Lachen, Lernen und Staunen mit der WAZ

Die sind lustig, bei der „WAZ“.

Letzte Woche rief ja der Herr Binder bei mir an, der neue Unternehmenssprecher, und sagte, ich könne jetzt aufhören, die „WAZ“ zu „schlagen“: Sie hätten die Falschmeldung von der G8-Randale längst berichtigt. Auf waz.de. Als ich ihm sagte, dass das, was da steht, keine Berichtigung, sondern eine Verschlimmbesserung ist, weil das Zitat nicht stimmt, beendete er schnell das Gespräch und sagte, da müsse sich Frau Fischer (der Autorin des Textes mit der Falschmeldung) noch einmal drum kümmern.

Ich habe danach nichts mehr von ihm gehört. Die „Korrektur“ mit dem falschen Zitat steht unverändert da.

Am 8. Juni schon hatte ich in der Sache auch eine Mail an Ulrich Reitz geschickt, den Chefredakteur der „WAZ“. Ich fragte ihn:

  • Hat die WAZ diesen Fehler berichtigt?
  • Berichtigt die WAZ grundsätzlich Fehler in ihrer Berichterstattung; gibt es z.B. eine feste Korrekturrubrik?
  • Warum fehlt das Thema Fehlerkorrektur im neuen Verhaltenskodex der WAZ? Glauben Sie, dass es weniger wichtig ist als das Thema Schleichwerbung, wenn es darum geht, das „Vertrauenskapital“, das Regionalzeitungen genießen, nicht zu gefährden?

Ich habe darauf bis heute keine Antwort bekommen.

Aber am vergangenen Donnerstag nahm Reitz an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Printmedien im Wandel“ im Wandel teil und beklagte sich, ohne meinen Namen zu nennen, über meine Impertinenz. „Was soll ich da reagieren“, fragte er sinngemäß und sagte, ebenfalls sinngemäß (ich war nicht dabei): „Ich lasse mir doch nicht meine Agenda aufzwingen!“

Das ist eine interessante Formulierung für einen Journalisten. Denn mal abgesehen davon, dass ich das Thema ja nicht frei erfunden habe, sondern es durch die Weigerung der „WAZ“ aufkam, ihre Leser korrekt zu informieren — machen Journalisten das jeden Tag: anderen ihre „Agenda“ aufzwingen. Sie rufen Politiker, Unternehmen, Sportler, Kulturschaffende an und erwarten Antworten zu den Themen, die sie für wichtig erklären. (Diskussionsteilnehmer hatten das Gefühl, dass Herr Reitz größere Probleme mit dem Gedanken hat, dass auch Journalisten und Medien damit leben müssen, Gegenstand von Berichterstattung und kritischen Nachfragen zu sein. Aber das ist ja nichts Neues.)

Heute saß versehentlich Stephan Holthoff-Pförtner, ein Vertreter der „WAZ“-Gesellschafter, beim Kölner „Medienforum“ auf der Bühne und sagte Sätze wie:

„Blogger verdienen nach meiner Ansicht nicht den Schutz des Artikel 5.“

Besonders gut hat mir gefallen, dass er laut dem Branchendienst DWDL sagte, Bloggen sei „wie Wikipedia“. Dort könne auch schon mal drei Wochen lang stehen, dass der österreichische Kanzler Moser heiße.

Ganz anders als bei der „WAZ“ also. Dort stünde es für immer.

(Mit Dank an Jens!)

30 Replies to “Lachen, Lernen und Staunen mit der WAZ”

  1. Ist das übel. Der Fehler an sich wäre ja verzeihlich gewesen. Aber die Nummer, die da jetzt abgezogen wird dürfte für deren Ruf nicht grade zuträglich sein.

    BTW: Hast du die Korrektur der Zeit gesehen? So stell ich mir das vor.

  2. Diese Einstellung ist wirklich bitter. Leider aber wohl noch Realität in der Presselandschaft – mit einer regelmäßigen Korrekturspalte kann sich offenbar kaum ein Verlag anfreunden, dabei wäre genau das ein kleines und effektives Mittel um spielerisch täglich an Glaubwürdigkeit zu gewinnen. Schade eigentlich.

