Er läuft durch etwas, das wie eine große Röhre aus Beton aussieht, oder genauer: wie ein Fernsehsstudio, das aussehen soll, als wäre es eine große Röhre aus Beton. Da die Sendung „Geheimnis Geschichte“ heißt, soll das womöglich irgendeine Art von Zeittunnel symbolisieren, vielleicht ist es aber auch ein Ärmel des Mantels der Geschichte, was aber alles nicht diesen komischen Fächer an der Rückwand erklärt und vor allem: warum Thomas Kausch vor ihm wegläuft, nicht schnell, aber unaufhörlich.
Kausch läuft, während er moderiert. Das sieht schon bei den Reportern affig aus, die in Nachrichten oder Magazinen auf der Straße immer sieben Schritte auf die Kamera zugehen müssen, um irgendwelche Dinge aufzusagen, aber bei Kausch sprengt es jedes bekannte Maß an Affigkeit: Er bewegt seine Arme nicht mit beim Gehen, weil er mit beiden Händen die Moderationskarten hält, von denen er nicht abliest. Er läuft nicht nur beim Moderieren, sondern auch beim Gucken, wenn auf die „Beton“-Wand neben ihm Filmaufnahmen projiziert werden und schaut dann auf eine groteske Art nicht in die Richtung, in die er läuft, was aber auch egal ist, weil er sich ohnehin nicht vom Fleck bewegt, sondern offenkundig auf einem Laufband steht, damit Kausch beim Moderieren und Gucken laufen kann und beim Laufen moderieren und gucken.
Manchmal, wenn man seine Füße nicht sieht, wirkt es, als laufe er nicht, sondern stampfe Wein. Oder treibe auf eine altmodische Art einen Generator an, der die Kameras mit Strom versorgt. Und während sein Oberkörper steif bleibt und sein Unterkörper in Bewegung, sagt er Sätze wie: „Wenn jemand glaubt, dass unter den Nazis doch nicht alles schlecht war, zum Beispiel die Rolle der Mütter, dann irrt er, oder er lügt“, und ich habe seit langer Zeit nichts gesehen im an bizarrem Schwachsinn nicht armen deutschen Fernsehen, das derart bizarr und schwachsinnig war wie diese Inszenierung.
Das scheint Strategie zu sein, bei der ARD, sich nicht durch Inhalte, sondern durch merkwürdige Inszenierungen von der Konkurrenz abzusetzen: Auch Denis Schecks Büchermagazin setzt darauf, und bei „W wie Wissen“ moderiert Ranga Yogeshwar aus einer gewollt gleißenden Kunstwelt. Aber das hat auch faszinierende, gelungene Momente und ist nichts im Vergleich zu diesem Herumgelaufe von Herrn Kausch, der schon unbewegt hinter einem Schreibtisch gekünstelt wirkt, und eher nur versehentlich bei Sat.1 zu einem Inbegriff für journalistische Kompetenz wurde.
Jeder Hamster mit einem Funken Restrespekt hätte sich geweigert, sich auf dieses Laufband zu stellen. Und ich soll mir von jemandem, der sich für so einen Unsinn hergibt, Geschichte erkären lassen?
(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
[…] Sonntag hab ich in meiner Kolumne in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” über Thomas Kausch und seinen Auftritt als ARD-Guido-Knopp in der neuen Reihe „Geheimnis […]
Einverstanden, das Herumgelaufe sieht komisch aus. Aber zu sagen, dass Thomas Kausch „eher nur versehentlich bei Sat.1 zu einem Inbegriff für journalistische Kompetenz wurde“ halte ich für falsch. Da braucht man sich nur das jetzige Nachrichtenangebot und das vor 2004 (?) mit dem der Ära Kausch vergleichen.
Ich weiß nicht. Das jetzige Nachrichtenangebot: einverstanden. Aber vor Kausch moderierten erst Ulrich Meyer und dann Astrid Frohloff, und ich bezweifle, dass es da wirklich einen Qualitätssprung gab.
Es ist wirklich nicht zu fassen – hier stimmt ja wirklich nix: Form und Inhalt als unheilige schwachsinnige Allianz. „Brisant“ als Wissensmagazin im artifiziellen Digi-Studio der frühen 90er. Hätte man gedacht, dass „Galileo“ & Co. zu unterbieten sind? Fehlt eigentlich nur noch offensichtliches Product Placement, und schon hat man den „all in one“ Sündenfall der ARD zusammen.
