Fixing A Hole

Früher, als man noch drei Kanäle hatte, die neuesten Nachrichten erst einen Tag später am Frühstückstisch lesen konnte und grobkarierte Sakkos und Hornbrillen trug, nannte man die Zeit, in der es nicht ausreichend Nachrichten gab, um damit eine ganze Tageszeitung zu füllen, „Saure-Gurken-Zeit“. Heute heißt sie weitaus weniger poetisch „Sommerloch“ und wird von den Medien Klischee-gemäß mit Kaimanen in Baggerlöchern, enthüpften Kängurus und Deutschen in ausländischen Gefängnissen gefüllt. Manchmal entstehen während dieser Zeit auch Serien, die sich leicht abseitigen Themen widmen: Da werden Menschen mit exotischen Hobbies porträtiert, Regionalzeitungsredakteure wandern zu Fuß durch das Verbreitungsgebiet ihrer Zeitung und Kinder dürfen Politiker interviewen oder so.

In den letzten Jahren, in denen es genau genommen gar keine Sommerlöcher mehr gab, weil eben immer irgendwas ist, über das man berichten kann, hat sich ein mäßig unterhaltsames Subgenre des Metajournalismus etablieren können, das sich dem Sommerloch widmet. Es schlägt sich nieder in Glossen, die davon handeln, dass ja gerade das sogenannte Sommerloch vorherrsche, in dem nichts passiere und in dem alle Journalisten des Landes hofften, dass irgendwo ein exotisches Tier ausbreche, zu Fuß durch die Gegend jage und Politiker interviewe. So weit, so tragisch …

Bei „ARD Aktuell“ hat man sich in diesem Sommer deshalb mal was ganz anderes einfallen lassen, um das Sommerloch zu füllen: Für das „Nachtmagazin“ schickte man diese Woche die Reporterin Ingrid Bertram nach – und jetzt kommt’s: Sommerloch, eine kleine Gemeinde im Landkreis Bad Kreuznach.

Die „FAZ“ berichtete vor zwölf Jahren darüber, die „taz“ gleich zweimal (1995 und 2001), die „Süddeutsche Zeitung“ war auch schon da und im Jahr 2003 hieß es dann beim SWR:

In dieser „Tote-Hose-Zeit“ für Presse, Rundfunk und Fernsehen fallen Reporter und sogar Politiker seit einigen Jahren in der Gemeinde ein und schnüffeln in jedem Dorfwinkel auf der Suche nach der ganz besonderen Meldung. 1995 standen gleich fünf Fernsehteams auf der Matte.

Blicken wir der Wahrheit also ins Auge: Diese Idee war nicht besonders originell. Um nicht zu sagen: Sie ist toter als Problembär Bruno. Ihre Umsetzung ist dann wenigstens konsequent schwach, denn was die ARD da jetzt Abend für Abend sendet, ist noch schlimmer als die durchschnittliche „Satire“ der Politmagazine: Während die erste Episode noch mit der üblichen Meta-Ebene (in Form von Stoffbären, Gummikrokodilen und – Hoho! – „Zeitungsenten“) jonglierte, wird ab der zweiten Folge krampfhaft versucht, aktuelle Themen witzig und vermutlich auch noch „frech“ aufzugreifen und auf diese arme, arme Gemeinde in Rheinland-Pfalz runterzubrechen. Ob es nun um Doping oder Lokführerstreiks geht: Alles wird auf auf eine erschreckend biedere und weitgehend unkomische Art (gehässige Menschen würden sagen: „öffentlich-rechtlich“) thematisiert.

RTL würde so etwas bei „Punkt 12“ versenden, der WDR hätte dafür wenigstens Christian Dassel, der aus wirklich jeder Geschichte eine sympathische kleine Reportage zaubern kann, und ein aufgeweckter Chefredakteur hätte bei der Redaktionskonferenz, auf der die Idee zu dieser lockeren Serie aufkam, kurz angemerkt, dass wir inzwischen das 21. Jahrhundert schreiben und man solcherlei Späße doch bitte den Schülerreporten der Regionalzeitungen überlassen möge. Oder wenigstens dem „Morgenmagazin“.

