Als ich das Haus verließ, war die Welt noch in Ordnung. Ich kann mich schon gar nicht mehr an die Netznachrichten von heute morgen erinnern. Unter vielen anderen Terminen war ich über Mittag auch bei einer Grundschule, deren friedliche, weltvergessene Offenheit nach allen Seiten mir jetzt unheimlich vorkommt.
Ein Amoklauf ist die Art von Nachricht, zu der mir keine Haltung gelingen will.
Unionsvize Werner Bosbach mutmaßt, die Sache werde „ein parlamentarisches Nachspiel“ haben, sogar der Europarat — dass es den noch gibt! — hat eine Erklärung abgegeben. Und auch noch das Europaparlament. An solchen Tagen wird der rituelle Charakter des öffentlichen Lebens deutlich. Die Kanzlerin sagt etwas. Der Bundespräsident. Was soll Ministerpräsident Oettinger an so einem Tatort, an dem noch die Leichen ungeborgen liegen? Und welcher Skandal, wenn er nicht gekommen wäre.
Der auch bei mir so brennende Wunsch nach einer präzisen politischen Äußerung, nach weiteren Details, nach Hinweisen zum Elternhaus, zum Freundeskreis, kommt mir immer vor wie ein sublimierter Hütehundimpuls: Man will das ausreißende Geschehen irgendwie rational oder moralisch einholen. Die Tat soll eine Botschaft, eine Lehre enthalten. Sie muss Gründe gehabt haben, jemand muss rote Ampeln überfahren haben — und wenn wir gedanklich an diese Weggabelung zurückkehren, dann ist es, als hätten wir es halb verhindert. Als könnte die Welt repariert werden.
In Wahrheit geht das nicht. Man kann nicht jedem seltsamen Teenager mit dem Amokpräventionskatalog begegnen. Man kann nicht jeden Ballerspieler und Soziopathen unter Beobachtung halten. Und mit welchem Recht? Die meisten sind völlig harmlose Zeitgenossen.
Amok ist ein sadistisches Verbrechen: Der Schütze maßt sich absolute Macht an, demütigt seine Opfer und indirekt seine Eltern. Sadisten kann man mit Regeln, Kontrollen und Gesetzen nicht fassen, sie freuen sich an ihrer Fähigkeit, in Systemen zu funktionieren und sie gleichzeitig auszutricksen.
Gegen Tragik von einer gewissen Dimension ist keine Vorkehrung zu treffen. Ein Politiker hat darauf hingewiesen, dass nach dem Erfurter Amoklauf doch das Jugendmedien- und das Waffengesetz verschärft worden sei. Das klingt für mich deplatziert. Und doch kann man solche Gesetzesnovellen auch nicht unterlassen. Im Colmar des frühen 16. Jahrhunderts gab es immer mal wieder Beschwerden wegen Seuchen und allerlei unerklärlichen Begebenheiten. Prompt hat der Rat der Stadt — übrigens lebenskluge, gebildete Männer — Zauberei und solche Sachen bei Strafe verboten. So ist es nach Amokläufen, nach Babymorden, nach den unvorstellbaren Fritzl- oder Kampuschfällen auch, hinterher. Man macht sich einen Reim: verschärft was, stockt vielleicht die Ämter auf, sucht eine Einhegung der wütenden Wirklichkeit.
In Wahrheit können wir mit einem permanenten Gefahrenbewusstsein gar nicht funktionieren. Wir müssen alltäglich davon ausgehen, dass der nette Nachbar kein Massenmörder ist. Hinterher stehen wir natürlich dumm da und auch das ist Teil jenes Vergnügens, das der Sadist sucht.
Also ich finde ja, der Türke bringt es auf den Punkt: http://www.youtube.com/watch?v=jMWPHxOASDs
Vielen Dank, das ist einer der besten Beiträge, den ich gelesen habe an diesem Tag zu diesem traurigen Geschehen.
Man kann und darf das Unfassbare nicht fassbar machen. Weil es einen jeden von uns in seinen Grundfesten erschüttern würde.
„Man will das ausreißende Geschehen irgendwie rational oder moralisch einholen.“
Nee, eigentlich nicht. Ist wie in Myanmar. Shit happens to people.
Sehr guter Beitrag. Vielen Dank.
„Und doch kann man solche Gesetzesnovellen auch nicht unterlassen.“
doch, das kann man. wenn die gesetze treffend und scharf genug sind (was sie mir hier zu sein scheinen). und wenn man eben erkennt, dass sich das leben auch in unseren zeiten nicht von tragik, kontingenz, schicksal oder wie immer man es nennen möchte befreien lässt. auch nicht durch gesetze.
