Unerträglich weniger unerträglich

Sprache ist verräterisch.

Die besorgniserregenden Konsequenzen des von SPD, CDU und CSU im Bundestag verabschiedeten Gesetzentwurfes zur Vorratsdatenspeicherung können andere besser beurteilen als ich. Ich kann es ertragen, dass Abgeordnete für dieses Gesetz stimmen, wenn sie ehrlich überzeugt sind, dass es einen Schutz gegen Terroristen darstellt; dass es die Freiheit, die es zu schützen vorgibt, nicht in einer Art Selbstmord aus Angst vor dem Tod zerstört; dass es mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung vereinbar ist. Wenn jemand das glaubt, soll er für dieses Gesetz stimmen.

Eine Gruppe von 26 SPD-Abgeordneten1 glaubt das nicht und hat trotzdem für das Gesetz gestimmt. Und die Erklärung, mit der sie sich dafür rechtfertigen, ist erschütternd und für mich im wahren Sinne des Wortes unerträglich. Und ihre politische und logische Bankrotterklärung ist auch eine sprachliche.

Die von dem Münsteraner SPD-Bundestagsabgeordneten Christoph Strässer verfasste und im Bundestag von ihm und den anderen abgegebene „persönliche Erklärung“ beginnt mit dem Satz:

Trotz schwerwiegender politischer und verfassungsrechtlicher Bedenken werden wir im Ergebnis dem Gesetzentwurf aus folgenden Erwägungen zustimmen.

Und schon mit dem scheinbar relativierenden Einschub der sinnlosen Worte „im Ergebnis“ beginnt der Versuch, die Tatsachen zu verschleiern. Aber das ist harmlos im Vergleich zu den mit Sprachmüll betriebenen Maschinen zur Nebelproduktion, die sie dann auffahren:

Grundsätzlich stimmen wir mit dem Ansatz der Bundesregierung und der Mehrheit unserer Fraktion dahingehend überein, dass die insbesondere durch den internationalen Terrorismus und dessen Folgeerscheinungen entstandene labile Sicherheitslage auch in Deutschland neue Antworten benötigt.

Was sind, bitteschön, die Folgeerscheinungen des internationalen Terrorismus und inwiefern machen sie unsere Welt unsicher?

Dabei sind wir uns auch bewusst, dass insbesondere durch die rasante Entwicklung der Telekommunikation auch in diesem Bereich Maßnahmen zur Verhinderung schwerster Straftaten notwendig sind.

Es ist die Telefon- und Computer-Technik, die uns gefährdet? Nicht die Radikalität der Menschen, die sie einsetzen? Welche „rasante Entwicklung der Telekommunikation“ meinen die Abgeordneten? Die Möglichkeit, E-Mails zu schreiben? Die Existenz von Handys? Oder was?

Auf der anderen Seite ist jedoch zu beachten, dass – nicht zuletzt befördert durch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – Freiheitsrechte wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung konstitutiven Charakter für die Existenz unseres Gemeinwesens haben und die Beachtung dieser Rechte immer wieder angemahnt wurde.

Wenn man das Wortgeklingel in der Mitte rausnimmt, steht da: „Es ist zu beachten, dass die Beachtung der Grundrechte immer wieder angemahnt wurde.“ Ja, in der Tat, das ist beachtlich: Dass es Menschen gibt, die finden, dass das, was „konstitutiven Charakter für die Existenz unseres Gemeinwesens“ hat, irgendwie konstitutiven Charakter für die Existenz unseres Gemeinwesens hat. Da kann man als Volksvertreter natürlich nicht einfach drüber hinweggehen, wenn man darüber hinweggeht. Da muss man schon eine „persönliche Erklärung“ abgeben!

In diesem Abwägungsprozess gilt für uns, dass Sicherheit keinen Vorrang vor Freiheit genießen darf, will man beides gewährleisten.

Das wäre ein eindrucksvollerer Satz, wenn er nicht in einem Text stünde, der erklärt, warum die Abgeordneten dafür stimmten, dass Sicherheit Vorrang vor Freiheit genießen müsse.

In den letzten Jahren hat es eine zunehmende Tendenz gegeben, ohne die Effektivität bestehender Gesetze zu überprüfen, mit neuen Gesetzen vermeintlich Sicherheit zu erhöhen und Freiheitsrechte einzuschränken. Der vorliegende Gesetzentwurf befördert diesen Paradigmenwechsel und ist deshalb bedenklich.

„Bedenklich“ also im Sinne von: „wir werden ihm zustimmen, aber nicht ohne öffentlich zu bedenken zu geben, dass es bedenklich wäre, ihm zuzustimmen“.

[Diverse angebliche „hohe Hürden“ bei der Umsetzung der problematischen Einschränkungen] machen den dargestellten Paradigmenwechsel weniger unerträglich.

Das sind doch Volksvertreter aus dem Bilderbuch: „Warum haben Sie für dieses Gesetz gestimmt?“ – „Ich fand es weniger unerträglich als das, was die anderen wollten. Also, auf einer Skala von 0 (schönes Glas Rotwein, Kaminfeuer, nette Musik) bis 10 (Hitler, Brustkrebs, Johannes B. Kerner), stimme ich für alles unter 9 Komma 5.“

Der Gesetzentwurf trägt (…) nach unserer Auffassung nicht den Makel der offensichtlichen Verfassungswidrigkeit auf der Stirn (…)

Entschuldigung, nennen Sie mich Klugscheißer, Wortklauber oder Schlimmeres, aber ich kann nicht ernsthaft mit Menschen diskutieren, die glauben, dass Gesetzentwürfe Stirne haben. Und die, anstatt das eigene Gewissen zu prüfen oder sich schlau zu machen, nur eine oberflächliche Gesichtskontrolle auf offensichtliche Kainsmale durchführen, bevor sie für Gesetze stimmen, die ihrer Meinung nach gut und gerne verfassungswidrig sein könnten, denn:

Eine Zustimmung ist auch deshalb vertretbar, weil davon auszugehen ist, dass in absehbarer Zeit eine Entscheidung
des Bundesverfassungsgerichts möglicherweise verfassungswidrige Bestandteile für unwirksam erklären wird.

Mit solchen Leuten will man schon nicht zusammenarbeiten („Och, ich dachte, Du schaust eh nochmal drüber, dann muss ich ja nicht so genau…“), geschweige denn, dass man sich von ihnen die Gesetze machen und die konstitutiven Freiheitsrechte nehmen lassen möchte.

[via lawblog und überall]

1) Christoph Strässer, Niels Annen, Axel Berg, Lothar Binding, Marco Bülow, Siegmund Ehrmann, Gabriele Frechen, Martin Gerster, Renate Gradistanac, Angelika Graf, Gabriele Groneberg, Gabriele Hiller-Ohm, Christel Humme, Josip Juratovic, Anette Kramme, Ernst Kranz, Jürgen Kucharczyk, Katja Mast, Matthias Miersch, Rolf Mützenich, Andrea Nahles, Ernst Dieter Rossmann, Bernd Scheelen, Ewald Schurer, Wolfgang Spanier und Ditmar Staffelt.

127 Replies to “Unerträglich weniger unerträglich”

  1. Oh Mann.
    Das ist wirklich unterste Schiene. und schön von dir auseinandergepflückt.

    Was mich wundert ist, dass die Beteiligten anscheinend kalkulieren, dass ihnen so eine Mitteilung mehr Vorteile bringt, als einfach zuzustimmen und dazu zu schweigen.

    Aber um Gewissenserleichterung wirds doch wohl nicht gegangen sein. Aus all den Formulierungen scheint doch hervor, dass sie es schlicht falsch finden.

  2. 1. Ab ins Bett, Herr Niggemeier.
    2. Ich schließ mich an und entrüste mich zusätzlich zu allen Anderen über Andrea Nahles, die ich bisher irgendwie gut fand mit ihrer linken, „das versteh ich unter sozialdemokratisch“-en Art…mwah!

  3. Mh… Das ist eben die SPD heute (ich kenne sie ja nicht anders).
    Unverständlich das Leute wie Ottmar Schreiner und Albrecht Müller sich auch gerne den Mund fuslig reden wie schlecht die doch sind (ich nehme an das die Info hier von den nachdenkseiten kam ?) und trotzdem der SPD nicht vollends den Rücken kehren.

