Christian Jakubetz, Journalist, Berater und Dozent unter anderem an der Deutschen Journalistenschule (DJS) in München, hat sich anlässlich unserer Lesung ebenfalls mit der Frage beschäftigt, wie es das BILDblog verändert, wenn wir plötzlich „auf der Showbühne“ stehen — nur kommt er zu dramatisch pessimistischeren Antworten als ich.
Jakubetz vergleicht unsere Entwicklung mit der von Bastian Sick, dem supererfolgreichen Sprachkritiker von „Spiegel Online“:
Aus dem Zwiebelfisch ist eine mittelständische Firma geworden und statt netter Sprachkritik macht Sick heute Linguistik-Entertainment. Apostrophen für die Masse, die sich schenkelklopfend amüsiert und nach zwei Stunden wieder raus an die frische Luft darf mit dem Gefühl: Wir stehen auf der richtigen Seite. Der guten Seite.
Der Vergleich ist interessant und Jakubetz‘ Analyse lesenswert, aber ungefähr in der Mitte ist er so in Fahrt, dass es ihn aus der Kurve schleudert:
Bildblog ist eine perfekt geölte Unterhaltungsmaschine geworden, die den Leuten gibt, was sie wollen: Entertainment.
Eine handelsübliche Unterhaltungsmaschine tat’s nicht, sie musste auch noch perfekt geölt sein? Das sind so Formulierungen, bei denen ich stutze, und in diesem Fall auch deshalb, weil ich weiß, wie wenig bei uns geölt ist, egal von welcher Art Schmiermittel wir reden.
Jakubetz meint jedenfalls, dass das Entertainment die Aufklärung konterkariert. Dass der Abend Anlass zu solchen Fragen gibt, finde ich auch. Aber schließen sich Aufklärung und Unterhaltung aus? Je mehr mir als Journalist ein Thema am Herzen liegt, je wichtiger ich es finde, dass viele Leute einen Artikel lesen, desto mehr Mühe gebe ich mir, ihn unterhaltsam aufzuschreiben, gerade damit er möglichst viele Leute erreicht. Oder, in einer ganz anderen Liga argumentiert: Die „Daily Show“ von Jon Stewart ist sicher sowohl die witzigste als auch die aufklärerischste Nachrichtensendung in den USA.
Um nicht missverstanden zu werden: BILDblog will informieren, und das, wenn es geht, auf unterhaltsame Weise. Nicht unterhalten, und das, wenn es geht, mit ein bisschen Informationen. Ja, bei so einer Lesung verschieben sich die Gewichte vielleicht etwas. Aber, Himmel, da machen wir nach dreieinhalb Jahren zum ersten Mal so etwas wie eine Party und laufen Gefahr, mit Disney World verwechselt zu werden?
Was mich wirklich erschüttert an Jakubetz‘ Text, ist dieser Satz:
Und so, wie wegen Sick kein einziger grammatikalischer Dumpfbeutel weniger unterwegs ist, hat nicht ein einziges Exemplar der verloren gegangenen Bild-Auflage mit Bildblog zu tun.
Sagt Jakubetz das auch seinen Journalistenschülern? Etwa: Glaubt nicht, dass ihr mit euren Artikeln irgendetwas ändern werdet? Es wird kein einziges Gramm CO2 weniger ausgestoßen, nur weil Artikel über die globale Erwärmung erscheinen? Es wird niemand zum Wechselwähler, nur weil ihr über die Abgründe einer Partei berichtet habt? Was immer ihr schreibt, wird nie jemanden klüger machen, die Augen öffnen, zum Nachdenken anregen, sondern immer nur die erreichen, die es vorher schon wussten?
Am Ende meint Jakubetz, wir würden wie „Bild“ und unsere Leser seien schon wie „Bild“-Leser (irgendwie auch wegen der zunehmenden Vermarktung und Entertainmentisierung), und findet hier in den Kommentaren „serviles Gutmenschentum“. Ich glaube, er verkennt gerade das Besondere an der Beziehung zwischen BILDblog und den BILDblog-Lesern. Wir haben erst angefangen, BILDblog-T-Shirts anzubieten, als Leute uns gefragt haben, warum es die eigentlich nicht gibt. Ein Konto haben wir eingerichtet, nachdem Leser uns gefragt haben, ob sie uns eventuell Geld spenden können. Servil sind sie nicht, sie geben uns ordentlich Kontra, wenn wir etwas machen, das ihnen nicht gefällt. Aber viele sind treu und sowas wie Fans, sie versorgen uns mit sachdienlichen Hinweisen und weisen uns auf unsere Fehler hin, und wenn es einen Fragebogen auszufüllen gibt, tun sie das in unfassbarer Zahl.
Mag sein, dass sie auch das Gefühl genießen (oder von mir aus auch nur die Illusion), gemeinsam auf der „richtigen Seite“ zu stehen. Aber sie tun das in einer Welt, die nicht von BILDblog-Lesern, sondern von „Bild“-Lesern dominiert wird. Und sie sind mir allemal lieber als die vielen, denen die Frage, ob sie auf der „richtigen Seite“ stehen, einfach vollständig egal ist.
Ist das vielleicht eine Art und Weise sich als besonders wissend hinzustellen? Vielleicht muss man im Journalismus von heute Insidertipps hypen und anerkannte Sachen niederschreiben. Ohne Skandal keine Aufmerksamkeit in der (*hüstel* neudeutsch) Attention Economy. Ich finde es eigentlich schön wie detailverliebt du dich zu aller Kritik äußerst, aber mal ehrlich: Ich will dieses nervige hoch und runtergeschreibe von Bildblog nicht lesen. Ich will den Bildblog lesen – und warum? Das steht dann in der Umfrage. Und dass es dabei nicht um ein „wir sind die guten, oléolé“ geht, ist doch jedem halbwegs intelligentem Wesen klar, oder etwa nicht?
Leute auf Lesungen lachen nun mal. Meistens an der falschen Stelle und über die falschen Sachen. Das ist eine desillusionierende Erfahrung für beinahe jeden, der sich mal als Entertainer auf eine Bühne gewagt hat, aber damit muss man klarkommen.
Auch wenn ich mich jetzt der Servilität, Dumpfbeuteligkeit und des heuchlerischen Gutmenschentums verdächtig mache: ich kann die Kritik von Christian Jakubetz (dessen Artikel ich gerade kurz nachgelesen habe) auch nicht wirklich nachvollziehen…
Woher rührt der Spaß an der Nörgelei? Und ich teile ebenso die Hoffnung, daß die DJS’ler (von denen ich einige aus eigenen Studientagen kenne) von Herrn Jakubetz und Co. nicht tatsächlich in diesem resignativen Geist belehrt werden, der das eigene Tun als offenbar ganz und gar irrelevant abstempelt.
