Manchmal kann man an Werbebotschaften dann eben doch einen Paradigmenwechsel ablesen.
Als 1993, und das ist heute tatsächlich eine kleine und in Mediendimensionen fast drei Ewigkeiten her, der „Focus“ erstmals veröffentlicht wurde, da war das große Versprechen von Helmut Markwort und Hubert Burda: Fakten, Fakten, Fakten.
Dieses Credo, und speziell die Art mit der es Helmut Markwort in den Werbespots für das Magazin wenig eitel in den Raum stellte, entsprach zwar nicht wirklich dem Leistungsumfang des Focus, der, wäre Werbung ehrlich, wohl eher mit „Grafiken, Diagramme, Tabellen“ hätte werben müssen. Aber dieses „Fakten, Fakten, Fakten“ war sehrwohl Ausdruck eines Bedürfnisses der Leserschaft, mit Tatsachen, Informationen, Wissen beliefert zu werden.
Wenn nun also Jakob Augsteins „Freitag“ sich selbstbewusst den Untertitel „Das Meinungsmedium“ auf die Fahnen schreibt, dann ist die These, der Strukturwandel der Öffentlichkeit hätte – wieder einmal – eine neue Richtung eingeschlagen, nicht so ganz abwegig.
Ein anderes Beispiel: Während in Journalistikseminaren noch immer fein säuberlich zwischen „informierenden Darstellungsformen“ und „meinungsäußernden Darstellungsformen“ unterschieden wird, kümmert sich das vermutlich einzige wirkliche Leitmedium des deutschsprachigen Internets um solche Petitessen nicht: Auf Spiegel Online werden Hintergrund und Urteil beinahe grundsätzlich gemeinsam serviert. Das hat durchaus Vorteile: Der mühsame Prozess, sich selbst eine Meinung zu bilden wird ebenso abgekürzt wie das oft ein wenig trockene Recherchieren und Referieren von Fakten und Inhalten. Gefällt das Ergebnis dem Leser nicht, kann der ja im Forum zur Gegenrede ansetzen – auch das ist durchaus erwünscht. Vielleicht findet sich ja auch noch ein Blogger, der sich aufregt – umso besser. Und ganz nebenbei kann ein Autor in einem Kommentar stets das gesamte Arsenal seiner Rhetorik auffahren und sprachlich brillieren – statt bloß aufzuschreiben, was eben der Fall ist.
Das Phänomen betrifft selbstverständlich nicht Spiegel Online allein: Quer durch die Presse zum anstehenden „Superwahljahr“ zieht sich etwa eine Berichterstattung an der sprichwörtlichen Oberfläche. Anstatt tatsächlich politische Analysen, so schwierig diese gerade aktuell auch sein mögen, zu versuchen, begnügen sich immer mehr Beobachter mit einer Art Stilkritik der Politik – man betrachtet die Inszenierung und mutmaßt über die Auswirkungen (hier beispielsweise auf Carta). Ja, das mag eben dabei herauskommen, wenn an den Journalistenschulen der Anteil an Theater-, Film- und Fernsehwissenschaftsabsolventen höher ist als jener der VWLer – führt aber zwangsläufig dazu, dass Politik tatsächlich nur noch als das betrieben wird, was kritische Journalisten dem Politischen ohnehin seit Jahren vorwerfen zu sein: ein Kasperletheater. Substanzielle Kritik, umfassende Recherche und Erläuterungen komplexer Sachverhalte? Fehlanzeige.
Einen strukturell artverwandten, vielleicht sogar prototypischen Fall aus England beschrieb Mercedes Bunz vor Kurzem in ihrem Blog: Da hatte Arnold Schwarzenegger, der Gouverneur von Kalifornien, unlängst angesichts der extremen finanziellen Engpässe, denen sich Kalifornien ausgesetzt sieht, den Vorschlag unterbreitet, die Schulen mögen doch bitte prüfen, inwieweit sie Schulbücher durch digitale Quellen ersetzen können, um freiwerdenden Finanzmittel in Lehrkräfte zu investieren. Nun mag man von der Idee halten was man will, viel interessanter sind hier die Reaktionen der englischen Presse:
• Daily Mail : „Rise of the machines: Arnold Schwarzenegger terminates school book and tells pupils to go digital“
• Financial Times: „School textbooks near digital doomsday“
• Telegraph: „California’s ban on printed textbook“
Die Boshaftigkeit mit der da vermeintlich seriöse Berichterstattung die Realität so lange dreht bis „to terminate“ und „Schwarzenegger“ in der Überschrift nebeneinander stehen können, grenzt an Vorsätzlichkeit. Ganz ähnlich aufgebaut war das, was der Tagesspiegel-Autor Joachim Huber nach den Europawahlen über die Piratenpartei schrieb. In beiden Fällen schienen die Autoren keinen Deut informiert oder auch nur im Ansatz an Tatsachen interessiert zu sein. Man mag den Fall Schwarzenegger ./. englische Presse als Tiefpunkt einer anhaltenden Tendenz betrachten oder den Fall Huber ./. Piratenpartei als Fortschreibung eines Generationskonfliktes – Ausrutscher in einem sonst einwandfreien Systems sind diese Fälle allerdings eher nicht.
Woher kommt nun und wozu dient dieses Rumgemeine? Woher die Hinwendung zum Eindruck und woher das Zurücklassen der Faktenlage? Gerade wo gemeinhin konstatiert wird, dass die Zusammenhänge der Welt durch die Globalisierung von Wirtschaft, Politik und Lebensformen einerseits und durch die Individualisierung von Lebensläufen und Werten andererseits, zunehmen komplex geworden sei, scheint es so, als würde die Berichterstattung über diese immer komplexere Welt anstatt Schritt zu halten, bevorzugt meinungsstarke, einfache, schnelle Antworten geben wollen. Wo kurzfristige Aufmerksamkeit die einzige Währung ist, ist Wissen der expliziten, undifferenzierten Meinung bloß lästig. Dass der Lauteste nicht immer der Klügste ist, ist zwar altbekannt – ändert aber leider nichts daran, dass auch dem Dümmsten die volle Aufmerksamkeit zuteil wird, so er nur laut genug ist.
Wenn nun aber die Berichterstattung, egal ob nun in Blogs oder Zeitungen, die lästige Chronistenpflicht und das Handwerk des Verstehens und Erklärens zunehmend aufgeben und sich nur noch der Gegenrede widmen – auf welcher Grundlage soll dann geurteilt werden? Auf welcher Grundlage soll und kann ich als Leser mir tatsächlich: meine Meinung bilden? Oder anders gefragt: Wenn alle nur noch Meinungen anbieten – wo kann ich mich dann bitte informieren?
Sehr guter Text, vielen Dank! Insbesondere die politische Berichterstattung stößt mir da schon seit langem übel auf, wird doch da nur noch berichtet, ob Beck den Münte mag, ob Steinmeier dem Schröder ähnelt, warum Merz die Merkel nicht ausstehen kann und ob Lafontaine eventuell nur die SPD ärgern möchte. Tatsächliche Analysen, welche Gesetze unter welchen Mehrheiten und mit welchen Auswirkungen beschlossen wurden (oder nicht, wie beim Mindestlohn), finden sich leider nur noch selten.
In diesem Sinne herzlich willkommen!
Meinst du wirklich? Wie ist denn die Faktenlage zu diesem Sachverhalt?
Gibt es da was mit Zahlen?
Sehr schöner Text! Zum Thema: Ich denke es geht schon lange nicht mehr darum, wo ich mich informieren kann (im Sinne von: wo ist die Quelle, die ich lesen und der ich blind vertrauen kann).
Sondern hierum: Wie kann man Medienkompetenz vermitteln, so dass man Meinungsfreude erkennen und annähernd beurteilen kann, was man liest?
Daniel, du hier?! Ich finde, du siehst das mal wieder alles viel zu verkrampft.
Dass der Focus versucht, seinen Fakten, Fakten, Fakten in Grafiken, Diagramme, Tabellen gerecht zu werden, hat einen Grund. Fakten sind genau so. Zwar können auch Grafiken, Diagramme, Tabellen lügen und sogar meinen, aber Fakten bleiben nun mal in diesem Verarbeitungsgrad was sie sind: langweiliges Geröll. Allerhöchstens ein „Halbfertigprodukt“ (BWL). ;)
Ich erwarte von Journalisten, dass sie die Fakten in Korrelation zu einander bringen. Erst das erschließt sie mir (was der Focus mit seinen Grafiken, Diagramme, Tabellen aus meiner Sicht eben sehr unzureichend gemacht hat.)
Aber schon da fängt die Meinung an. Denn wenn ich Fakt A in Beziehung zu Fakt B bringe, blende ich oft genug Fakt C komplett aus. Und zwar aus gutem Grund. Es würde die Story zerstören. Und das ist auch nicht in meinem Interesse. Die Story, die ich lesen will, soll konsistent sein. Sie soll Stellung beziehen. Gerne auch subtil und indirekt.
