Das Feigenblatt der Hysterie

Ein Arzt hat mir mal erklärt, wie man Psychose und Neurose auseinanderhält. Der Psychotiker glaubt, dass zwei mal zwei fünf ist. Der Neurotiker weiß, dass zwei mal zwei nicht fünf ist, erträgt es aber nicht.

So gesehen ist die heutige „WatchBerlin“-Kolumne von Michel Friedman schwer neurotisch. Sie beginnt mit diesen Worten:

„Mörder. Feige, brutale, gemeine Mörder, das sind sie, die Terroristen, die in Deutschland Bombenanschläge geplant haben und jetzt entdeckt wurden.“

Ich bin sicher, dass Michel Friedman aus seinem Jurastudium genau weiß, was ein Mörder ist. Aber als grobe Annäherung für den Alltag könnten wir uns vielleicht schon auf die Faustregel einigen: kein Toter — kein Mörder.

Ich kann den Impuls schon nachvollziehen, die maximale Abscheu für die Männer auszudrücken, denen vorgeworfen wird, dass sie viele Menschen umbringen wollten, „unschuldige Menschen“, wie man so sagt. Ich kann auch die Hilflosigkeit nachvollziehen, mit der er versucht, diese Leute, wenn er sie sonst schon nicht greifen kann, wenigstens unter möglichst vielen schlimmen Attributen zu begraben: feige, brutal, gemein.

Wobei „feige“ schon ein komisches Wort in diesen Zusammenhängen. Wünschen wir uns mehr „mutige“ Attentäter? Mehr Draufgänger unter den Terroristen? Mehr Leute, die uns zwar vernichten wollen, aber irgendwie nicht so unfair dabei sind, es nicht auf einen Kampf Mann gegen Mann ankommen zu lassen? Wer von einem „feigen Mord“ oder von „feigen Terroristen“ spricht, versucht etwas zu steigern, was nicht mehr zu steigern ist. Das Wort hat keinen Inhalt, aber eine Funktion: Es ist ein Appell an den Zuhörer, sich gefälligst zu empören. Vermutlich unter der Annahme, dass der Zuhörer längst zu abgestumpft ist, sich über „Mörder“ und „Terroristen“ allein genug zu empören.

Nicht weniger als fünfmal in zweieinhalb Minuten nennt Friedman die Terroristen „feige“, und mit jedem Mal mehr sieht man ihn hinter dem Wort hilflos mit den Armen rudern. „Terroristen sind in Wahrheit feige“, sagt er einmal. Und später: „Sie sind anonym, aber sie sind feige Mörder.“ Was ist das denn für ein Gegensatz?

Es ist ein sehr hilfloser, ein hysterischer Beitrag, den Friedman zur Debatte über die nötigen Reaktionen auf die Bedrohung durch den islamistischen Terror leistet. Das wäre an sich nicht schlimm. Schlimm ist, dass die Hysterie sich als Besonnenheit ausgibt. Friedman sagt:

„Auch wenn’s mir wehtut: Ich denke nach. Ich gebe zu: Ich bin nachdenklich geworden.“

Das ist nicht nur unglücklich formuliert, sondern auch sehr unwahrscheinlich. In einer Debatte, in der es vor allem immer wieder darum geht, das richtige Maß zu finden und die schwierige Entscheidung zu treffen, mit welchen drastischen Reaktionen wir das Überleben unserer Freiheit sichern und mit welchen wir sie töten, würde ein nachdenklicher Mensch darauf achten, dass nicht die letzten klaren Begriffe noch ihren Sinn verlieren.

Wer daran gehindert wurde, einen Mord zu begehen, ist kein Mörder. Und Hysterie nicht Nachdenklichkeit.

127 Replies to “Das Feigenblatt der Hysterie”

  1. Sehr lesenwert analysiert. Allerdings war Herr Friedman ja noch nie für seine zurückhaltende Wortwahl bekannt – insofern passt das irgendwie ins Bild.

  2. Juristische Wortbedeutungen müssen nicht mit dem normalen Sprachgebrauch identisch sein, Wortbedeutungen werden nicht im Strafgesetzbuch festgelegt. Juristisch gesehen ist das richtig, was du schreibst. Moralisch ist ein fest beabsichtigter und systematisch geplanter Massenmord allerding wie ein Mord zu bewerten. Ich denke, Friedmans Sätze sind nicht juristisch, sondern moralisch zu lesen.

  3. @Jörg Friedrich
    Es fällt mir schwer, dem Text von Herrn Friedman moralisch zu lesen.
    Ich gebe Stefan Niggemeier voll und ganz recht, er trifft nicht nur den Nagel auf den Kopf, sondern zeigt auch deutlich auf, wie man es eben nicht machen kann – selbst bei aller Entrüstung über solche Menschen. Aber auch für solche Menschen gelten unsere Gesetze und die regeln das ganz konkret und sehr eindeutig, es ist so, wie Stefan es schreibt.

  4. Ich denke, Friedmanns Wortwahl zeigt sehr gut die Hilflosigkeit, die wir alle bei solchen Sachen empfinden.
    Wenn selbst ihm schon die Worte ausgehen, das will was heißen.

  5. Den Gebrauch des Wortes „Mörder“ würde ich Friedman auch nicht ankreiden wollen, beim Rest stimme ich dir zu.

  6. Wow, da hast Du doch tatsächlich meine Emotionen in Worte gefasst, die bewirken, dass ich seit langem keinerlei Nachrichten mehr anschaue/anhöre. Unerträglich solche Beiträge in „den Medien“.

    Dazu finde ich folgenden Titanic-Witz passend:

    Klein Fritzchen läuft mit der Großmutter durch die Straßen. Plötzlich entdeckt Fritzchen eine Münze und will sie aufheben.

    Die Oma aber verbietet es ihm: „Was auf dem Boden liegt, hebt man nicht auf!“

    Wenige Schritte weiter sieht Fritzchen einen Geldschein. Wieder ermahnt die Oma: „Was auf dem Boden liegt, hebt man nicht auf!“

    Kurz danach rutscht die Oma auf einer Bananenschale aus und fragt: „Willst Du mir nicht aufhelfen?“

    Sagt das Fritzchen: „Das kommt davon, wenn man unverschleiert rumläuft, Hure“, rennt zurück, klaubt das Geld auf und kauft davon Zündmechanismen.

  7. @Ommelbommel: Sie werden mir fremd. Wie konnte das passieren?

    @Mathias Richel: Mich auch!