In diesem Zusammenhang: gut gebrüllt, Löwe bzw. Niggemeier! Denn auch wenn ich mich als Nicht-Bild-Blogleser outen muß: mir ist dessen wachsende Popularität wirklich lieb. Und ganz und gar ohne Auswirkungen bleibt diese (so meine Hoffnung) dann doch nicht…
@Jander: Na, ob das so eindeutig ist, weiß ich auch nicht. Und ich grübel nun mal viel und gerne, auch und gerade über BILDblog. Und obwohl ich viele Punkte von Jakubetz nicht nachvollziehen kann, finde ich das eine interessante Debatte.
ich lese sowohl das bildblog als auch hier schon eine ganze weile – und ich finde, dass der herr jakubetz gar nicht mal so unrecht hat.
ja, das beispiel, dass artikel nichts verändern, ist natürlich nicht belegbar und deshalb irgendwie auch argumentationswürdig. trotzdem kommt es auch mir so vor, als ob hier eine ganze menge leute rumlaufen, die einfach unter alles, was das bildblog, resp. stefan hier so schreiben, blind ihren willi setzen. eben weil es spaß macht – und weil sie das meiste, was hier so steht, gut finden. aber nicht, weil sie das zwangsläufig ihre meinung ausdrückt. sondern, weil es hier steht.
was ich aber noch viel schlimmer finde, ist, dass es gerade extrem angesagt ist, ewig über das bildblog zu debattieren. und ich mache auch noch mit. argh!
Zumindestens die Selbstgerechtigkeit der Leserschaft von Bildblog, Spreeblick und den anderen „Gutmenschenblogs“ ist manchmal hart zu schlucken; damit hat er recht, finde ich.
Ich werde, wenn ich in ein paar Jahren meine Diplomarbeit schreibe, hoffentlich noch an das Bildblog herantreten können, 5500 Fragebögen in neun Stunden sind wirklich unglaublich :O Wenn das immer so ginge, könnte man eine Diplomarbeit wahrscheinlich in ein oder zwei Monaten schreiben.
@Christoph #6: Egal ob mit Anführungszeichen oder nicht, können Sie mir bitte erklären, was ein Gutmenschenblog ist?
Also ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo die Leser von Bildblog selbstgerecht sind.
Das Krasse ist doch, dass man überall Leute findet, die Frau im Spiegel, Frau Aktuell, Gala und eben die Bild lesen, und glauben, das was da stehe wäre die Wahrheit. Da gibt es Monate während meiner Zivildienstzeit, in denen Steffi Graf mit Michael Bartels mal ein Kind erwartete und in einer anderen Zeitung hatte sie einen neuen Freund. Im gleichen Monat!
Oder die Leute, die die Geschichten in „Coupé“ für wahr halten. Nur dass es dort darum geht, dass die geilen Schwedinnen es überall lieben, wohingegen in der BILD zum Beispiel steht, dass es ein Problem mit der Rente gibt, die einen Finanzaufwand von 3% hat (staatlich) wohingegen sich private Rentenversicherer 25% der Gewinne einverleiben. Und die Leute rennen scharenweise wie die Schafe los und holen sich die Privatrente, werden arbeitslos, können die Zahlungen nichtmehr leisten und stehen dann nach Jahren Anlage mit weniger Geld da als wenn sie es für 3% auf dem Sparbuch gelassen hätten.
DAS hat nichts mit Selbstgerechtheit zu tun. Es hat damit zu tun, dass es so viele Menschen gibt, die sowas alles ungesehen glauben und danach handeln und die Regierung ist nicht in der Lage, den Bürger besser zu informieren, weil irgendeine Redaktion in Hamburg entschieden hat, jetzt mal fett einfach zu LÜGEN.
Das ist keine Selbstgerechtheit, die die Leser von Bildblog ausstrahlen, es ist auch keine Schadenfreude, es ist Fassungslosigkei und das Lachen ist ein entsetztes. Die Geschichte von Charlotte Roche und Si… Sy… (Mist komme nicht drauf) Kirkeli ist doch bezeichnend. Oder die des Gammelfleisch-Fabrikanten. Oder die von jeder absolut unwichtigen Person, die mit Foto in der Zeitung stehen, und bei denen gemutmaßt wird, was diese getan haben _könnten_ und die für den Rest ihres Lebens nicht mehr vor die Tür gehen können, weil Bild zu blöde ist, sie zu anonymisieren.
Klar lachen wir alle gerne. Aber die Sache hat einen verdammt ernsten Kern, und während ich früher einfach dazu übergegangen bin, die Fresse zu halten, weil mir eh niemand glauben wollte, weil ALLES was die Zeitung und RTL aktuell sagen _natürlich_ wahr sein muss und ich ein neunmalkluger Spinner bin.
Der Spruch passt: jede Lüge braucht einen, der sie aufschreibt. Dann kann man wenigstens sagen: hier, da gibt’s noch mehr.
Andere Leute gehen los und glauben das, was PI schreibt. Die fühlen sich sicherlich noch auf eine ganz andere Art als bessere Menschen. Was für ein Gefühl bleibt denn da beim Lesen zurück?
[…] BILDblog.de, wie Christian schreibt. Natürlich hat er damit Recht – getroffene Hunde bellen, das beweist schon allein die Reaktion von Stefan Niggemeier selbst, der die Abrechnung mit Christan gleich seiner Leserschaft überlässt – eine Leserschaft […]
@ christoph:
Natürlich gibt es Leser, die zu allem ja und amen sagen. Aber die Tatsache, dass es sie gibt, erlaubt noch lange nicht, gleich alle so abzustempeln. Oder sind „die Blogger“ rechts, nur weil es PI gibt? Nein.
Und wer einmal wirklich selbstgerechtes Abnicken sehen will, kann rüber zu Don Fonsi gehen. Da ist das nämlich wirklich Usus, wie mir scheint…
@ all
Die Aussagen von Hr. Jakubetz sind natürlich deutlich überspitzt und sicher weder so noch insgesamt richtig. Aber zumindest andenken muss man diese Punkte, insbesondere die Frage nach dem Entertainment muss gestellt werden.
Das Beispiel Bastian Sick ist gar nicht mal so schlecht, dieser Mann hat es tatsächlich geschafft, aus einem interessanten Besserwisser zu einem nervtötenden Besserwisser zu mutieren. Das BILDblog ist da auf einem besseren Weg.
Es ist doch irgendwie erstaunlich, dass es kein einziger Journalist schafft, sich kritisch und in angemessener Weise mit dem Phänomen Bildblog auseinander zu setzen. Besonders lächerlich wird das in diesem Artikel wieder bewiesen, in dem man überhaupt nicht interessiert, aus was und aus welchen Motiven der bildblog eigentlich hevorgeht.
Nein, es sind nur Niggemeier und seine Kapitalistenschar, die aus der Unfähigkeit einer Tageszeitung Profit schlagen möchten und irgendwelche T-Shirts verkaufen und Entertainment-tours starten. Irgendwie ist das schon komisch. Nicht, dass man sich soetwas denken kann, sondern dass man soetwas auch noch niederschreibt. Aber hey, lassen wir sie machen.