Na, na, na. Zugegeben, die Inszenzierung von „druckfrisch“ ist manchmal etwas, hm, ausgefallen, dabei aber nie annähernd so dilettantisch wie bei „Geheimnis Geschichte“, und die Inhalte gehen darüber auch nicht flöten. Ganz im Gegenteil, von allen Literaturmagazinen im Fernsehen ist „druckfrisch“ m. E. noch das sehenswerteste.
Das schreib ich ja auch, dass das nie annähernd so dilettantisch ist. (Aber wenn ich „Druckfrisch“ sehenswert finde, dann trotz der Inszenierung und nicht wegen.)
@Stefan: Du findest immer mehr Gefallen an Schlussfragen wie unter diesem Artikel, nicht wahr?
Und wieder eine Sendung, zu der ich mir detailgenau ausmalen kann, was der gute Kalkofe draus gemacht hätte. Schade drum.
Jaja, der gute alte Kalkofe… Das würde sich aber wirklich anbieten.
Die sich häufenden dämlichen Inszenierungen in den Öffentlichen sind wirklich erwähnenswert, darum ein Lob für Stefans Aufmerksamkeit! Bei den Privaten ists zwar noch schlimmer, dafür schneidet es sich dort nicht mit dem Inhalt ;)
@Ommelbommel: Oh, mach ich das neuerdings häufiger?
Und warum der bedauernde Konjunktiv bei Kalkofe? Soweit ich weiß, hat der in den letzten Wochen neue Folgen seiner Mattscheibe gedreht.
Wer hätte das gedacht: Beim Anschauen dieses Schrotts sehnt man sich tatsächlich nach dem einfachen, menschelnden, komplexitätsarmen Knopp-Kino des ZDF.
—
Ja, „Druckfrisch“ ist auch ganz toll. Wenn sich Denis Scheck mitten auf einem rumänischen Dorfplatz setzt und dort einen Schriftsteller befragt. Das Interview ist Müll, aber die Blicke der Leute…
Oder sein Anbiedern an Martin Walser. Oder wenn er den Menschen in Buchhandlungen den Coelho aus der Hand nimmt und andere Erbauungsliteratur verkaufen möchte. Wer hat bitte in „Druckfrisch“ schon einmal eine einzige kritische Frage von Scheck an die jeweiligen Autor gehört? Da erinnert man sich gerne seiner guillotinierenden Bemerkungen, als er mal kurzfristig Juror beim „Bachmann-Preis“ war. Aber da gabs keine Walsers, Fischers oder Disches, denen er den Speichel lecken wollte/durfte/musste.
Der Artikel liest sich aber auch so, als würde die Sendung allein wegen der lächerlichen optischen Präsentation Kauschs durchfallen. Inhaltlich soll sie ja ganz solide gewesen sein (ich selbst hab sie nicht gesehen, nur eine Zeitungskritik gelesen).
Es gab doch dann auch noch eine zweite Ausgabe. War das dann immer noch so?
Das Ambiente dieser Geschichtsserie erinnert mich an die 60erJahre Science Fiction-Serie „Time Tunnel“. War wohl irgendwie auch beabsichtigt. Und die Nähe zu Guido Knopps „ZDF-History“ ist auch nicht von der Hand zu weisen.
Ich meine, dass die ARD doch so stark sein sollte, ein eigenes Format zu entwickeln, statt ein erfolgreiches schwach zu kopieren.
Der Moderator ist die Schaumgoldversion des Engels der Geschichte.
So ein bisschen kommt zum Schluss auch schon die Atemlosigkeit durch, ob das nun eine panische Reaktion durch das ständige laufen ohne sich wirklich fortzubewegen ist, oder ein Ergebnis der Erkenntnis hier eine Sendung zu fabrizieren die dem Rauswurf von Eva Herrmann nun Schlussendlich eine Legitimation zu verschaffen ist bleibt fraglich.
Das finde ich recht hart gesagt. Bei Sat.1 fand ich seine entspannte Art garnicht so verkehrt. Da fände ich den aalglatten ZDF Seibert ein viel besseres Target.
Als ich den Eintrag in meinem Feedreader anklickte und mir das Video ansah, war ich zunaechst schockiert! Sollte Herr Niggemeier dort etwa gegen die Inhalte wettern und die Nazipolitik gut heissen?
Zum Glueck nicht! Ihre Meinung bezueglich der Aufmachung der Sendung kann ich vollstens teilen. Hat was von Kanalratte…
PS: Seit wann gibt es jetzt schon bei Flashvideo-Hostern Werbeeinblendungen?