  4. Ich hab darüber in diversen blogs gelesen, plus der unsäglichen Aussagen Wiefelspütz auf Abgeordnetenwatch. Was ich absolut nicht verstehe, ist dass weder im TV noch im Print groß darüber berichtet wird. Dabei leben doch Journalisten davon, dass ihnen Informationen zugespielt werden und Informanten vertraulich bleiben. Wie soll das denn gehen, wenn die Ermittlungsbehörden sofort nachträglich auf 6-monatige Verbindungsdaten zurückgreifen können? Heimlich treffen? Aber dann müssen beide ihre Handys zuhause lassen, denn die Standortdaten werden auch protokolliert. Und wie verabredet man sich? Es ist halt schlicht nicht mehr möglich. Die freie Berichterstattung wird damit hintenrum schlicht ausgehebelt. Von Seiten der Politik her vielleicht nachvollziehbar, aber warum gibt es keinen großen Aufschrei der Journalisten? Das Thema ist doch auch nicht gerade neu. Ich begreifs nicht.

    Übrigens bei der Verfassungsbeschwerde kann man bloß noch bis zum 19.11.2007 (Poststempel) mitmachen. Also Beeilung.
    http://www.vorratsdatenspeicherung.de/component/option,com_frontpage/Itemid,1/lang,de/

    Pax

  5. Der Ausdruck „den Makel der
    Rechtswidrigkeit auf der Stirn tragen“ stammt jedenfalls nicht von den SPD-Abgeordneten sondern scheint mir eher eine plakative Wortschöpfung des Bundesverfassungsgerichts zu sein (hab jedoch gerade keine Fundstelle), ist jedenfalls nicht unüblich (-> google) um einen besonders schweren und offenkundigen Fehler zu beschreiben, an dem ein Verwaltungsakt, eine Rechtsverordnung, ein Gesetz.. leidet (Evidenztheorie). Nach unterschiedlichen Auslegungen soll so z.B ein Durchschnittsbürger die Rechtswidrigkeit erkennen können. Dass die Abgeordneten sich hier nicht viel mehr Mühe geben wollen spricht für sich.
    Der Hohn liegt hier jedoch zusätzlich darin, dass sich die Unterzeichner auf diese Wortschöpfung berufen, was eher an Sprachklauberei und Strohhalmgreifen erinnert um die eigene Rückgratlosigkeit zu verschleiern. Vielleicht hofft man auch, das BVerfG vorab mit seiner eigenen Sprachschöpfung zu beschwören, damit es hinterher nicht so laut knallt wenn sie einen auf den Deckel kriegen und das BVerfG dem Parlament (mal wieder) Nachhilfe in Sachen Rechtsstaat erteilt.

  6. der herr annnen und die frau nahles auf dem langen marsch zu den fleischtöpfen. links reden und am rechten fleck leben wollen … da hat wohl einer mit einem listenplatz gewunken oder vielleicht ist das schon nicht mehr nötig.

  7. Es ist so eine Sache mit dem Daran-Glauben. Ist doch merkwürdig, dass bei einem so kontroversen Thema ausgerechnet die Vertreter der Regierungsparteien fast geschlossen daran glauben und die Oppositionsvertreter nicht.

    Was für Konformitätszwänge da auch immer am Werk sind, die sind ein echtes Problem. Würde jemand dafür bürgen, dass FDP, Linke oder Grüne dagegen gestimmt hätten, wenn sie Juniorpartner in einer Regierung wären? Ich nicht.

  8. Da haben sie feine Arbeit geleistet, Herr Stefan Niggemeier:

    sie haben eindrucksvoll kommentiert, wie Demokratie funktioniert.
    Besonders eindrucksvoll fand ich ihren sprachlichen Spagat zwischen ‚gespielter Empörung‘ und ‚gleichgültiger Demontage‘.

    Bei so viel Eindrücken fällt es nicht schwer zu glauben, daß es offensichtlich immer noch genügend Menschen gibt die glauben, Demokratie sei ein Diskutierklub.

  9. „Dieser Verfassungsbruch ist so subtil, daß ich dafür stimme.“ Eigentlich bin ich gegen den Tornadoeinsatz, aber ich stehe auf PS… Hat eigentlich Smudo mal wieder ein Interview auf SpOn gegeben, wie gerne er Sprit verbaucht? Diese Woche noch nicht.

    Sich nach dieser Meldung auch das Recht auf unzusammenhängenden Unfug herausnehmende Grüße!

  10. „Entschuldigung, nennen Sie mich Klugscheißer, Wortklauber oder Schlimmeres, aber ich kann nicht ernsthaft mit Menschen diskutieren, die glauben, dass Gesetzentwürfe Stirne haben“

    Wære der Text halb so lang und wuerde auf all die konstruierten Einsprueche wie den obrigen verzichten, kønnte man vielleicht sogar Leute ueberzeugen, die glauben, solch ein Gesetz sei nøtig.
    So sieht es aber nach einer der internetbekannten „schwarz-weiss-alles falsch“- Beschwerden aus, die wohl ohnehin nur die Gegner des Gesetzes erreicht.

    Schade, denn die Erklærung ist eine Frechheit.

  11. Das ist wohl mehr die Schiene Karriereplanung sowie Parteitaktik: ich geh mal nicht gegen meine Fraktion vor und stimme zu, wohlwissend, dass das Verfassungsgericht höchstwahrscheinlich das Gesetz zumindest beschneiden wird. Damit ich dann groß rauskommen kann, veröffentliche ich schon einmal frühzeitig eine Erklärung, in der ich meine großen Bedenken äußere. Sobald das Urteil des BVerG raus ist, kann ich dann auf jene verweisen und den Besserwisser spielen, der es schon immer gewusst hat und das Gesetz immer für falsch hielt.

  12. @10
    Schöner Punkt. Hab ich auch schon öfter dran gedacht. Man kann den 26 SPDlern ja nun Rückratlosigkeit und alles weitere mögliche Schlechte unterstellen. Man kann das aber auch als Begründung für eine Entscheidung lesen, die so ausgefallen ist, wie sie ist. Man kann ob des Gesetzes in Hysterie verfallen, muß man aber nicht.

  13. Das ausgerechnet Annen und Nahles dem Gesetzentwurf nicht nur zustimmen, sondern auch noch die Chuzpe besitzen, zu sagen, „war ja nicht so gemeint, wird eh‘ wieder kassiert“ finde ich zum Kotzen. Bei der CDU/CSU-Fraktion gab es wenigstens ein paar „Abweichler“.

    Wie heißt es so schön „Sie waren jung und brauchten das Geld“. Also, das Geld aus ihren Diäten natürlich – nicht das noch einer glaubt, ich würde schreiben, dass die sich bestechen ließen. Die sind ja beide nahezu unbekannt und bangen um ihre Wiederwahl. Bestimmt.

  14. @18 (Stefan):
    … no problem, Herr Niggemeier, war von mir auch nicht kritisierend gemeint (fand Ihre argumentative Stellungnahme wirklich sehr dezidiert und ueberzeugend)

  15. Das gefällt mir mind. genauso gut:

    http://blog.crash-override.net/index.php/270

    „Sehr geehrter Herr Borkert,

    Sie werden hinnehmen müssen, daß der Gesetzgeber in Sachen Vorratsdatenspeicherung anderer Meinung ist als Sie. Vorratsdatenspeicherung hat mit Terrorismusbekämpfung relativ wenig zu tun. Ich wäre für die Vorratsdatenspeicherung auch dann, wenn es überhaupt keinen Terrorismus gäbe.

    Mit freundlichen Grüßen

    Dr. Dieter Wiefelspütz“

    Ich schätze mal das ist in Kommentar #4 gemeint.

  16. Na ja, das eigentlich Klägliche ist das Abstimmungsverhalten, nicht irgendwelche Erklärungen, die Abgeordnete danach zu Protokoll geben. Es macht zwar Spaß, die auseinanderzunehmen, aber letztlich sind solche Erklärungen egal. Wer außer Bloggern liest schon in Bundestagsprotokollen nach? ;)

  17. „Entschuldigung, nennen Sie mich Klugscheißer, Wortklauber oder Schlimmeres…“

    „word nazi“ sagt man dazu in Amerika. dieses etikett trage ich mit gewissem stolz.

  18. Das entscheidende Problem ist für mich, dass diese „Erklärung“ nicht einen einzigen Grund dafür aufführt, dass diese Abgeordneten dem Gesetz zugestimmt haben. Es gibt also Gründe, die man nicht öffentlich nennen möchte, die man sogar mit vielen Worten zu verdecken sucht. Da fällt mir dann nur Feigheit und Unterwürfigkeit und Angst um Kariere ein.

  19. @31: Stimmt: Wenn Du das Auftreten des Wortes „weil“ schon als sicheres Zeichen dafür nimmst, dass ein Grund angegeben wurde, dann hat der Trick ja wenigstens bei Dir funktioniert.

    Stefan hat die Unsinnigkeit dieses „weil“ sehr gut charakteresiert mit dem Beispiel: „Also, auf einer Skala von 0 (schönes Glas Rotwein, Kaminfeuer, nette Musik) bis 10 (Hitler, Brustkrebs, Johannes B. Kerner), stimme ich für alles unter 9 Komma 5“.

