Chronologie einer Falschmeldung III

Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ hat versucht, ihre Behauptung richtigzustellen, ein „junger Mann“ habe auf der Rostocker Kundgebung gegen den G8-Gipfel in Mikro gerufen: „Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen“. Nicht in der Zeitung, aber online. Auf der Ressortseite Politik steht folgende „Korrektur“:

Korrektur. Umstrittenes Zitat. Die WAZ hat am 4. Juni ein Zitat aus einem Text der Deutschen Presseagentur (dpa) über die G-8-Proteste in Rostock gedruckt. Dieses Zitat war sinnentstellend, dpa hat die Meldung berichtigt. Das Zitat eines Globalisierungskritikers "Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen" war in Zusammenhang mit dem Irak-Krieg gefallen und keine Aufforderung zu mehr Krawallen in Rostock.

Nein. Dieses Zitat ist, wie inzwischen vielfältig dokumentiert, nicht nur in einem anderen Zusammenhang gefallen, sondern gar nicht.

Wird es der „WAZ“ noch gelingen, den Fehler zu korrigieren? Kann es die Korrektur sogar noch aus dem Online-Auftritt in die gedruckte Zeitung schaffen? Überwindet sich die „WAZ“ gar noch, nicht nur dpa die Verantwortung zu geben, sondern eigene Fehler einzuräumen?

Bleiben Sie dran!

(Was bisher geschah: I, II)

27 Replies to “Chronologie einer Falschmeldung III”

  1. Wieso habe ich jetzt die Melodien von Flash Gordon (die alte schwarz/weiß-Serie aus den 30ern (?)) und der Lindenstraße im Kopf?

  2. Hmm? Für mich klingt „Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen“ (WAZ) nach einer legitimen Übersetzung von „We have to bring the war right into this meeting“ (Protokoll Niggemeier, 5.6.).

  3. @Steve:

    Der Satz „We have to bring the war right into this meeting” fiel (der von Stefan Passage zufolge) im Zusammenhang mit dem Irak-Krieg, der zum Thema des Gipfel gemacht werden müsse. Insofern wäre „Demonstration“ eine verfehlte Übersetzung von „meeting“.

  4. Ich würde Geld darauf setzen, dass die WAZ keine stimmige Korrektur mehr rausgibt.

    Auch hier riecht es mir nach Grundsätzlichkeit: Vielleicht hat der Webjournalismus durch seine Geschwindigkeit und die Vielzahl seiner sich mitunter widersprechenden Quellen konsequenter die Wahrscheinlichkeit verinnerlicht, dass jeder mal Fehler macht. Es gibt im Netz weniger Eitelkeit, wenn es darum geht, einen Patzer zuzugeben.

    „Kleiner Irrtum“, nichts zu sehen, bitte gehen Sie weiter.

    Es ist gerade die stoische Beharrung auf die Unantastbarkeit des einmal Gedruckten, die aus Fehlern Desinformation macht.

    Das sind aber nur meine zwei Cent – weder durch harte Fakten belegt, noch von Web-Vorreitern gedeckt.

  5. „Wird es der „WAZ” noch gelingen, den Fehler zu korrigieren? Kann es die Korrektur sogar noch aus dem Online-Auftritt in die gedruckte Zeitung schaffen? Überwindet sich die „WAZ” gar noch, nicht nur dpa die Verantwortung zu geben, sondern eigene Fehler einzuräumen?“

    Ich bin noch sehr, sehr spektisch ;).

  6. Wie ist das eigentlich genau bei fehlerhafter Übersetzung? Ist das dann eine Falschmeldung?
    „Wir müssen den Krieg in diese Demo einbringen“ wäre vielleicht besser, oder?

  7. Ich bin froh wenn sich am Ende alle mal ordentlich auskorrigiert haben. Langsam hat die Diskussion darüber nämlich den Krieg in mein Nervenkostüm getragen ;)

  8. @Tobi: Es ging nicht um die Demo, sondern das G8-Treffen. Der Redner (Bello) sprach unmittelbar von „discussions“, der Übersetzer auf der Bühne von „Diskussionen“, in die man den Krieg „reinbringen“ müsse.