Problem ist halt, dass es bis jetzt außer dem Bildblog-Universum wenige gibt, die Bild in etwa als das sehen, was es ist: Eben kein Witzblatt sondern ein wirklich meinungmachendes und rein auf Profit ausgelegtes Massenmedium mit einer doch sehr oft unterschätzten Macht. Nur vergessen die meisten Journalisten auch hier, dass sich bildblog nicht als Weltverbesserer auftut sondern einfach nur auf etwas hinweisen möchte, mit Ironie, Sarkasmus, Ernst und allem was dazugehört.
Aber es ist spät.
Ich habe als Sick-Leser sehr wohl schon Dinge gelernt, die ich vorher noch nicht wußte. Gut, den Fehler mit dem Deppenapostroph habe ich nie gemacht. Aber hier und da war da was. Insofern ist es falsch, zu behaupten, niemand würde nachher mehr wissen. Ich bin das lebende Gegenbeispiel.
Ähnlich ist es mit Bild und Bildblog. Klar wußte ich vorher schon, dass Bild übertreibt, manipuliert, fälscht. Vor ca. 15 Jahren hab ich mal das Wallraff-Buch gelesen. Aber daß Mißstände heute noch existieren, und in welchem Umfang, und auf welche Weise, das weiß ich erst aus Bildblog.
Auf die Spitzen gegen unterhaltsames Schreiben gehe ich gar nicht ein. Gestern habe ich ein Evelyn-Hamann-Zitat gelesen, wie sie die in Deutschland vorherrschende, unnötige Trennung in E und U beklagte. Sowas gehört da wohl auch rein.
Das ist, wie ich finde, ein sehr guter Artikel. Freut mich zu hören, dass die Daily Show es auch auf dieser Seite des großen Teiches zu immer mehr Bekanntheit schafft. Der Colbert Report ist übrigens auch nicht schlecht. Und ich zeige gerne, dass ich auf der richtigen Seite stehe: http://blog.0x378.net/post/25
Ihr ändert etwas, Bastian Sick hat es auch getan und ebenso The Daily Show. Es dauert nur eben lange und ist nicht so einfach zu messen.
Und: Wo gibt es die Colbert-Aufkleber? ;)
Hmmm – „Vermarktungsmaschine“ könnte man auf Eure Anzeigenverkäufer beziehen. Das „gut geölt“ könnte man auf den Werbespot mit Engelke beziehen. Oder dass bei der Lesung nicht nur die Blogger auf der Bühne sitzen, sondern eben Charlotte Roche, deren Kleid anschließend bei Ebay landet. Nein, da ist der Vergleich nicht aus der Kurve getragen.
Dass Bildblog der BILD überhaupt nicht schadet, würde ich nicht annehmen, Die interessante Zielrichtung ist aber IMHO sowieso nicht die Auflagenzahl – die sinkt auch ohne Bildblog. Das Interessante ist die Schaffung einer interessierten Öffentlichkeit, die weiß, dass man mit BILD nicht glaubt. Dass man ein Interview ablehnen kann. Und dass man keine Meldungen von den Blatt ungeprüft übernimmt.
U und E müssen sich nicht ausschließen. Aber die Unterhaltung hat es zuweilen schwerer nachhaltigen Effekt zu zeigen. Sonst kann es gehen wie bei Dieter Hildebrand, bei dessen finaler Scheibenwischer-Vorstellung die karrikierten Politiker im Publikum saßen und sich herrlich amüsierten – und danach so weiter machten wie bisher.
Ich würde mal sagen: die weitaus meisten bildblog-Leser waren nie BILD-Leser. Ihr überzeugt Leute, die eigentlich schon längst überzeugt sind. Das ist natürlich eine freihändige Annahme, aber ich finde, einiges spricht dafür .
Ich sehe zwei Wege aus dieser vermeintlichen Falle:
1. Man entlarvt die tiefer liegenden Strategien der BILD an und erzeugt dadurch politischen Druck. Solche Geschichten wie die Berichterstattung über den Mindestlohn müssen möglichst breit in die Öffentlichkeit.
2. Man holt die BILD-Leser ab, wo sie sind. Es gibt ja immer wieder Aktionen, in denen Werbeplakate oder stumme Verkäufer überklebt werden – hier erreicht man die breite Masse. Ein besonderer Leckerbissen wäre es zum Beispiel auch, BILD eine Geschichte unterzujubeln – so wie die Yes-Men.
Zum Thema Jon Stewart: Er mag noch der aufklärerischste sein, hat aber in seiner Sendung enorm nachgelassen. Schlimm war die Zeit, als er zum Oscar-Moderator wurde – da standen die Hollywood-Sternchen Schlange, mit denen er einfach nur gut Freund war. Und rate mal, wer heute den Webstream von Jon stewart sponsort? Die US-Army. Weil ja so viele junge Menschen zuschauen.
@8 und 11 Danke, Sebastian. Ich stimme dir voll zu.
„I, met a boy, wearing Vans, 501s, and a Dope, Beastie-tee, nipple rings, New tattoos that claim that he Was OGT, back from ’92, on the first EP.
And in between Sips of Coke He told me that
He thought We were sellin‘ out, Layin‘ down, Suckin‘ up To the man.
[…]
All you know about me is what I’ve sold you, Dumb fuck. I sold out long before you ever even heard my name.
I sold my soul to make a record, Dip shit, And you bought one.
All you read and Wear or see and Hear on TV Is a product Begging for your Fatass dirty Dollar.“
Tool – Hooker with a penis
sorry, offtopic: kann mir einer verraten, warum das wort „gutmensch“ gerade so in mode ist? weil politically incorrect es so gerne mag? wegen eva hermann? oder weil es einer mal geschrieben hat und es alle jetzt abschreiben?
Ach, hier steigt die Party…
Bevor wir uns jetzt alle fürchterlich echauffieren, zwei, drei disclosure-Sätze. Erstens: Ich schätze Stefan als einen außerordentlich guten Journalisten. Zweitens: Ich bin ihm auch mal begegnet und finde, dass er ein sympathischer Mensch ist. Drittens: Er kann selber Hemden bügeln und tut das auch. Das ist ziemlich bemerkenswert. Viertens: Wir sind selten einer Meinung. Das finde ich durchaus spannend. Fünftens: Ich bin ein durchaus optimistischer Mensch und keineswegs der Meinung, man müsse den ganzen Tag mit verkniffener Miene durchs Land laufen.
