Susanne Gaschkes Himmel & Hölle

Vielleicht haben Sie neulich in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ oder auf FAZ.net das Pamphlet „Die Netzanbeter“ von Susanne Gaschke gelesen, in dem sie schreibt:

Seine Anhänger sehen das Netz als gesellschaftsverändernde Kraft. In der vollendeten Netzgesellschaft, von der sie träumen, sind alle gleich, gut, hilfsbereit und zugewandt. Von einer „himmlischen Stadt“ schwärmt ein Netzprophet, und zahllosen Aufsätzen und Interviews merkt man die Ungeduld und die Vorfreude auf die neuen himmlischen Zustände an.

Und vielleicht haben Sie sich gefragt, wer der anonyme „Netzprophet“ sein mag, von dem das Zitat stammt.

Nun. Wenn ich es richtig sehe (und ich habe das natürlich nur in diesem Internet nachgeguckt), handelt es sich um Michael Benedikt, einen amerikanischen Architekten und Erforscher virtueller Realitäten. Anscheinend stammt der Begriff aus seinem Vorwort zu dem Buch „Cyberspace: First Steps“ [pdf]. Es ist vor 18 Jahren erschienen, 1991, im selben Jahr also, in dem das World Wide Web überhaupt erst das Licht der Welt erblickte.

Wir können uns natürlich jetzt den Spaß machen und den „Zeitungsanbetern“ dieser Tage irgendwelche heute absurd klingenden Heilsversprechen aus jener Zeit entgegen halten, als die Menschen erstmals entdeckten, dass man Nachrichten in größerer Auflage auf Papier drucken kann, aber ich hatte jetzt keinen Nerv, ewig im Mittelalter herumzuwühlen.

Und ist es nicht lustig, dass Frau Gaschke nicht nur Namen und Jahreszahl verschweigt, sondern sicherheitshalber sogar das Schwärmen grammatisch in die Gegenwart verlegt hat?

Falls Sie sich trotzdem noch weiter mit den wilden Verwünschungen der „Zeit“-Redakteurin auseinandersetzen wollen (und sie womöglich gar, wie der Rezensent der „Süddeutschen Zeitung“, für eine „pragmatische Netznutzerin“ halten), möchte ich Ihnen diese Replik ans Herz legen: „Die Netzignoranten“.

61 Replies to “Susanne Gaschkes Himmel & Hölle”

  1. Wer glaubt, annimmt, erwartet, ja sogar „prophetisch“ voraussagt, dass etwas eintreten wird, muss der gleich „AnbeterIn“ sein?

    Gruß von polyphem (Göttersohn)

  2. Das, was Frau Gaschke sich da zusammen schwurbelt, entspricht in weiten Teilen der Ansicht, die in der gesamten ZEIT-Redaktion zum Thema Online vorherrscht: Unnötig, unsinnig, unreif, unseriös, unwirtschaftlich. Zahllose Beispiele, Interviews, Geschichten und Aussagen belegen das.
    Mich bringt das immer wieder zum Kopfschütteln. Die ZEIT ist schließlich nicht irgendein Blatt – und diese Fahne und ihre Nase tragen die Kollegen dort ja auch immer sehr hoch.
    Dass man trotzdem die Zeichen der Zeit (kleingeschrieben) so verkennen kann, sich so gestrig positioniert und sich damit offensichtlich so auf dem völlig falschen Dampfer befindet, finde ich insgesamt erstaunlich und für ein Blatt, das sich selbst so wichtig nimmt, ein echtes Armutszeugnis.

  3. Dass im Netz aber oft eben doch keine echten Menschen für einen da sind, hat Gaschke mit der Strohmannparade in ihrem Artikel eindrucksvoll bewiesen.

    P.S.: Siehe auch.

  4. Ich finde es ausgesprochen bemerkenswert, mit welchem Aufwand Frau Gaschke sich müht, Argumente für den vermeintlichen Verfall der Kultur durch das Netz zusammenzutragen, anstatt sich einfach damit auseinanderzusetzen und es aus erster Hand kennenzulernen. Bemerkenswert deswegen, weil man doch meinen sollte, dass gerade die Autoren eines sich als Sprachrohr der Intellektuellen verstehenden Blattes unter den Ersten sein sollten, die ihre Zeit darauf verwenden, die neuen Möglichkeiten der Netzkultur zu verstehen und für sich selbst zu nutzen, anstelle sie auf vielen Seiten zu verdammen wie seinerzeit die Kutscher das Automobil.

    So schreibt Frau Gaschke:


    „Innerhalb von zehn Jahren haben sich anderthalb Milliarden Menschen auf der Welt von einer Großtechnologie abhängig gemacht, die das Wesen der Kommunikation verändert wie wenige Erfindungen zuvor. Einer Großtechnologie, die wir zwar alle mehr oder weniger mühelos für die unterschiedlichsten Zwecke einsetzen können – die wir aber nicht verstehen.“

    Könnte es sein, dass die Menschheit ca. seit der Entdeckung des Feuers von Techniken (Technologie ist ein Blähwort) abhängig ist, die nicht mehr alle davon profitierenden Individuen gänzlich verstehen? Ich könnte Frau Gaschke darüber belehren, dass weder das Web 2.0 noch Computer generell Hexenwerk sind und es sehr wohl mit endlichem Aufwand möglich ist, im Detail nachzuvollziehen, was unter der Haube abläuft (um Web-2.0-Anwendungen entwerfen zu können, muss man übrigens nicht verstehen, was in den Abstraktionsschichten darunter passiert; man muss also z.B. nicht wissen, wie eine CPU funktioniert).

    Aber das ist nicht der Punkt. Denn die Softwareentwickler, zu denen auch ich gehöre und die uns – neben vielen anderen Anwendungen, die nicht so offensichtlich sind – auch das Web 2.0 bescheren, steuern genauso wenig die dadurch bewirkte gesellschaftliche Debatte, wie die Ingenieure in einem Kernkraftwerk Frau Gaschkes Gedankengänge beeinflussen, weil sie für den Strom sorgen, der die Lampe in ihrem Arbeitszimmer versorgt. Der Autor einer Blogsoftware hat nicht in der Hand, wozu die damit erstellten Blogs einmal genutzt werden werden. Wie also Frau Gaschke darauf kommt, dass speziell durch das Internet „ein großer Teil [..] unserer Kommunikation mit anderen Menschen [..] in der Hand von Experten, deren Überlegungen wir kaum nachvollziehen können“, liege, bleibt mir schleierhaft.

    Ist es nicht vielmehr so, dass jene „Experten“, von denen sie spricht und die angeblich gesellschaftliche Diskurse steuern, in Wahrheit bislang eben gerade jene Zeitungsredakteure waren, zu deren erlesenem Kreis sich Frau Gaschke selbst zählt? Wer ist meinungsbildend, der Setzer in der Druckwerkstatt, der die Lettern in die Reihenfolge bringt, die ihm vorgegeben wurde, oder der Autor, der sie vorgibt?