    @Jörg Friedrich: Es geht doch nicht um juristische oder moralische Begriffe. Wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, uns über Dinge zu verständigen, muss es einen gewissen Konsens darüber geben, was Dinge bedeuten. Wenn ich „rot“ sage, können wir darüber streiten, ob „pink“, „violett“ und „hellrosa“ auch gemeint sind, aber nicht, ob damit auch „grün“ gemeint ist. Anders gefragt: Nennen Sie jemand, der seine Frau betrügen wollte, aber nicht hat, einen Ehebrecher? Oder auf die Spitze getrieben: Ist ein Handy, das ich an die Wand werfen wollte, daran aber gehindert wurde, kaputt?

  8. Außer Frage steht, Michel Friedman hat über seine Worte nachgedacht. Das steht für mich nicht zur Diskussion, seine Medienerfahrung ist hinlänglich bekannt. Und der versteckte Hinweis der schmutzigen Hände, ist doch wohl nur allzu offensichtlich. Nein, wir sollten unsere ethischen, moralischen Grundsätze, sofern sie denn noch extistent, nicht aufgeben.
    Hysterie, Unbedachtheit öffnet nur die Tür, die einige Politker ausnutzen möchten, ihre abstrusen Überwachungsphantasien in die Tat umzusetzen. Terror, ausgeführt oder geplant ist ein Verbrechen. Die gewollte Überhöhung durch Michel Friedman erscheint hier mehr als Mittel zum Zweck zu dienen.

  9. Wenn ziemlich schlaue Menschen sich in hysterischen Phrasen ergehen, Stefan, ist mir sehr unwohl.

    In Erganzung zu Deiner eloquenten Demontage nur noch die Anmerkung, dass islamistische Terroristen sich nicht durch ihre Feigheit, sondern durch ihren „Mut“, sich selbst zu opfern, für uns so unerklärlich und besonders gefährlich machen. Somit ist es nicht nur eine ungeignete Steigerung, sondern schlichtweg falsch.

    Was muss in einem Menschen vorgehen, wenn das eigene Leben einem so wertlos erscheint?

    @ Ommelbommel #7: Jein, muss man aus „Terrorverdächtigen“ Mörder machen, obwohl niemand zu Tode gekommen ist? Sie haben aber recht, dass ist die am wenigsten schlimme Hysterisierung.

  10. @Stefan: Tjahaa, du hast wohl deine Medikamente gegen Persönlichkeitsspaltung wieder nicht regelmäßig genommen, bald fange ich noch an, dich zu siezen :D

    Um mal auf deine Fragen zu antworten: Ja, diese Menschen sind im juristischen Wortsinn keine Mörder. Und der Handyvergleich hinkt, weil Friedman ja nicht behauptet, es sei jemand tot, auch wenn die Menschen vielleicht die Absicht hatten, es so kommen zu lassen.
    Ich probiere es mal von einer anderen Seite, und ich gebe zu, es ist reine Definitionssache, über die es sich ziemlich schlecht streiten lässt:
    Es ist ja nicht so, dass diese Menschen zwar gerne jemanden umgebracht hätten, es aber dann doch lieber mal gelassen haben. Sie wurden aktiv davon abgehalten und ich finde, das ist ein Unterschied.
    Wenn jetzt jemand seine Frau betrügen will, sich aber zusammen reißt, ist das ein Unterschied zu jemandem, der auf dem Weg ins Bordell einen Unfall hat und deswegen sein Vorhaben abbläst (auch kein toller Vergleich). Jetzt zu sagen, man könne ihn keinen Ehebrecher nennen, so wie den ersten, finde ich problematisch.
    Und wenn eine Person mal wieder beim Versuch, eine alte Dame um ihr Kleingeld zu erleichtern, von ebendieser erwischt und per Regenschirm nochmal zum Umdenken animiert wird, würde man wohl auch davon sprechen, dass der „Dieb in die Flucht geschlagen wurde“, auch wenn niemand beklaut wurde. Aber wie gesagt, ist wohl Definitionssache, ich finde nur, man kann das Wort jenseits von Gerichtssälen schon weiter fassen, ohne den Kern zu weit zu verfehlen.

  11. Friedman hätte mal besser den (inzwischen berühmten) Kommentar der Susan Sontag nach dem 11. September lesen sollen, der sich genau mit dieser hohlen Rhetorik befasste, denn: „feige“ war das nicht.

  12. Überhaupt Friedmans Weitschweifigkeit. Er will ja nur was ganz Simples sagen: Ich bin eigentlich gegen verdeckte Online-Ermittlung, aber in diesem Fall hat sie einen Anschlag verhindert, also bin ich doch nicht ganz dagegen. Weil dieser Satz aber nur ca. 5 Sekunden braucht, fettet Friedman ihn noch mit diesem knalligem Vokabular an. Da soll einfach die Schlichtheit eines Gedankens verschleiert werden.

  13. @Stefan: die „Mörder“ haben jeden von uns ein bischen ermordet. Unseren Freiheitswillen, unsere Abneigung gegen Kontrolle durch den Staat, unsere kindliche Sorglosigkeit.

    Klar ist das Wort nicht richtig. Aber falsch ist es auch nicht.

    Seit einem Jahr ertappe ich mich dabei, wie ich täglich in der Bahn nach alleinstehenden Koffern Ausschau halte.

  14. @Stefan: Ich weiß nicht, auf wen der Anschlag abzielen sollte. Ich merke, dass meine Argumentation mindestens an einer Stelle hakt, nämlich, dass man nicht nachweisen kann, dass jemand ermordet werden sollte, das habe ich als gegeben hingenommen.

    Wenn aber jemand ernsthaft das Ziel verfolgt, dass jemand durch seine Handlungen zu Tode kommt, egal, wer das genau gewesen wäre, dann finde ich es nicht gerade präzise, aber auch nicht so verkehrt von einem Mörder zu sprechen. So wie man von Auftragskillern oder sowas spricht, die man auf andere ansetzt. Die sind in meinen Augen auch Auftragskiller, wenn sie bis jetzt noch keinen vor die Flinte bekommen haben, auch wenn sie wollten.

    Der Vergleich hinkt in meinen Augen, weil Michel Friedman in dem von dir konstruierten Fall wohl nicht behauptet hätte, das Handy sei kaputt, sondern du seist ein Sachbeschädiger oder Vandale oder wie man das nennen will.

  15. Mörder sind sie wohl nicht. Und feige? Das wäre es gewesen, wenn sie dutzende Unschuldige getötet hätten.
    Es ist einfach politisch unkorrekt, diese Verbrecher mutig zu nennen. Irgendwo las ich, einer der Beschuldigten hätte einem Verfolgerauto (des Verfassungsschutzes) an einer Ampel oder Kreuzung mindestens einen Reifen aufgeschlitzt – er ist vorher aus seinem Auto ausgestiegen -, um die Verfolger loszuwerden. Feige war das nicht, finde ich.
    Solche Typen feige zu nennen, gehört einfach dazu. So wie es lange dazu gehörte, bei unsagbaren Verbrechen oder Anschlägen betroffen zu sein. Bis das verpönt war.
    Herrn Friedmans Meinung interessiert mich persönlich nur zu einem Thema, was er nämlich von (Zwangs-)Prostitution ausländischer Frauen hier in Deutschland hält. Manchmal hatte ich das Gefühl, er hätte zu allem etwas zu sagen. Nur dazu habe ich nie etwas gelesen. Was ich bedaure.