  20. 4 Juristen, 5 Politologen, 6 Pädagogen.. (immerhin: ein KFZ-Mechaniker und eine Sekretärin ..)
    Sprache ist sooo entlarvend … dieses Gewulle dieser unserer Abgeordneter sollte jetzt was? Eine Entschuldigung sein? Eine Erklärung? Eine Beschreibung des persönlichen Standortes? Ein brutalstmögliches Jain?
    .. und da wundern sich diese Fachleute, dass das gemeine Volk ihr Apparatschikisch nicht versteht und sich gelangweilt wegdreht …

  21. Herr Niggemeier, ich bin doch etwas erstaunt. Hm, lets see.

    „Was sind, bitteschön, die Folgeerscheinungen des internationalen Terrorismus und inwiefern machen sie unsere Welt unsicher?“
    Nationaler Terrorismus? Gesteigerte Xenophobie? Aussenpolitische Verwerfungen? Mangelndes Vertrauen in staatliche Stellen, die Terroranschlaege nicht verhindern koennen?

    „Es ist die Telefon- und Computer-Technik, die uns gefährdet? Nicht die Radikalität der Menschen, die sie einsetzen? Welche „rasante Entwicklung der Telekommunikation” meinen die Abgeordneten? Die Möglichkeit, E-Mails zu schreiben? Die Existenz von Handys? Oder was?“
    Das staht da nicht. Da steht, dass die Entwicklung der Kommunikation den potentiellen Straftaetern neue Wege eroeffnet. Ja, zum Beispiel emails oder prepaid Mobiltelefone. Das ist keinesfalls absurd. Bliebe die Kriminaltechnik auf dem Standpunkt, Verbrecher koennten lediglich Festnetztelefone und Briefe benutzen waere das wohl ein schlechter Witz. Natuerlich muss Strafverfolgung angepasst werden, mich wundert etwas, dass Sie die Idee laecherlich finden.
    Wohlgemerkt heisst dass nicht, dass die VDS dies auch leistet. Man kann durchaus meinen, dass sie das ueberkompensiert. Aber total verneinen, dass Verbrecher Comuter oder Handys nutzen?

  22. @ theo
    Entführer nutzen auch Zeitungen, Schere und Klebstoff. Sollte nun der Erwerb und Gebrauch all dieser Dinge überwacht werden? Wie sieht es mit Papier und Bleistift aus?

    Trotzdem muss ich hier zustimmen: im Prozess des erschüttertem Auseinandernehmen ist Herr Niggemeier doch ein wenig über das Ziel hinaus geschossen. Sowohl Folgeerscheinungen des Terrorismus als auch die Gefahren durch neue Medien sind durchaus nicht lächerlich.

  23. Naja, die Erklärung zeigt wenigstens, dass ein paar Abgeordneten zumindest ansatzweise etwas haben, was andere als Gewissen bezeichnen könnten. Was bei der Erklärung fehlt ist eigentlich der einleitende Satz „Zwar können wir das Gesetz nicht mit unserem Gewissen vereinbaren, jedoch haben wir – gerade in Hinblick auf die gespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung unserer sonstigen Qualifikationen – keine andere Wahl als diesem zuzustimmen.“

  24. @snafu
    Wie gesagt, man durchaus der Meinung sein, die VDS sei so durchaus nicht richtig. Man kann auch der Meinung sein, der „grosse Lauschangriff“ sei eine zu starke Verletztung der Persoenlichkeitsrechte.

    Ich behaupte nicht, dass diese Gesetzte gut seinen, aber ich sehe durchaus ein, dass mit neuen Kommunikationsmethoden auch neue Strafverfolgungsmethoden einhergehen muessen, welche natuerlich auch gesetzlich geregelt sein wollen. Herr Niggemeier findet diese Idee an sich schon laecherlich.

  25. Die Vorratsdatenspeicherung – oder was habe ich heute eigentlich gemacht?…

    Jawoll, ein anständiger deutscher Bürger bin ich. Habe in meiner kleinen Welt mein Glück gefunden, dessen Wurzeln in Freiheit, Unabhängigkeit und Liebe zu finden sind. Der Wecker klingelt, Nachrichten: “12 km Stau auf der A81, 20 km Stau wege…

  26. Hallo Stefan,

    fänd es super, wenn Du Corax Link (4. Kommentar) noch etwas offensichtlicher machen könntest. Ich denke, ist eine gute Möglichkeit, als kleines Rädchen an der Entscheidung zu drehen. Ist es naiv zu sagen, je mehr Leute an der Beschwerde teilnehmen, desto größer wird der Druck auf die Politik?

  27. In der Wirtschaft liest man eine derartige Erklärung, als klare Aussage des Bankrotts. Banken als Gläubiger dieser Firmen entziehen, frieren als Gläubiger sofort alle Kreditlinien ein.
    Gewissen, diese Frage stellt sich angesicht dieser Erklärung ja wohl überhaupt nicht. Hier hat allein, egoistiches persönliches Kalkül gezählt.

  28. (Die letzte Frage ziehe ich zurück, hab Ihre Kommentare leider in umgekehrter Reihenfolge gelesen.)

    Aber verstehe ich Sie richtig? Durch das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung soll auch die „gesteigerte Xenophobie“ bekämpft werden? Hilft das auch gegen „aussenpolitische Verwerfungen“?

    Mein Verdacht ist (wieder einmal) vor allem sprachlich begründet: Es reichte den Abgeordneten nicht, auf die Gefährdung durch internationalen Terrorismus hinzuweisen. Sie mussten noch was draufpacken, als sei der internationale Terrorismus nicht bedrohlich genug, und nahmen dafür die vagen „Folgeerscheinungen“, die alles und nichts sein können. Ich halte das, wie gesagt, für Nebelmaschinen.

  29. Oh Scheisse…einen von denen habe ich direkt gewählt. Naja, Jeder macht mal Fehler.
    Frau Nahles meint auf Abgeordnetenwatch übrigens folgendes:

    ich frage mal zurück, was haben sie sich denn gedacht wie die Mehrheitsfindung, die nunmal unerläßlich ist in einer stabilen!!!!! Demokratie ist, funktioniert? Es ist nie einfach so eine Abwägung zu treffen, dass dürfen sie mir glauben. Aber ich stehe dazu, dass ich nicht nur Einzelfragen, mich selbst mit meiner Meinung in die Waagschale einer solchen Frage werfe, sondern das sog. „Große und Ganze“.

    Andrea Nahles“

    Find ich spannend.

  30. Mitmachbefehl (bis 19.11.2007)…

    Neben vielen Lappalien gibt es im Leben manchmal wirklich wichtige Dinge, bei denen es lohnt, sich aufzuregen und zu beschweren.
    Linktipp zur Einführung ins Thema (auch hier zu finden).
    ……

  31. […] Natürlich wurde so schon Ärger aufgewirbelt: Bei heise.de findet man einen ausführlichen Bericht zu der ganzen Geschichte, Udo Vetter und Don Dahlmann kommentieren, während Stefan Niggemeier die “Erklärung”, die vielleicht eher eine “Selbstv-erklärung” ist, sprachlich zerpflückt. […]

  32. @Stefan (45)

    „Aber verstehe ich Sie richtig? Durch das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung soll auch die „gesteigerte Xenophobie” bekämpft werden? Hilft das auch gegen „aussenpolitische Verwerfungen”?“
    Noe. Ich denke weder noch. Ich bezweifle ueberhaupt, dass das ganze auf den Terrorismus abziehlt, wie man im Uebrigen sehr schoen an einer Antwort von Herrn Wiffelspuetz im Abgeordnetenwatch erkennen kann.
    Aber die Frage war ja auch nicht „Inwiefern reduziert VDS die Folgeerscheinungen des Internationalen Terrorismus?“ Sondern was denn bitte diese eben seien.

    „Mein Verdacht ist (wieder einmal) vor allem sprachlich begründet: Es reichte den Abgeordneten nicht, auf die Gefährdung durch internationalen Terrorismus hinzuweisen. Sie mussten noch was draufpacken, als sei der internationale Terrorismus nicht bedrohlich genug, und nahmen dafür die vagen „Folgeerscheinungen”, die alles und nichts sein können. Ich halte das, wie gesagt, für Nebelmaschinen.“
    Da moegen Sie durchaus Recht haben.

  33. Ums mal ein wenig zu relativieren:

    Durch Terrorakte getötete Bundesbürger in den vergangenen 40 Jahren: ca. 300. Getötete Bundesbürger durch falsche oder unhygienische Behandlung in Krankenhäusern JÄHRLICH: ca. 1.000.