    Frau Gaschke scheint nicht nur von der Angst beseelt, das Internet könne langfristig meinungsbildenden Publikationen wie derjenigen, für die sie arbeitet, Einfluss und Macht rauben; sie besitzt auch noch die Ignoranz, die objektiv begrüßenswerte, wenngleich für gestandene Journalisten wohl recht schmerzhafte Demokratisierung der Meinungsbildung durch das Internet zu einer angeblichen Monopolisierung durch die Plattformanbieter umzudeuten.

    Das ist nicht nur sachlich falsch und eine Beleidigung all jener, die mit der Entwicklung technischer Errungenschaften beschäftigt sind, welche die Plattform schaffen, auf denen ironischerweise auch Frau Gaschke einen immer größeren Teil ihrer Leser erreicht. Es ist auch so offensichtlich eine Verdrehung der Tatsache, dass das Netz das Meinungsspektrum auffächert, Meinungsmonopole aufbricht (man denke nur an die stets sinkende Auflage der Bildzeitung) und damit einen enormen Beitrag zum Medienpluralismus leistet, in ihr Gegenteil, dass man sich fragen muss, ob Frau Gaschkes Problem nicht in Wahrheit ein ganz anderes ist, als sie vorgibt: Dass nämlich in dem Maße, in dem der „Mann von der Straße“ durch Blogs und andere webgestützte Dienste seine Vorstellungen artikulieren und einem breiten Publikum verfügbar machen kann, die Bedeutung traditioneller Meinungsbildner wie der ZEIT sich allmählich im großen Meer des Internets verliert.

    Offenbar ist Frau Gaschke aber die Vorstellung eines wirklich pluralistischen Mediums, das nicht nur einzelnen Autoren eine herausgehobene Stellung einräumt, derart fern, dass sie annimmt, es müsse irgendwelche „Fädenzieher des Internets“ geben, eben jene ominösen Programmierexperten, die als Teil einer gewaltigen Verschwörung die attraktiven Web-2.0-Plattformen gebaut haben, um den alteingesessenen Papiermedien die Meinungsführerschaft abzuluchsen.

    Vielleicht sollte die Dame sich also einfach einmal das WWW ansehen, anstelle Pamphlete im Duktus des Möchtegernintellektuellen darüber zu verfassen, die sich anmaßen, die gesellschaftlichen Implikationen des Internets zu analysieren, die sich jedoch lesen, als würde ein Blinder über Farben reden.

  5. Man sollte aber auch erwähnen, dass das von Benedikt herausgegebene Buch in der Fachliteratur auch heute noch recht häufig zitiert wird. Es ist also nicht so, dass Frau Gaschke da irgendwelchen esoterischen Quatsch ausgebuddelt hat, nur um krampfhaft ihre Theorien zu stützen. Das Buch hat offenbar noch immer eine gewisse Relevanz, selbst nach so langer Zeit.

  6. @4: Könnte es nicht auch anders herum sein, daß die Bedeutung traditioneller Meinungsbildner wie der ZEIT wächst, weil sich fast alles drum herum im großen Meer des Internet verliert?! Selbst der wirklich nicht dem WWW abgeneigte Jakob Augstein ist der Ansicht, daß Heribert Prantl wichtiger sei als Don Alphonso (und das war wohl zunächst mal medienpolitisch und informationstypologisch gemeint).

  7. @ichichich: Aber das Buch hat diese Relevanz doch (mutmaße ich jetzt mal) als Referenz aus der Geburtszeit des Mediums, oder?

    Es ist aber ja auch gar nichts dagegen zu sagen, dass Frau Gaschke ein solches Zitat nutzt und damit argumentiert — wenn sie dazu sagt, von wann es stammt und nicht den Eindruck erweckt, die Formulierung von der „himmlischen Stadt“ sei ein typisches Heilsversprechen aus heutiger Zeit.

  8. @ kurt #4:

    Sind Sie der kurt, der mich sonst immer nur zum Kopfschütteln bringt? Nein, oder?

  9. @ SvenR: Als IP-Mentalist sage ich: Genau der. (Psst, die Länge hats mir verraten)

  10. „anstatt sich einfach damit auseinanderzusetzen und es aus erster Hand kennenzulernen.“

    Ich glaub schon, dass sie sich damit auseinandergesetzt hat. Anders wäre kaum zu erklären, warum sie ein Buch über das Internet geschrieben hat.

  11. Thomas, Gib mir (nächstes Jahr) zwei Wochen und ich schreib dir ein Buch über den Einfluss von Offshore-Atomkraftwerken auf die Nasenschleimhäute der Australischen Wüstenforelle (Austrocknung).

  12. @ kurt #11:

    Respekt.

    @ Alberto Green #12:

    Ach, (naiv dreinblickend) und ich dachte immer size doesn’t matter. Was sagt den Deine IP-mentalistische Wahrnehmung bzgl. des 24. Julis?

  13. Frau Gaschke positioniert sich als Marke: die ZEIT ist da nur die Zweitverwertung von „ISBN 3451299968“ – Klick. Strategien gegen die digitale Verdummung. Da werden viele derartige Thesen aneinandergereiht, die Zustimmung durch besorgte Eltern ist da gewiss. Das – immer noch funktionierende – Marketing durch Mundpropaganda bzw. den Stapel in der Buchhandlung wird durch Netzapologeten offensichtlich vernachlässigt ;-)

  14. @kampfstrampler #6:

    Prantl hatte mehrere Jahrzehnte Zeit, sich und seiner Zeitung einen Ruf aufzubauen – das ist viel länger, als irgendeine Web-2.0-Plattform oder auch nur irgendeine Webseite existiert. Das Web wird erst dann richtig etabliert sein, wenn es auch der älteren Generation (50+) als selbstverständliches Alltagswerkzeug ein Begriff ist. Aber der Umbruch ist in vollem Gange. Heute kann man schon auf SPON Artikel die „gute alte Zeit“ der 8-Bit-Videospiele lesen, die damals als die Jugend verderbender Schund gebrandmarkt wurden (von den gleichen Leuten, deren Eltern noch die gleiche Meinung zu Rockmusik hatten). Irgendwann wird es auch so gut wie keine 70-jährigen mehr geben, die es nicht für selbstverständlich halten, sich im Netz zu bewegen.

    Zumindest die Auflagenentwicklung der Print-ZEIT widerspricht diametral der Theorie, dass die möglicherweise auf den ersten Blick auch verwirrende Vielfalt des Internets eine verstärkte Nachfrage nach traditionellen Medien stimuliere. Und wenn man in der ZEIT-Redaktion weiterhin das Web nur als Bedrohung des bisherigen Geschäftsmodells auffasst und auch dementsprechend stiefmütterlich behandelt, wird die Bedeutung der ZEIT spätestens dann auf Null gesunken sein, wenn deren Herausgabe wegen zu hoher Druckkosten für die wenigen verbliebenen Leser eingestellt wurde.