Ich bin der festen Überzeugung, dass Fakten ohne Meinung Daten sind. Zahlenreihen, zB. Unlesbar, undurchschaubar und: stinkepinkelangweilig. Ich bin kein Datenverarbeitungssystem. Ich bin ein meinendes Wesen. Nicht Fakten bestimmen meine Meinung, sondern andere Meinungen. Deine Auffassung der Formulierung der eigenen Meinung im Journalismus als ein dem Leser-Abnehmen-der-Meinungsbildung halte ich indes für eine sehr eindimensionale und naive Sicht auf den Prozess Meinungsbildung schlechthin. Ich versuch das mal aufzuklären:
Als Leser lese ich Journalist x, der Fakt A mit Fakt B zusammenbringt. Oft kenne ich Journalist X schon und halte ihn für einen kompetenten Menschen/Vollidioten und bewerte das entsprechend. Oder schaue, ob ich seiner Argumentation folgen kann, sie evident finde. Dann lese ich meinst noch Journalist Y, der Fakt A auf Fakt C bezieht. Aha! Danach ziehe ich mir genüßlich zu Gemüte wie Blogger G bis R die Journalisten X und Y grillen, weil die ja eh keine Ahnung haben. Daraufhin schreibe ich endlich meine Meinung Z auf, weil ich finde, dass die ja noch gar nicht doll genug und so. Das alles nennt man das Diskurs und das ist unendlich informationtechnisch effektiver als jede Faktenaneinanderreihung, die man sich vorstellen kann. Und mehr Spaß macht es auch!
Und in unserer heutigen schönen neuen Medienwelt, in der früher oder später sich irgendjemand findet, der jeden Fakt auf jeden anderen Fakt bezieht und auf diese Weise herummeint, bin ich, wenn ich will, multiperspektivisch Informiert. Mehr denn je.
Aber bei Dir mach ich mir da eh keine Sorgen.
@malte: stört mich irgendwie nicht, daß es hier keine belastbaren Zahlen zu den Thesen/Kritikpunken im obigen Text gibt. Ich war immer der Meinung(!), daß in Blogs auch gerne mal subjektiv rumgemeint werden darf.
Ansonsten steh ich ja auch eher auf Fakten. Z.B. nach einer Wahl will ich Zahlen sehen und nur am Rande wissen, ob der ein oder andere irgendwelche Ergebnisse nach selbst erdachten Kriterien für ‚viel‘ oder ‚wenig‘ hält. Gibt es zu viele Arbeitslose? Ist die Staatsverschuldung zu hoch? Natürlich muß man die blanken Zahlen hinterfragen und natürlich auch in Beziehung setzen – hier wäre m.E. eine differenzierte Auseinandersetzung schön, oft habe ich aber eher den Eindruck, daß mich ein Schreiber mit blumigen Worten nur von seiner Meinung (oder schlimmer noch: einer Meinung, die er sich mal eben so zurechtlegt) überzeugen will.
Das ist aber nur mein Empfinden und Rumgemeine.
So, ich geh dann mal wieder wissenschaftliche Artikel lesen, in denen für mich nachvollziehbare und von mir überprüfbare Fakten stehen. So Zahlen und so…
Aber war das denn tatsächlich jemals anders? Nun bin ich nicht so alt, als dass ich das richtig beurteilen könnte, aber wenn ich im Spiegelarchiv blättere, stelle ich fest, dass der wohl schon immer so war. Nicht nur im Hinblick auf diese merkwürdige Schreibe, sondern auch in der Vermengung von Fakt und Meinung.
Der Werbespruch des Focus ist als Fundament für diese Theorie dann doch ein wenig dünn.
In der Sache selbst gebe ich Dir aber recht. Eine Trennung die den Leser zur eigenen Denkleistung einlädt, täte zuweilen ganz gut.
Oh, wobei Journalisten natürlich auch rummeinen dürfen, wenn es nachvollziehbar ausgeführt wird und eine Perspektive aufzeigt, die vielleicht tatsächlich für einen außenstehenden Leser nur schwer zugänglich ist. Wir habenn halt Jo Groebel.
Die politische Berichterstattung ist schlimm?
Dann schaue man sich mal das an, was so als Wissenschaftsjournalismus durchgeht. Das ist wirklich fast durch die Bank entsetzlich. (Prima Beispiele bei Spiegel Online, natürlich. „Tiere haben den Röntgenblick!“)
Zu beidem kann man eigentlich nur sagen: Stephen Colbert hat mit dem Wort „truthiness“ und dessen Definition den Nagel auf den Kopf getroffen. Wo das herkommt? Ich habe da so meine Vermutungen, aber noch keine fundierte Meinung… und mein Hirn mag ich als Datenverarbeitungsmaschine um einiges lieber als als Meinungsschwamm. Ehrlich. ;)
@4 Mspro: Deine Diskursvorstellung ist wirklich sehr schön und ideal – aber für wieviele Bereiche gilt das denn, dass du im Grunde alle Journalisten, ihre Position und Gegenspieler kennst? Und wieviele Zeitungen liest du denn jeden Tag so? Wenn dich nur ein Thema interessiert, dann geht das vielleicht noch. Aber in der Breite? Zudem du, und das zeigt Stefan hier ja regelmäßig, im politischen Tagesjournalismus früher oder später in der DPA-Schleife landest.
@6 Sebastian S.: Ja, war es – immerhin dem Anspruch nach. Der gedruckte Spiegel beispielsweise hat erst gar keine „meinungsäußerenden Darstellungsformen“ und legt großen Wert auf einen möglichst sachlichen Stil – SPON dagegen veröffentlicht reihenweise Kommentare am Tag – und erlaubt in eigentlich allen Beiträgen eine meinungsäußernde Darstellung.
Grundsätzlich ist natürlich jede Informationsauswahl ein eigener Kontext. Aber es hat schon eine andere Qualität, wenn – boulevardisierend – überall „Skandal“, „Niedergang“ usw. draufgeschrieben wird. Sind das nicht eigentlich auch oft Werturteile, die man als Leser nicht vorgekaut bekommen will, sondern eigentlich sehr gut selbst einschätzen kann?
Und wenn alle Blogger unter die Hobbyphilosophen gehen und ihre Texte mit Aporien beenden, sollte ich dann anfangen, den Focus zu lesen?
Korrekturwunsch: ‚wenig eitel‘ irritiert mich. Sollte das auf Helmut Markwort zutreffen, welche Kategorien gibt es dann noch für Thoma, Diekmann und Bohlen? Sich überhaupt so als Macher in Szene zu setzen, nicht selten mit geballter Faust, drohendem Stubbelzeigefinger oder mit viel Weltschmerz geschwungener Brille, wirkte auf mich von Anfang an wie ein kompensierender Akt – und ich war achtzehn, und wusste also, was mich schmerzte.
Ich würde so weit gehen zu sagen, dass die meisten Menschen sich gar nicht objektiv über politische Themen informieren _wollen_. Deswegen lesen Konservativen so gerne die FAZ, Linke die Nachdenkseiten, Xenophobe PI usw. Die Inhalte dort sind zwar jeden Tag in etwa so überraschend wie das Weihnachtsgeschenk von Tante Ilse (Socken ;-)), aber wann wird täglich in seiner eigenen Meinung bestärkt und vermeidet kognitive Dissonanzen. Objektive Berichterstattung (sofern es diese überhaupt geben kann) und andere Meinungen sind von den meisten glaube ich gar nicht gewünscht.
Wow, guter Start. Musste nochmal an den Anfang schauen, ob’s wirklich kein „echter Niggemeier“ ist, denn vom „Hitlerblogger“ hatte ich anderes erwartet…
Zum Thema: Ja, SpOn wirkt schon lange stilistisch wie eine etwas seriösere BILD (seit der Übernahme einiger Springer-Mitarbeiter noch extremer). Außerdem waren sie eine der ersten Nachrichtenseiten, die nicht derart grausam layouted war, dass man völlig die Orientierung verlor (Spaltensatz online – als 800 Pixel Breite Standard waren). Und sie waren relativ schnell (viele Konkurrenten brachten nur eine Auswahl der News von gestern). Wer weiß, was davon die Hauptursache für den Erfolg war. Es scheint aber so, als würde versucht, sicherheitshalber einfach mal alles abzuschauen, statt ein eigenes Profil zu prägen. (Und Layout/Navigation ist bei vielen Seiten immer noch grausam. Könnte man beim Abschauen nicht ein paar Verbesserungen statt Verschlimmerungen reinbringen?)
Was ist eigentlich aus der guten alten Aufteilung Fakten/Pro/Contra geworden? Sowas ließe sich doch gerade online sehr schön umsetzen. Und gerade SpOn hätte einen politisch ausreichend durchmischten Kommentatoren-Pool (ein paar linke scheinen ja trotz Broder geblieben zu sein… ;)).
[…] Sehr guter Artikel von von Daniel Erk. Beschlagwortet mit:Blog, Information, Medien, Meinung Comments Off « SEO Statistik: Mediawiki Software weit vorne […]
Vom sanft manipulierenden Stil gefärbter Nachrichten
Ich meine, hier zeigt sich die tatsächliche Meinungsführerschaft und auch Stilführerschaft von SpOn. Eine Zeitung wie der Tagesspiegel hat zwar gleichfalls einen rechtsliberalen politischen Zuschnitt (steht aber noch links von den Chefredaktionen im SPIEGEL – ein Artikel wie dieser würde den Weg in den SpOn nicht finden), der Tagesspiegel trennt allerdings Meinung und Nachricht sehr sorgfältig – oder, falls diese Trennung einmal aufgegeben wird, so wird die gewählte Meinung sorgfältig und nachvollziehbar begründet.