  3. Warum sollen sich Medienvertreter anders verhalten, als andere Menschen? Nur weil einer sich das Etikett „Journalist“ anheftet, oder andere es ihm oder ihr anheften, werden sie doch keine „guten“ Menschen. Im schlimmsten Falle kommen dann solche „Gutmenschen“ dabei heraus.

    Ich finde das nicht verwunderlich.

    Die „wichtigen“ Menschen, mit denen ich im Berufsleben zu tun habe, verhalten sich oft ganz ähnlich. Auf falschen Dingen beharren, weil sie einem gut ins Weltbild passen, ist doch fast schon Volkssport.

    Bewundernswert finde ich, lieber Herr Niggemeier, Ihre investigative (nein, zu abgedroschen), äh, penetrante (nein, zu negativ behaftet) unerschütterliche Lust, den Dingen auf den Grund und den Kollegen auf den Geist zu gehen. Das meine ich genauso, wie ich es geschrieben habe.

  4. „Blogger verdienen nach meiner Ansicht nicht den Schutz des Artikel 5.”

    Da bin ich echt sprachlos. Das wird ja immer besser, wie sich die Qualitätsjournalisten mit Pauken und Trompeten auf dem sinkenden Schiff die Krone ins Fass hauen. (s.a. diese Geschichte)

  5. @ernst: na klar die corrections page der nytimes. meines wissens haben in deutschland neben der taz (auf der kulturseite), hin und wieder die bams, bild, mainpost würzburg (so ist`s richtig), süddeutsche (korrekturen), selten die berliner zeitung, augsburger allgemeine zeitung einen institutionalisierten platz für die korrekturspalte. wäre aber wissenswert, welche weiteren deutschen zeitungen.

  6. […] Unsinn? Meine ich auch, es gibt aber Personen, die sind der Ansicht “Blogger verdienen nach meiner Ansicht nicht den Schutz des Artikel 5.”. Wer kommt auf die Idee, dass ein deutsches Grundgesetz, welches allein schon von Text jeden Menschen zusteht, nicht für Blogger gelten? Stephan Holthoff-Pförtner zum Beispiel, der eben jenen Satz beim Kölner “Medienforum” aussprach, wie das Blog Indiskretion Ehrensache mitteilte. [Link und weitere Gedanken bei Stefan Niggemeier] […]

  7. Schade, dass ich die WAZ nicht abonniert habe. Dann haette ich jetzt wenigstens was zu kuendigen. Obwohl… vielleicht ist es so rum doch besser.

  8. Danke, das war ein Text, der viel Spaß gemacht hat beim Lesen.

    Wenn man ein bisschen nach Herrn Holthoff-Pförtner sucht, dann sagt der sehr oft sehr lustige Dinge. Der hat Comedy-Format!

  9. mehr als „muuuuahahah,wie stumpf !“ fällt mir dazu nich ein ;D

    achja,… glückwunsch(?) zum grimme award ;)

  10. Mal vom journalistischen und moralischen abgesehen: Ich finde es unfassbar, dass Medien-Profis wie die Leute von der WAZ scheinbar nichts von den Mechanismen im Meinungsmarkt wissen. Jeder Kommunikationswissenschaftler oder PR-Fachmann weiß, dass Reichweite ungleich Wirkung ist, kennt das Stichwort Opinion Leader und dass aus einer Medien-Mücke manchmal (zurecht) ein -Elefant wird. Und geht entsprechend korrekt, vorbereitet und offen mit besagten OLs um (in dem Fall eben ein Herr Higgemeier).

  11. Endlich mal ein neues Thema nach Bild, Grimme und 9live. Danke, selten so gelacht – auch wenn mir das Lachen dann doch im Hals stecken geblieben ist. Journalsmus ist also gar nicht bei jeder Zeitung ernst gemeint?

  12. Ignorante Chefredakteure verdienen nach meiner Ansicht nicht den Schutz des Artikel 1.

    Haha.

    Was treibt solche Menschen an? Der werte Herr ist ja weder dumm noch geistig verwirrt. Ich würde sogar sagen: Einfach nur beleidigt. Da kann’s einer besser, das darf nicht sein. Schade, dass Menschen mit so viel Macht so wenig Toleranz und Verständnis haben.