    Aber hey, die Gefahr ist überall und der blinde Aktionismus hier schier grenzenlos….

  34. @ 51

    Und noch mal ein wenig relativiert: Wir sind Stolz auf ca. 6000 Verkehrstote im Jahr 2003 in der Bundesrepublik Deutschland, weil es in den 70ern angeblich noch über 20.000 „Verkehrsopfer“ waren…

  35. Eines vorweg: Die allgemeine Hysterie um das beschlossene Gesetz kann ich nicht in diesem Masse nachvollziehen. Ob die Daten nun ein paar Monate länger gespeichert werden oder nicht (im Zweifel würden sie es sowieso), ist weder der Untergang des Rechtsstaats noch eine tolle kriminalistische, terrorbekämpfende Massnahme. Deutschland setzt damit eine – wie ich finde – sinnlose EU-Richtlinie um. Sei’s drum.

    (Die Panik erinnert ein bisschen an die Volkszählung von 1987, die, so die Proteste damals, auch schon das Ende des Rechtsstaats bedeutet haben.)

    Ich beschäftige mich mit der Erklärungder Abgeordneten: Und die ist in der Tat an Erbärmlichkeit kaum zu überbieten. Einem Gesetzentwurf zuzustimmen, in der stillen Hoffnung, Teile davon würden durch das Bundesverfassungsgericht wieder „kassiert“, ist eine Unverschämtheit. Solche Leute gehören m. E. nicht in den Bundestag. Sie stimmen für etwas, was sie eigentlich ablehnen, damit sie ungehindert in der Partei Karriere machen können.

    Sie dokumentieren damit öffentlich, dass sie ihrem grundgesetzlichen Auftrag, nach dem Gewissen zu urteilen, nicht Folge geleistet haben.

    Man betrachte sich die Liste dieser Rückgratlosen: Viele haben Ambitionen; Frau Nahles ist schon stellvertretende Vorsitzende. Wie hätte das ausgesehen, wenn sie als hohe SPD-Funktionärin die „Parteilinie“ verlassen hätte? Um kein Risiko einzugehen, stimmt sie dafür (die Möglichkeit der Enthaltung kam ihr wohl nicht in den Sinn). Okay. Schlimm genug.

    Dann aber – zusammen mit anderen Weicheiern – eine solche Erklärung zu formulieren und zu veröffentlichen, ist eine Verhöhnung des Parlaments und letztlich des Rechtsstaats. Solange nur einer dieser Menschen bei Wahlen als SPD-Kandidat irgendwo aufgestellt ist, werde ich diese Partei nicht mehr wählen.

  36. Manche Menschen können nichts dafür. Schreinemakers zum Beispiel mit ihrer lakrimatösen Verbalinsuffizienz. Die Kids vielleicht auch nicht, die den erstbesten Dreck von der Straße aufklauben und sich von Bushido weismachen lassen, sie hätten da eine ganz geile Markensprache erwischt.

    Politiker jedoch geben sich die größte Mühe, die Tatsache zu verbergen, daß sie letztlich doch allesamt nur von der Stange kommen. Sie lassen sich teure Socken kaufen und bewußt und freiwillig von einer Ersatzsprache infizieren, die sie für elitär halten. Es ist ihnen anscheinend nicht beizubringen, daß sie nach außen wirkt als das, was sie ist: Verbalakne. Leider bereiten die platzenden Wortpickel nur demjenigen Schmerzen, der von ihrem Inhalt getroffen wird, und es ist durchaus legitim, den Sprachsiechen gelegentlich mitzuteilen, wie gottserbärmlich das Zeug stinkt.

    Sagt der Richtige, ich weiß.

  37. Die SPD-Abeordneten Christoph Strässer, Niels Annen, Axel Berg, Lothar Binding, Marco Bülow, Siegmund Ehrmann, Gabriele Frechen, Martin Gerster, Renate Gradistanac, Angelika Graf, Gabriele Groneberg, Gabriele Hiller-Ohm, Christel Humme, Josip Juratovic, Anette Kramme, Ernst Kranz, Jürgen Kucharczyk, Katja Mast, Matthias Miersch, Rolf Mützenich, Andrea Nahles, Ernst Dieter Rossmann, Bernd Scheelen, Ewald Schurer, Wolfgang Spanier und Ditmar Staffelt haben im Bundestag für die Vorratsdatenspeicherung gestimmt. Das unterscheidet sie nicht von den anderen Abgeordneten, die sich als Totengräber der freiheitlichen Gesellschaft zu erkennen gegeben haben.

    Was diese Abgeordneten allerdings heraushebt, ist eine Erklärung, die sie zur Abstimmung abgegeben haben. Liest man diese Erklärung, so kann man über die abenteuerliche Argumentation nur noch den Kopf schütteln.

    mehr bei fehler im system…

  38. Es ist in der SPD-Fraktion allerdings durchaus üblich, dass man für Gesetze abstimmt, die man selbst ablehnt.

    Schließlich schafft man es nur mit einem opportunistischen Abstimmungsverhalten auf die Liste der Partei – die der Bürger dann in freier und geheimer Wahl bestätigen darf.

    Es ist vor diesem Hintergrund geradezu ein Ausdruck demokratischer Emanzipation, dass sich einige der parlamentarischen Regierungsvollstrecker der SPD-Fraktion trauen, sich öffentlich von ihrem eigenen Abstimmungsverhalten zu distanzieren.

  39. @ 55 Mathis

    …noch kann ich sie nicht direkt mit meinem Hirn verlinken, aber Wiki und metager,de reagieren auf „verkehrstote statistik“ entsprechend…

    Grüße

  40. @58/Rudi
    Ich halte es nicht für einen Ausdruck demokratischer Emanzipation, sondern eher für einen Akt von Verkommenheit.

    Wenn man für Gesetze stimmt, die man selbst innerlich ablehnt, ist man ein Opportunist. Wenn man für Gesetze stimmt, die man ablehnt und noch sagt, dass man dafür gestimmt hat, obwohl man sie ablehnt, dann ist das ein Dokument der Verachtung von Demokratie und deren Institutionen.

  41. Hitler, Brustkrebs und Johannes B. Kerner auf eine Stufe zu stellen ist keine gelungene Zuspitzung. Sondern schlicht daneben. Wirklich.

    Zudem sind die Anmerkungen zum zweiten und dritten kommentierten Abschnitt unzutreffend bzw. basieren auf Unverständnis.

    Wenn es dir darum geht, dass die Erwähnung von „Folgeerscheinungen“ lediglich ein Versuch ist, den Regler an der Nebelmaschine weiter aufzudrehen, wird dies durch deine Frage, worum es sich dabei denn bitteschön handle, nicht deutlich. Die lässt sich nämlich beantworten.

    Den nächsten Punkt hat ja auch Theo in #35 bereits ausgeführt. Diese Passage der Erklärung hast du, bewusst oder unbewusst, nicht verstanden. Und eins noch: Wenn du die Entwicklung der Kommunikationstechnik über die letzten 10 Jahre vergleichst mit der über die letzten 100, 1000 Jahre, findest du ein Adjektiv wie „rasant“ immer noch so abwegig?

    Zu guter Letzt: Die Kritik an diesen Details soll auch zeigen, dass ich dir im unwidersprochenen Rest ausdrücklich beipflichte.

  42. @60
    nein, es wirkt nur aus der Perspektive des Bürgers verkommen, wenn man als Volksvertreter entgegen der eigenen Überzeugungen abstimmt.

    In Wirklichkeit ist das notwendig, damit unsere „Demokratie“ funktioniert.

    Michael Hartmann (MdB, SPD): »Ich bin aber auch Demokrat genug, um mich in elementaren Sachthemen (…) fern ab von Gewissensentscheidungen der Fraktionslinie unterzuordnen.«

    Christoph Strässer (MdB, SPD): »Zum Thema Fraktionszwang möchte ich anmerken, dass nur durch eine gewisse Disziplin in den Fraktionen Politik planbar bleibt. (…) Da das geplante Gesetzesvorhaben (Anm.: Rente mit 67) trotz weiter bestehender Bedenken für mich nicht den Rang einer »Gewissensentscheidung« hat, habe ich als Mitglied der Fraktion zugestimmt.«

    Stephanie Jung (MdB, SPD): »Man kann politisch dafür oder dagegen sein und sich bis zur letzten Gelegenheit entsprechend dafür oder dagegen intern einsetzen. Aber am Tag der Abstimmung gilt der Fraktionszwang – sonst ist parlamentarische Arbeit nicht möglich.«

    Angelika Graf (MdB, SPD): »ein Verzicht auf jede Fraktionsdisziplin (würde) unweigerlich zum Chaos führen und die Regierungsarbeit praktisch unmöglich machen. (…) Wenn eine Änderung nicht durchsetzbar ist, dann muss man sich meiner Meinung dem Mehrheitswillen der Fraktion beugen.«

  43. an #35 und #63

    Wie wäre es, wenn Sie das, was Stefan Niggemeier geschrieben hat, so lesen, wie er es geschrieben hat, und nicht so, wie es Ihnen in den Kram paßt? Und wenn Sie zitieren, die Zitate sauberst von dem trennen, was Sie ihnen unterschieben wollen?