Diese Art von Sorgfalt entspricht allerdings in keiner Weise der typischen Hybris, die an der Brandtwiete gepflegt wird.
Dazu kommt noch etwas anderes. Da die Beeinflussung der potentiellen Wähler und Kunden ein interessantes und mitunter sogar Profite versprechendes Geschäft ist, hingegen Recherche und Sorgfalt aus Verlegersicht zu viel Geld kosten, wird sich der sanft manipulierende Stil gefärbter Nachrichten wohl weiter ausbreiten.
Es gibt allerdings, nach wie vor, mit FAZ und Tagesspiegel zwei Medien, wo Sorgfalt, Recherche und die Trennung von Nachricht und Meinung sehr viel gelten. Der SpOn wird vom jungen Internetpublikum dennoch sehr viel lieber angeklickt, was vielleicht auch als Beleg mangelnder Medienkompetenz gelten kann…
Umgekehrt könnte man sagen, wie wichtig die Wächterfunktion unabhängiger Journalisten und kritischer Blogger ist, welche als fünfte Gewalt die vierte Gewalt der etablierten Medien verstärkt kontrollieren und kritisieren sollten und damit – hoffentlich – den von Verlegern und unkritischen Journalisten betriebenen Qualitätsverfall von Nachrichtenmedien bremsen.
Noch nie war das Internet so wichtig wie heute.
Paradoxer Weise ist das Internet (als Konkurrent der Printmedien um Aufmerksamkeit und Werbemärkte) zugleich ein innerer Grund für den allgemeinen Qualitätsschwund im Printgewerbe, als auch ein Grund zur Hoffnung, jedenfalls in der Gestalt einer kritischen Öffentlichkeit.
Darum: Wir sind gefordert.
Daily Mail geht bei Ste(… ach so: Daniel Erk) als „vermeintlich seriöse Berichterstattung“ durch?
Vielleicht ist es auch gar nicht so schlimm, dass die Zeiten so apokalyptisch sind. Denn im schlimmsten Fall stellen diejenigen, die den Meinenden folgen, irgendwann fest, dass sie in die falsche Richtung gegangen sind (z.B. die „falsche“ Partei gewählt, etc.). Dadurch werden sie wiederum skeptischer und machen den gleichen Fehler nicht ein zweites Mal. Sie werden also automatisch zu mehr Medienkompetenz und -kritik erzogen.
Einen wirklich objektiven politischen Text gibt es meines Erachtens nicht. Objektivität ist reines Wunschdenken, das auf der Fehlannahme beruht, es gäbe eine Beobachtung ohne Beobachter. Jeder Autor lässt in politische Analysen (und sei es unbewusst) persönliche Ansichten einfließen, selbst wenn sich dies nur in der Wortwahl oder bestimmten Gewichtungen äußert.
Daniel, da hast du mich völlig falsch verstanden. Ich hab doch nicht geschrieben, dass ich alle Meinungen kenne. Ich würde auch nie behaupten, dass das notwendig ist. Ich kenne ein paar, das hilft mir doch schon. Und ich kenne natürlich vor allem die paar, die ich am besten einordnen kann weil ich regelmäßig durch ihre Brille schaue. Die Idealsituation empfinde ich nichtmal als erstrebenswert.
Es geht beim Lesen journalistischer Produkte doch nicht darum, mich in die Sphären eines Allwissenden zu hieven, sondern darum mich /genug/ informiert zu fühlen. Das ist natürlich subjektiv und bei jedem anders. Und das ist okay. Ich hab das Gefühl, du hängst da einem ziemlich anachronistischen, aufklärerischen Ideal an, das noch nie die Aufgabe des Journalismus war. (ich nehme an, Du kennst die „Realität der Massenmedien“ von Luhmann?)
Wogegen ich protestieren wollte, ist die Auffassung, dass der Leser eine dumme Affirmationsmaschine ist, der Meinungsartikel gerne deswegen ließt, weil er sie ungefiltert übernehmen kann. Das ist immer weitaus komplexer.
Wo sich informieren, um den eigenen Weg zu finden – wenn allüberall „das Geld“ als der kleinste gemeinsame Nenner des doppelnamigen Spielers Dezisionismus-Nihilismus die autoritäre Vortänzerrolle usurpiert hat, die es so gnadenlos wie eifersüchtig gegen alles, was da kommen mag, mit einer extraharten Mono-Politur aus eigener Fabrikation verteidigt … den so blutigen wie blutleeren „Fakten“ (Welt minus Mensch)?
Fast – aber fast nur – romantisch, diese Frage; wunderbar, in Wirklichkeit, wann immer sie formuliert wird.
Sehr richtig: Lautstark und inflationär rum-meinen ist doch die große Ablenkung von ihr; daher ist solches noch der traurige Rest, der … Geld verdient. Also maßgeblich ist, ohne – ausser dem ungültigen Ersatz eines beliebig setzbaren, nur willkürlichen, stets möchte-gern-monopolistischen Postulats – ein Maß zu haben (das also nur in einer Dialektik sein kann).
Weil das am schwersten zu verstehen ist, hier eine ungewöhnliche Maßnahme für einen Blogpost, ein Zitat (Es stammt von Giorgio Agamben, Die kommende Gemeinschaft, Berlin: Merve 2003, S.43):
„Die Tatsache, dass der Mensch weder ein Wesen, noch eine historische oder spirituelle Berufung, noch auch eine biologische Bestimmung hat oder verwirklichen sollte, muss der Ausgangspunkt eines jeden ethischen Diskurses sein (…)“
Ich mag den Text. Da hat Herr Niggemeier ja eine würdige Vertretung gefunden.
Meiner Ansicht verlieren die Medien ihre Bedeutung als „vierte Gewalt“, denn die zunehmende Boulevardisierung nimmt dem die Legitimation. Eigentlich werden Medien durch die Pressefreiheit geschützt, weil der Grundgesetzgeber deren Beitrag zur Meinungsbildung respektiert. Wenn aber eine Meinung gegeben wird, kann, wie bereits erwähnt wurde, keine Meinungsbildung stattfinden.
Obige Erkenntnis/Kritik ist nur der erste Schritt. Hinzu kommt, dass die faktischere Alternative oft ein „er sagt/sie sagt“-Journalismus vorwiegend angloamerikanischer Prägung ist, der unterm Strich eher noch weniger informiert.
Drittens muss man sehen, dass die sorgfältige Abwägung (den ohne diese geht es nicht) von Fakten und die weitgehend objektive, aber noch in begrenzter Zeit konsumierbare Darstellung derselben eben sehr harte Arbeit ist, die auch nicht jeder oder jedem gelingt. Wer will kann an dieser Stelle noch einen Exkurs auf die ökonomischen Rahmenbedingungen und das beobachtbare Konsumenteninteresse einflechten. Eigentlich reicht es aber völlig, festzuhalten, dass Spitzenleistungen nirgends die Regel sind (siehe auch: Sturgeons Gesetz).
Ich müßte mal wieder irgendetwas schreiben, nehme dazu ein paar gefundene Häppchen und konstruiere daraus flugs einen Trend im Journalismus. Weniger geht nicht, möchte man denn auffallen.
@2, Malte: Danke!
schöner text. die selbe beobachtung plagt mich auch schon länger: politisches geschehen als komödienstadtl – wer hat wen beschimpft, was denkt a über b?
ich glaube aber nicht, dass dieser stil und die freude an der kampagne spiegel zum „meinungsführer“ machen. spiegel online ist einfach sehr schnell und die startseite einer der besten nachrichten-überblicke im deutschen netz. aber für die meinungsbildung gehen viele sicher woanders hin. das ist ein bisschen wie bildtitel-gucken beim bäcker: gucken, was es interessantes gibt und dann bei ernstzunehmenden medien die information ergänzen.
und, malte: ich bin nicht sicher, mit welchen zahlen du die qualität von artikeln messen willst – das kann nur der fokus. ;)
Hallo !
Ja Meinung ist doch wohl auf Infomation basierend ? Oder etwa nicht! So mein kleiner Einwand dazu.Abwer der Text gefällt mir lieber Daniel. Gut geschliffene Formulierungen.So macht lesen Spaß ! Wen der Inhalt dann auch noch was sagt,ist alles doch recht gut!
Schönen Tag und auf ein Neues!
Zur letzten Frage: Suche die Antworten in Dir und bei Gott!!;))
Tja, wir leben halt in einer Meinungsgesellschaft und sind weit von einer Wissensgesellschaft entfernt. Viele denken, meinen reiche. Reicht aber nicht, ich weiß das.
Alles korrekt und trotzdem nicht richtig. Wenn man schon Methodenkritik betreibt, sollte man doch wenigstens die angeprangerten Methoden selbst unterlassen. Es gibt genausoviele Einzelbeispiele für guten Journalismus, wie für schlechten. Aber gibt es auch Zahlen?
Dazu kommt: Focus ist nicht gleich englische Presse ist nicht gleich Spiegel Online ist nicht gleich Carta. Wer wird hier kritisiert? Die gedruckte Tagespresse, Nachrichtenwebsites, Blog-Magazine oder doch ein Wochenmagazin? Onlinejournalismus unterliegt anderen strukturellen Vorbedingungen als Print-Journalismus. Der Freitag-Redaktion vorzuwerfen, dass ihr Produkt symptomatisch für die journalistischen Verfehlungen der Nachrichtensites steht, ist denkfaul.