Die gute Nachricht zum Schluss: Jeder Sommer ist irgendwann vorbei. Dann ziehen die Reporter weiter nach Himmelpforten.

27 Replies to “Fixing A Hole”

  1. vielleicht schreiben wir einfach jetzt schon unseren wunschzettel an den weihnachtsmann ;-)

    aber mal ehrlich, was wäre das für ein sommerloch, wenn alle darüber schreiben, und es gäbe gar keins. fakt ist doch, dass es gar keins gibt, jeden tag passiert in jedem leben genug, damit man sich damit beschäftigen kann. und nur, weil alle denken, wir seien nicht aufmerksam, weil wir in urlaub fahren oder im schwimmbad faulenzen oder uns todesmutig vor den fernseher setzen und die siebte wiederholung einer retortensendung wegen des lochs, des sommrigen, schauen … wir leben, also warum ein loch, noch dazu im sommer? der trend geht aus meiner sicht zum ganzjahresleben ohne loch!

  2. Ich mag das Sommerloch – vor allem wenn irgendwelche Hinterbänkler irgendwelchen Unsinn fordern und der dann wegen mangelnder Konkurrenz durch substanziellere Nachrichten auch noch weiterverbreitet wird. Da lernt man nämlich etwas über die Welt der Politik – dass die eben nicht nur von den Merkels und Müntes bevölkert wird, sondern vor allem von nicht wirklich unentbehrlich wirkendem Bodenpersonal.

  3. Konnte Herr Niggemeier während seines Urlaubes seinen Laden nicht einfach dicht machen, wie es jeder anständige Bäcker tut?
    Stattdessen bietet man mir solche staubtrockenen Blögchen wie diesen Beitrag seines offiziellen Stellvertreters.
    Ich hätte mir nie träumen lassen, dass ich mich nach Herrn Niggemeier sehnen würde.
    Ich krieg den Sommerloch Blues.

  4. Fasznierend, mit wie viel Chuzpe jemand, dem es selbst an jeglicher Originalität fehlt, andere ob fehlender Originalität kritisiert.

  5. Hornbrillen trägt man heute wieder!
    (was die träger beim Betrachten der Fotos wird sagen lassen: was hatten wir da für Oschis im Gesicht)

  6. Ich finde es eine Frechheit, dass gebloggt wird. Es sollte nur noch reine Kommentarseiten geben, wo man sich gegenseitig ans Bein pisst. Zwischendurch wirft jemand provokante Thesen in den Raum: „Der Himmel ist blau!“ Nun stürzen sich alle auf diesen und beweisen, dass er in Wirklichkeit grün-rosa gestreift ist. Ach nein, das würde zu weit gehen, wie könnte man in Kommentaren über den Himmel den Himmel erwähnen?

  7. Wer hier wen meint, ist doch völlig wurscht!
    Jedenfalls ist das ein klasse Bericht !
    So und jetzt ab zurück ins Sommerloch.

  8. ich verstehe irgendwie dieses lynchmobartige verhalten nicht.
    die texte von herrn heinser lesen sich sehr angenehm, zeigen ironie & witz.
    also danke für die versüßung der niggemeierfreien zeit. werde jedenfalls weiter das blog täglich besuchen, zahlreiche, neue artikel von der „urlaubsvertretung“ erwartend.

  9. >mäßig unterhaltsames Subgenre des Metajournalismus
    […]
    >schlägt sich nieder in Glossen, die davon handeln,
    >dass ja gerade das sogenannte Sommerloch vorherrsche

    gähn.
    Überlaßt solche Späße doch bitte den Schülerbloggern der Regionalblogs.

