
Mir wäre ein ruhigerer Tonfall in der Berichterstattung lieber – aber ich habe recht wenig Ahnung (womöglich im Gegensatz zu Stefan Niggemeier und anderen), was „angemessen“ wäre bei der Berichterstattung über den Tod von Robert Enke.
Das Medienumfeld und die aufgeregten Reaktionen machen auf mich den Eindruck eines Werther-Effektes. Dramatisierung bis zur Hysterie. Anders herum möchte ich aber auch keine Tabuisierung in der Berichterstattung.
Ein ruhigerer Ton wäre aber schon schön. Eine Depression als Ursache für einen Selbstmord ist keine „Eilmeldung“, sondern aus Sicht von Fachleuten der (leider) übliche Fall. Wenn von einem „führenden Nachrichtenmagazin“ eine Depressionserkrankung als große Sensation („Eilmeldung!!“ usw.) dargestellt wird, dann könnte das – meiner Meinung nach – zur Stigmatisierung der Betroffenen beitragen.
DAS ist unappetitlich – aber nicht der bloße Umstand, dass über die Hintergründe des Selbstmordes berichtet wird.
Noch ein Wort an diejenigen, die diesen Tod nicht tragisch finden:
Ist es denn nicht tragisch, wenn jemand aufgrund einer Erkrankung ein so übergroßes Gefühl von Ausweglosigkeit entwickelt, dass er sich umbringt? Ein Selbstmord aufgrund einer Depression ist, anders als manche meinen, keine freie oder gar vernünftige Entscheidung. Es ist in meinen Augen von einigen Kommentatoren reichlich verfehlt, hier von „Feigheit“ zu labern. Wie kann jemand „feige“ sein, dessen Handeln und Fühlen von einer Erkrankung gesteuert wird? War Robert Enke feige?
Wenn man keine Ahnung hat, dann lautet ein guter Tipp: Einfach mal ruhig sein. Oder nachfragen – das ist noch besser.
Das Thema „Depression und die Unfähigkeit des Erkrankten, sich zu öffnen“ ist relevant. Es hat anhand der Aussagen seiner Witwe und seines Arztes den Anschein, als wäre R.E. exakt daran gestorben.
Da Depression tatsächlich nach einhelliger Expertenmeinung eine Volkskrankheit ist und hier das „Beispiel des Prominenten“ eine Blockaden lösende Wirkung für viele Betroffene haben kann, teile ich die Skepsis angesichts der Berichterstattung inhaltlich nicht. Wobei mir bitter bewusst ist, dass die Formulierung „Blockaden lösen“ hier auch den sog. Werther-Effekt bezeichnen kann – aber gegen die öffentliche Selbsttötung eines Prominenten ist ohnehin kein Schweigen zu halten.
Der Form nach kann man darüber streiten. Heute bebildern die meisten Zeitungen ihre „Enke/Depression“-Strecke mit Nahaufnahmen der trauernden Witwe, die jede Distanz missen lassen. Das wiederum muss nicht sein.
Vieles an dieser Art von Journalismus ist widerwärtig, stern.de und die (automatisiserte?) passgenaue Anzeige ist besonders widerwärtig.
Igitt, kotz, würg, spei!
@106: Sie rühren an einen klassischen Konflikt zwischen Journalist und Anzeigenabteilung. Was wird aus dem Journalisten, der sich um das Werbeumfeld seiner Berichterstattung kümmert? Ganz richtig: Ein PR-Mann, der im Zweifel die falschen Rücksichten nimmt.
Roboter, die kontextbezogene Werbung einblenden, stellen bei problematischen Themen einen zynisch wirkenden Zusammenhang zufällig her; das Grundproblem besteht allerdings immer. Das ist jedoch kein primär journalistisches Problem, sondern eines der Glaubwürdigkeit von Medien insgesamt, die solche Werbeformen einsetzen.
Hier besteht in der Tat Klärungsbedarf bei den Verlagen: Unzynisch, aber genau so problematisch ist es doch, wenn neben einem seriösen Erklärstück zur Gesundheitsreform ein privater Versicherer mit grenzwertigen Angeboten eingeblendet wird – das macht einen schlechten, unsachlichen Eindruck, der geeignet ist, den Charakter einer an sich sauberen Medienmarke zu verschatten.