Sicher gibt es Boulevardisierungstendenzen. Diese sind aber auf viele verschiedene Gründe rückführbar, die Medienwissenschaft müht sich in Deutschland seit Jahren daran ab (siehe vollkommen willkürlich als Beispiel ausgewählt hier: http://www.netzwerkrecherche.de/docs/ruhrmann-goebbel-veraenderung-der-nachrichtenfaktoren.pdf.)
Interessanter ist doch, warum diese Tendenzen bestehen. Honorieren die Leser unfundierte Meinungsbeiträge? Ich denke, dass sich gerade die Tagespresse mit jedem seichten Meinungsartikel selbst ein Bein stellt. Besser kann man die eigene Irrelevanz gar nicht zur Schau stellen, und die Leser verscheuchen.
Schlimm finde ich, wenn die Klage vom verlorengegangenen Reportertum und den originären Fakten in eben jener seichten Meinungsform angestimmt wird, die als Ursprung allen Übels identifiziert wird (ähnlich hat Miriam Meckel in der FAZ vor einigen Wochen getan).
Danke fürd en Text. Ich musste auch vor kurzem dran denken als Dobrindt in der RP damit zitiert wurde dass er Steinmeier als „Oberlangweiler“ bezeichnete.
Aber ist es nicht irgendwie ironisch so einen Text in einem Blog zu publizieren, wo Blogs Fakten, Fakten, Fakten oftmals doch am fernsten sind?
@ Stefan:
Die Mahnung vor dem „Zurücklassen der Faktenlage“ ist richtig und muss immer wieder erfolgen – aber die Dichotomie von Fakten und Meinung, die hier aufgemacht wird, ist selbstredend auch stark unterkomplex. Und auch dieses Blog glänzt ja nicht selten mit der kurzweilig meinenden Intervention.
Wenn man das Mediensystem als Ganzes betrachtet, wird man feststellen, dass es weder einen Mangel an Fakten noch ein Meinung gibt, sondern eine Fülle von unterschiedlichen Syntheseversuchen. Wenn man sich – in Abgrenzung zum Rest des Medienangebots – dann mal (nicht durchgehend) auf Stilkritik konzentriert, dann ist dies der Versuch einer sinnvollen Ergänzung der Mainstream-Berichterstattung (was in diesem Fall sicher nicht ganz überzeugend war). Die Beobachtung der Wahlkampfstrategien der Parteien ist ein durchaus legitimer Ansatz, finde ich. Viele andere haben andere Ansätze verfolgt.
Mein Eindruck ist insgesamt, dass gerade auch durch Blogs und eine spezialisierte Öffentlichkeit die Policy- gegenüber der Politics-Berichterstattung wieder an Gewicht gewinnt. Insgesamt also eine positive Entwicklungsrichtung.
ich stimme tov in #12 zu, dass die meisten Menschen sich gar nicht die Mühe machen wollen, sich umfassend zu informieren, besonders wenn es sich um komplexe politische Zusammenhänge handelt. Das macht es dann auch leichter, die auf dem Silbertablett präsentierten Meinungen anderer zu übernehmen.
Und echte Medienkompetenz ist ja eine schöne Sache, in der Realität aber vermutlich kaum in dem Maße zu finden, wie es für eine Demokratie, die diesen Namen verdient, wünschenswert wäre.
Sehr schöner Text!
Ja… an Spiegel Online komme ich auch nicht vorbei. Eine Zeit lang hatte ich es ohne versucht, aber die wiederkehrende Unruhe, etwas zu verpassen, hat mich wieder zurückgeholt. Nur Twitter alleine reicht nicht, ich habe auch den Wunsch, die Stimme des gesellschaftlichen Konsens zu hören (zur Verortung meiner Position relativ zur Mitte).
Schade, dass es kein vergleichbares öffentlich-rechtliches Angebot gibt, das wäre mir noch lieber.
Ich muß Kommentar #18 in seiner Verneinung jeglicher Möglichkeit von Objektivität zustimmen. Wie oft sind Fakten Auslegungssache. Somit ist der hier aufgemachte Gegensatz von Information und Meinung beileibe nicht so starr, wie es im Artikel anklingt. Sonst wäre der Begriff ‚Wissensaustausch‘ wohl auch eher eine Einbahnstraße.
Finde ich persönlich ziemlich gut, da ich äußerst selten glaube, eine Einzelperson – und sei sie noch gut über das Thema informiert – habe die Weisheit in derartigen Mengen mit dem Löffel gefressen, daß sie ihre Absonderungen in den heiligen Gral zu scheißen berechtigt wäre.
Aber auch das ist lediglich meine persönliche Meinung, der ich hinter solch kulturpessimistischen Aussagen wie „Trend zur Boulevardisierung“ stets das gefürchtete „Früher war alles besser“ scih verstecken sieht. Auch wenn ich mich oft zum Optimismus zwingen muß.
Zitat: „Wenn alle nur noch Meinungen anbieten – wo kann ich mich dann bitte informieren?“
—> de.wikipedia.org
wahrscheinlich wird das von seiten der Journalisten sogar bewusst einkalkuliert.
… ich halte das sogar für eine gute arbeitsteilung.
In der Tat ist Objektivität eine Totschlag-Forderung, die unerfüllbar ist. Da es nicht möglich ist, alle Fakten, historischen Bedingungen usw. einer Sache auf der zur Verfügung stehenden Projektionsebene gleichwertig zu zeigen, entstehen durch hierarchische Auswahl des Kerngedankens (sowie durch Weglassen der Nebenaspekte) automatisch Subjektivierungseffekte. Ein Artikel, der es irgendwie schaffte, objektiv zu sein, wäre zudem unlesbar, da jede Schwerpunktsetzung sich aus Gründen zu vermeidender Subjektivität verböte – Ergebnis wäre eine chronologische Schilderung, in der Wichtiges und Unwichtiges gleichwertig präsentiert würde.
Neutralität erscheint mir der sinnvollere Begriff: Gewichten ja, aber ohne politische Vorbehalte. Dazu gehört Transparenz: Es muss dem Leser klar gemacht werden, warum ich etwa die Geschichte „Münte und Steinmeier“ erzähle und nicht „Steinmeier und Merkel“, wenn es mir um die innere Befindlichkeit der SPD geht. Um diese Transparenz herzustellen, bedarf es nicht irgendwelcher Erklärungen, sondern der nachvollziehbaren Auswahl relevanter Fakten für eben diese Geschichte. Lasse ich entscheidende Punkte ohne auf Anhieb nachvollziehbare Gründe vermissen, wird ein solches Stück zur Propaganda.
Der Könner gewichtet seine Schilderung eines Themas, ohne die Ebene der Verbindlichkeit zu verlassen. Verbindlichkeit hat der hergestellt, dessen Artikel die meisten Leser inhaltlich folgen können, egal ob sie der Tendenz des Stückes zustimmen oder nicht. Sind die zentralen Fakten der Sache berücksichtigt, steht auch ein stärker focussierter Beitrag dem Meinungsbildungsprozess des Lesers nicht im Wege.
Die „Zeit“ z. B. hat einige Meisterschaft in dieser Art des einordnenden und gewichtenden Schreibens entwickelt. Was mir an der Kritik oben fehlt, sind Beispiele für das Scheitern solcher Artikel, also solche Texte, in denen Meinung und Analyse nicht mehr auf Fakten beruhen. Beim „Spiegel“ oder bei „Spiegel online“, die in dem Zusammenhang genannt wurden, habe ich solche Texte bislang noch nicht gesehen, die die Ebene der Verbindlichkeit verlassen würden.
Um den Fakten vor der Meinung Vorrang zu geben ist eine objektive Position unumgänglich. Wer diese einnehmen will muss den Themenkomplex in seiner Gesamtheit allerdings gut genug überblicken können, um diese überhaupt finden zu können. Daraus folgert sich, dass ein Thema mit zunehmender Komplexität auch eine zunehmend subjektive Haltung provoziert. Damit geht aber auch eine fundamentale Verunsicherung einher, die wiederum dazu führt, dass man sich danach sehnt die eigene Sichtweise von seinen Mitmenschen bestätigt zu bekommen. Denn an irgendwas muss man sich ja orientieren.
Wer die Erde nicht aus ausreichender Höhe betrachten kann wird sich deswegen früher oder später dazu genötigt fühlen zu sagen: „Also ich finde, dass die Erde ganz schön flach ist. Wer stimmt mir da zu?“ Wenn dann der einzige, der widerspricht, das mit einem unverständlichen Zahlenkauderwelsch zu belegen versucht wird das bei weitem nicht die Überzeugungskraft haben, die 500 andere „Hm, wird schon stimmen“-Kommentare mit sich bringen.
Und wie mein Beispiel wohl zeigt finde ich nicht, dass das eine sonderlich neue Entwicklung ist. Vielleicht wäre es produktiver die verstreuten Momente erfolgreicher Objektivität jedes Mal aufs Neue als Erfolg zu feiern, anstatt ihr Ausbleiben zu betrauern.