    Was Sie an seinem Artikel kritisieren, unterstellen Sie ihm schlicht und ist auf Ihrem eigenen Mist gewachsen. Ihre Kommentare klingen für mich, mit herzlichem Verlaub, wie staatsanwaltliche Plädoyers aus RTL-Billigproduktionen.

    Und, #63, es ist das Wesen einer Frage, etwas nicht zu verdeutlichen. Darum ist es ja eine Frage.

  44. @64/Rudi
    Bei Themen, in denen sich der Abgeordnete weniger auskennt, mag dieser „Fraktionszwang“ ja ganz nützlich sein. Man hat ja auch nicht bei allem eine Meinung. Aber grundsätzlich gibt es keinen Fraktionszwang. Er ist nicht nur im GG nicht vorgesehen, sondern durch die Gewissensformulierung ausdrücklich ausgeschlossen.

    Dass sich ein Abgeordneter einer irgendwie gearteten Disziplin „zu unterwerfen“ habe, ist schlichtweg Unsinn. Es vermag zwar das „politische Alltagsgeschäft“ zu vereinfachen, aber hierauf kommt es ja nicht an. Wenn dem so wäre, bräuchte man nicht 600 Abgeordnete, sondern käme auch mit einem Dutzend hin.

    Fraktionszwang als Funktionsträger für die Demokratie zu werten ist entweder zynisch oder – mit Verlaub – ignorant.

  45. Der Fraktionszwang mag für Gesetze gelten die einem selbst nicht passen, (die man aber für rechtsstaatlich in Ordnung hält) man aber seine Meinung der Mehrheit unterordnet.
    Aber darunter fallen bestimmt nicht Gesetze die man selbst für verfassungswidrig hält und die man mit der Begründung: „Das BverfG wird sie schon korrigieren“
    trotzdem mit beschliesst.
    Entweder man hält ein Gesetz zumindes für rechtens dann kann man mit dafür stimmen, oder man hält es für nicht rechtens, dann darf man nicht dafür stimmen.
    Was die 26 da abliefern ist eine billige Entschuldigung für offensichtlich rechtswidriges Verhalten. Art 1 (3)GG

    Pax

  46. @66, 67
    ihr habt ja Recht. Eigentlich gibt es keinen Fraktionszwang und eigentlich wünschen wir uns Volksvertreter, die in Abstimmungen ihren eigenen Überzeugungen folgen (könnten).

    Praktisch ist es allerdings anders.

    Lediglich in Gewissensfragen – Gesetze die unmittelbar den Anfang oder das Ende des Lebens betreffen – gibt Peter Struck die Abstimmungen frei. Bei allen anderen Gesetzesvorlagen wird erwartet, dass man sich der Regierungslinie unterordnet. Tut man das nicht, fliegt man bei nächster Gelegenheit aus dem Parlament.

    Aber eigentlich glauben wir ja, dass wir in einer Demokratie selbst über die Zusammensetzung des Parlaments entscheiden würden und nicht lediglich dazu da wären Parteilisten abzunicken.

    Eigentlich glauben wir auch, dass die Legislative die Gesetze macht und nicht die Exekutive.

    Und eigentlich glauben wir, dass von der Industrie bezahlte Vertreter nicht in Ministerien sitzen sollten, um dort an Gesetzentwürfen mitzuschreiben.

    Eigentlich glauben wir, dass wir eine Parlamentsarmee haben, und unsere Volksvertreter wissen müssten, wo die Elitetruppe KSK eingesetzt wird.

    Und eigentlich glauben wir, dass unsere Volksvertreter umfassende Befugnisse haben müssten, die sie zur Kontrolle der Geheimdienste befähigen würden.

    Praktisch ist das allerdings alles etwas anders als es eigentlich sein müsste.

    Aber ich habe großes Verständnis dafür, wenn ihr euch lieber an eure Eigentlich-Vorstellung klammert.

    Könnte mittelfristiger auch sicherer sein, wenn das eigene Informationsbedürfnis nicht ausartet.

  47. die spd stimmt nicht nur gesetzen zu die sie eigentlich ablehnt, sie stimmt auch geschlossen gegen gesetzesinitiativen die aus ihrer feder stammen. so war das, ich erinnere mich dunkel, bei einer gesetzesvorlage für den mindestlohn, den die linke wortgleich von der SPD übernahm. als die dafür war stimmte die SPD-fraktion einfach dagegen. und das tut sie alles für eine stabile demokratie.

  48. „Folgeerscheinungen des internationalen Terrorismus“?
    Die Rollstuhlmielkes. Einfache Antwort.

    Ich habe deswegen auch vor den ‚Folgeerscheinungen‘ eines Anschlages mehr Angst, als vor dem Anschlag selber.

  49. […] Unerträglich weniger unerträglich « Stefan Niggemeier Eine Gruppe von 26 SPD-Abgeordneten glaubt das nicht und hat trotzdem für das Gesetz gestimmt. Und die Erklärung, mit der sie sich dafür rechtfertigen, ist erschütternd und für mich im wahren Sinne des Wortes unerträglich. Und ihre politische und lo (tags: bundestag vorratsdatenspeicherung) […]

  50. Warum sollte ich zwischen Pharisäern, die dafür stimmen und Überzeugten, die dafür stimmen, unterscheiden, wenn ich DAGEGEN bin.
    Für mich sind es alles Verfassungsfeinde!

  51. @ PS

    Eine Analogie aus dem Strafrecht wäre „Vorsatz“.
    Wer etwas unrechtes tut im Glauben es sei in Ordnung wird trotzdem bestraft. „Unwissenheit schützt nicht vor Strafe“. Wer aber etwas unrechtes tut und genau weiß das es falsch ist, handelt vorsätzlich und kriegt bei der Bestrafung zumeist noch einen „Nachschlag“.

    Pax

  52. Nicht verbalakne, sondern Bigotterie nenne ich das.

    Diese Abgeordneten kennen die Idee des Gewissens nur vom Hörensagen, und üben noch, wie man das politisch nutzbar machen kann, dieses Gewissen.
    Zum Wohle der stabilen!!!!! Demokratie, wie Frau Nahles tatsächlich schreibt. Immerhin drohen von den Rändern ja gelb-grüne Extremisten.

    http://www.abgeordnetenwatch.de/andrea_nahles-650-5905-2.html#fragen
    > Aber ich stehe dazu, dass ich nicht nur Einzelfragen, mich selbst mit meiner Meinung in die Waagschale einer solchen Frage werfe, sondern das sog. „Große und Ganze“.

  53. Gibt es die Erklärung der 26 eigentlich schon als Vordruck, als Mitläuferpaß für jedermann?

    Ich warte jetzt nur noch auf den Propagandafilm ‚Internet-User Kasulke‘. Morgen fange ich an, mir selbst einen Handy-Ärmelaufnäher zu sticken.

  54. (Sorry – nochmal – die Blogsoftware hat die Hälfte geschluckt)
    Nicht verbalakne, sondern Bigotterie nenne ich das.

    Diese Abgeordneten kennen die Idee des Gewissens nur vom Hörensagen, und üben noch, wie man das politisch nutzbar machen kann, dieses Gewissen.
    Zum Wohle der stabilen!!!!! Demokratie, wie Frau Nahles tatsächlich schreibt. Immerhin drohen von den Rändern ja gelb-grüne Extremisten.

    http://www.abgeordnetenwatch.de/andrea_nahles-650-5905-2.html#fragen
    “ Aber ich stehe dazu, dass ich nicht nur Einzelfragen, mich selbst mit meiner Meinung in die Waagschale einer solchen Frage werfe, sondern das sog. „Große und Ganze“.“
    Da ist es wieder: Pathetische Sprachversatzstücke, sinnlos zusammengesetzt, ohne daß ein Satz, geschweige denn Sinn dabei herauskäme.

    Von welchem Großen und Ganzen spricht Frauchen Nahles hier?
    Der Großen Koaliition vielleicht?
    Sie relativiert es gleich doppelt – mit Anführungsstrichen, und einem sog. davor. In Wahrheit ist es also kein Großes Ganzes, sondern es scheint nur so.
    Und es wird von Frau Nahles, zusammen mit ihrer Meinung und sich selbst in die Waagschale geworfen daß es kracht.