# 108 nimmt natürlich Bezug auf # 107. Vretpipt.
@Journalist: Recht gebe ich Ihnen ohne weiteres darin, dass ‚Depression und die Unfähigkeit des Erkrankten, sich zu öffnen‘ relevant sein mag vor dem Hintergrund, dass Depressionen eine Volkskrankheit sind. Aber ist das ein Thema für’s Aktuelle? Mit all seiner inzwischen erreichten Atem- und Reflexionslosigkeit, die inzwischen längst zum Verfall eherner Standards der so genannten Qualitätsmedien geführt hat?
Wenn man sich näher mit den hier oben bereits verlinkten Empfehlungen für die Medienberichterstattung zur Suizidprohylaxe befasst, wird doch klar, dass der – den Empfehlungen folgende – deutlich von der medialen Wirklichkeit abweichende Umgang mit Suiziden in den Medien auch ein Anlass für eine Öffnung Betroffener sein kann – viel häufiger aber eben Anlass für den von Ihnen erwähnten Werthereffekt (Nachahmungstaten) ist.
Und eben dieser Effekt war noch vor zehn Jahren in einem WDR-Studio mit einer für Selbstentleibungen häufig genutzten Brücke im Sendegebiet der Grund, warum die Erwähnung von Suiziden in den täglichen Polizeimitteilungen an die Medien niemals Eingang ins Programm gefunden hat – nicht mal als Meldung!
Das gilt inzwischen offenbar einen Scheißdreck – und genau aus diesem Befund bestreite ich Ihre abschließende Einschätzung! Gerade mal 18 Stunden [sic!] nach dem Tode Ihres Mannes hatte sich Frau Enke einer PK zu stellen. Was bedeutet das denn hinsichtlich Ihres Argumentes, gegen die öffentliche Selbsttötung eines Prominenten sei kein Schweigen zu halten? Sicherlich wird es seitens der Polizei oder der Bahnpolizei im täglichen Protokoll die (zunächst mutmaßliche? Bis zu einer ersten Klärung ganz sicher mit diesem Vorbehalt versehen) Selbsttötung eines Mannes in A gestanden haben – aber schon aus rechtlichen Gründen gewiss nicht unter Bekanntgabe der Identität Enkes. Damit dürfte dies als Ursprung und erste Quelle wohl ausscheiden. Wer war es dann? Eine eilends abgefasste Pressemitteilung Hannover 96s? Schon eher…
Aber spätestens hier muss doch die Frage erlaubt sein, ob die in dieser Form und Eile – also mit Bekanntgabe der Todesursache – als ‚Futter‘ für’s Aktuelle notwendig war. Das muss aber sehr schnell passiert sein, weil es sonst nur 18 Stunden danach kaum zur genannten PK hätte kommen können. Womit sich doch die Frage stellt, ob das so schnell alles rausgegeben werden musste, dass eben jener atemlose ‚Eilmeldungshype‘ seinen Anfang nahm – und damit der hier oft beklagte Stein unweigerlich losrollte. Denn wenn einer angefangen hat, will der nächste Wettbewerber zwingend etwas draufsetzen, die Nachricht ‚weiterdrehen‘ – was dann beinah zwangsläufig dieser Atemlosigkeit geschuldet zu den beklagten Ergebnissen führt….’Programmereignissen‘ der folgenden Tage.
Deswegen finde ich mit Ihnen natürlich, dass das ’nicht sein muss‘ – es müsste nur von vornherein für die Initiatoren/Quelle absehbar sein, dass dieses Vorgehen eben genau diese Folgen oder mediale Eigendynamik so programmiert. Das erlaubt aber eben auch Fragen an beide Seiten – auch die Entwicklung des Journlismus. Und da sind alle Fehltritte und menschlichen Widerwärtigkeiten, der Verlust jedweder Standards sowohl des Handwerks wie schlichter Pietät nachgerade ein Lehrstück über die Zusammenhänge eines zeitnah anderen Orts und in anderem Zusammenhang beklagten ‚Verfaulens des Journalismus von innen heraus‘.