Begriffserklärung in Anlehnung an den tollen Beitrag von journalist:
Ich verwende hier „Objektiv“ und „Subjektiv“ nicht als Absolute, sondern als Tendenzen. „Objektiv“ ist also ein Zustand, der möglichst wenige subjektive Anteile besitzt. Ich muss journalist aber zustimmen, dass hier „Neutralität“ der bessere Ausdruck ist.
[…] Erk debütiert auf stefan-niggemeier.de/. Ich habe das mal […]
Vor kurzem habe ich in einem Buch – das sind die Dinger aus Papier, in denen Fakten stehen – zur Mediokratie eine These gelesen, die sich für mich stimmig anhörte. Die heutige Welt ist nicht nur komplexer, sondern auch schnelllebiger geworden. Die Taktung der Informationsproduktion scheint die inhaltliche zu dominieren. Das führt zu kleinen, in sich abgeschlossenen Informationshäppchen, die nicht mehr die Komplexität wiedergeben und sich auch ungefragt widersprechen dürfen. Ich nenne das medialen Junk-Food.
Oder anders ausgedrückt: Seit Produktionstechniken analog zur Massenproduktion in den Medien Eingzug erhalten haben, sinkt die Qualität rapide, dafür steigt die Rendite.
Mercedes Bunz???
„Vielleicht findet sich ja auch noch ein Blogger, der sich aufregt…“ – fällt mir jetzt grad keiner ein.
Seltsam, noch keiner hat sich zur kryptischen Überschrift „Rum-mein-medien“ geäußert. Also werde ich’s tun: ich versteh den Sinn nicht.
„Anstatt tatsächlich politische Analysen, so schwierig diese gerade aktuell auch sein mögen, zu versuchen, begnügen immer mehr Beobachter mit einer Art Stilkritik der Politik“
Da fehlt ein „sich“.
Per Mail konnte ich die Korrektur ja nicht mitteilen der Stefan ist ja unterwegs, deshalb drück ich den Kommentar mal in den Filter mit ein paar Ausrufezeichen ;-) !!!!!
@33 g. Tipp
Wikipedia als Quelle für Informationen? Interessanter Ansatz, allerdings völlig untauglich.
In Wiki steht in ungefähr soviel Richtiges oder Falsche wie in jeder Zeitung. Bei sehr vielen Bereich sogar mehr Falsches als Richtiges.
Sorry, aber die Quelle könnte man als untauglich bezeichnen.
Topic:
Vielleicht gehöre ich ja zu den ganz „Dummen“ Lesern, allerdings habe ich mich noch nie gehindert gefühlt mir eine eigene Meinung zu einem Thema zu bilden (wenn auch nicht unbedingt mit Wiki), auch wenn ich „Rum-Mein-Texte“ lese.
Allerdings wurde mir auch schon in der Schule beigebracht, daß es so etwas wie „objektiven Journalismus“ überhaupt nicht gibt.
Ich könnte es auch so sagen, als ich den Artikel las war ich kurz der Meinung, bei meiner Deutsch-Lehrerin im Unterricht zu sitzen – war ein nettes Dejavue. :D
Kann sein, daß mein Lehrer uns da riesigen Mist erzählt hat, allerdings finde ich diese Aussage beim Lesen der verschiedenen Presseerzeugnisse immer wieder bestätigt.
Ich könnte es auch so sagen, als ich den Artikel las war ich kurz der Meinung, bei meiner Deutsch-Lehrerin im Unterricht zu sitzen – war ein nettes Déjà vu. :D
Insofern einen Dank für die Erinnerung an eine tolle Lehrerin und eine schöne Schulzeit. ;)
.
hallo morgenstund,
Zitat: „In Wiki steht in ungefähr soviel Richtiges oder Falsche wie in jeder Zeitung“
es lässt sich kein qualitativer unterschied ausmachen, weil Journalisten ihre Informationen größtenteils dieser quelle entnehmen. ;)
…
Gerade wo gemeinhin konstatiert wird, […] bevorzugt meinungsstarke, einfache, schnelle Antworten geben wollen.
Den Satz bitte nochmal ganz langsam lesen.
– Schöner Text!
Kann aber doch nicht so naiv gemeint sein, wie er klingt?!
Wo hat es denn in den vergangenen fünfhundert Jahren „objektive“ Information gegeben? Es weiß ja nicht einmal jemand, was das denn überhaupt ist „Information“; vom „Handwerk des Verstehens und Erklärens“ mal ganz zu schweigen.
Meiner Ansicht nach könnte es einfach mehr Angebote geben, die das Handwerk des „Aufbereitens“ beherrschen. Das bedeutet: meinungsgefärbte Berichterstattungen, Kommentare, etc. (ob blog, Print- oder Online-Zeitung, möglichst alle/ viele vorhandenen Färbungen, Texte, Bilder, Videos) weltweit (!) sichten, auswählen, mit Quellenangaben (ggf. links) zusammenfassen, ordnen, gegenüberstellen, ggf. kommentieren, fertig: „Presse“-Club in groß, ganz groß und in schnell und in kurz und prägnant oder länger, wie man eben grad möchte, und am Besten: öffentlich-rechtlich. (Na ja, das vielleicht nicht.)
Aber das wäre Information, sort of. Warum soll man selber noch kacken, wenn man doch „neuerdings“ mitten in der Universal-Kloake sitzt und ein müder Fingerzeig genügt, um die Fliegen zum frischesten Haufen zu weisen? Niggemeier weiß das ja, Erk ja wahrscheinlich auch. Ach, ich rede wirr…
@ Morgenstund: Krasses Doppel-Dejavue-Déjà-vu. Es grüßt das Murmeltier. Mit weit geöffnetem Mund :D
[…] Die Rum-mein-medien « Stefan Niggemeier […]
Ich kann nur als Leser sagen, dass ich die Meinungsseite z.B. in der Süddeutsche Zeitung immer mit großem Interesse lese. Allerdings bin ich mir dabei durchaus bewusst, dass, auch wenn diese Journalisten (hoffentlich) ausführlich recherchiert haben, letztendlich nur ihre subjektive Meinung wiedergeben.
Gewissermaßen haben die großen Deutschen Medien einen gemeinsamen Meineid geleistet.
Informationen, Fakten, Meinung, Wissen, Glauben (vielleicht auch (von der Wahrheit) träumen, ja, da liegts). Soll doch jedeR DiskutantIn mal für sich diese Begriffe klären und dann weiterdenken oder weiter denken.
„Wenn alle nur noch Meinungen anbieten – wo kann ich mich dann bitte informieren?“
Am besten über Blogs, hat dann auch dann Vorteil, dass man als Leser den Bloggenden recht schnell einzuschätzen vermag und seine Statements dementsprechend schnell einordnen kann.
Bei den Printmedien, die ebenso, wie beobachtet, sehr konsequent Meinung und Nachricht vermischen hat man das Problem, dass verschiedene Autoren, oft ungenannte, am Schreibwerk mitwirken. Da fällt dann die Einordnung viel schwerer.
Und wenn die Standardmedien sowieso Meinung und Nachricht vermischen, dabei Agenturmeldungen abschreiben und rekursiv aufeinander verweisen, jo mei, warum dann diesen Mist mitmachen?
Ich lese ganz gerne mal hier rein, bei einem Zustimmungsquotienten von vielleicht 0,4, aber so ists immer noch besser. Man kennt ja den SN. :)
Die Wirklichkeit unterscheidet sich vom theoretischen Gedöns in „Journalistikseminaren“? Im „Spiegel“ (und meinetwegen auch in seinem Online-Ableger) werden Fakten und Meinungen gemischt? Was für Erkenntnisse!
Aber sagt mir mal lieber, was dieses kleine „M“ in „medien“ soll? Sollen hier auf billige Weise Deutschlehrer in Rage gebracht werden?
en garde! „Ja, das mag eben dabei herauskommen, wenn an den Journalistenschulen der Anteil an Theater-, Film- und Fernsehwissenschaftsabsolventen höher ist als jener der VWLer – führt aber zwangsläufig dazu, dass Politik tatsächlich nur noch als das betrieben wird, was kritische Journalisten dem Politischen ohnehin seit Jahren vorwerfen zu sein: ein Kasperletheater.“
Was für ein Affront, meiner bescheidenen Erfahrung nach sind Theater-Film- und Fernsehwissenschaftsabsolventen, die einzigen unter den heutigen Studenten, die den neoliberalen Geist (und dies ganz besonders im Gegensatz zu VWLern und Politikwissenschaftlern, die nur noch mit Vokabeln wie „effizienz“ und „good governance“ hantieren) der Jetztzeit noch nicht eingeatmet haben.
Sehr schöner Text, gefällt mir ausnehmend gut. :)
@51, Heinz: Beim Blogger können Sie sich „objektiv“ informieren? Wenn das nicht ironisch gemeint ist: Man mag die klassischen Medien kritisieren, wo immer es angemessen ist, und angemessen ist es häufig – aber bei ihnen weiß man immerhin, woran man ist. Es gibt ein Presserecht, einen erkennbaren Chefredakteur und weitere Redakteure mit einer nachvollziehbaren Berufsbiografie, die in bekannten Strukturen mit bekannten und bewährten Mitteln arbeiten, eine transparente Tendenz sowie die Regeln und Maßstäbe, die der Presserat gesetzt hat.