    Zum Wohle der stabilen!!!!! (nur echt mit 5 Ausrufezeichen!1elf!) Demokratie, wollen wir hoffen. Damit wächst der Flughafen näher an die bayerischen Städte heran.
    Wenn Sie in München in die Waagschale einsteigen…

  55. Pack….

    “Blogpapst” (Wegen Kinderlosigkeit? Frauenfeindlichkeit? Cooler-Hutigkeit?) Stefan Niggemeier erklärt bei sich sehr schön die sprachliche Monströsität dieses Satzgefüges, doch das ist nicht das eigentlich Bemerkenswerte. Hinter doofen …

  56. Provokativ gesagt: Jetzt muß ich schon FDP wählen, um noch ein paar Grundrechte zu behalten. Na toll. SPD jedenfalls (auch) nicht mehr.

  57. an Stefan Niggemeier

    Betr.#65. Pardon. Ich war mir nicht im klaren darüber, daß Sie selbst in laufende Blogs eingreifen (s.z.B.Recherche 2.0). Ich werde es also in Zukunft unterlassen, Ihre Lanze zu brechen, nur um mit meiner herumfuchteln zu können.

  58. @ mokirikom #82:

    Heißt es nicht auch für jemanden eine Lanze brechen?

    Sie klingen ein wenig angepisst gereizt. Warum eigentlich?

  59. Meine Meinung zu dieser Meta-Diskussion um morikom:

    Sie/Er hatte wohl aus „Recherche 2.0“ den Eindruck, dass Stefan sich selbst nicht zu Diskussionen äußert und hat deshalb in #65 die „Verteidigung“ des Niggemeierschen Standpunktes übernommen.Nun hat er gesehen, dass der ja doch – wenn er’s für richtig hält – selbst was richtigstellt oder anmerkt. Vermutlich dachte sich morikom nun: Dann brauche ich mich ja nicht einmischen.

  60. Versteh ich nicht. Stefan hat doch schon vor mokirikoms #65 was dazu gesagt. Und danach nicht mehr.

    „Hitler, Brustkrebs, Johannes B. Kerner“ fand ich übrigens verdammt gut, ich musste mehrere Minuten lachen.

  61. Ich les manchmal auch nur die letzten Kommentare, dann schreib ich was dazu, und später lese ich den Rest. Klar, ein ordentlicher Leser dieses Blogs tut so was nicht, der liest erst alles gründlich durch, denkt dann lange nach und schreibt nach Abwägung aller für und wider unter Einbeziehung jedes bereits geäußerten Satzes einen fundierten, sachlichen Kommentar. Aber nicht jeder ist so gut erzogen (ich auch nicht).

  62. zu #83-86:

    Jörg Friedrich hat völlig recht, bis auf die Tatsache, daß ich eben erst in ‚Recherche 2.0‘ festgestellt habe, daß der Chef auch selbst später noch einmal Hand anlegt.
    Da ich persönlich normalerweise in mich zusammenfalle, wenn man mir ungefragt unter die Arme greift, dachte ich, Stefan Niggemeier die eigene Lanze vor der Nase weggeschnappt zu haben, um prahlend selbst mit ihr ins Feld zu ziehen, sei ein ganz besonders perfider Fall von Entmündigung.
    Der ‚Fall‘ Jörg Friedrich zeigt mir nun aber, daß ich so etwas auch einfach nur nett finden kann. Vielleicht sollte ich meine Sturheit „ich mach’s alleine oder gar nicht“ noch einmal überdenken. Früher oder später lande ich ja doch im Pflegeheim…
    Gereizt? Nein. Ich hatte nur gerade die Zähne im Hintern.

  63. „Hitler, Brustkrebs, Kerner“ ist doof.

    Verfassungsbedenken stehen über Fraktionszwang. Selbstverständlich!

    Seine Funktion als Parlamentarier kann man nicht an andere Verfassungsorgane abgeben. Das geht selbstverständlich nicht!

    Eigentlich ganz einfach…

  64. Auch wenn ich die Meinung von Stefan N. in diesem Beitrag teile, so finde ich dennoch, dass die Aufzählung „Hitler, Brustkrebs, Johannes B. Kerner“ nicht geht. Wie Stefan N. in seinem Beitrag „Der letzte Auftritt von Eva Herman“ selber schildert, ist ein solcher Vergleich für einen Medienprofi unangemessen. Ich frage mich immer, warum muss es denn immer dieses Thema sein. Es gibt Tausende von Alternativen und fast immer geht es in die Hose. Hier schließe ich jetzt gleich noch einen Kritikpunkt an Herrn N. an, dessen Blog und Meinung ich im Übrigen sehr schätze: Ich lese Ihr Blog sehr aufmerksam und habe den Eindruck, dass Sie Kritik nicht so gut vertragen. Zufälligerweise stieß ich heute zufällig auf folgende Passage in einem etwas älteren Kerner-Artikel:
    „Der Moderator, der schon vor Jahren in einem Interview aus den Unsummen Geld, die er verdient, den Schluß zog: “Ich habe alles richtig gemacht”, findet an keiner Stelle einen Fehler bei sich, und sei er noch so klitzeklein. Kerner macht keine Fehler.“

    Ich würde jetzt gerne mit einem passenden Sprichwort enden, es fällt mir nur leider nicht ein.

    PS: Das war mein erster Kommentar und ich denke sehr intensiv darüber nach, wass er über mich aussagt…

  65. Und wenn er auch nichts aussagt, so lehrt er mich doch, beim nächsten Mal mit Word „vorzuschreiben“, um unsinnige Dopplungen zu vermeiden!
    Und keinen Strich bei dem Website-Feld zu machen, um das Fehlen einer solchen zu dokumentieren.

  66. Das sind ganz arme Würstchen. Eigentlich wollen sie nicht, aber irgendeine fiese Macht im Hintergrund hat denen doch tatsächlich diese Verpflichtung auferlegt und dann noch eine persönliche Erklärung verfasst, die die Herren nun vorlesen.

    Und wenn später mal rauskommt, dass das ganze Mumpitz war, dann werden sie sagen: Das haben wir damals schon gesagt.

    Hoffentlich wird dieser Schwachsinn kassiert, bevor Schäuble wieder die guten alten irrwitzigen Gesetztesvorschläge durchs Parlament schleppt, die keiner haben will, die dann aber doch die meisten mitbeschließen würden.

    Aber Stefan: Kerner, Brustkrebs und Hitler sind bei dir alle eine 10? Lass das mal nicht deine Kritiker in die Finger bekommen!

  67. (na super, träckbäck hat gefunzt)

    Ich finds übrigens ein wenig schade, dass du dich in erster Linie sprachlich damit auseinander gesetzt hast, und so wenig inhaltliches „aufs Korn“ genommen wird.

  68. Mir wird von drei Dingen auf der Stelle kotzübel: Maiglöckchen, Knoblauch und nasser Hund. Ich kann beim besten Willen nicht sagen, was schneller oder intensiver wirkt.

    Hitler ist tot. Brustkrebs ist bei mir wegen meiner Chromosomenzusammensetzung zwar nicht gänzlich ausgeschlossen, aber höchst unwahrscheinlich. Kerner jedoch hockt mir auf der Pelle. Fast jeden Abend zwischen 11 und 12 muß ich mich höllisch konzentrieren, um nicht versehentlich das ZDF zu erwischen. Kategorie 11, da brauche ich gar nicht nachzudenken.

  69. @ mokirikom # 89:

    Schön, dass Sie nicht gereizt sind. Ich fürchte, ich bin einfach zu alt für Ihren Sprachstil:

    „Ich hatte nur gerade die Zähne im Hintern.“

    Was heißt das denn schon wieder?

  70. Lothar Bindig erklärt bei abgeordnetenwatch seine Unterschrift unter die Erklärung:

    „Die Verfassungsfestigkeit von Gesetzen, die im Bundestag verabschiedet werden, stellen die sog, Verfassungsressorts, die Bundesministerien des Inneren und der Justiz, sicher.“

    Outsourcing! ;-)

    „Diese Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative hat sich als großer Vorteil für die Stabilität unserer Demokratie erwiesen.“

    Je weniger Verantwortung die Volksvertreter selbst übernehmen, desto stabiler ist offenbar die Demokratie.

    „Auch ich hege einen Restzweifel, ob das Gesetz in all seinen Teilen verfassungskonform ist.“

    …keine Gewissheit, keine Zweifel, lediglich Restzweifel… und auch nur einen einzigen davon

    (Bindig erläutert seinen Restzweifel nicht. Aber vielleicht hat er damit zu tun, dass er nicht völlig ausschließen kann, dass die präventive Speicherung sämtlicher Kommunikationsdaten evtl. die grundgesetzlich garantierte Unverletzlichkeit des Fernmeldegeheimnisses entfernt berühren könnte)

    Aber:

    „Gerade deshalb habe ich dem Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG zugestimmt, denn eine Klärung der Verfassungsmäßigkeit kann nur das Bundesverfassungsgericht leisten. Der Hüter der Verfassung kann allerdings nur auf Grundlage eines konkreten Gesetzes tätig werden – denn wo kein Gesetz, da kein Kläger und erst recht kein Richter.“

    Ist logisch, oder?