Es hätte Alternativen gegeben. Tagesgleiche oder bewusst um einen Tag verzögerte Herausgabe der Information über den Tod. Und erst mindestens einen Tag danach die Ursache – nüchtern und ohne Bekanntgabe oder Spekulation über mögliche Beweggründe. Dass hätte der sattsam bekannten Atemlosigkeit des Aktuellen sicher schon mal die erste Brise aus den Segeln genommen. Und auch auf der anderen Seite – in wievielen Redaktionen mag man sich überhaupt noch die Frage gestellt haben, ob man auf diesen Zug aufspringt – oder gar springen muss, weil eine andere Redaktion ja bereits gesprungen ist. So gilt der ‚Werthereffekt‘ eben offenkundig nicht nur für Menschen in einer psychisch absoluten Grenzsituation, sondern offenkundig ebenso bei den ‚Lemmingen‘ (Redaktionen) – oder ist die psychische Ausnahmesituation dort längst Standard eigener Befindlichkeit.
Nein, lieber Kollege, man muss das nicht nur in seinen Auswüchsen hinterfragen, weil man – dies beginnend – zwangsläufig weiter kommen muss zu den Ursprüngen. Die dann sehr deutlich werden lassen, dass der Verlust der eingangs von mir sehr begründeten Standards auch viel mit dem (unreflektierten?) Anspruch der Neuerfindung des Rades auch in den Medien zu tun hat. Und dann eben auch sehr deutlich wird, mit welchen Folgen – dem schleichenden Verlust jedweder Standards, selbst solcher, die pietätsbewussten Menschen wohl nicht mal in den Sinn käme, sie zu hinterfragen.
In einer idealen Welt würde niemand bei der Nachricht „Nationaltorhüter hat Selbsttötung begangen“ gleich loshetzen, so ist das wohl. Ich fürchte nur, in einer solchen Ausnahmesituation in der keineswegs idealen realen Welt lässt sich allenfalls das „Wie“, nicht aber das „Ob“ diskutieren.
Beim „Wie“ sieht es in diesem Fall so aus, als ob viele sogenannte Qualitätsmedien alles wollen (v.a. möglichst viel Aufmerksamkeit), nur kein Nachdenken über das „Wie“.
@110 / anderer Journalist:
> Sicherlich wird es seitens der Polizei oder der Bahnpolizei im täglichen Protokoll (….) aber schon aus rechtlichen Gründen gewiss nicht unter Bekanntgabe der Identität Enkes. Damit dürfte dies als Ursprung und erste Quelle wohl ausscheiden.
Schau mal:
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/66841/1509683/polizeidirektion_hannover
Wie anmaßend ist es, diese Medien noch als Stütze unseres demokratischen? Staatswesens zu bezeichnen? Pressefreiheit, die unfrei dumm macht?
Die Macht der Dummheit!
@112: Nun ja. Aufmerksamkeit ist nicht nur bei solchen Themen die Währung, von der wir Journalisten, Blogger und ähnliche Vögel leben. Möglichst viel davon zu bekommen, nennt sich dann „Erfolg“, publizistisch wie wirtschaftlich. Bei Top-Themen prominent mitzuspielen, gehört naturgemäß dazu. Das „Wie“ mag (und muss vielleicht häufiger) diskutiert werden, das Ziel – durch möglichst gute Arbeit möglichst viel Publikum zu binden und großen Marktanteil zu gewinnen – steht doch wohl nicht ernsthaft in Frage.
[…] beachten Sie wieder das passende […]
[…] Schwierigkeiten, angemessen zu reagieren, beschreibt ganz konkret Stefan Niggemeier: „Sprachlosigkeit” ist das Wort, das Journalisten seit gestern immer wieder gebrauchen, um die […]
bitte schaut in meinen blog: http://jodoko.blogspot.com/2009/11/die-macht-der-freigelassenen-dummheit.html
oder klickt meinen Namen hier an.
Aus irgendeinem Grund erscheint mein 2. Kommentar (meine Reaktion auf Journalist von 17:52) hier nicht.
@ Anderer Journalist
Die Presse hat noch vor der Ehefrau Bescheid über den Suizid von Herrn Enke bekommen. Sie war da, sie hat aufgezeichnet, sie hat es gesendet. Wie sie den Wink bekommen hat, bekommt man heraus, in dem man sich mit dem bekannten Anbieter aus dem „Blauchlichtgeschäft“ mal genauer beschäftigt – nicht durch Spekulieren.