  15. @kurt #4
    darf ich Sie küssen? ;)
    ganz besonders den Vergleich mit den AKW-Technikern finde ich fantastisch!
    So, genug gespamt (die anderen Leser mögen mir verzeihen, aber das musste einfach raus).

  16. Passt doch: 1991 dürfte das Jahr gewesen sein, in dem Frau Gaschke zum letzten Mal ihr Weltbild kalibriert hat.

  17. Was ihr in den Kommentaren jetzt alle mit der ZEIT wollt, verstehe ich jetzt nicht ganz, ist doch der Artikel in der FAS erschienen…?

  18. @19: Liebe Internet-Apologeten, die Welt des Internet wird in genau dem rasenden Maße unübersichtlicher, je mehr Leute Ihr für sie interessiert – das führt wiederum zu drängenden Wünschen der Hinzugekommenen, sich darin zurechtzufinden und nicht nur auf die Insider-Tips von Leuten angewiesen zu sein, die sich von Auftreten und verbaler Hybris her als Freaks präsentieren. Das wiederum führt zu Meinungsbildnern traditionellen Zuschnitts (Print-Medien!!), die schlau genug sind, auf beiden Schienen zu fahren. Dialektik, Dein süßes Lied ich singe!
    @20: Sunde ist ein Dieb, nein: er ist ein Hehler – Mankell und Gaschke haben recht; denn sie leben von ihrer bezahlten geistigen Produktivität. Sunde und Konsorten sind nur clevere Makler – und dieser Berufsstand sollte von einer Alt-Linken doch schon mal enteignet werden?! Ach, wie ich diese Geisterschlachten doch liebe.

  19. ich bin mir sicher, dass sie meint, sich mit dieser darstellung für ihre branche einzusetzen.

    wie ich diese print-kriege hasse. fällt alles auf dies schöne medium zurück.

    .~.

  20. Hm, überrascht mich ein wenig, dass sie bei der ZEIT ist. Dort habe ich nämlich in den letzten Wochen und Monaten die besten Artikel und Kolumnen zum Thema Computerspiele gefunden, was mir diese Zeitung sehr smypatisch machte.

  21. absolutes OT, aber leider gibt es beim bildblog ja keine Kommentarfunktion:
    Danke für den Eintrag über den Drogenbericht. Ich war schon ein wenig verunsichert.. heute Morgen erschreckt mich die Regionalzeitung mit grausigen Schlagzeilen, heute Mittag behauptet die taz das Gegenteil. Jetzt bin ich beruhigt – es gibt ihn noch, den seriösen Journalismus..

  22. @Stefan Niggemeier, #19:

    500.000 verkaufte Exemplare mögen viel sein, aber wenn man das mit den Zugriffszahlen von etwa Spiegel Online vergleicht, spielt letzteres doch in einer anderen Liga. Zumal das Auflagenplus von vier Prozent zwar für sich genommen durchaus ansehnlich klingen mag, aber in Relation zu den stark rückläufigen Verkaufszahlen des Print-Marktes insgesamt gesehen werden muss.

    Oder, anders ausgedrückt: Jedes Jahr wandern viele zigtausend Leser von Print zum Web. Nicht unbedingt wörtlich, zum Teil entsteht das einfach dadurch, dass alte Menschen sterben und junge daran gewöhnt sind, Informationen primär aus dem Web zu beziehen. Die Auflage der ZEIT hat längst nicht in dem Maße zugenommen, in dem der Absatz der Presse insgesamt in den letzten Jahren abgenommen hat.

    Wo die neuen ZEIT-Leser herkommen, weiß ich nicht; es wäre sicherlich interessant zu wissen. Aber wenn ich etwas spekulieren darf: Ich vermute, sie stammen überwiegend nicht von jungen Websurfern, die man für bedrucktes Papier begeistern konnte, sondern von Leuten, die von anderen Zeitungen abgeworben wurden. Dass man auch in einer Krise an Absatz gewinnen kann, obwohl der Markt insgesamt rückläufig ist, dürfte bekannt sein: Zum Beispiel konnte die Chipfirma AMD in diesem Quartal 7,5% mehr CPUs absetzen, während der Gesamtmarkt stark schrumpfte (der größte x86-CPU-Lieferant Intel setzte dafür knapp 13% weniger ab).

    Die Auflagenentwicklung der ZEIT, so erfreulich sie für diese Zeitung sein mag, reicht bei weitem nicht aus, die Einbrüche im Print-Markt insgesamt aufzufangen (siehe hier). Und ungeachtet solcher Zahlenspiele sollte ganz abstrakt schon offensichlich sein, dass Aufmerksamkeit, wie Frau Gaschke durchaus treffend in ihrem Artikel bemerkt hat, ein begrenztes Gut ist; mögen Zeitunglesen und Web-Konsum sich auch nicht strikt gegenseitig ausschließen, so kann man doch nicht gleichzeitig das eine und das andere tun und hat nur begrenzte Zeit für den Medienkonsum zur Verfügung. Der Aufwärtstrend des Web muss schon diesen Überlegungen zufolge dem Printmarkt Aufmerksamkeit und damit letztlich auch Absatz entziehen.

    Mein Kaffeesatz sagt jedenfalls, dass der Auflagenschwund der meisten Tageszeitungen sich noch eine ganze Weile fortsetzen und irgendwann auch die ZEIT erfassen wird, denn das Reservoir an Lesern, die von anderen Druckerzeugnissen abgeworben werden können, ist begrenzt und wird immer kleiner. Wenn die ZEIT tatsächlich in nennenswerter Zahl Angehörige der „Web-2.0-Generation“ für bedrucktes Papier begeistern konnte, würde mich das überraschen; meine – zugegebenermaßen sicherlich nicht repräsentativen – Erfahrungen im Bekanntenkreis sagen da etwas anderes.

  23. @kurt (30) Auf den ersten Blick sieht das so aus, als ob Birnen (verkaufte Druckexemplare) mit Äpfeln (Zugriffzahlen) verglichen werden. Es ist ein Taschenspielertrick, Web-Konsum und Zeitunglesen gegeneinander auszuspielen: Das eine zu tun, schließt das andere überhaupt nicht aus (Prinzip Sofa gg. Arbeitsplatz) – im Gegenteil, mein jüngerer Bekanntenkreis (Studis) läßt sich vom einen zum anderen (und wieder zurück) animieren. Die Älteren, die ich kenne, dagegen hassen es geradezu, auf das Web allein angewiesen zu sein, gerade weil sie (das mag höchst irrational sein) dort mehr Manipulation fürchten; in ehrwürdigen Flaggschiffen der Print-Medien suchen sie Orientierungs- und Fluchtpunkte. Und diese Älteren sind mehr und mehr in der Überhand – jedenfalls die nächsten 30 Jahre. Die krise der Printmedien ist also ein Anpassungsproblem, für die Spitzenprodukte keine Existenzfrage. Im übrigen hassen es ältere Menschen, von jugendlichen Freaks neuerer Technologien bevormundet zu werden – sie haben es sich ja auch abgewöhnt, den Kids irgendwelche Konsumvorschläge zu machen.