  71. Eine seltsame Berufsauffassung.
    Das Bundesverfassungsgericht als eine Art Mülltrennungsanlage: Oben steckt man 10 Gesetze rein, und unten kommen 2 Gesetze raus, die konform sind.

    Die Frage ist, wo immer die Verfassungsrichter hekommen sollen, wenn es sonst keine Kultur gibt, die Verfassung ernst zu nehmen.

    Und wer sagt eigentlich, daß gegen das Gesetz geklagt wird?
    Im aktuellen Fall ist es bekannt, aber die Klage könnte theoretisch auch zurückgezogen werden, dann stehen wir da mit dem Gesetz.

    Sollten die Abgeordneten dann nicht ein Verfahren beschließen, daß jedes Gesetz erst noch nach Karlsruhe zur Überprüfung schickt, weil sie selbst zu faul oder unfähig sind, die Verfassung auszulegen?

    Diese mechanistische Vorstellung des BVG als eines Filters macht mich wütend.
    Die Auslegung der Verfassung ist doch eine strittige Angelegenheit, die der Gesetzgeber mitgestaltet.
    Als Abgeordneter hat man das Privileg, seinen Zweifeln Wirksamkeit zu verleihen – stattdessen hält man sich raus.

    M.E. ist diese Person für die Bekleidung eines öffentlichen Amtes nicht geeignet.
    Mit Grausen wende ich mich ab.

  72. Blog-Groupie

    Entschuldigung Herr Niggemeier, dass ich Ihr Blog für meine Selbsterkenntnis missbrauche, aber es wird nicht wieder vorkommen!

    Als fleißiger Blog-Leser, aber bislang Nicht-Blogger, ja sogar Nicht-Kommentierer, habe ich mir so mein Bild über die Blog-Szene gemacht, milde über ihre Selbstreferenzialität gelächelt und mich ansonsten für einen kühlen Beobachter gehalten. Wir grau ist doch die Theorie. Nur ein Kommentar und ich habe mehr gelernt als der Zaungast, der ich zuvor war.

    Über Eitelkeit, über Voreiligkeit, den Wunsch, noch mehr zu sagen, zu kommentieren, nachzuhaken, einen Gedanken zu präzisieren, einen anderen aufzugreifen. Ich habe eine kleine Ahnung davon bekommen, welche Sucht das Bloggen auslösen kann, welche Faszination es ausübt und warum ich es in Zukunft lieber lassen werde.

    Danke dafür.

  73. Ich muss immernoch kichern, wenn ich an die obige Klammer denke, das hat mir echt den Tag gerettet.

    Ich hätte es ja schon richtig lustig gefunden, wenn, nach dem ganzen Nazi-Vergleichs-Gerede überall, einfach nur „Hitler“ in der Klammer gestanden hätte, aber „Hitler, Brustkrebs, Johannes B. Kerner“ setzt dem ganzen einfach die Krone auf.
    Danke!

    Beim Rest vom Artikel kann ich mich nur den anderen Kommentatoren anschließen.
    Gut, dass ich sowieso noch nie SPD gewählt habe. ;)

  74. @70/Rudi
    ihr habt ja Recht. Eigentlich gibt es keinen Fraktionszwang und eigentlich wünschen wir uns Volksvertreter, die in Abstimmungen ihren eigenen Überzeugungen folgen (könnten).
    Praktisch ist es allerdings anders.

    Das mag ja sein. Aber dadurch, dass etwas „praktisch anders“ ist, wird es nicht richtig. Die normative Kraft des Faktischen ist nicht Gesetzgeber.

    Lediglich in Gewissensfragen – Gesetze die unmittelbar den Anfang oder das Ende des
    Lebens betreffen – gibt Peter Struck die Abstimmungen frei.

    Herr Struck hat gar nichts freizugeben. Der Abgeordnete ist frei gewählt und weder Herrn Struck noch sonst irgendeinem Möchtegern-Demiurgen Rechenschaft schuldig.

    Bei allen anderen Gesetzesvorlagen wird erwartet, dass man sich der Regierungslinie unterordnet. Tut man das nicht, fliegt man bei nächster Gelegenheit aus dem Parlament.
    Man „fliegt nicht aus dem Parlament“, sondern wird vor der nächsten Wahl entweder in der Liste nicht mehr oder an unvorteilhafter Stelle aufgestellt. Eine Crux, die man abstellen könnte, in dem man das Verhältniswahlrecht zu Gunsten eines Mehrheitswahlrechts verändern würde.

    @102/Steffen W.
    Mit Grausen. Ja, Sie haben so Recht.

  75. Der „Volksvertreter“ heißt „Volksvertreter“, weil er dem Volk Tag um Tag Schrott andreht, wobei er nicht zwingend an der Haustür stehen bleibt, sondern es sich gerne auch auf unserem Wohnzimmersofa bequem macht. Da verkauft man auch mehr.

  76. an SvenR, #100

    Sprache ist verräterisch (sic!). Der Stil ist sicherlich keine Frage des Alters. Ich könnte, wenn ich denn unbedingt müßte, durchaus im Stehkragen und mit Zirkel und Lineal nüchtern schwarzweiß schreiben. Vielleicht pantsche ich für Ihren Geschmack zu sehr in den sprachlichen Farbtöpfen herum, vielleicht gelegentlich auch in solchen, die Sie selbst nicht einmal als Nachttopf benutzen würden. Doch auch die Umgangssprache hat ihre Reize und ist nur auf den ersten Blick naiv. Letztlich ist auch Sprache eine Frage des Geschmacks. Und eine Form von Freiheit, die aber bekanntlich auch nicht jedermanns Sache ist.

    Die Redewendung „Sich in den Hintern beißen“ hat übrigens sogar Einzug in die entsprechende Duden-Sammlung gehalten. Das ist natürlich kein Qualitätssiegel.

    Meine Mutter behauptet, ich habe bei meiner Geburt kein einziges Wort reden können. Jahrelang habe ich alles, was mir an Ausdrucksmöglichkeiten unterkam, einfach nur abgekupfert, „gelernt“. Heute sage ich: Danke, ich spreche selbst. Dieser verdammte Trotz (s.o.)!

  77. Diese von der Nahles und anderen präsentierte innere Haltung „wir finden’s zwar blöde, aber wir machen trotzdem mit“ ist leider und war schon immer typisch für die SPD, ja, ich glaube sie ist Grundvoraussetzung, um bei der SPD mitmachen, vorankommen oder diesen traurigen Verein überhaupt wählen zu können. Da habe ich ja mehr Achtung für einen aufrechten Reaktionär vom Schlagen Kanther als für diese rückgratlosen Schmierlappen. Ekelhaft!

  78. Apropos Andrea Nahles, auf die doch einige große Stücke halten:
    Egal wie man zum Tempolimit auf deutschen Autobahnen stehen mag, ob es klimatechnisch was bringt oder Verkehrstote reduziert (ich weiß es nicht), aber ihre diesbezügliche Antwort im FOCUS-Interview auf die Frage, „Wann setzt die SPD das vom Parteitag beschlossene Tempolimit durch?“, finde ich bemerkenswert: „Hoffentlich gar nicht. Ich habe da glasklar eine andere Meinung. Wir haben schon an sehr vielen Stellen in Deutschland Tempolimits. Ich unterstütze das auch zum Beispiel ausdrücklich in Wohngebieten. Aber ich fahre gerne auch mal schnell Auto, wo das möglich ist. Auf meine Lieblings-Rennstrecke auf der A48 würde ich nur sehr ungern verzichten.“

  79. Ich frage mich, warum die Abgeordneten nicht einfach geschrieben haben: „Wir finden’s zwar ganz schlimm, aber nicht so schlimm, dass wir deshalb auf unsere Diäten verzichten würden. Geld ist für uns wichtiger als Moral. Deshalb stimmen wir zu, aber natürlich nicht, ohne geheuchelt zu haben, wir schwer uns gefallen ist, für unsere Pfründe statt für unser Gewissen zu stimmen.“

    Man kann von der CDU ja halten, was man will, aber in dem Punkt sind sie wenigstens ehrlich. Schäuble hat nie behauptet, dass ihm die Befürwortung einer Ausdehnung der Überwachung sehr schwer gefallen sei. Ein SPD-Minister an seiner Stelle hätte höchstwahrscheinlich mit Sorgenfalten auf der Stirn „schwerste verfassungsrechtliche Bedenken“ angemeldet und dann – körperlich sichtlich gezeichnet von den Strapazen der Gewissensnöte – natürlich trotzdem dem Bundestrojaner, der Vorratsdatenspeicherung, dem elektronischen Reisepass mit Fingerabdrücken und der elektronischen Gesundheitskarte zugestimmt.