  16. Ganz nebenbei: Selbstverständlich kann ein Mord ohne Tote stattfinden – schon der Versuch ist schließlich strafbar.

  17. Verpönt war dann, es mit dem Wort „Betroffenheit“ in Verbindung zu bringen… Betroffen waren die Leute schon. Puh, hoffentlich geklärt.

  18. Wie so oft bei vielen deutschen Blogs kann man auch hier unter den Text ein beherztes „da gibt es schon einen Goldt-Text zu. und zwar ein sehr guten“ schreiben.
    ;)
    ernsthaft, suchen Sie den Goldt-Text zu den feigen 9/11-Attentätern und den unschuldigen Opfern heraus, Herr Niggemeier. Es lohnt sich :)

  19. @18 Solche Verwischungen nützen niemandem – außer den tatsächlichen Mördern, die dann nur noch zur irgendwie zur Gruppe der Leute mit finsteren Gedanken gehören. Der ausgeführte Mord ist einfach noch mal eine Kategorie für sich.

  20. Puh. Ich gebe zu: Ich bin überrascht. Ich dachte, das sei so offenkundig, dass man niemanden „Mörder“ nennen kann, der niemanden umgebracht hat, dass man darüber gar nicht diskutieren müsste.

    Ich dachte, das sei auf jeder Ebene eindeutig: Auf der juristischen Ebene sowieso, auf der nüchternen Bedeutungsebene des Wortes, nach dem, wie es im Alltag benutzt wird, aber natürlich auch auf der moralischen: Natürlich macht es einen riesigen Unterschied, ob jemand einem anderen Menschen das Leben genommen hat oder das „nur“ wollte. Gerade bei Mord ist der Unterschied zwischen einer vollzogenen Tat und einer, die beabsichtigt und geplant war, aber vereitelt wurde, doch so elementar. Er lässt sich in Menschenleben zählen.

    Und bin ich der einzige, der sich danach sehnt, dass wenn schon Begriffe wie „Terror“, „Terrorist“ oder „Islamist“ so schwammig sind, über die Bedeutung eines Begriffes wie „Mörder“ wenigstens insoweit Einigkeit bestehen sollte, dass er jemanden bezeichnen, der jemanden getötet hat? Darüber, ob er „feige“ ist oder „mutig“ oder gar nur ein „Totschläger“, darüber können wir dann gerne streiten.

  21. Zum Thema „Mut der Terroristen“: Der US-Talkmaster/ Komiker Bill Maher hat nach dem 11. September in seiner Sendung „Politically Incorrect“ (man beachte bitte den Titel!) in etwa gesagt: Atta und seinen Komplizen kann man vieles vorwerfen, aber keine Feigheit. Raketen über 5000 Meilen auf Zivilisten schießen – das ist feige. Aber selber im Flugzeug sitzen, wenn es in das WTC knallt, das ist nicht feige.

    Man hat ihn bei ABC gefeuert, die Sendung eingestellt, und im Feuilleton gegrillt.

    Heute moderiert er die nicht weniger exzellente Sendung „Real Time with Bill Maher“ – im kostenpflichtigen Kabelfernsehen.

    Und zu Friedman – der hat sich aber schnell aus dem Glashaus verdrückt, um endlich wieder Steine schmeißen zu können. [EDIT: gelöscht.]

    Aber verlieren wir mal nicht aus dem Auge: Die Möchtegern-Mörder sind immer noch weitaus verachtenswerter. Sie mögen keine Mörder sein, aber paranoide, verblendete, hirntote, und hoffentlich bald für immer weggesperrte Drecksäue sind sie trotzdem…

    Abschließend: Man lese im aktuellen SPIEGEL das Interview mit Richard Dawson über religiösen Fanatismus!

  22. @Stefan: Nein, Du bist nicht der einzige. Ich kann Dich schon (soweit ich das beurteilen kann) völlig verstehen.
    Komischerweise kann ich aber auch ommelbommel verstehen.
    Vielleicht ist Logik manchmal einfach nicht zweiwertig?

  23. In einer Debatte, in der es vor allem immer wieder darum geht, das richtige Maß zu finden und die schwierige Entscheidung zu treffen, mit welchen drastischen Reaktionen wir das Überleben unserer Freiheit sichern und mit welchen wir sie töten, würde ein nachdenklicher Mensch darauf achten, dass nicht die letzten klaren Begriffe noch ihren Sinn verlieren.

    Also dieses Fazit kommt mir doch etwas naiv vor.

    Natürlich in einer Gesellschaft, in der wir alle rationale, informierte und auf Abwägung zielende Personen wären, ist so etwas denkbar.

    Vermutlich etwas wie Habermas reichlich blauäugiger herrschaftsfreier Diskurs.

    Wir leben aber nicht in einer solchen Gesellschaft.

    Und so dreht Friedmann nur am Rad der medial immer weiter hochgeputschten Erregungsgesellschaft (ein beliebter Sport, bei dem auch Teile der Blogosphäre begeistert mitspielen).

    Herr Schäuble weist auf „Gefährder“ hin zu deren Enttarnung allerdings Onlinedurchsuchungen ach so sinnvoll sind.

    PI kann über die Anleitung zum Bombenbauen im Koran reflektieren.

    Etc.

    Friedmann ist da einer der in besonders schrille Töne verfällt, aber beileibe nicht der einzige.

    Stefan, deine Beiträge finde ich sehr gut – hier irritiert mich aber auch ein wenig der pathetische Tonfall.

    Und das von einem Medienjournalist, der sich des Stilmittels des Pathos doch eigentlich sehr bewußt sein müsste.

    Der emotionale Appell um auf eine zunehmende Hysterisierung hinzuweisen?

    Ein Appell, der aber bei Friedmann stehenbleibt und nicht die Sehnsucht der Rezipienten nacht bluttriefenden Storys einbezieht.

  24. „Als Beteiligter an dem Projekt WatchBerlin, würde mich schon interessieren, was sich deiner Meinung nach wie und warum zusammenfindet?!“

    Beide, der Ex-Spiegel-Mitarbeiter, als auch der Gast Friedmann lieben die Selbstinszenierung. Das kann zwar Teil von Medienkritik sein, lieber wäre mir aber ohne.

  25. @Torsten Dewi: Entschuldigung für die Löschung, aber können wir bitte einfach diskutieren, was Friedman sagt, ohne diese blöden Anspielungen?

  26. @Limited: Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so?