  24. Ist so eine inhaltsleere Zeitungsartikel-Imitation wirklich eine Meldung wert? Sie argumentiert ja nichtmal mit der oben entlarvten Viertelwahrheit sondern stellt sie nur in eine zusammenhang- und aussagelose Reihe dümmlichen Gemäkels an imaginären „Netzfanatikern“. Vom Stil her erinnert mch dieses sinnleere Geschwurbel ein bisschen an einen bloggenden Vertreter der“Gegenseite“ beim Handesblatt. :-)

  25. Was mich an diesem Werbung-für-mein-neues-Buch-Text am meisten stört, ist die Koketterie mit Technik-Feindlichkeit. Man merkt man sie so vielen Journalisten an, diese fehlende Neugier, sich auf etwas Neues einzulassen.
    Wirklich, ich bemitleide all diejenigen, die sich dem Netz (natürlich abgesehen vom Üblichen: „Googlen“ und „Mailen“) verweigern, halte es aber für jedermanns Recht, sich nicht damit zu beschäftigen – solange man den Mund zum Thema hält. Schlimm wird’s dann, wenn jemand versucht, aus der eigenen Überforderung noch Profit oder zumindest zweifelhaftes Intellektuellen-Renommé zu schlagen. Wie Gaschke es tut.

  26. @32 Ihr Tonfall ist übel – dergleichen stößt mir bei einer ganzen Reihe von Kommentatoren schon seit Monaten auf. Offenbar scheint es bei denen ein Problem mit abgewogenen Argumentationslinien zu geben – Glaubenskrieger aber schrecken ab.

  27. @kurt: Na, Sie biegen sich die Welt aber noch mehr zurecht als Frau Gaschke. Ja, die vier Prozent Auflagenplus der „Zeit“ müssen in Relation zu den stark rückläufigen Verkaufszahlen der anderen Zeitungen gesehen werden. Nämlich insofern, dass er der „Zeit“ gelingt, in Zeiten, in denen die meisten anderen Printmedien verlieren, zu gewinnen. Die „Zeit“ hat gerade ungefähr die höchste Auflage aller Zeiten. Das ist, ob Ihnen das gefällt oder nicht, ein großer Erfolg.

    Sie schreiben: „Der Aufwärtstrend des Web muss dem Printmarkt Aufmerksamkeit und damit letztlich auch Absatz entziehen.“ Mag sein. Aber der gedruckten „Zeit“ entzieht er gerade offensichtlich weder Aufmerksamkeit noch Absatz. Im Gegenteil.

  28. @32: Unter welchen Sedimentschichten muss man denn in den letzten sagen wir mal 15 Jahren verschüttet gewesen sein, um den anschwellenden Bocksgesang von Netzfanatikern überhört zu haben? Sagt den Jüngeren unter den Kommentatoren hier vielleicht das Stichwort New-Economy-Hype und Dotcom-Blase was? So imaginär sind diese netzprophetischen Gestalten nicht, auch wenn sich Frau Gaschke für ihr Feindbild leide die falsche und zeitlich nicht so recht passende Figur ausgesucht hat.

    Eine wirklich gelungene Abrechnung mit den ins Internet projizierten Heils- und Erweckungserwartungen (die es zweifellos en masse gab und gibt) wäre nach wie vor zu schreiben. Dass die hier kritisierte Autorin mit ihrem Versuch insgesamt deutlich zu kurz gesprungen ist, muss nicht bedeuten, dass sie nicht auch den einen oder anderen richtigen Punkt trifft.

    Um es klar zu sagen: Ich bin gern im Netz und finde die Entwicklung superspannend. Aber die protoreligiöse Inbrunst, mit der manche ihren Zeitvertreib und/oder Broterwerb im Netz verbrämen, nervt mich nicht minder als die bräsige Ignoranz der Ewiggestrigen, die glauben, das wäre nur so eine Mode, und man müsse nur lange genug die Augen davor verschließen, dann ginge dieser Wahn von selber wieder vorbei.

  29. @mark793: Also, mir hätten da jetzt ein, zwei Links unter „protoreligiöse Inbrunst“ geholfen. Nicht weil ich bestreiten will, dass es sowas gibt. Aber damit man mal weiß, worüber wir konkret reden.

  30. @35, Stefan Niggemeier:

    Eigentlich gefällt mir das sogar – der Qualitätsstandard der ZEIT ist im allgemeinen durchaus hoch und allemal erheblich besser als derjenige der meisten Lokalzeitungen, die gerade so massiv an Auflage verlieren. Vielleicht überrascht Sie zu erfahren, dass ich mir sogar gelegentlich die ZEIT kaufe (ja, tatsächlich das gedruckte Ding, nicht das e-Paper). Ich finde es sehr erfreulich, dass man mit Qualität statt dem uninspirierten Drucken von Agenturmeldungen (auf das die ZEIT nichtsdestoweniger auch nicht verzichten will – oder kann) selbst in Krisenzeiten noch Leser gewinnt.

    Ich finde es allerdings weniger erfreulich, dass man mancherorts in den Redaktionen der „gehobenen“ Zeitungen, zu denen man neben FAZ und ZEIT mit gutem Willen auch die Süddeutsche rechnen kann, eine Meinung über das Internet und darin zu findende Publikationen antrifft, die von wenig Faktenkenntnis getrübt ist und sich extrem einseitig auf vermeintliche oder tatsächliche Nachteile dieser Publikationsform konzentriert; Frau Gaschke ist da ja leider kein Einzelfall, und Sie selbst haben auf Ihrem Blog schon öfters Artikel kritisch kommentiert, die ins gleiche Horn stießen. Das bedeutet natürlich nicht, dass die ZEIT als Ganzes in meinen Augen keine lesenswerte Zeitung sein könnte; es bedeutet nicht einmal, dass Frau Gaschke grundsätzlich keine lesenswerte Autorin sein könnte.

    Also: Die ZEIT hat unbestritten Erfolg, großen Erfolg, und ich gönne ihr den Erfolg, auch wenn das vielleicht anders rüberkam. Ich bin auch kein so radikaler Print-Abstinenzler, wie das vielleicht hier erscheinen könnte, zum Beispiel bin ich Abonnent des in Frankfurt verlegten radikalliberalen novo-Magazins. Das ist das eine.

    Das andere ist, dass Erfolg nicht blind machen sollte für gesellschaftliche Umbrüche, wie sie gerade in der Medienrezeption stattfinden. Solange die Auflage nach oben geht, mag die – in meinen Augen, das gebe ich gerne zu, recht arrogante – Haltung einiger ZEIT-Redakteure zum Web funktionieren, aber Hochmut kommt bekanntlich vor dem Fall. Wenn ich zunehmend Marktanteile in einem andererseits immer kleiner werdenden Markt gewinne, sollte mir das Sorgen machen, unabhängig davon, dass diese Zugewinne meine wirtschaftliche Lage sogar deutlich verbessern können.