  13. Wenn man bedenkt, dass der WAZ-Konzern fast im gesamten Ruhrgebiet (und sogar darüber hinaus) Monopol-Stellung hat, ist das Verhalten der WAZler noch viel bedrohlicher. Der Konzern legt in vielerlei Hinsicht ein mehr als bedenkliches Verhalten an den Tag – Recht ist, was die WAZ sagt. Mir selbst hat einmal ein Mitarbeiter der IG Medien gesagt „Vergessen Sie es. Gegen den WAZ-Konzern haben Sie keine Chance.“ Worum es ging? Dass bei einer hundertprozentigen Tochter der WAZ die Redaktionen hauptsächlich mit scheinselbständigen Journalisten besetzt werden…

    Ich habe schon oft gedacht, dass es nicht nur einen „Bildblog“ geben sollte….

  14. WAZ und die Blogger beim Pas de deux: Ein Schritt vor, ein Schritt zurück…

    Da weiß man ja gar nicht, wo man anfangen soll…
    Gestern noch kritisierten viele Blogger (auch ich) Stefan Holthoff-Pförtner (von der WAZ-Mediengruppe), der Artikel 5 des Grundgesetzes nicht für Blogger angewandt wissen will.
    Doch w…

  15. Die Glaubwürdigkeit der WAZ hat in den letzten zwei Jahren kräftig gelitten. Daran hat Ulrich Reitz, also der Chefredakteur, seinen gerüttelten Anteil, denn es wäre seine Sache, dafür zu sorgen, dass Fehler der Zeitung auch in der Zeitung korrigiert werden.
    Sehr gelegentlich passiert das sogar in Form von „Leserbriefen“ (durch die Bank Fakes), unter denen dann der Zusatz steht: „Der Leser hat Recht, die Redaktion“
    Aber schon diese halbherzigen Korrekturen sind die Ausnahme. In der Regel werden Fehler verschwiegen oder auf eine Art und Weise „repariert“, die mehr als zweifelhaft ist.
    Beispiele:
    1. WAZ berichtet über den New York-Marathon. Auf der ersten Sportseite erscheint dazu eine fast seitenfüllendes Bild, das aber nicht vom New York-Marathon stammt, sondern vom Marathon in Istanbul, der am gleichen Wochenende gelaufen wurde. – Hat’s der Leser erfahren? Natürlich nicht.
    2. WAZ berichtet auf der Wirtschaftsseite, dass bei RWE 1.000 Mitarbeiter entlassen werden sollen. Richtig wäre gewesen: RWE will 1.000 zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. – Hat’s der Leser erfahren? Natürlich nicht.
    3. WAZ berichtet mit großem Bild auf der Titelseite über einen bemerkenswerten Modellversuch „Wasserpfeife“ im Mülheimer Ringlokschuppen. Richtig war, dass dieser Modellversuch zum Zeitpunkt der Berichterstattung längst nach großen Protesten in Mülheim wieder eingestellt war. Aber davon wusste man in der WAZ-Zentrale nchts, die sich das Bild ohne Rücksprache mit der Lokalredaktion aus dem digitalen Bildarchiv besorgt hatte. – Hat’s der Leser erfahren? Natürlich nicht.
    4. WAZ berichtet auf der TV-Seite über das Raab-Jubiläum „TV total“ mit einem von Susanne Schild gezeichneten Artikel. Frau Schild hatte diesen Artikel allerdings nicht geschrieben, sondern nur abgeschrieben, nämlich aus der Allgemeinen Frankfurter Sonntagszeitung. – Hat’s der Leser erfahren? Natürlich nicht.
    Vier sehr unterschiedliche Beispiele, jedes für sich ein Beleg dafür, dass auch Glaubwürdigkeit sehr schnell im Graben zwischen Theorie und Praxis verschüttet werden kann.

  16. WAZ-Mediengruppe und Internationale Journalistenvereinigung unterzeichnen Abkommen…

    Die WAZ-Mediengruppe ist nicht nur im Ruhrgebiet aktiv (auch wenn die namensgebende Westdeutsche Allgemeine Zeitung, eine der größten Regionalzeitungen hierzulande, aus dem Ruhrgebiet stammt), sondern inzwischen auch außerhalb Deutschlan…

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