    Wie sagte Ellie Arroway in Contact: „Funny, I’ve always believed that the world is what we make of it“.

  27. @Stefan, jedenfalls ist jemand, der sein Handy zerstören will, daran aber gehindert wird ein Handyzerstörer. Und mit meiner Frau, die ich soeben befragt habe, bin ich einer Meinung, dass ein Mann, der seine Frau betrügen will, ein Ehebrecher ist (gleiches gilt umgekehrt)

  28. @30 Torsten Dewi:
    Sie haben es drastisch, aber treffend formuliert.

    Diese Menschen sind bereit, feige oder mutig zu morden, um unsere Gesellschaft zu zerstören. Und falls sie siegen, werden die Homosexuellen feige oder mutig als eine der ersten Bevölkerungsgruppen ermordet. Und das habe ich nicht von „PI“ oder sonstigen Warn- oder Hassblogs, sondern das ist das Programm, dass diese Gotteskrieger selbst verkünden. Und sie meinen es Ernst. Es ist ihnen egal, ob Herr Friedman sich gemäß den Niggemeierschen Stilempfehlungen ausdrückt oder auf seine ihm eigene Art.

  29. Vielleicht ist der „feige Mörder“ in diesem Fall tatsächlich einfach der Versuch, dem „Terroristen“, der ja doch immer noch ein irgendwie geartetes Motiv hat, dieses zu entziehen? Mord kann, wenn ich mich recht entsinne, ja aus „niederen Beweggründen“ ausgeführt werden.

    Und, auch wenn in Wahrheit niemand getötet wurde, „feiger Mörder“ (niederer bzw. gar kein Beweggrund außer dem Bedürfnis, jemanden zu töten) hat für mich zumindest tatsächlich noch einen (wenn auch nur theoretisch) anderen Beigeschmack als „Terrorist“ (hat seine, wenn vielleicht auch absolut nicht verständlichen Beweggründe).

    Und ich fürchte, der Vergleich mit dem Handy hinkt in diesem Fall auch in meinem Auge – es wird schließlich nicht den Nicht-Toten unterstellt, sie seien es doch irgendwie, sondern den (ja, juristisch nicht richtig) Nicht-Mördern, sie seien in Wirklichkeit doch welche. Im Geiste. Und ja: ich verstehe die Schwierigkeit der Nähe zum Gedankenverbrechen. Vielleicht ist der Vergleich zum gedanklichen Fremdgänger, der durch einen äußeren Umstand unterbrochen wird, hier sinnvoller. Ist er trotzdem Fremdgänger? Aber auch der Vergleich hakt spätestens bei der Art des Verbrechens…

  30. (Ergänzung, bevor das jemand anmerkt: der „niedere Beweggrund“ ist natürlich auch immer ein Motiv, aber irgendwie wirkt das nach einer anderen Stufe für mich)

  31. @Jörg Friedrich: Und jemand, der Fußballweltmeister werden will, aber von einem anderen Team daran gehindert wird, ist für Dich Fußballweltmeister, nehme ich an. Nennst Du Stauffenberg eigentlich manchmal den Hitler-Mörder? (Puh, das erschwert jegliche zukünftige Diskussion aber ungemein.)

  32. Ernsthaft: Ich glaube, dass sich im Deutschen Sprachgebrauch typisch zeigen lässt, dass zur Charakteresierung von Menschen, die etwas unbedingt tun wollen und fest zu tun beabsichtigen, die Substantivierung dieses Tätigkeitswortes unabhängig von der tatsächlichen Ausführung geeignet ist.

    Was überigens die Verwendung des Wortes „feige“ betrifft, so glaube ich, dass es da im alltägliche Sprachgebrauch auch eine weitere Bedeutung gibt als nur das gegenteil zu „mutig“ – nämlich synonym zu „niederträchtig“ in Kombination mit „im Verborgenen, geheim, hinterrücks“

  33. Ernsthaft: Ich glaube, dass sich im Deutschen Sprachgebrauch typisch zeigen lässt, dass zur Charakteresierung von Menschen, die etwas unbedingt tun wollen und fest zu tun beabsichtigen, die Substantivierung dieses Tätigkeitswortes unabhängig von der tatsächlichen Ausführung geeignet ist.

    Das ist nicht „ernsthaft“, das ist Quatsch.

  34. Auwei, jetzt legt sich schon Stefan selbst mit Godwins Gesetz an.
    Ich verstehe Stefan folgendermaßen:
    ich bin stolz darauf, in einem Land zu leben, wo die „mutmaßlichen Attentats-Planer“ das Recht haben, eine einstweilige Verfügung gegen die Bezeichnung „Mörder“ und womöglich sogar Schmerzensgeld zu erwirken. Nicht das moralische Recht, aber das juristische. Die Menschenrechte gelten ausnahmslos für alle.
    Da ich mich in dieser Hinsicht mit unserem Grundgesetz identifizieren kann, muß ich mich auch streng an diese moralische Leitlinie halten. Auch wenn es mir manchmal schwerfällt.

  35. @ Modran: sehr schön auf den Punkt gebracht. Wie ein US-Promi (Name gerade vergessen) vor dem McCarthy-Ausschuss auf die Frage antwortete, ob er Kommunist sei: „Natürlich – und als Amerikaner habe ich das Recht dazu!“

  36. Hm, also nochmal: Friedman erzählt Kohl, Mörder sind Leute, die einen Mord begangen haben, Mord bedeutet, das jemand hinterher tot ist. D’accord?

    Selbstmordattentäter sind nicht feige und Hysterie nicht Nachdenklichkeit. Einverstanden?

    Hätte Friedman nicht einfach von „potentiellen Mördern“ oder „geplanten Mordanschlägen“ sprechen können?

    Ich glaube mittlerweile, dass der Zeitgeist verlangt, ungenau, überhöht, hysterisch, dumm-dreist, polemisch, falsch vereinfachend – oder wie nennt man das, was W.i.b.A.S. aus dem „Fahndungserfolg“ zur rechten Zeit und seinem Gesetzentwurf zur Online-Durchsuchung gerade macht? – zu „senden“ (kommunizieren wäre hier nicht angebracht). Orange ist ja auch wieder in. Oder schon wieder fast out?

  37. Ich denke hier liegt ein gutes Beispiel für die Übersteigerung, Hysteriesierung durch Personen vor, die in den Medien tätig sind (eine konkretere Charakterisierung von Friedmans Tätigkeit fällt mir spontan nicht ein).

    Ungeachtet dessen ob „feige“ mehrere Bedeutung besitzt.

    Ähnliches macht BILD ja auch jeden Tag. Ein Fußballspiel ist dort ja auch nie ein Fußballspiel, sondern meist ein „Kampf“, „Debakel“ u.a..