    Tatsächlich ist es sogar normal, dass in schrumpfenden Märkten eine Konsolidierung stattfindet, denn in schlechten Zeiten gehen die wirtschaftlich am schlechtesten aufgestellten Teilnehmer zuerst pleite, wodurch der Kuchen für den Rest größer wird. Wenn am Ende allerdings der Kuchen nur noch mikroskopisch klein ist, dann nutzt das alles nicht mehr viel.

    Mir ist schon bewusst, dass der Printmarkt weit davon entfernt ist, vom Internet vollständig kannibalisiert zu werden. Ich glaube auch nicht daran, dass elektronische Medien ihn jemals vollständig ersetzen werden können. Und natürlich geschehen Umbrüche wie derjenige, den wir hier beobachten, nicht von heute auf morgen. Aber eine Sichtweise, wie sie bei der ZEIT vorzuherrschen scheint, ist gefährlich: Für die Zeitung selbst, aber auch für die öffentliche Meinungsbildung insgesamt, wenn sie unter Journalisten Schule macht. Denn das Web braucht auch qualifizierten, gut recherchierten, von Lektoren mit Verstand geprüften und wohlüberlegten Journalismus. Gerade Ihnen als jemandem, der sich professionell damit beschäftigt, brauche ich wohl als letztes zu erzählen, wieviele unglaublich schlechte Nachrichten- und Informationsangebote es im Netz gibt, die dennoch hohe Reichweiten erreichen.

    Es existiert, das können die althergebrachten Medien drehen und wenden, wie sie wollen, eine wachsende Zahl an Medienkonsumenten, die für Inhalte außerhalb elektronischer Medien kaum noch erreichbar sind. Es mag nicht schlau sein, sich vorwiegend auf Portalen wie rp-online zu informieren, aber der Mensch an sich ist faul, und das Web ist komfortabel und günstig. Entweder man wendet sich diesen Menschen zu, die ein großes und immer noch stark wachsendes Publikum darstellen, oder man beschimpft sie als vermeintliche Bildungsanalphabeten und ignoriert dabei, wieviele sehr wertvolle Bildungsinhalte das Web bei richtigem Umgang bieten kann. Letzteres ist aber a) bestimmt nicht eine angemessene Haltung für Menschen, die von sich glauben, weltoffen und aufmerksam gegenüber politischen und kulturellen Entwicklungen zu sein, und vor allem kann es b) dazu beitragen, dass die in Artikeln wie dem von Frau Gaschke herbeiphantasierten Bildungsdefizite durch vorwiegend elektronische Mediennutzung überhaupt erst entstehen.

    Das Internet gewinnt dadurch, dass es Ihr Blog gibt. Es gewinnt dadurch, dass man zumindest einige Inhalte der ZEIT dort findet. Es gewinnt sogar durch unsere Diskussion hier. Und es verliert, wenn eigentlich durchaus kluge Menschen sich von ihm ab- oder vielmehr niemals zuwenden, weil sie borniert und ignorant sind und sich an altbekannte Methoden der Medienrezeption klammern. Das ist ein Problem, denn in Zukunft werden sich noch mehr Menschen als bisher schon vorwiegend im Netz informieren, gleich, ob die Inhalte nun gut oder schlecht sind.

    Die bisherigen Reaktionen der Zeitungsmacher auf das Internet finde ich wenig überzeugend. Ich kann die ZEIT als e-Paper kaufen – immerhin ein Anfang, aber gibt es Diskussionsforen zu den Artikeln? Komme ich mit einem Mausklick von einem Artikel, der sich auf eine wissenschaftliche Publikation bezieht, auf diese Publikation selbst? Das alles erinnert mich an den Anfang des Webs, als Firmen glaubten, eine Webseite wäre eine Art Prospekt im Internet, und auch dementsprechend grottige Webseiten online stellten, und macht von den Möglichkeiten dieses Mediums nicht einmal im Ansatz Gebrauch.

    Glauben Sie mir, für mich geht nicht die Welt unter, wenn es der „herkömmlichen“ Presse gut geht, und ich lese auch gelegentlich die FAZ, wenngleich ich mich mit dem Stapeln von Papier in meiner Wohnung wenig anfreunden kann. Mir ist schon bewusst, dass es Artikel aus der gedruckten Welt im Netz vielerorts noch gar nicht in vergleichbarer Qualität gibt. Zum Beispiel können Sie tausend Tests von diverser Hardware im Netz finden und doch nirgendwo einen Qualitätsstandard beobachten, wie ihn etwa c’t-Artikel in aller Regel bieten, was natürlich damit zusammenhängt, dass sich so mancher Amateur mit etwas Bastelerfahrung auch für einen guten Hardwaretester und Testautor hält.

    Nur diese selbstgewählte, stolz hochgehaltene und oft mit fragwürdigen Argumenten begründete Abstinenz von einer Welt, die so viele neue Möglichkeiten der Medienrezeption und -publikation bietet und jeden gestandenen Journalisten und Autor doch eigentlich begeistern sollte, die geht mir, das gebe ich gerne zu, gewaltig auf den Keks. Natürlich mag dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielen, dass Inhalte im Web schwieriger zu finanzieren sind als offline, weil die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten geringer und die Konkurrenz größer und nur einen Mausklick entfernt ist. Vielleicht liegt die mangelnde finanzielle Großzügigkeit der Konsumenten aber auch einfach nur daran, dass die Strategie nicht weniger Medienkonzerne im Umgang mit dem Netz darin zu bestehen scheint, zusammenkopierte Agenturmeldungen vom Praktikanten in der Mittagspause mit dürftigen Ergänzungen versehen zu lassen und das Ganze dann ohne Lektorat online zu stellen. Dass für derartigen „Content“, der absolut austauschbar, im Web deshalb ubiquitär und zudem qualitativ minderwertig ist, kaum jemand bezahlen möchte, dürfte auf der Hand liegen, ist aber kaum die Schuld des Mediums.

    Ich wette um einen Kasten Bier mit Ihnen, dass der von mir geschilderte Umbruch keine vorübergehende Erscheinung ist und irgendwann, womit ich „definitiv innerhalb der nächsten fünf Jahre“ meine, auch die ZEIT erfassen wird. Die Medienindustrie sollte sich darauf einstellen und lernen, damit umzugehen, denn das wäre besser für alle, für die Rezipienten wie auch für die Autoren. Wenn man in einem Luftballon wohnt, aus dem gerade die Luft herausgelassen wird (was keine Analogie in Bezug auf die Qualität darstellen soll), und gerade mehr Platz erhalten hat, weil es dem Nachbarn inzwischen zu eng geworden und er verschwunden ist, dann ist das keine Situation, mit der man rundum zufrieden sein könnte.