Du arbeitest den ganzen Tag – „kreativ“ – und stellst mittendrin fest, dass du Absurdes tust. Genau genommen sollst du heute edlen italienischen Content in edlen deutschen Content verwandeln. Du bist weder Italiener, noch im Thema. Doch es funktioniert komischerweise und damit wird der Tag Stunde um Stunde lustiger, weil du merkst, wie absurd es ist.
Feierabend. Du willst mit dem Bus nach Hause fahren. Du hast dieses absurde Lachen auf den Lippen. Am Bahnhof siehst du dann noch diese Jugendlichen, die zu viel Zeit haben, wobei einer von ihnen tänzelt, ohne zu merken, wie absurd es aussieht. Abwechselnd tänzelt er und tritt immer wieder ein Mädchen in den Hintern, die komischerweise lacht. Du steigst grinsend in den Bus und grinst aus dem Fenster, während du die Szene vom Bahnhof und den Tag Revue passieren lässt.
Kurz bevor der Bus halten soll, stehen vier Leute vor der Tür. Alle Gesichter sind irgendwie matt, glatt, deines ist faltig, da grinsend. Jemand raunt von vorne: „Eigentlich sollte ich durchfahren! Beim nächsten Mal DRÜCKEN Sie vielleicht?!“ Beim vielleicht angekommen, verstehe du, dass es der Busfahrer ist. Keiner der Vier, einschließlich du selbst, hat „Halten“ gedrückt. Alles läuft heute von selbst – warum sollte sich die zischende Schneise nicht wie in einem Science-Fiction-Film „einfach so“ öffnen?
Die Haustür fällt ins Schloss. Was für ein absurder Tag, denkst du. Irgendwas muss jetzt kommen, dass dir die Stimmung vertrübt…
schlimmes ereignis für die beteiligten – was soll man sagen? es so stehen lassen, ohne schuldfrage oder sonstig ausschlachtende trittbrett-bekundungen. mitgefühl ist angesagt!
@lokalreporter
Ich seh nicht den Sinn darin, fuer Menschen Mitgefuehl zu haben, die ich gar nicht kenne. Ich find die ganze Geschichte schlichtweg „interessant“, aber so lange das niemanden betrifft, den ich kenne, wuesst ich nicht, warum ich traurig sein sollte.
Das ganze nennt man politischen Aktionismus und Geltungsbewusstsein in Zeiten einer Krise, eines Skandals oder – wie hier – einer Tragödie. Wie deplatziert das ist, verdeutlicht Minkmar glänzend.
Schlimme Sache, keine Frage.
Eigentlich schlimm genug, dass es auch unseren Politikern mal für ein paar Stündchen die Sprache verschlagen sollte. Stattdessen wird wieder vermutlich teilweise im Wortlaut exakt der gleiche armselige Sermon dahersalbadert. Und bis dann in ein paar Jährchen der nächste Irre zu Werke geht, wird exakt überhaupt Nichts unternommen werden. Abgesehen natürlich davon, dass man rausfinden wird, dass der Täter irgendwas „Böses“ gespielt und/oder gehört hat. Denn damit ist ja alles erklärt.
Und natürlich abgesehen davon dass sie die großen Medien über einen tagelang auszuschlachtenden kostenlos präsentierten Aufmacher freuen.
Herr Minkmar, sie sind eine echte Bereicherung für dieses Blog.
hinter dem dahersalbadert sollte noch „wie beim letzten vergleichbaren Fall“ stehen. grmbl
@seb
WAS soll denn unternommen werden? Einige Menschen sind nun mal so, ohne dass du’s vorher je erkennen wuerdest, also bla. Das kann von so vielen Faktoren beeinflusst werden, dass du der Lage NIE mit irgendwelchen Gesetzen Herr werden kannst. Man koennte ja an Schulden kugelsichere Westen verteilen.
Wiso das viele Rumrätseln wegen den Motiven? Schule ist für viele die Hölle (ich sprech da auch aus Erfahrung), da ist es fast verwunderlich dass nicht noch mehr durchdrehen. Hinterher hört man „Er war Einzelgänger.“ Ja, meinst du denn das war er freiwillig??? „Unauffällig.“ Wenn er Aufmerksamkeit eregt hätte, er sie wohl kaum so extrem gesucht.