    Auch die Pose des Besonenen und des aufklärenenden Parts, übernimmt BILD für sich ja gerne.

    Das diese Übersteigerung eine an der Lösung von Problemen orientierten Sichtweise entgegensteht, wurde auch benannt.

    Aber was folgt daraus?

    BILD verbieten? Friedman freundlich kritische Briefe schreiben?

    Solange es Menschen gibt, die sich derart aufputschen lassen wollen, wird das Bestandteil der Öffentlichkeit bleiben.

    Das ist m.E. in vielerlei Hinsicht auch eine Ersatzbefriedigung, um eigenen Frust abzubauen.

    Und auch über Probleme nicht weiter nachdenken zu müssen, hat man doch den „feigen Mörder“ auf dem Silbertableau präsentiert zu bekommen.

    Kurzzeitige Erregungsabfuhr und dann weiter zu DSDS.

    Man kann auf Aufklärung hoffen, auf Menschen, die Dinge hinterfragen – aber ich bin da mittlerweile recht zynisch geworden.

    Wer Friedman will, bekommt ihn.

  38. Ich wünsche schonmal viel Spaß mit dem Hagelschauer von Leuten, deren Humor da aufhört.
    Siehe Eva Herrmann …

    (ich fand den Witz gelungen, aber ich bin selten mehrheitsfähig.)

  39. @Modran: „Die Menschenrechte gelten ausnahmslos für alle.“ […] „Auch wenn es mir manchmal schwerfällt.“
    (Ich hoffe, die extreme Verkürzung wird mir verziehen)

    Punkt.

    Und ich vermute, weil auch Herrn Friedman das ganze schwerfällt, versucht er… s. meinen Kommentar 44.

  40. Mörder sind sie alleine deswegen nicht, weil sie noch nicht verurteilt sind. Vielleicht kennt Herr Friedman aber die Beweise schon.

    Sollten sie verurteilt werden, dann nicht wegen Mord, sondern versuchten Mordes (vermutlich aus niederen Beweggründen).

    Jemanden als „feige“ zu bezeichnen, der vermutlich als Selbstmordattentäter fungieren wollte (die Art und Weise des Sprengstoffes spricht dafür) offenbart eine eigenartige Logik. Aber bei Herrn Friedman habe ich sehr selten Logik entdeckt.

  41. Ich versuch’s nochmal. Sprache hilft, Dinge zu unterscheiden. Wenn jemand sagt, er will rote Sachen essen, bringe ich ihm keine Banane mit. Wenn jemand mit mir in den Süden fahren will, buche ich keinen Flug nach Stockholm, auch dann nicht, wenn ich ihm erklären könnte, was an dieser Stadt alles südländisch wäre.

    Das praktische an dem Wort „Mörder“ ist, dass ich eines sicher annehmen kann über jemanden, der so bezeichnet wird: Er hat mindestens einen anderen Menschen aus niederen Beweggründen getötet. Wenn wir anfangen, den Wörtern den klaren, sachlichen, eigentlich unstrittigen Kern ihrer Bedeutungen zu nehmen, werden wir bald nicht mehr miteinander reden können. Das mag pathetisch klingen, aber davon bin ich zutiefst überzeugt. Noch pathetischer formuliert: Klare Begriffe sind eine Voraussetzung für einen Diskurs über das richtige Handeln. (Das hat bestimmt irgendein Philosoph (oder Max Goldt) schon knackiger formuliert, aber was soll’s.)

  42. @ Modran #52: Ich glaube Sie mißverstehen hier Stefan Niggemeier, es geht ihm nicht um Political Corectness, sondern einfach nur um sinnvolles, richtiges, für jeden verständliches Deutsch.

    OT: Gerade hat Kachelmann „Motzelbärigkeit“ im Ersten gesagt. Wann sagt er endlich „Flauschzottel“? Oder habe ich das nur geträumt.

  43. @63: Und nicht zuletzt: unser Denken wird geprägt von den Worten, die wir verwenden. So funktioniert „Neu-Sprech“, deshalb entstehen Wortungetüme wie „negatives Wachstum“, „Luftverschmutzungsrechte“ oder „Kollateralschaden“.

  44. Aber bei reiner Sprachkritik stehenzubleiben, wenn man darauf hinweist, dass der Sprachgebrauch kontraproduktiv für das gesellschaftliche Zusammenleben ist, ist meiner ganz persönlichen und subjektiven Ansicht nach irgendwie unbefriedigend.

    Sprachkritik und politische Analyse können ja durchaus in einen Zusammenhang gebracht werden.

    Ich erwarte ja keineswegs eine Theorie des kommunikativen Handelns – aber das wirkt auf mich irgendwie unvollständig.

    Der erwähnte Artikel von Susan Sontag ist da sehr instruktiv.

  45. @ Modran #65: Und das steht jetzt wie genau im Zusammenhang mit „Mörder“?

    Und Eva Herrmann hat nur Witze gemacht?

    Sicherheitshalber schreibe ich hier noch „Zigeunerschnitzel“ und „Negerkuss“ hin.

  46. (ups, letzteres war @62)
    @63: Paßt schon. Mir ging es auch nich um political dingsbums, sondern um Hinterfragung meines eigenen Denkens, was auch die Bedeutung sinnvoller, richtiger, für jeden verständlicher deutscher Worte beinhaltet.
    Aber Sprache kann niemals eine 1zu1-Abbildung des Redners auf den Zuhörer sein.
    Deshalb stimme ich Stefan grundsätzlich zu: wir müssen Worte davor bewahren, schwammig zu werden.

  47. OT: Eva Herman (eigentlich Eva Herrmann, geborene Feldker) hat wohl keine Witze gemacht. Aber auch nichts, was ich ihr vorwerfen würde. Zumindest nicht, was die aktuellen Ereignisse betrifft. Ich mag sie nicht, aber die derzeitige Kritik an ihr finde ich dumm.

  48. @ SvenR

    Ich habe mich ungenau ausgedrückt. Es hätte heißen müssen „wenn man darauf hinweist, dass dieser Sprachgebrauch kontraproduktiv ist“ und bezog sich auf das Fazit:

    In einer Debatte, in der es vor allem immer wieder darum geht, das richtige Maß zu finden und die schwierige Entscheidung zu treffen, mit welchen drastischen Reaktionen wir das Überleben unserer Freiheit sichern und mit welchen wir sie töten, würde ein nachdenklicher Mensch darauf achten, dass nicht die letzten klaren Begriffe noch ihren Sinn verlieren.

    Aber vielleicht falle ich ja auch gerade in die Grube, die Deridda in Limited.Inc beschrieben hat.

  49. oha, sehe grad, auf Sontag wurde schon hingewiesen.