  31. Bei aller Liebe zum Netz und der durchaus fragwürdigen Argumentation von Frau Gaschke: Es ist m.E. immer noch so, dass das was professionelle Journalisten für hochwertige Medien (z.B. FAZ, Economist, SZ, New York Times, Aftenposten etc.pp.) schreiben i.d.R. von deutlich höherer Qualität und Relevanz ist als das was Amateure im Netz verfassen. Und die redaktionelle Arbeit der Vorauswahl und Bewertung ist ebenfalls von großem Wert.

    Eine x-belibeige Ausgabe der FAZ lesen bringt ist sinnvoll verbrachte Zeit. Das kann man vom Surfen wahrlich nicht immer behaupten.

    Natürlich sind die klassischen Medien nicht perfekt, wie nicht zuletzt Stefan Niggemeier immer wieder eindrucksvoll darlegt. Allerdings ist auch er professioneller Journalist für ein klassisches Medium.

    Wenn es bald keine guten Journalisten gibt, weil sich kein funktionierendes Modell findet, diese zu bezahlen, dann fände ich das sehr schade.

  32. @derwachter: Lustiger Vergleich, den Sie da anstellen. Sie vergleichen das Lesen einer bestimmten, seriösen, hochwertigen Tageszeitung mit einem unbestimmten, vagen Surfen im Netz.

    Wenn Sie im Netz wahllos irgendwo hinklicken und „nicht immer“ zufrieden sind mit dem Ergebnis, habe ich einen Vorschlag für Sie: Gehen Sie mal zu einem Bahnhofskiosk und blättern wahllos in dem erstbesten Printmedium, das Ihnen zwischen die Finger kommt. Sie werden überrascht sein, wie selten Sie Ihre Zeit sinnvoll verbringen.

    Und auch der andere Vergleich ist schief: Sie vergleichen die Produkte von Profis im Print mit denen von Amateuren im Netz. Vergleichen Sie doch mal die Leistungen von Profis im Print mit denen von Profis im Netz. Oder die von Amateurblogs mit einer von Laien gemachten Stadtteilzeitung oder einem Fanzine.

    Ich weiß nicht, ob es im Netz schon genau so viele lesenswerte Inhalte gibt wie auf Papier. Ich weiß aber, dass Ihre Vergleiche untauglich sind.

  33. @37: Wäre sicher schöner, wenn ich das jetzt mit konkreten Zitaten ordentlich verlinkt darlegen könnte. Ich muss gestehen, dass ich (beziehungsweise meine früheren Bürokollegen in Süddeutschland) viel Archivmaterial aus den 90ern zum Thema Internet/New Economy weggeworfen habe. Und neuere Aussagen aus der Anfangszeit der 2.0-Ära habe ich auch nicht systematisch aufbewahrt. Protoreligiöse Inbrunst habe ich früher beispielsweise regemäßig bei Leuten wie Esther Dyson oder Ossi Urchs wahrgenommen, um mal eine Hausnummer zu nennen; heute würde ich Thomas Knüwer davon nicht ganz freisprechen wollen. Es ist aber nicht ganz fair, es an Namen festzumachen, wenn ich hier auf die Schnelle auch nicht die passenden Aussagen dazu stellen kann. Ach ja, ausdrücklich mitgemeint sind natürlich auch all jene Bernd Kolbs und anderen Konsorten der Dotcom-Blase 1.0, die verkündet haben, das Netz oder der E-Commerce würde dies und das ersetzen, Kaufhäuser zu Schutt und Asche zusammensacken lassen und was weiß ich noch alles…

  34. Übrigens: Ich kann nachvollziehen, warum die FAZ diesen Artikel nicht auf ewig in ihrem Archiv stehen haben wollte. Ich kann aber nicht nachvollziehen, warum sie ihn kommentarlos erst im letzten Winkel der Politiksparte verschiebt und dann komplett löscht.

  35. @41: „…Kaufhäuser zu Schutt und Asche zusammensacken lassen und was… noch alles“
    Ob Sie es glauben oder nicht, Einkauf im internet (B2C) bewirkt (unter anderem), dass Karstadt und Konsorten massive Probleme haben. Das geht gerade erst richtig los.
    @katja: „…diese fehlende Neugier, sich auf etwas Neues einzulassen…“
    ist nicht berufstypisch für Journalisten. Das ist menschlich und daher in allen Berufen ein Problem. Journalisten sind vermutlich beim „Einlassen“ weit überdurchschnittlich gut. Sie sind nur durch Web 2.0 ganz extrem gefordert und wer da Einlass-Schwächen hat, fällt besonders schnell öffentlich auf.

  36. @kurt et al: Ist Euch eigentlich bewusst, wie skuril es wirkt, wenn ihr euch hier (nicht in diesem blog, als genre-gruppe) immer wieder zu Anwälten und Sprechern des „Internet“ macht? Wie verrückt ist das denn? Als müsste das Internet als Internet erklärt, bewahrt, verteidigt werden? Als wüsste nicht nur jeder, was es ist, sondern benutzte es auch – von der Steuererklärung bis zur Reisebuchung. Ganz umgekehrt wird ein Schuh draus: diese Debatten interessieren einen Bruchteil eines Bruchteils. 500 000 sind nicht viel? Mal schauen: 72 Prozent der Deutschen haben Internetanschluss, ca. 56 Millionen. Und wieviele davon kommentieren? Diese 56 Millionen sind Internet. Davon interessieren sich 0,00001 Prozent, nach Zahl der Kommentare, für Eure Thesen. Was sagt das über Euch, wenn man Eure Thesen über Print auf Euch überträgt. Traurig,traurig,traurig. Und für die ZEIT, die FAZ und die SZ muss man sogar zahlen in real-life.

  37. Man kann natürlich Frau Gaschke mit viel Wohlwollen unterstellen, dass sie mit dem Satz

    “Ein großer Teil unseres Alltags, unserer Kommunikation mit anderen Menschen und der Art und Weise, wie wir uns informieren, liegt damit in der Hand von Experten, deren Überlegungen wir kaum nachvollziehen können.”

    insbesondere die Sammlung und Zugänglichgkeit sehr privater Information kritisiert, die in den letzten Jahren eher eine ungünstige Entwicklung hingenommen hat. Ob sie mit „Experten“ den Developer an sich meint oder eher den google-Strategen ist mir unklar. Aber ihr vermutlich auch, das ist wohl eher eine diffuse Angst, die sich nicht richtig fassen läßt.

    Aber: Wenn wir schon über Onliner vs. Offliner diskutieren möchte ich bemerken, dass die Beteiligung an der derzeitigen online-Petition gegen die Internetsperre ja durch löblich ist, aber es doch noch viele weitere Petitionen gibt, die ich unterstützenswert halte. Ich finde das steht in einem krassen Mißverhältnis bez. der Beteiligung. Und an diesem Punkt wird einem klar, dass sich im Internet auch ca. 4-5 Institutionen etabliert haben, um Meinung zu schaffen und wiederzugeben. Klar die meißten davon sind „in Ordnung“, aber diese Bewegung (mit derzeit 10 subscribers per minute, um diese Uhrzeit) hätte doch leicht auch für andere Anliegen begeistert werden können. Auch wenn ich es unterstütze, ich halte das alles für sehr bedenklich. Aber zugegeben: In der offliner-Welt sind es ja auch 4-5 Institutionen die Meinung machen. Die Machtstrukturen sind dann doch eben dieselben.