Mir scheint es eher, als ob Amoktäter das Funktionierenmüssen im System derart hassen, dass sie es mit dem größtmöglichen Knall, mit der drastischsten Demonstration der Verweigerung des weiteren Funktionierens beenden. Ein Lebensgefühl, das einen in jungen Jahren dazu treibt, die größtmögliche Zerstörung anzurichten, zu der man fähig ist, und sich selbst dabei gleich mit zu zerstören, klingt mir jedenfalls nicht nach „Freude“ und „Vergnügen“.
schoener Kommentar. Eigentlich gehoert sowas ins Feuilleton einer grossen Zeitung. Allerdings steht ja genau hier, warum die allgemeine Berichterstattung wieder dieselbe wie immer sein wird. Irgendwie braucht der Mensch das, um sich selbst zu beruhigen. Man sucht so sehr im Detail Gruende, bis man das Gefuehl hat, dass es dort alles ganz besonders und anders war als es bei einem selbst ist. Dann ist das schreckliche Ereignis weiter weg und die Bedrohung nicht mehr so nah.
Die Berichterstattung in der Medien spiegelt das lediglich wieder. Wir wollen alle details und Hintergruende sehen. Wie wollen die oeffentliche Panikmache, weil sie uns davon abhaelt die Verrueckten(tm) in unserer unmittelbaren Nachbarschaft anzugucken und eventuell festzustellen, dass uns das bedroht. Ein kleines, moeglicherweise unwichtiges Detail ist nicht einfach nur ein Notnagel, sondern gerade geeignet, weil es schoen isoliert betrachtet werden kann und man es gedanklich schoen weit weg schieben kann. Weiss man schon, ob der Taeter Counterstrike gespielt hat? Je eher die Diskussion in bloedsinnige details abdriftet, desto eher empfindet das Volk seelische Entlastung. Ursache sind Killerspiele? ganz einfach verbieten. Aber wenn die Ursache ein kaputtes Elterhaus, mit arbeitslosem, alkoholkranken Vater ist, was dann? Etwa Arbeitslosigkeit verbieten? Das Volk fuehlt sich meist besser, wenn das, was als Ursache ausgemacht wurde, auch gleich verboten werden kann.
Wieder ein sehr guter Text. Ich interpretiere die Kommentare insbesondere aus der Politik in solchen Zusammenhang immer als das Pfeifen des Wanderers im Walde: es lenkt ab und nimmt die Angst. Wenn wir aber still und für uns darüber nachdenken, gibt es nur eine Erkenntnis: solche Taten lassen sich nicht prinzipiell verhindern. Traurig, dieser Tag – auch weil wir uns ebendies wieder einmal eingestehen müssen. (Dass RTL heute in einer Sondersendung wieder einmal die Themen Ballerspiele und Sportschützen ausgraben musste, ist symptomatisch. Ob sie heute nacht noch einen Ballerfilm zeigen?)
[…] … […]
Ich glaube, deswegen ist heute Nachmittag auch „N24 auf Streife“ ausgefallen, oder?
In den RTL- und den heute-Nachrichten sah und hörte man eine Frau, die auf einem Parkplatz stand und erzählte, dass ihre Tochter nur durch einen beherzten Sprung aus dem Fenster gerettet worden sei, jetzt zu Hause sitze und sie nicht wüßte, wie sie ihrer Tochter nach solch einem traumatischen Erlebnis helfen könne. Mein spontaner Gedanke: „Geh, verdammt noch mal nach Hause und nimm deine Tochter in den Arm, anstatt extra zum Tatort zu fahren und Scheißinterviews zu geben, nur um deine Fresse später im Fernsehen zu sehen,“ wurde nach einigem Nachdenken vom Gedanken: „Geh, verdammt noch mal nach Hause und nimm deine Tochter in den Arm, anstatt extra zum Tatort zu fahren und Scheißinterviews zu geben, nur um deine Fresse später im Fernsehen zu sehen, du blöde Kuh,“ abgelöst.
Ich habe Liveschalten von Reportern gesehen, die vor der Gartenzwergfabrik des Schwagers vom Nachbarn des Onkels vom Täter standen und erzählten, dass der Täter vermutlich einige DVDs mit Horrorfilmen besessen hätte und ich dachte: „?!“
„Jugendmedien- und das Waffengesetz verschärft“. Bullshit. Auch dieses mal wird wieder ordentlich auf Ballerspiele eingedroschen, auf Sportschützen oder auf Marilyn Manson. Und am Ende wird wieder nix gemacht, die Jugendämter kriegen ihre Stellen gestrichen, alternative Freizeitangebote für Jugendliche werden nicht mehr unterstützt von Stadt, Land und Staat und Real- und Hauptschulen sitzen immer noch in ihren maroden Bauten und hoffen, daß im nächsten Schuljahr das Geld für einen neuen Anstrich reicht.