  10. Ich begrüße Metaglossen ungemein, sie bereichern den Horizont von Metabloggern, die fast ausschließlich in der Bloggersphäre leben.
    Das Sommerlöchlein ist aber definitiv durch die Osnabrücker Werbung zum Städtchen geschlossen. 280000 Eurönchen für die Werbefritzchen sind immer eine kleine Glosse wert.

  11. Ich plädiere für die Einführung von
    „Sommerloch 2.0“! Wegen der besonderen Metareferenz.

  12. Was für ein beschissener Duktus. Warum soll ich mir das Zeug von so einem ehemaligen Klassenstreber durchlesen? Ich will den Intellektuellen zurück, den Niggemeier!

  13. @Karl Arsch: Ach, wir kennen uns?! Warum waren Sie denn nicht auf dem Klassentreffen dieses Jahr? Man hat Sie und ihre kecken Sprüche vermisst!

  14. Lustig, wie hier immer alle über die Urlaubsvertretungen herziehen.
    Bei ix wurde die ganze Zeit über die Kleinschreibung gemeckert, bei Christoph Schultheis wird gemeckert, weil er über Themen schreibt, die weit entfernt etwas mit Bildblog zu tun haben, über Sascha Lobo wurde hergezogen, weil er Sascha Lobo ist, und über Lukas wird gelästert, weil er Klassenstreber war. ;)

    Also ich finde das Blogsitting schön. Ist doch besser, als wenn es hier komplett leer bleiben würde, und Leute wie ich, die normal nur 2-3 Blogs lesen, bekommen auch mal etwas anderes zu lesen, als immer nur den Niggemeier. ;)
    Und ich finde, bisher haben alle ihre Sache sehr gut gemacht.

  15. Kritik an Texten = „lynchmobartiges verhalten“?

    Da werden dann natürlich auch Bedenkenträger schnell zu „typisch deutschen Spielverderbern“.

    Lächerlich.

  16. ich bin dafür, alle atmen mal tief durch.
    eine kritische diskussion ist etwas belebendes, aber wenn, dann doch bitte mit inhalt und stil und am besten auch mit offenen karten. mir gefällt die idee des blogsittings insgesamt gut, die beiträge vom stellvertreter lesen sich gut und ich überlege gerade, wer bei meinem nächsten urlaub das blogsitting für mich übernimmt … vielleicht der klassenkamerad von lukas mit dem ekelnamen, damit er sein trauma aus der schulzeit besser verarbeiten kann! ;-)

  17. Sommerloch = Sumerlachen = feuchte Mulde

    Aber das ist ja vorrecherchiertes Grundwissen einfallender, medialer Heuschrecken.

    Vielleicht wäre das eine „innovative“ Call-TV Frage: „Wie viele Reporter befinden sich in einem 2,53 km² großem Sommerloch und suchen die feuchte Mulde?

    Ähn…., wird ein Loch nicht in Volumen gemessen, in dem sich am Ende herausstellt, wie leer diese Loch doch eigentlich ist?

    Man kann ein TV-Programm mit Leere füllen, eben einem ‚Sommerloch‘ und sendet dieses virtuelle NICHTS.

    NICHTS bleibt in den Köpfen der Menschen, wenn sie zu Weihnachten über den letzten Sommer und dem TV-Programm der ÖR sinnieren. Leere macht sich breit!

  18. Vom Leben gelernt:

    Es ist schwieriger, einem humoristisch-metamäßig ausgerichteten Beitrag Kommentare von ebensolcher Ausrichtung folgen zu lassen. Daher nehmen die Kommentare proportional zu ihrer Anzahl an Ernsthaftigkeit zu und damit zwangsweise, aufgrund der dazu inkompatiblen thematischen Vorgabe, an Bräsigkeit.

    Gibt es eigentlich Blog-Laws, die sich von den bekannten Usenet-Laws unterscheiden und nur auf Blogcomments zutreffen? Das wär mal ein Thema für eine medienwissenschaftliche Doktorarbeit 2.0.

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