Dies vorausgeschickt, liebe Leute, geht es mir um eine ziemlich grundsätzliche Frage: nämlich wie weit Kritik mit Unterhaltung vermengt werden kann, ohne das eigentliche Anliegen zu verwässern. Das ändert nichts daran, dass Kritik oder das eigentliche Anliegen nicht in Ordnung wären, nur: irgendwann wird´s gefährlich. Natürlich habe ich nichts gegen Klimaschutz, aber wenn ich weiß nicht wie viele Papis mit dem SUV bei Live Earth vorfahren, wird es albern. Deswegen muss ich ja nicht gleich sagen: eh alles wurscht, schleudert mal weiter Abgase in die Luft. Aber ob ich mein Ziel tatsächlich erreicht habe, muss ich doch spätestens dann in Frage stellen, wenn ich sehe, dass es beim gegenseitigen Schulterklopfen der SUV-Fahrer bleibt.
Stefan, natürlich sage ich keinem „meiner “ DJSler, sie würden mit Artikeln eh nichts bewirken. Wenn ich so denken würde, müsste ich meinen Beruf an den Nagel hängen. Aber ich würde spätestens dann zumindest leisen Einspruch erheben, wenn sie eine Artikelserie mit ein paar netten Events garnieren wollen würden.
Und noch ein Satz zur perfekten Unterhaltungsmaschine: Aus dem Stand heraus fallen mir nicht sehr viele ein, die es schaffen würden, sich für einen Werbespot kostenlos zwei der bekanntesten Comedians Deutschlands und eine der profiliertesten Produktionsfirmen an Land zu ziehen. Und mir fallen auch nicht viele ein, für die Charlotte Roche bei Harald Schmidt Werbung läuft und danach eine Lesung macht. Das ist nichts Verwerfliches, aber letztendlich doch wohl ein Beleg, dass wir es bei Bildblog nicht mit zwei kleinen Hobbyautoren zu tun haben, die aus Spaß und Idealismus ab und an mal was ins Internet stellen.
Mir geht’s ähnlich wie Dumpfbeutel (12). Ich habe vor ungefähr 20 Jahren mal Wallraffs „BILDerbuch“ gelesen (besteht aus thematisch gruppierten „Bild“-Überschriften), aber die Rücksichtslosigkeit und die offenbare Absichtlichkeit, mit der die „Bild“ arbeitet, wurde mir erst durch Bildblog klargemacht. Vorher dachte ich immer, das seien einfach nur „übergeigte“, peinliche Überschriften. (Wallraffs „Aufmacher“ konnte ich nicht lesen, weil ich auch gerechtfertigte Polemik nur in geringen Dosen vertrage.)
Und genau dieses aufklärerische Element, das „Bild“-ernst-Nehmen, tritt bei einer Lesung m.E. zu sehr in den Hintergrund. Ich würde mal mutmaßen, dass es Gründe wie „Charlotte Roche live sehen“, „zu den Fetten Broten tanzen“, „einen Abend lang unterhalten werden“ und (vor allem) „Solidarität mit Bildblog zeigen“ waren, aus denen sich die Karten verkauft haben. Das kriege ich aber irgendwie nur sehr eingeschränkt mit dem Bildblogschen Selbstverständnis unter einen Hut.
Es freut mich, wenn Euch (und dem Publikum) der Abend Spaß gemacht hat, aber wenn Ihr mich fragt, belasst es dabei und geht nicht auf Tour damit.
Und ganz nebenbei schafft BILD es so immer wieder auch in „etablierten“ Bloggerkreisen als Quelle zu dienen. Macht Herr Niggemeier ja vor. Ich erinnere nur an die Affäre Eva Herman. Da hat Niggemeier sogar ausschließlich die BILD als journalistische Quelle angegeben. Und wenn der das schon tut, dann kann das mit der Lügerei ja auch gar nicht so schlimm sein, oder?
@Dieter Petereit: Die Quelle, die sie meinen, ist der NDR, dem Eva Herman nach dessen Angaben bestätigt hat, was sie der „BamS“ gesagt hat. (Können wir diese Diskussion hier bitte nicht fortführen?)
@Christian Jakubetz
Dann geben Sie doch mal Butter bei die Fische, wenn’s nur darum geht, die Verwässerung zu verhindern. Wo ziehen Sie die Grenze? Sie bleiben da so schön im Ungefähren. Die Aktion war doch offenbar darauf ausgerichtet, Geld zu verdienen und Aufmerksamkeit zu erzeugen, weil die Bildblogger nun mal Zeit aufwenden, die kompensiert werden muss.
Was nun den Stil angeht, möchte ich mich zu einer (unbelegbaren) Hypothese versteigern: Wäre Bildblog nicht unterhaltsam geschrieben, würde sich kein Schwein dafür interessieren. Vielleicht doch eine Handvoll Medienwissenschaftler, nicht mehr. Die Schreibe war aber eben von Anfang an ein Merkmal, das sich nicht über die Zeit geändert hat.
Die einzige Neuerung ist also der „Fundraiser“. Und der löst wirklich so ein Bedenkentragen aus? Wenn’s sonst keine Probleme gibt.
Einigermaßen verdutzt bin ich übrigens immer dann, wenn die Kommentarschreiber hier in SNs Blog über einen Kamm geschoren werden sollen, ob nun in positive oder negative Richtung. Jeder, der hier mitliest, merkt doch, wie sehr sich die Meinungen unterscheiden.
@Christian Jakubetz [#19]:
Na also, geht doch. Wieso erst dezent mißverständlich formulieren? Schlechten Tag gehabt gestern?
Die Debatte über Underground und Mainstream.
Wird BILDblog sich letztendlich für ihre Leser, die nur noch lesen und drüber reden, weil es hipp und cool ist das BILDblog zu lesen, wie es cool ist Bionade zu trinken, prostituieren und für blanke Unterhaltung in der Mikttagspause sorgen (=“Mainstream“)?
Ich behaupte, nein. Das Konzept des BILDblog funktioniert. Das nennt man Erfolg.
Warum nicht so etwas wie einen Leseabend ausprobieren, wenn es interessierte Leser darür gibt?
Verrät man sich damit gleich an die plumpe Unterhaltung?
Warum kann es nicht erlaubt sein, ernsten Inhalt unterhaltend und ansprechend zu verpacken, ohne dass einige gleich nach „Mainstream“ und „für die plumpe Masse“ rufen?
Schade, dass sowas gleich als Qualitätsverfall gewertet wird.
@Stefan 22#
Lindenblatt, weiche Stelle? ;-)
Jeder macht Fehler, (sagen Eva und auch Johannes bei YouTube) aber: „Man sollte sich wirklich nur erklären oder entschuldigen, wenn man zu neuen Einsichten gelangt ist und/oder es unbedingt sein muss“ (eine kleine nebensächliche Lebensweisheit meinerseits).
Nu is auch gut…
Lieber Herr Jakubetz,
ich kann ihre Bedenken sehr gut verstehen, glaube aber nicht, daß Unterhaltung Kritik oder Information verwässern. Es gibt Kontexte, in denen Unterhaltung herzlich wenig zu suchen hat (hätte), aber gerade im Bereich Kritik kann ein humorvoll formulierter Beitrag mehr bewirken als ein nüchterner.