Die meisten Blogger sind unbekannte Menschen, teils sogar pseudo- oder anonym; ob einer recherchiert, zum Recherchieren in der Lage ist oder etwa von einer PR-Agentur bezahlt wird, um Skandal-Rufe über die einen und Lob über die anderen zu verbreiten, weiß auch kein Mensch sicher (und kümmert seltsamerweise auch niemanden ernsthaft)…
Sich auf Informationen aus der Blogosphäre ohne Prüfung zu verlassen, halte ich für grob fahrlässig. Sich auf Informationen aus den klassischen Medien ungeprüft zu verlassen, ist immerhin nur fahrlässig (aber auch immer falsch, ehe es hier Missverständnisse gibt), wobei die Wahrscheinlichkeit hier hoch ist, nicht auf eine Falschmeldung hereinzufallen – man regt sich hier zwar wiederholt zu recht, aber schließlich doch immer wieder über eine kleine Ente unter Tausenden korrekten Meldungen auf.
Ein Vorteil der klassischen Medien ist außerdem: Sie berichten grundsätzlich auch über Dinge, die noch niemand weiß und nach denen niemand gefragt hat. Das Geschäft der meisten guten Blogger ist „Reality Check“ an Berichten über bereits Bekanntes vorzunehmen. Da mag ich einiges mehr lernen über Dinge, die ich schon weiß – aber lerne ich auch dazu? Meine persönliche Antwort auf diese Frage: Neues lerne ich doch eher bei der Lektüre von „Zeit“, „Time“, „NYT“, „FAZ“, „Guardian“, „NZZ“ und „Libération“, und ich rechne damit, dass das noch sehr lange so bleibt.
Über dem verlinkten Text vom Tagesspiegel steht aber ganz groß und teilweise rot „Meinungen/Kommentare“ – das sollte doch als eindeutige Kennzeichnung von einem meinungsbetonten Text reichen, oder?
@56 [ironie on] Ist wahrscheinlich pure Propaganda, die uns alle hinters Licht führen soll: Wird das denn von einem Blogger objektiv bestätigt? [ironie off]
Erst, wenns woanders steht ;-)
Christian/56: Auch bei einem Kommentar kann ich von einem Journalisten erwarten, daß er sich vorher informiert und keine irreführenden Informationen verbreitet.
Ein Glück, dass ich mir Nachrichten
nur noch über „Google Blogsearch“ zukommen lassen, so komme ich jedenfalls nicht direkt auf diesen Schmutz der Journallie, z. B. zur Priratenpartei (in diesem Fall über den Blog von Stefan Niggemeier). Mittlerweile habe ich das Gefühl, dass in den Redaktionen der Print-Medien nur noch zwei Typen von Journalisten arbeiten: schleimige Herrschaftsanbeter (sitzen meist in der Chefredaktion) und naive Volltrottel.
Die einzige Frage ist eigentlich nur, zu welcher Kategorie Joachim Huber zu rechnen ist.
milan8888/39: Ironischerweise ist Mercedes Bunz die Chefredakteurin des Tagesspiegel Online.
@journalist:
Es gibt per se keine objektive Berichterstattung, man kann sich um diese bemühen, das geschieht aber m.E. unzureichend sowohl im Bereich des Blogwesens als auch im Journalistenwesen.
Zynisch und aus Sicht des Systematikers ist eine Nachricht immer eine Nachricht einer Person oder Instituition.
Der Niedergang der klassischen Medien ist Ihnen sicherlich nicht entgangen, bedauern Sie diesen? Ich jedenfalls nicht.
Wer sich noch an die Machwerke des GEZ-Fernsehens der Siebziger und frühen Achtziger erinnert, kann eigentlich nur aufatmen; frei Luft, endlich Freiheit. ;)
Ansonsten, jedem das seine, SN beackert bspw. intensiv die Minder-, Fehl-, Mangel- und Minusleistungen seiner Kollegen und – so dialektisch das auch sein mag – er bringt Leistung und ist lesbar, im Gegensatz zu vielen anderen.
Ein Held unserer Zeit, ein Held des Internets. ;)
Ich bezweifle, dass mehr VWLer in den Redaktionen Abhilfe leisten würden. Ich glaube ganz einfach, dass der Paradigmenwechsel hin zur Meinung einem viel umfassenderen Paradigmenwechsel geschuldet ist und in einen langen historischen Prozess eingebunden ist. Dem Zeitgeist ist „objektive Aufklärung“ einfach suspekt und daran hat die Entwicklung im Internet heftig mitgebastelt. Das hört sich wie eine Bankrott-Erklärung für den ernstgemeinten Journalismus an, ist aber nicht nur hier, sondern auch im wissenschaftlichen Sektor und vielen anderen gesellschaftlichen Bereichen so.
Was ich noch sagen wollte: Ich glaube, das Beispiel mit den Headlines aus englischen Zeitungen ist leicht irreführend, weil die englische Presse eine ganz andere Tonalität fährt als die deutsche. Ich hatte in der Uni mal ein Seminar, das sich mit diesen rhetorischen Besonderheiten beschäftigt hat. Aber das ist natürlich auch nur meine Meinung und keiner wird mir glauben.
@60, wilko:
ich bin nach Lesen ihres Beitrags fest davon überzeugt, dass „Google Blogsearch“ ihr tägliches Informationsbedürfnis abdeckt.
Viele Grüße von einem „naiven Volltrottel“.
„Wenn alle nur noch Meinungen anbieten – wo kann ich mich dann bitte informieren?“
Medien wie Spiegel oder Zeit informieren zumindest (indirekt) über die veröffentlichte Meinung. Das ist ja auch ganz hilfreich für den Alltag. Ansonsten sollte man dazu übergehen, autonomer „Ich-Journalist“ zu sein, sich also durch Bücher etwa und Internetrecherche im Kopf selbst einen „tatsachenbetonten“ Artikel zusammenbauen.
Und wenn Zeit bleibt ein öffentlich-rechtliches Mediensystem (Print, Funk, Online) einfordern, das schützt zwar auch nicht vor zu vielen Meinungen, kann aber sicher mehr leisten, als privatwirtschaftlich organisierte Meinungsmedien.
Wie kann man sich vor der „veröffentlichten Meinung“ des Medienkartells schützen, vor allem, wenn die Zeit, ein autonomer „Ich-Journalist“ zu werden, fehlt?
Vielleicht sollen wir uns da- nach-richten, nach den Meinungen, die uns von „unabhängiger“ Presse als Nachrichten dargeboten werden?
Allein durch das Einstreuen von Adjektiven in Nachrichten („Der große…, die beliebte … der jung-dynamische … hat heute usw.“) werden Informationen schon subtil um Wertungen ergänzt. Die Wertung als Vorstufe zur Meinung
Ein anderes Beispiel, wie Meinungen als Fakten dargestellt werden: Es wird momentan fast im Gleichklang der gesamtem Presse ignoriert, dass bei der Europawahl Schwarz-Gelb 1,6 % Anteile verloren hat, während rot-rot-grün 0,9 Prz. zugewonnen haben. Und Frau Bundeskanzler und CDU-Vorsitzende ist von ihrem Ergebnis so begeistert und medienbesoffen, dass sie meint (wohl gemerkt „meint“), das sei ein guter Trend, der unbedingt fortgesetzt werden muss. Schöne Träume weiterhin,
wünscht sleepcontent.
(Für Menschen mit Einschafschwäche auch mit sheepcontent.)
Dazu fällt mir nur eins ein: Bravo!
Du schreibst mir aus der Seele!
Der Politikteil im SPIEGEL ist SPON da seit Jahren voraus: Fakten gibt es da nur noch als Häppchen zwischen dem Polit-Gossip, den die Bunte mit anderem Personal aber dem selben Schema folgend genauso gut verkaufen könnte.
Der fiel mir bei der Beschreibung oben als erstes ein – recht hatter der Herr Erk.
Massenmedien sind Massenvernichtungswaffen, sie sorgen dafür, dass geistig ziemlich bescheidene Wissenschaftler, Politiker und Journalisten aufgrund ihrer simplen sozialdarwinistischen Ideologie „hochgeschrieben“ werden (z. B. Hans-Werner Sinn, Peter Sloterdijk, Meinhard Miegel, Frank Schirrmacher, Ulf Poschardt etc.) und ihre Ansichten als „Exterpertenmeinung“ präsentiert wird. Dem ist der „interessierte Laie“ vollkommen hilflos ausgesetzt. Früher oder später wird er dem Dauerbeschuss nachgeben und entweder diese Meinungen übernehmen oder einfach resignieren und sich zurückziehen.
Als ob es je neutrale Berichterstattung gegeben hätte, die ist doch auch praktisch gar nicht möglich. Allein der politische Blickwinkel wird einen Fox News und einen TAZ Artikel komplett anders aussehen lassen, auch wenn beide nur „Fakten“ aufschreiben.
Der Autor klingt wie meine Oma wenn sie von der guten alten Zeit träumt.
Spannend wird es sicher noch einmal zur Wahl hin. Wahlempfehlungen von Zeitungen sind hier ja eher verpönt, in den USA gang und gäbe. Ich glaube, zur letzten Bundestagswahl haben es sogar ein paar Zeitungen gewagt, zur Europawahl hat auch zum Beispiel die FTD die Grünen empfohlen. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt.