Mir kommt es so vor, als ob wir beiden uns in der Vergangenheit bereits unterhalten haben. Meine Position war, dass in den öffentlich rechtlichen Sendern die Angst regiert. Waren sie bis Mitte der 80er Jahre konkurrenzlos, wurde durch die Einführung der privaten Sender auf einmal ein Markt eröffnet um das Publikum und die damit verbundenen Gelder. Angst und Furcht machte sich breit in den grauen Gängen, irgend wann mal diesem Konkurenzdruck nicht mehr stand zu halten. Auch heute lebt das Gerücht, z.B. im WDR, dass der Sender sowieso in 10 Jahren finanziell nicht mehr tragbar ist und viele ihren Job verlieren. Doch anstatt sich auf die eigenen Stärken zu konzentrieren wurde in blanker Panik die Quote als oberste Prämisse gesetzt. Dadurch sank der Standard und, obwohl heute die Technik besser als je zu vor tolle Bilder und Töne produzieren kann, sank die redaktionelle Qualität. Dies führte wiederum dazu, dass die Privaten keine inhaltlichen Konkurrenten mehr hatten und, verzeihen sie mir die Ehrlichkeit, während noch vor 20 Jahren die Privaten den Stil des ÖR imitierten, kopieren heute nun die ÖR bewusst den Stil und die Thematik erfolgreicher Sendungen (siehe Sendeplatz Montag/ab 20.15 Uhr/WDR). Die Privaten wiederum holen sich nun ihre Ideen und ihren Stil aus den USA, da die über Jahrzehnte gewachsene journalistische Kultur der ÖR aus freien Stücken das Klo runter gespült wurde – aus Angst!
Ist es nun verwunderlich, dass immer mehr “Blaulicht”-Ereignisse die Fernsehlandschaft gestalten, dass hier nun diskutiert werden muss, dass Kamerateams noch vor der Ehefrau von dem Tod erfahren? Gäbe es einen starken Gegenspieler, der sich diesem Thema widmet, hätten oben genannte ausgestrahlte Szenen es schwerer in die Öffentlichkeit zu gelangen. Aber welche Sendung beim WDR geht denn medienkritischen Fragen noch hinterher? Der Trödel – King? Kriminalreport? Die Besten im Westen? Tipp: Vielleicht sollten Sie mal beim NDR klauen – Zapp!
Verdammt – tun Sie endlich was!
Wie denn, JO (119)? Wenn sie nicht wissen, was sie tun?
UND noch schlimmer, es wissen UND es trotzdem tun?
Selbst Zapp, das auch ich als mich inspirierende Sendung empfinde, macht sich des bloßen Kochens im eigenen Saft schuldig! „Verdient“ sich sein(?!) Geld durch maßlose Selbstüberschätzung (sorry liebe NDRler, Ihr seid Teil meiner hamburgischen Heimat, womöglich habt Ihr sogar Recht, wenn Ihr beahuptet, der Beste! :-) ), sich selbst wissend oder unwissend zur Hauptsache machend!
Ich fürchte, und eigentlich sollten wir alle dankbar jenen unsäglichen, aber zu viele Worte und Bilder hervorrufenden Bankräubern und Buskidnappern sein, uns damals schon die Augen geöffnet zu haben, das Problem liegt im Eigentum, im Vermögen haben und haben wollen, gar meinen zu müssen! Das Vergessen, vermögend zu sein, sein zu wollen!
Der angeblich konkurrenzbedürftige Kapitalismus ist einfach konkurrenzlos schlecht! Und das zeigt sich besonders dort, wo er nichts zu suchen hat. Wo gesellschaftliche Gegebenheiten überlebensnotwendigerweise dessen Fehler dauerhaft nicht mehr kompensieren können! Beispielsweise in UND bei den Medien! UND in der Bildung. Zwei Unmöglichkeiten, die sich rächen, zumal sie sich in der Bildzeitung (aber auch im NDR) bündeln!
Aber genauso wollen wir es, denn wir wollen ja lieber haben als sein!
Der Fehler ist also dieses IMMER Meer, gerade dort, wo weniger zu oft mehr sein könnte! Sein müsste!