Ihr SUV-Argument wird ja auch nicht durch die Wahl des Wortes „Papis“ statt „Familienväter“ geschmälert.
Ich glaube, daß Herr Sick, bei den Menschen, die gerne auf korrektes Deutsch achten würden, aber zu faul/gelangweilt/etc. sind, sich eine detusche Grammatik anzuschaffen und diese durchzuarbeiten, sehr viel bewirkt hat.
Zum Schluß noch ein wenig Klugsch**ße: Der Dichter Lukrez hat vor 2500 Jahren ein Lehrgedicht geschrieben und die Lehre in Gedichtform mit einem Gleichnis verteidigt: Kindern gibt man bittere Medizin am besten mit Honig. Also stellt man sein philosophisches Konzept philosophisch Anfängern als Gedicht, also in Unterhaltungsform dar. Dieses Gedicht ist unsere Hauptquelle für die Rekonstruktion des Epikureismus.
Das heißt, wir sind auf Unterhaltung z. T. sogar angewiesen. Daß Lukrez sein Vorhaben verteidigt zeigt aber auch, daß es diese Diskussion schon lange gibt und noch lange geben wird. Mit guten Argumenten auf beiden Seiten.
Alberto Green: Nur ist die entscheidende Frage, ob die richtige Medizin unter den Honig gemischt wird, um das Kind zu heilen…
So ein langer Artikel … und so viele lange verteidigende Kommentare …
„Getroffene Hunde bellen“
Die „Daily Show” von Jon Stewart ist sicher sowohl die witzigste als auch die aufklärerischste Nachrichtensendung in den USA.
Unterschreibe ich! Und die amerikanische Geschichte und das dortige politische System behandelt kaum ein Buch lehrreicher als dieses.
In diesem Zusammenhang die Frage: Was ist eigentlich so schlimm an einer perfekten Unterhaltungsmaschine?
Und: Seit wann sind ehrlich gemeintes Lob und ein „Weiter so!“ Ausdruck von „Servilität“? Ist das Bildblog deshalb schlecht, weil viele es gut finden? Diese Furcht vor der „Masse“ und ihrem Geschmack ist mir viel zu elitär. Und in diesem Fall besonders unbegründet.
Eine interessante Frage. Eigentlich ist der Begriff ja nur ein etwas inhaltsleere Charakterisierung.
Eignet sich daher aber – wie jedes Buzzword – hervorragend als Kampfbegriff um andere in die Ecke zu stellen. Eine Blaupause für Unterstellungen jeder Art.
Dient damit zugleich der Erhöhung der eigenen Position.
Und als nicht zu unterschätzendes Moment – ist auch irgendwie ein Denkstopper, um sich selbst und sein ‚Wissen‘ auf der richtigen Seite zu verorten und Selbstkritik schon ganz weit vorne an der Aufnahmeperipherie abzublocken.
@28 Torsten:Generell ja, im Falle von Bildblog eher nein: Wir sind uns einig, daß die Lügen etc. der Bild aufgeklärt werden müssen. Uneinigkeit besteht darin, ob wir Honig dazunehmen (Bildblog) oder ob wir sagen: „Stell‘ dich nicht so an. Ist zwar bitter, aber gleich gehts dir besser.“ (Kritik ohne Unterhaltung, Herr Jakubetz, meine Eltern).
Alberto: Ich glaube der Knackpunkt liegt woanders. Dass Unterhaltung dazu gehört, ist wohl weniger strittig – über Form und Maß kann man ewig streiten. Wichtig ist jedoch die Frage der Medizin.
Das Bildblog hat zum Beispiel eine beachtenswerte Kampagne zum Thema Bild und Presserat gemacht – leider war das Ergebnis in meinen Augen wenig ermutigend: deutsche Medienwächter haben sich mit den Missständen arrangiert und wollen das nicht grundsätzlich in Frage stellen.
Was ich oben beschrieb – die Ansprache der echten Bild-Leser – hat das Bildblog mit Schaltung von Werbung in Schundsendern versucht. Über Erfolge weiß ich nichts – vielleicht will Stefan irgendwann mal eine Zwischenbilanz offen legen?
Ich würde mir eine zuweilen eine radikalere Bild-Kritik wünschen. Zum Beispiel mal ganz gezielt massenhaft die Bild-Leser ansprechen, die man in der U-Bahn oder sonst so sieht: http://notes.computernotizen.de/2007/10/06/der-bild-leser/ .
Oder anders ausgedrückt: ein wenig mehr Wallraff und ein wenig geniger Altersangaben korrigieren.
@ 28 Torsten
Spätestens seit der Placeboforschung, ist die Frage nach der „richtigen“ Medizin, in manchen leichteren Fällen auch gleich wieder eine richtige Frage geworden…
@ 29 Günni
Noch nie einen Hund so richtig „getroffen“ ?
Die bellen eher nicht, sondern suchen sich ein stilles Plätzchen und lecken Ihre Wunden.
Das ist hier richtiger weise und Allen sei Dank, ja eher nicht der Fall.
Nein, Limited (#31), es ist doch viel spezieller. „Gutmensch“ ist vor allem eins: zutiefst chauvinistisch. Eine Blaupause nicht für Unterstellungen jeder Art, sondern für die Diskreditierung von Positionen einer bestimmten Art – aufklärerische, humanistische, emanzipative.
Beim Piper-Verlag heißt es über das Buch Kai Diekmanns:
„»Gut gemeint« ist oft das Gegenteil von »gut«, schreibt Kai Diekmann, Chefredakteur von »Bild«, Europas größter Tageszeitung. Und legt sich an: mit den Gutmenschen, Gutmütigen und Gutmeinenden in Politik, Publizistik und Gesellschaft; mit den Gutmenschen in uns allen.“
Der Begriff ist Ausdruck eines konservativ-reaktionären Backlashs, der zum einen einfach Teil der üblichen politisch-ethischen Konjunkturen sein mag, zum anderen aber sicher Folge des Niedergangs der bipolaren Weltordnung ist. Schließlich gehörte in der Systemkonkurrenz die Mäßigung des Kapitalismus zu dessen Rechtfertigung, und die hat er jetzt nicht mehr nötig. Also geht man dagegen vor, u.a. mit dem Kampfbegriff „Gutmensch“.
Oder auch mit „getroffene Hunde bellen“ – damit werden etwa auch die Verrisse von Diekmanns Buch bei Amazon quittiert, natürlich unter Vermeidung inhaltlicher Auseinandersetzung mit deren Kritik.