@60; @70: Wollen Sie sich nicht besser ein wenig entspannen, oder machen wir gemeinsam noch ein paar Dosen Vorurteile und Beleidigungen auf?
@62: Die klassischen Medien gehen nicht nieder, sie entwickeln sich nur nicht weiter, wodurch sie an Relevanz für immer mehr potenzielle Leser verlieren. Sie sind inhaltlich meist zu elitär, hermetisch und abstrakt, und sie verweigern dem Pblikum im Internet die Interaktion. Das ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich. Gleichwohl sehe ich nur auf ihrer Seite durchschnittlich weit mehr Know-How, Finanzkraft und Professionalismus (und auch wirtschaftliches Interesse) für den allfälligen Wandel als irgendwo sonst.
Da ich selbst seit Jahren an diesen Punkten für Innovation und Wandel eintrete, bin ich nun guten Mutes, denn die Widerstände lassen spürbar nach. Hier ist übrigens die allseits beklagte Krise eine Chance, und es ist tatsächlich so, dass auch (kostenträchtige) Qualitätsfragen wieder eine Rolle spielen dürfen, weil das Downsizing der letzten Jahre erkennbar Alleinstellungsmerkmale der einzelnen Titel und damit Unterscheidbarkeit im Wettbewerb hat verschwinden lassen. Kurz gesagt: Es hat sich klar als falsch erwiesen, das potenzielle Publikum für blöd und stumpf zu halten. Nieder- oder in größeren Strukturen aufgehen werden die Medien, die auf diesen Zug nicht springen wollen oder können. Prognose: Am Ende leidet allenfalls die Vielfalt, woran es in Deutschland allerdings nicht so sehr mangeln würde, selbst wenn von nahezu 200 publizistischen Einheiten am Ende „nur noch“ 100 übrig blieben.
„Sie sind inhaltlich meist zu elitär“, *hust* Wenn ich mir anschaue wie viele Journalisten von Themen schreiben, bei denen ich mich auskenne, dann ist es das Gros, die lieblos nachplappern und meist noch einen halbherzig inszenierten Skandal draus formen. Print ist tot, es lebe das boulevardesque Rauschen im Netz.
PS.: Ich würde sogar für Herrn Niggemeiers Beiträge zahlen.
@74: Was Sie beschreiben, ist elitär, weil es die Bedürfnisse des Schreibers und nicht die des Publikums bedient. Wenn ein Thema, das Sie interessiert, grundsätzlich so aufgeschrieben würde, dass der Artikel sie bei Ihrem Interesse packt, statt sie wegen Oberflächlichkeit und journalisten-eitler Skandalisierung kalt zu lassen, wäre erreicht, was ich als ein Wunschergebnis des anzubahnenden Wandels nennen würde.
@73:
„Kurz gesagt: Es hat sich klar als falsch erwiesen, das potenzielle Publikum für blöd und stumpf zu halten.“
Das ist wohl richtig. Allerdings wurde diese Denkrweise nach meinem Dafürhalten hauptsächlich von GEZ-Medien und bestimmten „bildenden“ Linksmedien so gehandhabt, d.h. viele Printmedien waren immer der Meinung: Wir können nur berichten und ein wenig kommentieren, bilden können wir nur sehr begrenzt.
Ein Zurechtschrumpfen der Szene der bezahlten Berichterstatter muss aber OK sein, Twitter, Blogdienste und andere Dienste sind hier sehr erfolgreich in der Substitution.
Der Bürger weiss ja auch, dass die Politiker nicht viel mehr drauf haben als er selbst, sei es der Dicke, der Gerd oder Joschie, von Angie ganz zu schweigen.
Die bezahlten Meinungsmacher werden vermutlich kein Land mehr sehen in der neuen Medienlandschaft.
@journalist:
„Kurz gesagt: Es hat sich klar als falsch erwiesen, das potenzielle Publikum für blöd und stumpf zu halten. Nieder- oder in größeren Strukturen aufgehen werden die Medien, die auf diesen Zug nicht springen wollen oder können.“
Dies ist eine ziemlich (zweck?)optimistische Einschätzung des gegenwärtigen und zukünftigen Journalismus. Die Realität sieht, wie der mediale Aufstieg der „Alpha-Journalisten“ wie Jörges, Broder, Matussek, Poschardt, Schirrmacher (und noch viele andere) beweist, leider vollkommen anders aus.
Ich mache nichts mit Medien, ich bin blos medieninteressiert. Ich halte Medienpolitik und Meinungsmache durch die Medien für ein interessantes und gerade in „Krisenzeiten“ brandaktuelles Thema.
Es gibt auch noch einen Aspekt: ich habe natürlich gewisse Vorlieben für den ein oder anderen Journalisten. Z.B. finde ich den Jörges vom Stern klasse. Und nehmen wir an, Jörges schreibt eine Story, die schlüssig erscheint, de facto aber nicht stimmt. Dann hat es der Beispieljournalist von der Blöd-Zeitung mit seiner Story (die vielleicht richtiger ist als die vom Super-Jörges) sehr viel schwieriger bei mir angenommen zu werden wie der Super-Ulli mit seiner Fake-Story.
Das heist: erstmal liest jeder nur das, was er lesen will. Und dieses Bedürfniss wird mit dem Aufbau von „Markenjournalisten“ befriedigt. Journalist A steht für das, Journalist B für etwas gaaanz anderes…
Und das kann man auch auf Zeitungen übertragen. Ich bin mir sicher, das viele Leser den „Spiegel“ immer noch als linksliberal bezeichnen und davon lebt der Spiegel obwohl er das schon lange nicht mehr ist. Unter Umständen lese ich Artikel in der FAZ, die auch im „Neuen Deutschland“ erscheinen könnten. Die Printmedien zehren vom Ruf der Vergangenheit. Genau das ist nämlich ihr Problem – das es nicht gelingt, klar zu machen, wofür das jeweilige Magazin, Zeitschrift,etc. HEUTE steht.
@Karel74:
„Z.B. finde ich den Jörges vom Stern klasse.“
Gerade Hans-Ulrich Jörges ist ein Paradebeispiel, wie „Medienpolitik“ in Deutschland betrieben wird. Als stellvertretender Chefredakteur des „stern“ will er natürlich diesen Posten behalten und eventuell aufsteigen (also Gruner&Jahr-Politik bedienen), die Wünsche der Anzeigenkunden befriedigen und auch einen Happen von dem abhaben, was die Politiker ihm hinwerfen. Um dies zu erreichen, schleimt er sich beispielsweise schon jetzt (!) im vorauseilenden Gehorsam bei der vermeintlich nachfolgenden Politikergeneration ein. Als Beispiel kannst du dir einmal hier seinen Web-TV-Beitrag „Guttenberg, der Baron der Herzen“ über „die größte politische Entdeckung seit Angela Merkel“
http://www.stern.de/wahl-2009/aktuell/:J%F6rges-WebTV-Kolumne-Guttenberg%2C-Baron-Herzen/702826.html
anschauen. Und glaube bitte nicht, dass Jörges einfach „nur naiv“ ist!
Eine Warnung an alle „kritischen Blogger“: für eventuelle Schäden, die durch ÜBERGEBEN beim Betrachten dieses Jörges-Video entstehen, kann keinerlei Haftung übernommen werden!
Wenn sich, wie oben dargestellt, der Politikjournalist Jörges als einfacher Schmarotzer nur bei den Politikern einschleimt, um eine „gute Story“ zu erhaschen (ähnlich wie dies Sportjournalisten beispielsweise bei Profifußballern tun), wäre die ganze Sache noch ziemlich harmlos. Das Problem ist allerdings, dass das Medienkartell aufgrund dieses devoten Verhaltens aus dem Studienabbrecher und auch ansonsten ziemlich mittelmäßigen Schreiberling Jörges einen „Alpha-Journalisten“ macht (und Jörges aufgrund seiner einfachen Persönlichkeitsstruktur vermutlich selbst daran glaubt!) und sein Gesülze als „journalistische Expertenmeinung“ präsentiert.
Sehr schön könnte ich als Demographieforscher das Wirken des Medienkartells anhand Schirrmachers „Methusalem-Komplott“ zeigen, ein Buch, das so gut wie keinen verwertbaren Inhalt besitzt (und die wenigen enthaltenen „Aussagen“, z. B. zur Familiengeschichte, sind kompletter Unsinn!), aber von den Kollegen von „Spiegel“, „stern“ etc. zum Beststeller „hochgeschrieben“ wurde. Die Intention des Erfolgsjournalisten war es allerdings auch, irgendwelche demographische Aufklärung zu betreiben, sondern einfach: „Mit Angst lässt sich gut abcashen!“ Wer das Buch vielleicht nicht kennen sollte, empfehle ich einmal, sich bei Amazon die Rezensionen der unbedarften Käufer durchzulesen:
http://www.amazon.de/Das-Methusalem-Komplott-Menschheit-unvorstellbarem-Ausma%C3%9F/dp/3453600096/ref=sr_1_2?ie=UTF8&s=books&qid=1245329140&sr=8-2
Warum sollten Alfa-Journalisten und Flachbuchautoren besser sein als das Führungspersonal der Volksparteien? Sie bedienen doch die selbe, vom Privatfernsehen zugerichtete Klientel und wissen, was dort erwartet wird. Nein, was dort ankommt, muss es heißen, denn „etwas erwarten“ wäre ja schon fast eine intellektuelle Leistung.