    Aber eine andere Sache. Die mutmaßlichen Mörder „Mörder“ zu nennen passt super in die zur Zeit vorherrschenden Leitlinie des politischen Aktionismus. Überall liest man von „Vörbeugung“.Vorbeugende Haft von Terroristen, vorbeugendes Abknallen von „Gefährdern“, etc. Überhaupt das Wort „Gefährder“.

    Alle scheinen plötzlich in die Zukunft sehen zu können. Minority Report pur. Klar sind das dann auch gleich Mörder.

  50. @ Modran #68: Was bedeutet denn nun schon wieder „was auch die Bedeutung sinnvoller, richtiger, für jeden verständlicher deutscher Worte beinhaltet“?

    Und was muss ich mir unter „eine 1zu1-Abbildung des Redners auf den Zuhörer“ vorstellen?

    Durch wen oder was werden „Worte […] schwammig“ und wer kann sie – die armen unschuldigen Worte – davor „bewahren“?

    Egal was Sie nehmen, nehmen Sie weniger davon.

  51. @71: Nein, sorry. Das Thema hat mich nur sensitiv gemacht und bei Deiner Bemerkung „Hitler-Mörder“ die schlimmsten Befürchtungen ausgelöst.

    Danke für den ix-link, und zurück zum Thema.

  52. @SvenR: Danke für den Hinweis. Aber bitte nicht siezen.

    Worte werden schwammig, wenn man Nicht-Mörder als Mörder bezeichnet, und die Mehrheit sich nicht darüber wundert.
    Oder wenn „Superstars“ eine Halbwertzeit von einem Jahr haben, aber das ist ein anderes Thema.

    Unter 1zu1-Abbildung das Redners auf den Zuhörer mußt Du Dir nichts vorstellen, da es sie nicht gibt. Doch wenn es sie gäbe, dann würde sie bedeuten, daß der Zuhörer exakt das versteht, was der Redner sagen wollte.

  53. @ Limited #72: Danke für Ihre Mühe, ich hab’s aber immer noch nicht begriffen. Das was Stefan geschrieben hat, glaube ich verstanden zu haben.

  54. Michel Friedmann ist vielleicht erfahren in der Medienlandschaft und nicht unintelligent, dass heißt aber nicht, dass er es verdient hätte ernst genommen zu werden.

  55. @ SvenR

    Ich bin nur dafür verantwortlich, was ich geschrieben habe, nicht dafür, was du verstanden hast.

    Zurück zum Thema.

    Natürlich können wir uns hier ev. darauf verständigen, dass man Friedman nicht ernst nehmen muss.

    ‚Viele werden aber, so sie denn seine Worte vernehmen, anders reagieren.

    Auf den Schenkel schlagen und intonieren:

    „Feige Mörder, richtig, Bastarde. Ich hab es ja schon immer gewußt, die Muslime sind der Untergang des christlichen Abendlandes“

    Punkt.

    Und damit ist dann auch schon jeder weitere Gedankenprozess beendet. Das diese Menschen keine Mörder sind – perdu.

    Dass die Motivation wohlmöglich in Elementen liegt, die nur randständig mit dem Islam zu tun haben – hinweg.

    Und das meine ich auch mit der politischen Komponente, die in derartiger Sprachkritik eigentlich eingebettet ist, aber nicht ausformuliert wird.

    Ich will jetzt keine Diskussion Islam/Islamismus lostreten, sondern auf das auch schon von Stefan Niggemeier aufgegriffene Moment der Suggestion hinweisen.

  56. @ Modran #76: Menschen, die ich nicht wirklich kenne – wobei, wen kennt man eigentlich wirklich? – also: zu kennen glaube, sieze ich. Das schulde ich meinem Alter und meiner guten Erziehung. Mich darf aber jeder gern duzen, dass schlimmste, was ihm widerfahren kann, ist, dass ich zurückduze. Ich finde, das Deutsch dem Englischen hier weit überlegen ist. Aber das nur nebenbei.

    Das mit der Schwammigkeit habe ich jetzt verstanden, wobei meiner Meinung nicht die Sprache schwammig wird, sondern die Kommunikation durch den Mißbrauch von Sprache. Das ist jetzt aber schon Wortklauberei.

    Das mit der 1zu1-Abbildung haben wir zwei Beide ja perfekt demonstriert…;-)

  57. Bin ich dumm wie Herman? Den Sinn der Überschrift habe ich trotz oder wegen der vielen Kommentare immer noch nicht verstanden.

  58. @78: Nein. Wer so eine hetzerische Sache veröffentlich ohne den Hauch eines sachlichen Arguments äußert und von Mördern spricht wo es keine Opfer gibt, verdient keinen Respekt. Als Beschuldigter würde ich ihn anzeigen. Menschen, die so reden, schaden unserem Land und seiner Rechtskultur. Friedmann ist ein Mensch für Dumme.

  59. @SvenR: Mißbrauch von Sprache ist so ein Thema. Da fühle ich mich immer mehr in eine reaktionäre Ecke gedrängt, da ich nahezu jede Art von Neuentwicklung in der Sprache schon als Mißbrauch empfinde. So hätte ich zum Beispiel niemals das Wort „Handy“ benutzt – mir ekelt es dabei.

    Aber sei’s drum: ich verstehe den Unterschied nicht zwischen schwammiger Sprache und schwammiger Kommunikation (durch den Mißbrauch).

    Wenn wir 0.8zu0.8 erreichen, können wir schon glücklich sein. :)

  60. @ 83 Martin:
    Das Verbrechen, Leute die morden wollten, als Mörder zu bezeichnen, obwohl ihre Taten vereitelt worden sind, dürfte doch bedeutend geringer sein, als der Versuch, hunderte Menschen zu töten?

  61. @ Mondran #84: 0,8 zu 1, oder nur 0,8. Entschuldigung, ich bin manchmal wirklich so ein Korinthenkacker. Aber bei „Handy“, da sind wir zwei uns so nah, da passt kein Blatt Papier dazwischen.

    @ Eva Blond #86 und #87: Nachts ist es kälter als draußen.

  62. terroristen sind von angst geleitet, sie zeigen sich nicht, verstecken sich hinter einer ideologie.
    die absicht, eine terroristische tat durchzuführen, macht aus ideologen terroristen, und aus terroristen mörder.
    friedman’s motiv über feigheit nachzudenken, ist dem motiv des herrn stefans nicht ganz unähnlich, wa!