Um die Kurve zum Thema zu kriegen: Ich sehe Bildblog als Teil des Widerstands gegen genannten Backlash, oder wenn „Widerstand“ zu grandios klingt, als zu ihm antagonistisch im politischen Diskurs. In dieser Funktion ist es wichtig und sehr zu begrüßen – und darf sich auch mal ’ne Party gönnen.
meykosoft: Um den Medizin-Vergleich zu weit zu treiben: Haben wir hier denn einen leichten Fall?
Was ist eigentlich die Krankheit? Der Bild-Leser an sich, die mangelnde Medienaufsicht, der Alterslotto spielende Redakteur?
@Torsten: Och, das Altersangaben-Argument. Magst Du mal den letzten BILDblog-Eintrag suchen, in dem es darum ging, eine Altersangabe zu korrigieren?
Es ist unglaublich deutsch, dauernd einen Gegensatz zwischen Unterhaltung und Gehalt herstellen zu wollen. Leute wie Herr Jakubetz beißen zu wie pawlowsche Hunde. Huch, Unterhaltung! Dann kann es ja nicht mehr im Dienst der einen, guten, wahren Sache stehen! Leute wie Herr Jakubetz erlauben als einzige angemessene Tonlage den heiligen Ernst.
@36 Torsten
Zu „Haben wir hier denn einen leichten Fall?“ mach ich es wie die Politiker und gebe diese kluge Frage weiter an die Experten…
Stefan ? ;-)
Wie die Politiker – zu spät…
Stefan: Das mit den Altersangaben war nicht das Argument, sondern ein ausschmückendes Detail, ein Platzhalter.
@ Sebastian
Ganz so radikal würde ich das nicht sehen.
Die inflationäre Verwendung des Begriffs ‚Gutmenschen‘ ist doch mitunter auch ein Ausdruck von Hilflosigkeit.
Eben dessen, was du auch hier formulierst:
Anstatt den ausgleichenden, abwägenden, kritischen und differenzierten Angeboten der ‚Gutmenschen‘ zu folgen, wird die Sehnsucht nach einfachen Antworten auf äußerst kurze Weise ausgedrückt – ‚Gutmenschentum‘
Sicher reaktionär und in manchen Kontexten auch chauvinistisch -aber insgesamt sehe ich das nicht so dramatisch wie du – wir leben in einer offenen Gesellschaft und das ist auch nur eine Stimme im großen Chor – auch wenn sie momentan recht schrill erklingt.
Als einfache Antwort in Bezug auf das ‚gutmenschliche‘ Angebot von Bildblog, wird ja auch der Hinweis gegeben, dies nicht vorrangig als Informationsangebot zu werten, sondern als Entertainment – eine sehr schlichte Antwort.
Ausschnitte gibt es jetzt bei http://www.watchberlin.de zu sehen!
@ Thorsten: Glaube wir wenden Bestandteile des Bildes unterschiedlich an: Bild (bzw. deren Methoden) ist die Krankheit, Aufklärung ist die Medizin (unstrittig, Alternative wäre Schulterzucken), Honig (bzw. keiner) ist die Frage der Präsentation. Was du forderst, ist Akazienhonig statt Wildhonig.
So jetzt haben wirs aber wirklich totgeritten, das arme Pferd.
Hätte eine sehr gebrauchte Metaphernmaschine günstig abzugeben (Für Bastler!)
Alberto: Du hast mich nicht richtig verstanden – aber lassen wir es dabei.
Nur ein Gedanke: Wenn Bild als ganzes die Krankheit ist, wäre die Heilung erst mit Einstellung der Bild-Zeitung erreicht. Ich glaube nicht, dass das das Ziel der Bildblogger ist.
Das Bildblog hat ein Klischee-Problem: Wer „Gegen“ die Bild schreibt, ist nur dann unverdächtig, wenn er in einer Altbauwohnng mit unverputzten Wänden arbeitet, mindestens einer Subkultur angehört und sich seinen Mate-Tee eigentlich nur mit Spenden leisten kann. Alles andere scheint: ungehörig. Unterhaltung. Kommerz!
Wenn ich mich richtig erinnere, fing das Bildblog als so-nebenbei-Sache an. Immer mehr Menschen identifizierten sich damit, empfahlen es weiter. Charlotte Roche und Anke Engelke fandens auch gut, weil sie die miese Tour des Boulevard-Journalismus selbst erlebt haben. Sie machen ungefragt Werbung für Bildblog – einfach, weil die Sache sie überzeugt. Und irgendwann gibts sogar einen Werbespot – der, wie mir scheint, aus reiner Sympathie entstand. Einer Sympathie gegenüber einem immer noch verhältnismäßig kleinen Projekt, dass die BILD kritisch begleitet. Allerdings mit großer Außenwirkung.
Was ist daran jetzt gut geölt? Ich habe das Gefühl, dass sich Stefan und seine Kollegen immer mal wieder die Augen reiben und sich wundern über die Dinge, die so passieren: T-Shirt-Werbung bei Harald Schmidt. Werbedreh. Lesung. Wow!
Ich finde das grundsympathisch. Für mich liefert Bildblog die Munition, die ich brauche, um im Bekanntenkreis kritisch argumentieren zu können. Sie haben sich ihren Erfolg verdient. Sie probieren sich aus und nehmen uns dabei mit.
Kann es sein, dass das ganze Gemäkel nichts anderes ist als eine Art elaborierte Neiddiskussion? Höre ich da leicht irritierte Stimmen aus dem Elfenbeinturm der Medienleute? Ein Blog. Erfolg. Sich austoben. Einfach machen können. In den starr hierarchischen Medienlandschaften Deutschlands muss das irritieren.
Aude: Muss Marketing unsympathisch sein? Ich finde, viele gute Projekte sollten sich besser vermarkten.
Natürlich zielt Greenpeace auf Publicity, wenn sie am lautesten Apple kritisieren. Aber das ist ja Sinn und Zweck des Ganzen.
@45: Ich glaube auch nicht, daß die Einstellung der Bild das Ziel ist und die Heilung wäre. Wohl aber, daß sie endlich ihre Arbeit (sauber) macht. Eine Bild ohne Lügen, Übertreibungen und Eingriffe in Persönlichkeitsrechte wäre schon super. Daß die Bilder und die Überschriften so groß sind, wäre dann halb so schlimm. Ich würde Sie immer noch nicht lesen, aber auch nicht mehr bekämpfen wollen.
Aber vermutlich sind wir einer Meinung, Torsten. Die typische Gefahr von SMS und Email gilt auch für Kommentare. Man „verpaßt“ sich schneller als im echten Gespräch.
Alberto: Selbst mit einer lügenden und geifernden BILD könnte ich leben – wenn sie denn nicht so viel Einfluss hätte.