  38. Stefan, vielen Dank für den Link und die Empfehlung meiner Replik auf Frau Gaschke! Als ich den Post am Wochenende schrieb, hätte ich nie geahnt, dass welche Wellen es noch schlagen würde. Und da war das Gaschke-Pamphlet schon 2 Wochen alt, wie ich hinterher erst feststellte.

  39. Hach danke für diesen Beitrag! Der Name Gaschke kam mir doch gleich bekannt vor – er ist mir am Wochenende beim Lesen der ZEIT unangenehm aufgefallen. Da habe ich noch extra nach dem Autorennamen geguckt, um zu sehen, wer solch einen dogmatischen Blödsinn schreibt. Es war die Frau Gaschke über das Urheberrecht im Internet…

  40. @43: Der Zusammenhang ist sicher da, wenngleich nicht ganz so monokausal. Tatsächlich fand ich auch die Annahme, dass der Online-Einkauf dem stationären Handel ernste Probleme bereitet, stets plausibel. Massiv gestört hat mich eigentlich immer nur die Posaunerei „im Netz wird alles noch doller und noch demokratischer und noch kundenfreundlicher und bald alles nur noch im Netz…“ Dieses Erweckungsgelaber von irgendwelchen E-Evangelisten, gepaart mit apokalyptischen Drohungen, wer nicht bald alles was er an Inhalten hat 24/7 in Text, Ton und TV-Bild übers Netz raushaut und zwar kostenlos (und bitteschön weitgehend werbefrei), wird bald als analoges Aulaufmodell enden oder assimiliert oder was auch immer.

    Boah, und dann andererseits dieses ewige Gebelfer, Unternehmen A hat das Netz nicht verstanden, die von der Partei B haben keine Ahnung und was glauben die da oben in Berlin eigentlich? Das ermüdet mich bisweilen. Ja, ich ventiliere manchmal schon die Arbeitshypothese, dass das Netz als Ventil für schnelle und folgenlose Entrüstung eigentlich ein geniales systemstabilisierendes Instrument ist, weil jeder glaubt, wenn er nur laut genug ins Netz brüllt, wäre die Schlechtigkeit der Welt der Welt schon hinreichend bekämpft.

    Aber ich merke, dass ich mich da gerade etwas vergaloppiere. Ich hätte Frau Gaschke gerne etwas frenetischer Beifall geklatscht für den an sich ehrenwerten Versuch, wider den Stachel zu löcken (auch so eine abgedroschene Phrase altgedienter Zeit-Leitartikler) und die Netzgemeinde ein wenig aus ihrer Selbstgefälligkeit zu rütteln. Allerdings war sie dafür nicht gut genug munitioniert. Schade eigentlich.

  41. @kurt, #4: gefiel mir gut – besser als die sog. Replik – die späteren Nummern aber weniger. :)

    Frau Gaschke gefällt mir in gewisser Hinsicht. Ich bin Internetnutzer der ersten Stunde – nunja – nicht ganz – seit Mitte der 90er halt, und habe selbst die Phase des staunenden Erkundens, gefolgt von Phantasmen, dann Ernüchterung und nun neugierigem Wohlwollen durchgemacht.

    Die Enttäuschung ist aber nicht in Wut oder Haß umgeschlagen. Vielleicht weil ich meinen eigenen Erlösungsphantasien nicht zu weit auf den Leim ging.

    Und alle zwei Jahre beobachte ich frische Noobs, die empört verkünden, daß Internet sei gar nicht die Lösung aller Probleme. Aber wer hat’s behauptet?

    Jeder muß diese Medienerfahrung selbst machen, daß da ein unglaublich weiter Raum ist, von dem man aber nicht recht weiß wie man ihn nutzen kann, und der anfangs berauscht. Läßt der Rausch dann nach, so sollten aber doch die Thesen geprüft und Behauptungen untermauert werden. Als Beleg für die These noch besoffen vom Netz zu sein nehme ich den Abschnitt von der „Jederzeitigkeit“. Es ist ja nun offensichtlich eine Projektion, aus der Möglichkeit jederzeit das Netz benutzen zu können zu folgern, dies sei auch gefordert. Das Netz fordert nichts – es liegt da absichtslos in seiner Kupferader- und Glasfaserigkeit.
    Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei, und das Internet 1-2 Milliarden. Und diese Enden haben einen Off-Schalter. Doch, wirklich!


    Nun noch ein, zwei Punkte, die mich besonders gestört haben:

    Frau Gaschke addressiert diffus vorgestellte Internetfans – nicht die Macher – Programmierer, Netzwerktechniker und Admins, und wirft diesen vor:
    „Wobei in diesem Fall jede Form von Skepsis schon bedeutet, „zu alt” zu sein.“

    Würde sie von Fachleuten aus dem Metier reden, z.B. dem CCC, so könnte sie feststellen, daß diese durchaus Skepsis kennen – nur haben die irgendwie greifbarere Kritik zu bieten.

    Die New-Economie ums Jahr 2000 habe ich auch beobachtet, wie sie das Netz als Wunder betrachtet hat, aber das waren ja nun Wirtschaftsleute, die sich offensichtlich nicht auskannten.

    Frauen haben aber doch längst das Netz entdeckt. Von Bürojobs an die Maschine gewöhnt sind es doch Frauen, die Ebay, Partnerbörsen, Porn, Chats, Rollenspiele und Katzenblogs entdeckt haben.

    Wenn Männer die Netzdebatte bestimmen, dann ist daran in erster Linie die schwach argumentierende Frau Gaschke schuld, die dem nichts entgegengesetzt hat.
    Oder wollen wir vielleicht annehmen, daß die Technik vornehmlich von Männern nach eigener Vorstellung entwickelt wurde, und daß die tradierte Rollen- und Machtverteilung die außerhalb des Netzes herrscht auch im Netz reproduziert wird?

  42. Was mich gelegentlich hier überrascht, ist, daß die Sichtweise von kurt (#4) hier einige noch immer überrascht.

    Auch wenn die meisten Kommentatoren hier (mich eingeschlossen) seine Sicht in einigen Debatten oft nicht teilten, so waren/sind seine Kommentare ja nun nicht reflexionsfrei. Vielmehr oft tiefschürfend. Wer diese bisher verfolgte, den sollte #4 eigentlich nicht überraschen.

    Irgendwie beschleicht mich bei diesen Überraschungsbekundungen der Eindruck, die Leser waren bei seinen sonstigen Kommentaren nicht bereit, sie in ihrer Tiefe zu durchdringen, weil man seine Meinung nicht teilte.

    #4 stellt aus meiner Sicht in keinster Weise einen Widerspruch zu seinen anderen Kommentaren dar. Vielmehr ist dieser absolut konsistent zu seiner sonst vertretenen Sichtweise, in weiten Teilen ergibt er sich sogar daraus.