  63. @47: das sehe ich auch so; trotzdem hat stefan niggemeier objektiv gesehen recht beim wörtchen „feige“ – friedmann aber eben auch.

    wenn ein gegner sich nicht den streitkräften stellt, sondern die (mittelbar unbeteiligte) zivilbevölkerung „hinterhältig“ angreift, so handelt dieser gegner feige.

    das kommt vermutlich aus kaiserszeiten und viel weiter davor, denn als ehrenhaft wird angesehen, wenn sich die kontrahenten draussen vor stadt auf dem felde treffen und sich bekriegen. die zivilbevölkerung bekommt im günstigsten falle davon nichts mit. umschifft der gegner aber die eigenen streitkräfte und tötet (ansich) unbeteiligte menschen um seine ziele durchzusetzen, so ist das eben feige.
    daher ist das gegenteil von „feige“ in dem fall nicht „mutig“, sondern „ehrenvoll“.

    beispiel: der japanische angriff auf pearl harbour wird oft als feige bezeichnet; hätte es aber VORHER eine kriegserklärung gegeben, so wäre es eben nicht feige gewesen.

    von „feigen terroristen“ zu sprechen ist deshalb legitim, weil mindestens drei bedingungen erfüllt sind:
    – dem gegner wird nicht die chance gelassen, sich zu verteidigen;
    – es werden menschen angegriffen, die sich gar nicht verteidigen _können_;
    – der gegner stellt sich einem nicht – er ist dafür zu feige.

    wie dabei die tat ansich ausgeführt wurde – ob mutig oder feige – ist völlig unerheblich.

    gruss, rycon

  64. @lokalreporter: Terroristen sind von Angst geleitet? Sind Sie sicher?

    @rycon: Aber das Wort „Terroristen“ beinhaltet all das schon! Sie werden nicht dadurch feiger, dass ich sie feige nenne, so wie ein weißer Schimmel nicht weißer ist als ein Schimmel.

  65. mutige terroristen ist ein widerspruch. unangepaßte meinungen zu vertreten, hat nichts mit terrorismus zu tun. feige terroristen ist treffend. sie sind in ihrer menschlichen essenz ängstlich.

  66. @63 – Den Punkt genau getroffen! Oder: Wir verstehen uns, weil wir die richtigen Worte wählen. Wir werden verstanden, weil wir die richtigen Worte wählen. Oder: Wir wollen so verstanden werden, wie wir die Worte wählen… Reden wir doch über die „Macht“ der Sprache. Dann verstehen wir uns.

  67. Man kann bei Terroristen doch grob zwei Gruppen unterscheiden. Diejenigen, die bereit sind, sich selbst mit in die Luft zu sprengen – und die anderen.
    Erste sind bei weitem die gefährlicheren, wie der 11/9 gezeigt hat.
    In diesem Kontext kann man nun unterscheiden zwischen feige (letztere) und „nicht feige“ (wobei „mutig“ auch das falsche Wort dafür wäre. Dafür braucht man keinen Mut. Dafür braucht man völlige Verblendung).

  68. Ein Terrorist ist einer, der Schrecken, nämlich Terror, verbreitet. Ob dieses sein Tun feige, hinterhältig, unehrenhaft ist, geht nicht aus dem Begriff selbst hervor.
    Selbstmordattentäter opfern zwar ihr Leben, wie es auch die Helden tun, die niedliche Kätzchen aus brennenden Häusern retten, aber sie weichen feige den Folgen ihrer Tat aus.
    (Huch, wie kommt denn der Hitler in diese Diskussion? Der hat sich ja auch ganz mutig der Verantwortung entzogen, indem er sein Leben drangab. Überdies war er der einzige, dessen Attentat auf den Führer erfolgreich war. Als Ministerpräsident eines süddeutschen Bundeslands könnte man daraus ganz ulkige Schlüsse ziehen.)

  69. Ich finde es falsch, dass man das Wort ‚Mord/Mörder‘ nutzt, wenn niemand zu tode gekommen ist.

    Stefan zieht meines Erachtens nach eine wichtige Grenze in der Nutzung der deutschen Sprache. Ich ziehe die Grenze auf ähnlichem „Niveau“.
    Am Ende nennt man dies „Weiterentwicklung“ einer Sprache.
    Einer Sprache die ich mal viel präziser (unmissverständlicher) fand! Und das sagt jemand, der grad mal 22 ist!

  70. Yay, Hundertster!

    Ich wäre zwar auch gerne Erster gewesen, aber 99 Kommentare hindern mich leider dran. Im Prinzip bin ich aber trotzdem Erster! Da habt ihr’s!

  71. Ich möchte noch mal zu dem Handy und dem Ehebruch zurückkehren, weil ich die Argumentationen Einzelner nicht nachvollziehen kann. Wenn ich sauer auf mein Handy bin und es an di Wand werfen möchte, ich dann aber gestört werde, weil mein Mann zur Tür reinkommt, es also sein lasse, dann bin ich kein Handyzerstörer, sondern allenfalls jemand, der kurz davor war, einer zu werden. Ebenso sehe ich das im Falle von Ehebruch. Sonst würde ja jeder, der ineinem Moment mal darüber nachdenkt, mit dem attraktiven Mann von nebenan mal … absolut irrsinnig, so etwas als Ehebruch zu bezeichnen.

    Und im Falle von Mord ist es noch eindeutiger: Kein Toter, kein Mord! Planung von einem Mord = Planung!!! Auch strafbar, aber es erfolgt die Verurteilung nicht wegen Mord!

  72. Herr Friedman wäre glaubwürdiger, wenn er sich über die israelische Politik – manche nennen es Staatsterrorismus – genauso aufregen würde, wie über den islamistischen Terror. Zum Libanonkrieg fiel Herrn Friedman nur ein: „Israel darf was es tut!“ Vom „feigen Mord an unschuldigen und wehrlosen Zivilisten“ war da nichts zu hören…

  73. Also ich käme NIE auf die Idee, mit dem attraktiven Mann von nebenan eine Affäre zu haben.

    Ansonsten kann ich die Aufregung über den Artikel des Herrn Friedmann nicht teilen. Abgesehen davon, dass er prinzipiell von 0 Belang ist, und offensichtlich vor Pseudo-Pathos und Worthülsen nur so strotzt. Aber wenn man IHM daraus einen Vorwurf macht, warum dann nicht weiteren 60-80 Prozent der Journalistenwelt gleich mit? Heiße Luft. Punkt.

    Mehr Sorgen kämen bei mir auf, wenn ein gewisser Innenminister mit dieser Keule daherkäme und – einmal tief Luft geholt – drei bis fünf neue Gesetze ankündigte.

  74. Thomas #37: Selbst das erklärt noch nicht meine Frage.

    „… was sich deiner Meinung nach wie und warum zusammenfindet?!“

    Viel mehr, so glaube ich mittlerweile, verstehst du das journalistische Prinzip einer Kolumne falsch. Unsere Kolumnisten sind frei in ihrer Themen- und Wortwahl.