Schon länger.
@Stefan: Das freut mich zu hören :)
Diese Fragen am Schluss sind mir jetzt häufiger aufgefallen, vielleicht vertue ich mich da aber auch und verwechsle ein paar Texte bzw. ihre Autoren.
Mein Zwerchfell krampft. Muss der arme Herr Kausch jetzt schon im Windkanal umherirren? Weht der Wind der Geschichte dort besonders stark und -die eigentlich wichtige Frage- kann warme Luft in entgegengesetzter Richtung etwas dagegen tun? Die Quote wird’s schon mendeln.
Das ist ja nicht die einzige Sendung, die sowohl versucht Geschichte zu mystifizieren (Gehiemnis, dunkel, …), und zu entmystifizieren (Was war wirklich, Licht ins Dunkel bringen).
Der Form nach überwiegt das Dunkel, aber das inhaltliche Konzept könnte doch eigentlich nur sein, etwas zu erhellen.
In einer anderen Sendung (Name?) steht ein Märchenonkel (Name?) mit zugegeben sympathisch-sonorer Stimme hinter einem Pult in einer eiskalten Kathedrale – deshalb hat er einen dicken Mantel an, und vermittelt auf ähnliche Weise: Die Vergangenheit ist eine dunkle Sache, die für’s Fernsehen Storys bereithält.
Wenn der Eindruck stimmt, daß das inhaltliche Ziel der Sendung war, die Vergangenheit zu bewerten („Es war alles schlecht“) dann ist die Sendung wohl überflüssig, und ähnlich brisant wie die Frage, „Wieso explodierte die Hindenburg wirklich“ usw.
Eine interessante Frage wäre, welche Propaganda wurde damals gemacht – welche heute.
Für wen gab es Vergünstigungen damals – wie sieht es heute aus.
Welche öffentlichen Einrichtungen gab es damals, welche heute.
Oder statt eines Vergleiches damals/heute ein Vergleich damals:Deutschland/Frankreich/USA/Rußland.
Die Atmosphäre der Sendung dürfte dann nicht Geschichte als das Fremde, ganz Andere präsentieren, sondern müßte versuchen die Barrieren einzureißen, die die seltsamen Kostümierungen der Vergangenheit, die Schwarz-Weiß-Aufnahmen und die fremd anmutenden Ausdrucksformen bilden.
Die ganze Machart ist so tot, daß da nichts korrigiert werden kann. Es kann so wie es ist auf den Müll – möglichst schnell.
Jetzt kapier‘ ich auch endlich, wie der Kausch auf diese verwegene Autobahnmetapher (die Autobahn der Geschichte) kommt. Er hat einfach einen Fetzen aus Herrn Broders Kernerkritik genommen —
„So wie man sich an eine nächtliche Autobahnfahrt erinnert, bei der einem lauter Geisterfahrer mit aufgeblendeten Lichtern entgegengekommen sind.“ (http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,510511,00.html) — und in seine Metaphernmaschine gesteckt („Sie wollen eine Anmoderation schreiben? Klicken Sie bitte hier.“)
also, vor wenigen tagen habe ich auch so eine folge der neuen ard-geschichtsreihe gesehen. die reihe schafft es wider erwarten, das guido-knopp-niveau locker zu unterbieten. es ging um januar 33 – „machtergreifung“. es war doch alles super schlicht gehalten. alle tatsächlich interessanten fragen (so z.B.: wieso gelang die festigung der macht vom 30.01.33 an innerhalb der nächsten paar monate so schnell? wieso haben sich alle anderen parteien selbst entleibt? wieso hat der versuch der rechtskonservativen, hitler einzuklammern, nicht im ansatz geklappt? ist das überhaupt noch ernsthaft versucht worden?) alles fehlanzeige. statt dessen zum 8-millionsten mal SA durch brandenburger tor beim fackelzug und das fazit: ja bis zum 29.01.33 hätte man alles verhindern können. wieso nicht mehr später? war schon genau am tag der Kanzlerernennung der zug endgültig abgefahren? also, alles wirklich maximal sextaner-niveau. dazu kausch mit „wehret-jetzt-wieder-den-anfängen“-miene. muss man echt nicht gucken. der erkenntnisgewinn bei N24 einer hintergrundreportage über die herstellung von blutwurst in der zimbo-fabrik ist größer.