@Limited, 42: Ich würde aber dabei bleiben, dass es eine Sehnsucht nach „einfachen Antworten“ einer bestimmten Art ist. Vor der Illusion einfacher Antworten sind Linke ja auch nicht gefeit; der Linkspartei werden genau die zum Vorwurf gemacht. Aber diese einfachen Antworten sind bei Diekmann und PI nicht beliebt. Der Begriff „Gutmensch“ zielt immer nach links. Chauvinistisch ist er nur dann nicht, wenn er ausdrücken soll, dass jemand ein Heuchler sei, der sich also als „guten Menschen“ inszeniert, ohne sich wirklich um das Gute zu bemühen. In dieser Verwendung hat er eine gewisse Berechtigung – wenn der Vorwurf der Heuchelei begründet wird. Und das geschieht so gut wie nie.
Ich stimme dir aber zu, dass dieser Backlash durchaus nicht hegemonial ist. Es gibt sowohl Indifferenz ihm gegenüber als auch Gegenbewegungen. Zum Glück. „Dramatisch“ finde ich ihn schon, wenn ich gewisse Sachen so lese – deswegen aber nicht apokalyptisch. ;-)
@Torsten, #15: Ich finde es interessant, dass Du hier auf U und E zu sprechen kommst (also Unterhaltung und Ernsthaftes), denn ich glaube, dass ist immer noch ein Kernproblem gerade für Deutsche: Entweder etwas ist unterhaltsam oder es ist ernsthaft/gut/wichtig.
Inhaltliche Kritik soll offenbar nicht komisch präsentiert werden, weil das der Sache nicht gerecht würde. Ich finde es faszinierend, wie man eigentlich im Kern gegen die gleiche Sache sein kann („Bild“), dann aber meint, BILDblog doof finden zu müssen, weil das einen relativen Erfolg hat.
Da tut sich doch spätestens dann ein Logikproblem auf, wenn alle, die jetzt auf BILDblog rumreiten, tierisch aufpassen müssen, dass sie nicht auch noch Leser und Zustimmung kriegen, weil dann der nächste kommt, um ihnen ans Bein zu pissen.
Ich kenne Handwerker und Arbeiter, die in der Frühstückspause die Bildzeitung lesen und ihre türkischen Kollegen lesen die Hürriyet. Manche sind Gewerkschaftsmitglieder und viele wählen eher links. Abends schauen sie fern und je älter sie sind, desto öffentlich-rechtlicher gucken sie. Und nett und freundlich sind sie auch und überhaupt nicht rechtsradikal.
Mit anderen Worten: Die Lektüre der Bildzeitung hat ihnen wenig geschadet.
Und ich sehe hier Nichtleser der Bildzeitung, die allenfalls die Bildzeitung vom Bildblog kennen, die vielleicht die Schlagzeilen im Vorbeifahren an irgendeinem Kiosk lesen. Und die sorgen sich um den schlimmen Einfluss der Bildzeitung auf das politisch-kulturelle Klima in Deutschland.
Was in der Hürriyet steht, wissen sie nicht.
Und sie halten sich für etwas Besseres als die, die ihre Wasserhähne reparieren und ihre Autos zusammenschrauben.
Wenn Stefan schon unsere Leserumfrage erwähnt, will ich mich doch kurz zu Wort melden – die Umfrage läuft noch bis kommenden Sonntag, d.h. das folgende ist noch nicht zitierbar… :) Aber die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass zwei Nutzungsmotive eindeutig dominieren (jeweils von um die 80% genannt): „weil meine kritische Haltung gegenüber BILD fundiert sein soll“ und „weil ich mich unterhalten möchte“.
Detaillierte Auswertungen gibt es hoffentlich im Dezember..
[…] Niggemeier greift in seinem Blog diese Thesen auf und wirft Jakubetz vor, nicht idealistisch genug zu sein, gar diese idealistische […]
Die Argumentation kommt mir aus der Musikwelt bekannt vor:
Die klassischen Argumente gegen eine Band lauten bekanntlich:
– das erste Album war ja noch richtig gut,
– aber jetzt sind die viel zu kommerziell,
– jetzt wo sie jeder kennt, haben sie die falschen fans
– seit sie bei charlotte roche waren sind sie arrogant geworden
Wenn man neidisch ist, kann man das auch einfach sagen. Sebastian Sicks Aussagen werden nicht falscher oder schlechter, wenn er sie in einer Halle vorträgt.
Kann es sein, dass sich manche Kritiker einfach nur wünschen Teil einer nicht verstandenen Minderheit zu sein? Wenn ja, dann schmerzt es, wenn die kleine Minderheit zu groß wird. Ihh Mainstream!
Ich finde es sehr gut wenn Bildblog sich als Unterhaltung versteht. Dieser teils oberlehrerhafte Ton ist sowieso das einzig nervige an Bildblog.
Man schadet der BILD bestimmt nicht, indem man sie ernstnimmt. Und überhaupt – wer nimmt die Bild ernst? Ihre Leser bestimmt nicht, die kaufen sie als Unterhaltungszeitung.
Herr Niggemeier,
mich überzeugen Ihre Argumente irgendwie nicht, die die Argumente aus dem JakBlog verpuffen lassen sollen. Sie stehen nach wie vor im Raum.
Ich verstehe auch nicht, warum Sie das „perfekt geölt“ nicht verstehen bzw. gar abstreiten. Dazu müssen Sie doch einfach nur den JakBlog-Artikel richtig lesen und nicht nur kritisieren: BILDBlog-WERBESPOT, ANKE ENGELKE und CHRISTOPH MARIA HERBST in diesem Spot, LESUNG mit CHARLOTTE ROCHE, FETTES BROT legen auf diesem „Happening“ auf … All diese Dinge sind das Öl, auf dem BILDBlog noch sanfter dahingleitet.
Eigentlich doch gar nicht so schwer zu verstehen, oder?
Übrigens, Sie schreiben:
„BILDblog will informieren, und das, wenn es geht, auf unterhaltsame Weise.“
Genau das will die BILD auch.
Naja, irgendwie kommen mir die Relationen und die Ausgangspunkte doch sehr unterschiedlich vor.
BILD will Leser unterhalten, wenn da Informationen im Weg sind, müssen diese halt entsprechend zurechtgebogen oder notfalls erfunden werden.
BILDblog will informieren, wenn da Unterhaltung im Weg ist, muss man halt notfalls auf einen Gimmick verzichten.
> Etwa: Glaubt nicht, dass ihr mit euren Artikeln irgendetwas ändern werdet? Es wird kein einziges Gramm CO2 weniger ausgestoßen, nur weil Artikel über die globale Erwärmung erscheinen?
Sollen Journalisten denn überhaupt auf der Grundlage arbeiten, „irgendetwas verändern“ zu wollen? Sollten sie nicht eher neutral dokumentieren, das Für und Wider aufzeigen? Und CO2 hin oder her: Sollte sich ein Journalist mit einer Sache gemein machen, die „gut“ ist?
@59 (Michael):
Du weißt sicher, daß Hanns Joachim Friedrichs sagte:
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“
http://www.hanns-joachim-friedrichs.de
Leider findet man das heute nur noch selten, auch nicht bei Niggemeier, BILDBlog, taz oder Heise.