  75. Der Unterschied zwischen dem feigen und dem mutigen Mörder ist kein allein brachialrhetorischer, sondern einer, der eigentlich nur noch in seiner ursprünglichen Dichotomie funktioniert.
    Demnach sind Terroristen irreguläre Kombattanten, die sich einem wie auch immer gearteten Schlachtfeld entziehen und aus dem Hinterhalt agieren „feige Mörder“. Der Soldat, der reguläre Kämpfen im Krieg, soll dann – auch in Anlehnung an Tucholsky – wohl als der „mutige Mörder“ gelten.
    Man muss diese Betrachtung nicht teilen, sicher nicht. Aber sie ist wohl doch der Ursprung der Phrase des „Terroristen als feigem Mörder“.

  76. @103
    In Afrika sterben Kinder usw. – es gibt trotzdem keinen Grund, Friedman keinen Vorwurf zu machen.

    Wenn man dann schon mal Gotteskrieger ist, lassen sich Flugzeuge leiicht in Häuser steuern, man hat ja nix zu befürchten, Jungfrauen gibts sowieso, das ist weder feige noch mutig, da hat auch Frau Sontag Unrecht.

  77. Um noch einmal auf die anfängliche Definition „ihres“ Arztes zurückzukommen: Herr Friedman weiß, dass er nach seinen privaten Verfehlungen nicht mehr die moralische Instanz ist für die er sich immer gehalten hat, aber er erträgt es nicht.

  78. @ 102. Ah, ich dachte schon, das Stichwort Israel kommt gar nicht mehr. Friedman findet für Terroristen und für die israelische Politik verschiedene Worte, weil er sie verschieden bewertet. Da ist seine unterschiedliche Anwendung des Begriffs „Mord“ nur plausibel.

  79. Ich glaube, mittlerweile haben Blogger nur noch ein Ziel: aus irgendwelchen Nichtigkeiten irgendetwas Besonderes zu kreieren, um sich dann von anderen Bloggern als „Held“ feiern zu lassen. In Blogs wird einem diese Ehre besonders schnell zuteil, im wirklichen Leben dauert es länger. Dort nennt man solche Leute dann auch nicht Held, sondern Korinthenkacker.

    Wenn sich jemand (auch ein Michel Friedman darf das) empört über die versuchten Terroranschläge und sich verbal gegen die hirnverbrannten Terroristen zur Wehr setzt, dann darf er sich auch ruhig Mörder nennen. Sie waren es bereits im Geiste. Es handelt sich bei dem Text schließlich nicht um eine Anklageschrift, sondern um ein „Wut ablassen“. Und da darf man sich gegen dieses Gesindel auch mit diesen Ausdrücken wehren.

    Und die Verwunderung zum Thema „feige“ und „Mörder“: Diese Begriffskombination wird sich nie aus dem Wortschatz streichen lassen. Auch Unfälle sind immer „tragisch“. Genaueres dazu gab es schon vor zehn Jahren zum Beispiel bei Max Goldt zu lesen.

  80. Ich glaube die (potentiellen) Täter werden aus zwei Gründen so gerne als „feige“ bezeichnet:

    Zum einen natürlich um die Täter als möglichst verächtlich darzustellen.

    Zum zweiten ist dies aber auch eine Reaktion darauf, dass die Täter (und ihre Befürworter) die Taten gerne als „mutig“ bezeichnen. Wenn man dann die Taten als feige bezeichnet, so geschieht dies um zu widersprechen. Und dies richtet sich vielleicht auch gerade an potentielle, zukünftige Täter.

  81. @109
    Eine Nichtigkeit sind solche Kolumnen mit Sicherheit nicht. Herr Friedman kann sich natürlich entrüsten und Schreckliches auch schrecklich finden, besonnen wirken die Stammtischthekenwörter nicht. Und bei allem Verständnis für den Abscheu, das ist fehl am Platz bei einem Thema, dass schon bei richtiger Wortwahl genügend Schrecken in Jedem auslöst. Da muß man dann nicht noch mit dem Bunsenbrenner dran.
    Und es tut Herrn Friedman ganz gut, wenn man seinen eigenen Anspruch (siehe obige Zitate im Text) kritisch hinterfragt und das ist Stefan Niggemeier hier doch gut gelungen!

  82. ich war anfänglich eher friedmans meinung (bzw. Kommentar #43).
    im laufe des lesens aller kommentare hat aber ein denkprozess begonnen. vor allem #52 hat mich beeindruckt, mit allen konsequenzen.
    danke!

  83. Ich bin Anwalt. Und den Vorwurf gewöhnt, Haarspalter und pingelig zu sein. Und ich weiß, was juristisch ein Mörder ist. Ich stimme Stefan Niggemeyer bei seinem eigentlichen Blogeintrag vollkommen zu. Je länger ich jedoch hier die Kommentare lese, umso mehr frage ich mich, ob ein allzu exzessives Haarspalten hier nicht mehr vom wichtigen eigentlichen Thema Terrorismus, Freiheitsrechte etc. kaputt macht, als das ursprünglich wichtige und richtige Hinweisen im Blogeintrag dazu beigetragen hat.

  84. @112 Ihren Einwand finde ich grenzwertig und falsch.

    Jemand der Drogen konsumiert oder Seitensprünge verübt verliert deshalb doch nicht seine gesamte moralische Glaubwürdigkeit! Um das klarzustellen: Auf der Liste der unsymapthischten Persönlichkeiten ist Herr Friedmann bei mir weit oben.
    Wenn man aber jedem, der irgendwas in seinem Leben falsch macht sämtliche Achtbarkeit abspricht (was Ihnen leider gelungen ist) dann ist das Unsinn.

    Mann kann fragen, wie glaubwürdig dies im Einzelfalle ist (z.B. bei einem nachgewiesenem Doper, der sich gegen das Doping ausspsricht), aber diese Frage gar nicht zu stellen, und jemandem jegliche Glaubwürdigkeit und Berechtigung einfach abzusprechen, das ist zu kurz gegriffen!

  85. Das Feigenblatt der Sprachkritik: Herr Niggemeier ermittelt, der Herr (Jude) Friedman ist neurotisch. Und alle, die sich sonst scharf von den bösen Neonazis abgrenzen, geben ihrer klammheimlichen Freude Ausdruck, dass er es dem jüdischen Hurenbock und Kokser mal so richtig gegeben hat. Ein Hoch auf die moralisch reinen Gotteskrieger, die eigentlich gar nichts gegen die Deutschen haben, sondern nur gegen Amerikaner, Juden, selbstbewusste Frauen und Schwule.

  86. […] Medienjournalist Stefan Niggemeier versuchte vor wenigen Tagen eine solche kritische Analyse hinsichtlich des Gebrauches des Ausdrucks “feige Mörder” für die Terroristen, die in der vergangenen Woche nur durch ihre Verhaftung an der Umsetzung großer und sicherlich für viele Menschen tödlicher Attentate gehindert wurden. Michel Friedman hatte diesen Ausdruck verwendet. […]

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