    Wie sich hier einmal wieder zeigt, kann man aus den unterschiedlichsten Werthaltungen heraus (die gleichermaßen gut fundiert und in sich schlüssig sind) bei bestimmten Sachverhalten trotzdem zu fast deckungsgleichen Sichtweisen gelangen.

    Manchmal ist die Welt (hier die Online-Welt von Frau Gaschke) eben doch nur eine Scheibe, fast gleich von wo man schaut.

  43. Das Problem bei Gaschkes Artikel ist die geradezu dogmatische, fanatische Art, mit der sie ihre Punkte aneinanderreiht, in einer schnippischen, schlecht gelaunten und völlig humorlosen Schreibe, die dem eigenen Standpunkt wenig dienlich ist, weil sie die Autorin verbrämt, altbacken und stur wirken läßt.

    Das eigentlich Ärgerliche ist für mich, daß es schon Grund gibt, kritisch über das Internet zu reflektieren, und einige ihrer Punkte sind so realitätsfern nicht. Ich habe auch beobachtet, daß das Internet eine Suchtgefahr darstellen kann (wie andere Medien natürlich auch), und daß einige jüngere Zeitgenossen unglaublich kurze Aufmerksamkeitsspannen und Konzentrationsschwierigkeiten haben, die schon auch mit der bunten Welt der vielen Klicks zu tun haben. Auch die Vorstellung, man sei jederzeit erreichbar (oder müsse dies sein), ist ein Problem: Hand auf’s Herz, wieviele von uns erwarten nicht eigentlich schon, daß eine E-Mail spätestens innerhalb eines Arbeitstages beantwortet wird? Die Chefin meines Partners versendet abends um 22.00 noch arbeitsrelevante Mails, zu einem Zeitpunkt, an dem sie niemals bei uns anrufen würde. Und sie erwartet schon prompte Bearbeitung; ähnlich seine Studenten, für die er quasi immer auf “Abruf” ist. Das alles hat aber mehr mit der Nutzung des Mediums zu tun als mit dem Medium an sich: man muss eben selbst Grenzen ziehen und sein Nutzerverhalten reflektieren. Und diesen Punkt verschleiert Gaschke letztlich, wenn sie die Internetnutzer mit gehirngewaschenen Sektenmitgliedern vergleicht.

  44. Lieber Peter, ich mag das Rumgehacke auf Kommentatoren auch nicht (*nasewachs*), aber wie an Stefans Kommentaren und einigen anderen Diskussionen in der Vergangenheit zu erkennen ist, kann man kurts Tiefe nur als ein rhetorische bezeichnen. Beitragslänge und gute Formulierung erwecken den Eindruck, die jeweiligen Beiträge wären fundiert. Die genaue Auseinandersetzung mit seinen Argumenten (hier z.B. Auflagenzahl der Zeit und daraus abgeleitete Zukunftsszenarien) zeigen, das diese kaum welche sind.

  45. Guten Morgen, Alberto!

    Das sehe ich anders. Wobei ich Ihnen für das danebengegangene Beispiel mit der Auflage der ZEIT natürlich recht gebe. Was aber an der grundsätzlich richtigen Feststellung überhaupt nichts ändert. Insoweit hat er ja dann auch mittels des recht gelungenen Bildes vom Ballon, aus dem die Luft entweicht, in welchem dann für die schrumpfende Zahl der darin enthaltenen vorübergehend wieder mehr Platz zur Verfügung steht, weil gerade der Nachbar verschwunden ist, es näher ausgeführt.
    Freilich hätte er erstmal einräumen sollen, daß sein Beispiel der vorgeblich negativen Entwicklung bei der Auflage der Zeit eben keines war. Das stimmt schon.

  46. […] 4. Von Netzanbetern und Netzignoranten (stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier) Stefan Niggemeier antwortet auf das “Pamphlet” von Susanne Gaschke (erschienen in der F.A.S.). Er wirft ihr vor, eine 18 Jahre alte Äusserung eines Cyberspace-Autoren, der von einer “himmlischen Stadt” schwärmt, zur Grundthese der heutigen Web-Community zu erklären. […]

  47. @40 Stefan Niggemeier
    Danke für Ihre Antwort. Da habe ich mich, Amateur der ich bin, missverständlich ausgedrückt.

    Ich meinte nicht das Surfen im netz per se, sondern das Lesen journalistischer Inhalte im Netz. Google Scholar, Moorhuhn schießen oder Homebanking habe ich natürlich nicht gemeint.

    Ich meinte ebenfalls nicht Printmedien seien per se besser, weil man für sie bezahlt oder weil sie auf Papier sind. Deshalb habe ich auch ausdrücklich „hochwertige“ Medien geschrieben. Blitz Illu kommt bei einem Vergleich mit Spiegel Online selbstverständlich nicht sehr gut weg.
    Ich stelle nur aus eigener Erfahrung fest, dass ich wenn ich mir eine FAZ, SZ o.ä. im Printformat lese, was hier in Norwegen ganz schön teuer ist, ich einen deutlich höheren Gewinn habe, als wenn ich die selbe Zeit auf faz.net verbracht hätte. Und erst recht wenn ich statt dessen verschiedenene Blogs o.ä., die sich mit ähnlichen Themen wie die FAZ (also Politik, Wirtschaft, Kultur etc.) befassen gelesen hätte. Das liegt wohl an den Fähigkeiten der Leute die dort schreiben und wahrscheinlich auch an der Vorauswahl an Artikeln.

    Mit dem anderen Vergleich wollte ich zum Ausdruck bringen, das es im Netz halt überwiegend Amateure und kaum Profis gibt, die eine vergleichbare journalistische Leistungen erbringen (können). Und die professionellen Sachen, die es gibt, sind meist de facto aus dem Print quersubventioniert, d.h. direkt aus dem Print übernommen, von Leuten geschrieben die ihre Brötchen überwiegend im Print verdienen oder basierend auf Informationen die von „klassischen“ Journalisten recherchiert wurden.

    Das liegt, m.E. unter anderem daran, dass es im Netz (noch) kein tragfähiges Finanzierungsmodell gibt, welches in der Lage wäre, eine derart aufwändige Organisation wie die Redaktion einer großen Zeitung oder Zeitschrift zu finanzieren. Da die klassischen Printmedien das aber offenbar auch nicht mehr ohne weiters können, habe ich die Sorge, dass hier etwas sehr wertvolles verloren geht, das die Netzwelt so nicht ersetzen kann.

    Der Grund warum ich diese Ansicht in diesem Thread mitteilen wollte ist, dass viele der Kommentatoren hier genau wie viele andere Vertreter der Netzwelt unterschwellig oder offen sagen, dass der Verlust des alten Journalismus wie wir ihn kennen, doch gar kein Verlust sei, da dass Netz (insbesondere WEB 2.0) das doch alles viel besser machen könne.

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