    Ist doch zum Kotzen, diese widerliche Heuchelei. Beschwichtigendes Wortgeklingel nutzt den Betroffenen solcher Entscheidungen überhaupt nichts, wenn sie mit den Stimmen der SPD durch den Bundestag gepeitscht werden. Man kennt es sonst von fiesen, dicken Personalchefs: „Eigentlich würden wir Sie ja gerne hierbehalten, aber die wirtschaftliche Lage.. blabla..“, wo ein schlichtes „Sie sind entlassen“ ehrlicher gewesen wäre.

    Naja, die nächste Wahl kommt bestimmt. Und hoffentlich erinnern wir uns dann noch an die Partei, die schweren Herzens der Aushöhlung von Grundrechten zustimmt. Übrigens sind Bundestagsabgeordnete – natürlich – von der Überwachung ausgenommen.

  80. @kurt

    So lange ist Schily (SPD) als Innenminister (IM) doch gar nicht her und ich kann mich nicht erinnern, daß der körperlich sichtlich gezeichnet von irgendwelchen Gewissensnöten war, als er seine Sicherheitspakete vorlegte. Insofern ist die SPD als Partei doch auf einer konsequenten Linie, nur ist es eben nicht mehr ihr „Schweinehund“ der das Amt des IM bekleidet und sich mit den neuesten Polizeistaatsverfeinerungen brüsten kann.

    70 Rudi hat alles Wesentliche zu Theorie und Praxis in diesem Staat gesagt.

    Die Frage die sich jede/r selbst stellen sollte:
    Wie will man das charakterisieren oder andersherum gefragt: Ab wann wird ein Staat zum Polizeistaat, zur Bananenrepublik, zur Oligarchie, zur Demokratur, zur Diktatur? – Welche notwendigen und welche hinreichenden Merkmale müssen dafür erfüllt sein?

    Und je nachdem wie die Antwort ausfällt, was folgt daraus?

  81. @116: „Ab wann wird ein Staat zum Polizeistaat, zur Bananenrepublik, zur Oligarchie, zur Demokratur, zur Diktatur?“

    Das ist Teil des Problems, daß man versucht den heutigen, hiesigen Staat mit Vorbildern und Maßstäben aus der Vergangenheit zu fassen versucht, was aber immer wieder scheitert.

    Die Überwachungsintensität hat in den letzten Jahren erheblich zugenommen, ohne daß es deswegen eine allgemein Tendenz zur Unterdrückung oppositioneller Strömungen gäbe, geschweige denn, daß sie rassistisch o.ä. begründet wäre.

    Ich sehe eine technokratische Beschränktheit, die die Lösung von Problemen an die Executive delegiert, und ihr deshalb mehr und mehr Mittel in die Hand gibt – vorwiegend technische Mittel, weil das billiger ist, als Personal.
    Und eine Konvergenz in der EU und mit Bündnispartnern in dem was man macht und wie man es macht, verbunden mit einer supranationalen Vernetzung – d.h. alle basteln irgendwie an biometrischen Verfahren, nutzen RFID, tauschen Daten aus, und gewähren Zugriffe.

    Die Globalisierung, um das Bizzwort zu nutzen, krimineller Aktivitäten macht sicherlich eine internationale Abstimmung und Vernetzung nötig – nur ist es leider so, daß die Executive die einzige Gewalt ist, die diese Globalisierung mitmacht.

    Nationale Parlamente reden sich auf Vorgaben aus Brüssel und Druck der Amerikaner heraus, und das europ. Parlament hat schon gar nichts zu melden, sondern die Kommission u.d. Ministerrat beschließen diese Dinge.

    Opposition, Presse, Medien bleiben im Wesentlichen national verhaftet.

    Die Instrumente sind totalitär und autoritär, auch wenn es die Staaten und Regierungen nicht sind – das ist eine neue Qualität, die man nicht mit Stasi- oder Gestapovergleichen zu fassen bekommt.

    Das Individuum kommt unter die Räder, ohne daß es eine Ideologie der Gesellschaft gäbe, wie es der Sozialismus war.

    Ob Technokratur ein geeigneter Begriff ist?
    Pragmatismus und Funktionalismus sind schon anderweitig belegt.

  82. @117/Stefan W.
    sondern die Kommission u.d. Ministerrat beschließen diese Dinge.
    Das ist sp pauschal nicht richtig. Die Europäische Kommission hat zwar das Initiativrecht, aber ohne eine Zustimmung des Europäischen Parlaments kann keine Richtlinie mehr verabschiedet werden.

    Die beschlossene Vorratsdatenspeicherung als totalitär bis autoritär zu bezeichnen und sie einem Kontinuum von Stasi- oder Gestapovergleichen zu unterziehen, ist arg alarmistisch. Das ist zwar zur Zeit en vogue, aber vollkommen unangemessen. Man sollte sich solche Vokabeln für andere Vorhaben aufheben. Das auch, um im Diskurs überhaupt noch Ernst genommen zu werden.

  83. @118: Als totalitär muß man es wohl bezeichnen, well die Verbindungsdaten alle Bürger für 6 Monate vorgehalten werden, ohne Verdacht und ohne Tat.

    Der Hinweis, daß Vergleiche mit Stasi und Gestapo die Sache nicht trifft war genau der Inhalt meines Textes. Tut mir leid, wenn das nicht rübergekommen ist.

    Fingerabdrücke, Flugpassagierdaten, SWIFT-Daten, Zugriff auf Kontodaten, Ausweitung von Videoüberwachung, Gesundheitskarte – das läuft doch alles in die gleiche Richtung.
    Solange man ungestraft Merkelwitze machen darf, kann man sagen, die Stasi sei etwas ganz anderes gewesen, und hat ja Recht damit.

    Alarmismus – ja sicher – die Masse schläft, wie immer.

  84. @119/Stefan W.
    Die Daten wurden bisher drei Monate vorgehalten. Jetzt sind’s sechs. In Anbetracht dessen in einen solchen Alarmismus zu verfallen, ist unverhältnismässig. Heben Sie sich Ihre Entrüstung doch besser für den Bundestrojaner auf.

    Sowas wie Gesundheitskarte würde ich begrüssen, um Doppel- und Dreifachuntersuchungen zukünftig zu vermeiden. Viele Datenabgleiche, die jetzt Standard sind, wurden früher von der Linken gefordert, so z. B. die Möglichkeit der Kontoüberwachung u. a. von Firmen, um Steuern einzutreiben. Luxemburg und die Schweiz mit ihrem merkwürdigen Bankgeheimnis, welches auch (und gerade) die OK schützt, kann doch nicht im Ernst wünschbar sein.

  85. Herr Keuschnig,

    „Die Daten wurden bisher drei Monate vorgehalten.“

    Das ist schlicht unwahr.
    Die Daten dürfen bisher bloß zu Abrechnungszwecken vorgehalten werden und das handhab(t)en die Unternehmen unterschiedlich, bei „Flatrates“ wo die Daten zu Abrechnungszwecken nicht benötigt werden, ist es bis dato sogar illegal die Daten mehr als wenige Stunden oder Tage zu speichern.
    Außerdem wird der Umfang der Datenspeicherung extrem ausgeweitet. (Handystandort, e-mail-kontakte, etc.)

    Zum Thema Gesundheitskarte empfehle ich mal diesen Artikel:

    http://tinyurl.com/2g3682

    Er ist vielleicht auch nicht vollkommen objektiv, bietet aber imho einen ersten Einstieg. Ich möchte meine Krankendaten nicht zentral in Rechenzentren gespeichert wissen.

    Pax

  86. Die Grenze verläuft m.E. nicht zwischen Schlafenden und Wachen, sondern zwischen Informierten und Uninformierten.

    Ich finde es sehr beeindruckend, wie einhellig die Meinungsäußerungen in Kommentaren bspw. bei heise (oder in der Zeit oder sonstwo) der veröffentlichten Meinung und den politischen Mehrheiten widerspricht.

  87. […] Unerträglich weniger unerträglich – Stefan NiggemeierEine Gruppe von 26 SPD-Abgeordneten glaubt das nicht und hat trotzdem für das Gesetz gestimmt. Und die Erklärung, mit der sie sich dafür rechtfertigen, ist erschütternd und für mich im wahren Sinne des Wortes unerträglich. […]

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