  9. @SvenR
    Ich habe da eine ganz andere Melodie im Kopf. Frei nach ‚Eric Burdons declares War‘:

    War
    right into this meeting
    We have to bring…
    War

  10. OK, erst lesen dann Fragen, bzw. erst Teil 1, dann Teil 2, dann Teil 3 lesen hätte mir diese überflüssige Frage erspart…
    Sorry!

  11. Sorry, ich gebe nur ungern den Oberlehrer, aber als Vertreter dieses Berufsstandes sei mir die kleine Korrektur gestattet: Der „Übersetzer“ auf der Bühne war ein Dolmetscher. Übersetzer erledigen ihre Arbeit prinzipiell schriftlich.

  12. Was wäre denn eine passende Übersetzung von „We have to bring the war right into this meeting.“?

  13. WAZ.de korrigiert falsches G8-Zitat einigermaßen; die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Print) schweigt anscheinend noch dazu…

    Die unendliche Geschichte geht weiter:
    Wie hier beschrieben, wurde in der Print-Ausgabe der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) in einem Bericht zu den G8-Demonstrationen in Rostock ein Zitat falsch wiedergegeben.
    Durch diese falsche Wiedergabe kon…

  14. @Georg: Der Dolmetscher auf der Bühne hat es, wie gesagt, so übersetzt:

    „Vor zwei Jahren hat es geheißen: Wir sollen den Krieg nicht in die Diskussion mit reinbringen. Wir sollen uns nur auf Armutsbekämpfung konzentrieren. Aber ich sage: Wir müssen den Krieg hier mit reinbringen. Denn ohne Frieden kann es auch keine Armutsbekämpfung geben.“

  15. Ins reine übersetzt, würde ich sagen: „Wir müssen den Krieg zu einem (zentralen) Thema dieses Gipfels machen.“

  16. @Stefan: OK, ist denn nun

    „Wir müssen den Krieg hier mit reinbringen.“

    wirklich weit entfernt von

    „Wir müssen den Krieg in diese Demo tragen.“?

    Oder kritisiert man vor allem, dass es aus dem Zusammenhang des Irak-Krieges gerissen wurde?

    Letzteres ist ja auch Merkel passiert . :)

  17. @Georg: 1. ist, wie ich oben bereits kurz angedeutet habe, „Wir müssen den Krieg hier mit reinbringen“, als Übersetzung bestenfalls eine Ad-hoc-Notlösung. „To bring in(to) bedeutet definitiv „einbringen“, „einbeziehen“, das „Thema anschneiden“, das Gegenteil von „ausklammern“. 2. bezeichnet „meeting“ ganz klar den G8-Gipfel und nicht die Demo. Und 3. ist mit „the war“ eindeutig der Irakkrieg gemeint. Wenn es darum ginge, das „meeting“ etwas kriegerischer zu gestalten, müßte es „war“ heißen, ohne Artikel. Und „to take“, nicht „to bring“. Kurz: „Wie müssen den Krieg in diese Demo tragen“ ist von einer richtigen Übersetzung nicht nur meilenweit entfernt, sondern schlicht komplett falsch. Diese „Interpretation“ gibt das Englische einfach nicht her.

  18. Nana, „the war“ ginge sehr wohl auch. In der Gedankenwelt einiger Linker schmilzt leicht alles zusammen zu dem einen grossen Klassenkampf. Nicht dass dem hier so waere, dazu ist das Zitat in der Tat nicht zu verbiegen, aber „the War“ ginge sehr wohl.

  19. Noch mal in einem Satz: Es geht darum, dass „hier mit reinbringen“ nicht sinngemäß durch „in diese Demo tragen“ ersetzt werden kann, sehr wohl aber mit „auf diesem Gipfel diskutieren“.

  20. Nach 8 Monaten wird aus einer beständigen Falschmeldung wohl eine Lüge, oder nicht?
    Die NZZ lügt in dieser Sache (wie in anderen auch..) immer noch, wie die anderen Medien auch :(
    Ich bin für einen Entzug der Betriebserlaubnis für Zeitungen bei derartigen unbehobenen Verstössen..

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