Seit wir „die Krise“ haben, erleben wir nicht nur Parlamente, die sich selbst entmachten, wir sehen auch eine Presse, die sich selbst gleichgeschaltet hat und die nur noch „rum-meint“. Da wird uns erklärt, wie toll die „handelnden Personen“ wie A.M., und T.v.u.z.G sind. Und zur Sache? Nichts. Nur (all)gemeines Gemeine.
@81: „Medienkartell“ – das ist ein unfassbarer Blödsinn. Wir sind doch hier nicht in einem ML-Seminar der Spartakisten des Jahres 1981! Mir hat weder ein Verlegerkartell, noch ein Politiker, noch ein Anzeigenkunde jemals eingeflüstert, was ich schreiben oder denken soll (Ich weiß, ich weiß: Im ML-Seminar würde jetzt der Agitator aufspringen und schreien: „Du bist ein Sklave und merkst es nicht einmal mehr!“ – geschenkt. Habe ich alles schon tausend Mal gehört, gedankenschwer erwogen und immer wieder mit guten Gründen verworfen).
Die meisten Journalisten (mehr als 99,9%) sind außerdem keine Broders und Jörges (wobei ich nicht sehe, inwiefern deren Meinungsfreiheit mehr Schaden anrichtet als die manches Bloggers oder Blog-Kommentators, oder wie weit sie überhaupt schädlich wäre), sondern unscheinbare, normale Menschen, die versuchen, solide ihren Job zu machen, und dabei derzeit recht verunsichert sind. Das ist, wie es beim Schokoriegelkartell wäre, wenn sich dessen Markt plötzlich binnen weniger Jahre dahin drehte, dass Menschen unter 30 so etwas kaum noch essen wollten. Kartell dichtmachen und sich auf gebloggten -äh- hausgemachten Schokoladenmus für alle zu verlegen, wäre dort doch auch eher nicht die Lösung, oder?
@journalist:
„Mir hat weder ein Verlegerkartell, noch ein Politiker, noch ein Anzeigenkunde jemals eingeflüstert, was ich schreiben oder denken soll.“
Daran merkt man sofort, dass du NICHT in der Chefredaktion in einem der wortführenden deutschen Printunternehmen arbeitest. Hast du dich denn noch nie gefragt, wie es doch „ziemlich talentfreie“ Journalisten (bei Weglassung aller Ideologie) wie z. B. Jörges oder Poschardt zum stellvertretenden Chefredakteur von „stern“ bzw. „WamS“ geschafft haben?
@wilko:
Talentfreiheit ist relativ und sicherlich nicht an dein Werturteil gebunden.
Überhaupt rate ich an vom Absetzen von Stuss Abstand zu halten.
Wer warum wo im Einsatz ist hängt vom Markt, dem Medium und dem Talent des jeweiligen Journalisten ab.
Wer noch an die „unkäufliche Meinung“ von Journalisten glaubt (im Großen wie im Kleinen!), dem empfehle ich einmal, sich die beiden Beiträge aus der aktuellen „ZAPP“-Sendung (NDR) anzuschauen:
a) für die „großen“ Journalisten:
Nebenverdienste: Wie Fernsehmoderatoren ihre Prominenz vermarkten
http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/archiv/ethik_journalismus/nebenerwerb100.html
b) für die „kleinen“ Journalisten:
Presserabatte: Wie Journalisten um Prozente feilschen
http://www3.ndr.de/sendungen/zapp/archiv/ethik_journalismus/presserabatte108.html
Die dazugehörigen Videos gibt es hier:
http://www3.ndr.de/flash/zapp/interactivePlayer.html?xml=zappsendung116-interactiveBroadcasts.xml&sr=zapp
@83 juornalist (Medienkartell-Schokokartell)
Das „Schokokartell“ wirbt wohl vorzugsweise mit „beinah wie hausgemachter Schokolade“ … und behauptet meines Wissens an keiner Stelle, dass wirklich gute Schokoware ausschließlich aus einer Fabrik kommen muss ;)
Gefunden …
Blog vs. Journalismus
Die fünfte Gewalt?
von Daland Segler in der FR und auf FR-Online.de
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/medien/?em_cnt=1798003&
Btw.: Mir haben die bisherigen Beiträge der „Urlaubsvertretung“ gefallen. Dank dafür!
Heinz/85: Ich gehe mal davon aus, daß es kein Zufall ist, wenn Sie den Markt zuerst genannt haben.
Ich habe mir einmal kurz den Aufstieg des „Alpha-Journalisten“ Ulf Poschardt angeschaut. Bei „Wikipedia“ heißt es: „Bekannt wurde Poschardt 1995 durch seine Doktorarbeit ‚DJ Culture'“, eine „diskursanalytische“ Schwafelei über das Hantieren am Mischpult als „Konstruktion und nicht Dekonstruktion von Bewußtsein“, über dessen wissenschaftlichen Erkenntniswert man vielleicht geteilter Meinung sein kann.
Aber immerhin, mit dem Doktorgrad sah sich Poschardt nun offensichtlich als „Leistungsträger einer Leistungselite“ an und begann, selbstbewusst in die Welt der Journalistik einzusteigen. Na gut, beim „SZ-Magazin“ ist er wieder rausgeflogen, weil er den Interviewfälschungen von Tom Kummer auf dem Leim ging.
Aber was soll’s, sein Motto lautet: „Thinking Big!“ und so schrieb er erst einmal Bücher über neokonservatives Coolsein und über Sportwagen mit ihrer „mythischen Strahlkraft“.
Sein größter Karriere-Coup war dann wohl seine Tätigkeit als Chefredakteur der deutschen Ausgabe von „Vanity Fair“, einer Zeitschrift für „Mover & Shaker“ (sprich: die konsumgeile Schicki-Micki-Society). Als er merkte, dass das Blatt floppt, ist er zumindest rechtzeitig abgesprungen und rannte mit seiner Ideologie bei „WamS“ offensichtlich offene Türen ein.
Seine Aufgabe war klar: neokonservative Propaganda verbreiten, aber wie soll jemand, dem Politik vollkommen egal ist und der demzufolge auch überhaupt keinerlei Schimmer von der Materie hat, jetzt plötzlich in „politische Hetze“ machen?
Als Ergebnis dieses Problems lesen sich die frühen Poschardt-Texte bei der „WamS“ auch eher lustig (z. B. die „Stilkritik“ vom 01.06.2008 http://www.welt.de/wams_print/article2054613/Ihr_Morgen_war_gestern.html):
– über Sarah Wagenknecht: „Nicht ihren kruden politischen Äußerungen verdankt Wagenknecht ihre Prominenz und ihre Stellung in der Partei, sondern ihrer Performance als kalter Engel des Kommunismus: eine Männerfantasie, die verstaubte Rechte wie revolutionsmüde Linke erglühen lässt.“
– über Oskar Lafontaine: „Die Villa von Oskar Lafontaine vermengt eine vulgäre Missinterpretation der Formensprache Palladios mit der Farbigkeit des Legolands und besitzt einen Ausguck, der an einen DDR-Grenzturm erinnert.“
Mittlerweile hat „Posh“ aber gemerkt, dass selbst diese Art des „Linken-Bashings“ für seine Leser viel zu anspruchsvoll ist, und dementsprechend beschränkt er sich in seinen aktuellen Kommentaren auf „klassische Linken-Klischees“ und „gemeine Lobhudelei“ der Herrschenden (z. B. „Guttenberg kämpft standhaft den einsamen Kampf“ vom 30.05.2009 http://www.welt.de/politik/article3833623/Guttenberg-kaempft-standhaft-den-einsamen-Kampf.html):
„Aber viele hatten wohl jene Art von Ehrgeiz unterschätzt, die Herkunft vor allem als Verpflichtung versteht. Selbst unbeugsame Kritiker staunten über Fleiß und Auffassungsgabe des Neulings.“
Nachtrag Poschardt:
Zur Unterhaltung habe ich gerade noch zwei alte Videos aus der „Niels Ruf Show“ über Poschardts beste Zeiten (bei „Vanity Fair“) entdeckt:
http://www.myvideo.at/watch/1048943
http://www.myvideo.at/watch/1454910
Vielleicht sollte „Posh“ lieber eine neue Zeitschrift für die „Mover & Shaker“ aufmachen als sich mit dümmlicher Propaganda bei „WamS“ durchzuschlagen…
„Auf Spiegel Online werden Hintergrund und Urteil beinahe grundsätzlich gemeinsam serviert“ – Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, kann man da nur sagen: Wie tendenziös die „Berichterstattung“ auch im gedruckten Spiegel oft ist, wie oft Redakteure nur ihre vorgefertigte Meinung zur eigenen Bestätigung ihrer Zeitschrift lesen wollen, das merkt man leider erst in den Fällen, in denen man den dargestellten Sachverhalt aus eigener Anschauung besser kennt.
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[…] Daniel Erk übernahm vor Kurzem die Urlaubsvertretung für Stefan Niggemeier – und startete mit einem lesenswerten Beitrag, der Bezug auf die diffuse Meinungsmache in den (deutschen) Medien nahm. Dabei wurde u.a. der […]