„Dramatisch“ scheint sich in letzter Zeit zu häufen. Manchmal im Sinne von „sehr“, „besonders“, manchmal — so kommt es mir jedenfalls vor — mehr so als Füllwort.
Um nicht nur herumzustochern: Georg Schramm hat sich, wie vermutlich einige Kabarettisten, darüber Gedanken gemacht, wie man dem „falschen Lacher“ vorbeugt. Vielleicht kann man es sich nur in der Kleinkunst leisten, einen Abend in Thomas Bernhards „Ein Eigenwilliger Autor“ einzurahmen. Jedenfalls hat Jakubetz versäumt darauf hinzuweisen, daß ihr nicht ohne Grund die Kommentare geschlossen habt. Schramms beste Waffe kommt übrigens ohne martialische Bilder aus: die Figur August. Über ihn zu lachen wäre nämlich wirklich schäbig.
@Christoph #6: Egal ob mit Anführungszeichen oder nicht, können Sie mir bitte erklären, was ein Gutmenschenblog ist?
Spreeblick, Bildblog, Stefan-Niggemeier, ein bisschen rebellmarkt…
Die Blogs, die mit wunderbarer Entruestung gegen das Unrecht anschreiben; uns deswegen von den neuen Rechten diese Plakette angeheftet kriegen. Das ist ja auch super; vermutlich wuerde heute auch Tucholsky ein „Gutmensch“ sein; ich lese diese Blogs sehr gerne.
Doch die Leserschaft ist manchmal einfach unertraeglich. So wie bei „PI“ Moslems und Linke ueber einen Kamm geschoren werden; werden oft in zB Spreeblicks Kommentaren Welt-/Bildleser oder CDU-Waehler als „Brunnenvergifterersatz“ gesehen.
Aussagen wie: „Dem Diekmann wuerde ich voll die Fresse polarisieren, wenn ich dem ma wo treffen taete; und dann das Springerhaus anzuenden“ sind nicht besser als „Ich hoffe, dass du Gutmensch mal von nem Kamelficker umgelegt wirst; da wirste schon sehen, was vom Vertrauen in die Blockparteien und die gleichgeschalteten Massenmedien kommt“
@Nachdenker: Niggemeier(-Blog), BILDBlog etc. würde ich nicht in den Topf werfen, da sind die Fronten klar. Ich stelle aber in Frage, ob Journalistenschulen lehren sollten, dass sich Journalisten bei ihrer Arbeit grundsätzlich für „gute Dinge“ einsetzen sollten. Es gibt meiner Meinung nach einen Unterschied zwischen „Augen öffnen“/“Mißstände aufzeigen“ und dem Vorsatz, „irgendetwas ändern“ zu wollen. Im CO2Blog gerne, aber nicht als Journalist im Massenmedium – der soll erklären, was es mit CO2 auf sich hat und die Positionen derer, die was zu ändern haben, darstellen. Was gut und schlecht ist, soll er aber das Publikum entscheiden lassen. Sowohl bei CO2, als auch bei den Wechselwählern..
Das Zitat von Friedrichs ist mir viel zu bemüht, klug zu klingen. Je länger ich darüber nachdenke, desto weniger sagt es für mich aus.
Wie soll „neutraler Journalismus“ gehen? Schon durch die Themenauswahl, durch die Gewichtung, was Titelseite oder Hauptbeitrag, was kurze Meldung werden soll, ist das zu berichtende Ereignis einer Verformung ausgesetzt.
Wichtiger ist viel mehr, dass der Rezipient weiß, wie er eine Nachricht einzuschätzen hat, wenn sie aus diesem oder jenen Medium kommt.
@63 Michael ‚Es gibt meiner Meinung nach einen Unterschied zwischen „Augen öffnen”/”Mißstände aufzeigen” und dem Vorsatz, „irgendetwas ändern” zu wollen.‘
Meiner Meinung nach ist dieser Unterschied nicht besonders groß. Der einzige Grund, einen Mißstand zu dokumentieren ist doch eben der, dass dieser abgestellt werden sollte. Oder vielleicht eine Diskussion in Gang zu bringen, ob der Mißstand wirklich einer ist.
Damit macht man sich nicht gleich mit einer Sache gemein. Sonst dürfte man über gar nichts berichten. Ich kann mit dem HJF-Zitat auch wenig anfangen.
[…] schreibt Stefan dazu, und ich neige dazu, ihn darin zu […]
Ob „all the president’s men“ ein weniger erfolgreicher Film gewesen wäre, wenn die Starjournalisten sich selbst gespielt hätten, statt
Redford/Hoffman?
@19 „perfekt geölte […] Maschinerie“ würde ich bildblog erst dann nennen, wenn man die Werbespots dafür schaut, weil sie so lustig sind, und nicht aus einer gewissen Grundsympathie mit allen Beteiligten heraus.
@57 Deine Shift-Taste klemmt.
[…] – warum geht das nicht?]. Punkt (siehe hier). Und dass Stefan Niggemeier in seinem Blog (siehe hier) auf Jakubetz’ Beitrag reagiert, wird bei F!XMBR mit dem überstrapazierten Sprichwort […]
[…] Dem Bildblog jetzt, wie mehrfach in der momentanen Diskussion gemacht, den schwarzen Peter unterzuschieben, weil sie ja da sind und jetzt auch noch so frech sind und mehr (vielleicht ‘ne Tournee) wollen, ist, ja, eigentlich auch nur ein Zeichen dafür, wie sehr wir mehr Medienerziehung brauchen. Ich möchte sie Herr Jakubetz hier und jetzt natürlich nicht erziehen oder ihnen gar eine Nachschulung in Sachen Medien zukommen lassen, aber ihre Argumente, in jeglicher Hinsicht, hinken, straucheln und fallen eigentlich, ohne das man sie noch lesen müsste, schon in sich zusammen. Stefan konterte ja schon durchaus angemessen. […]
Auch interessant in dem Zusammenhang das ficmbr wohl nur kommentare zulässt die in die anscheinend strark verschurbelte Weltanschaung der Besitzer passen. Kritik an den so „selbstlos“ angeprisenen produkten wird nicht freigeschaltet. Jedenfalls dauert die freischaltung länger als bei den Kollegen „im Geiste“ von WELT, FAZ usw.
Aber man kann den Komment ja noch in 3 wochen freischalten, da ist dann das Leserinteresse bestimmt am größten.
Prima, so schadet sich jeder selbst so gut er kann.
Ps: Link fixmbr meldung die ich kritisiert habe. Der vlc funktionert bei mir seit jahren nichtmehr richtig. Aber das will dort keiner wissen.
http://www.fixmbr.de/videoplayer-vlc-v092/
PS: Weitere Meinungen
http://romanmoeller.wordpress.com/2008/09/08/wie-ware-es-mit-artikel-5-werte-bloggerkollegen/