Und wenn in 2 Jahren der nächste Amoklauf durch eine Schule gelaufen ist, wird wieder über Ballerspiele und Rockmusik diskutiert und die richtigen Probleme werden wieder nicht angegangen.
History repeats itself. Aber manchmal geht einem das gehörig auf die Nerven.
@Alberto Green: genau dieses Interview habe ich auch (mehrfach) gesehen – und genau den Gedanken hatte ich ebenfalls (mehrfach).
Vielen Dank für diesen Beitrag. Er ist genau das, was in der öffentlichen Kommentierung bisher gefehlt hat.
@ 8 Bloody Fox: So herzlos unterwegs Herr Fuchs? Da fehlt Ihnen wahrscheinlich nur die Fantasie. Oder die Kinder
„Als ich das Haus verließ, war die Welt noch in Ordnung.“
An so einem Gesülze, erkennt man, wie viele am heutigen Tag mal wieder mit der rosa Bimmelbahn durchs Gutmenschentum-Land getuckert sind, als sie von der Realität eingeholt wurden und einen unvorhergesehen Stop einlegen mussten.
Und obwohl bei manchen Opfern die reale Welt anscheinend an der Haustür endet, bleibt da nur noch zu hoffen, dass weitere Mörder nicht allzu aufgegeilt den heutigen Tag toppen wollen, damit eure Reise unbeirrt weitergehnd kann.
Au Backe…
[…] Ich empfehle an dieser Stelle auch weitere Artikel zur Lektüre. Vorerst einmal den von Nina. Und den vom Niggemeier. […]
Alberto Green ist mein Held, aber pssst..
@25
Da ist in der Tat etwas wares dran. Jeder mit, nennen wir es mal, manifesten Suizidalen Absichten wird sich natürlich hinterfragen ob ein leiser Selbstmord den seiner gerecht wird.
Bei dem Medienecho…
Sehr passend ist die Beschreibung eines Schulgebäudes im Verkehrssimulationsspiel Simutrans: „Diese Schule hat mehr Reformen erlebt als Anstriche.“
Solange Bildungspolitik immer noch der Bereich ist, in dem sich Kabinetts-Hinterbänkler zu profilieren versuchen, indem die Mangelverwaltung großsprecherisch als „Reform“ verkauft wird, gegen den Widerstand von Lehrern, Schülern, Eltern und Wissenschaftlern absurde Änderungen durchgedrückt werden (Zurücknahme der reformierten Oberstufe in Baden-Württemberg unter Annette Schavan) und tatsächliche Reformen nur halbherzig angegangen werden (Einführung von G8 ohne gleichzeitige Anpassung des Lehrplans), solange wird sich auch am Problemfeld Schule nicht viel ändern.
Interessant wird es, wenn man Lehrer, junge wie langjährige, nach ihren größten Problemen in der Schule fragt. Übereinstimmend bekommt man die Antwort, dass oft die Schulleitungen, aber immer auch die Oberschulämter und die Kultusministerien im Wesentlichen durch Überbürokratisierung glänzen, durch absolut undemokratische Prozesse und willkürliche Entscheidungen. Ein Lehrer sagte mir, sein Beruf bestehe aus viel Vergnügen mit den Schülern und gleichzeitig aus einem immerwährenden Kampf gegen die Mühlen der Bürokratie. Eine Lehrerin einer anderen Schule berichtete, eine Abmahnung erhalten zu haben, weil sie es wagte, ohne schriftliche Genehmigung der Schulleitung eine Literatur-AG einzurichten.
Ich bewundere die Pädagogen, die es schaffen, in so einem Umfeld ein produktives Lernklima zu schaffen. Und das in Klassen, die in den letzten Jahren immer größer wurden; in Baden-Württemberg liegt die Mindestzahl für eine Klassenteilung immerhin bei 33 Schülern. Wieviel der Lehrer auf einzelne Schüler eingehen kann, mag sich jeder selbst ausrechnen.
Das wahllose Herumhacken auf Killerspielen, diversen Musikstilen oder was auch immer erfüllt damit nur einen Zweck: von den Mißständen anderswo abzulenken.
[…] Winnenden Der auch bei mir so brennende Wunsch nach einer präzisen politischen Äußerung, nach weiteren Deta… […]
@8 BloodyFox – die bilder sehen und mitgefühl empfinden, ist etwas anderes als traurig sein. anteilnahme hat ohnehin keine lobby, wird allenfalls in kirchliche rhetorik gepackt, politisiert. die schablonierten antworten haben das sagen, so wars gemeint..
@14: Das denke ich mir auch immer wieder. Wenn ich an meine Schulzeit zurückdenke, vor allem die Jahre zwischen 7. und 10. Klasse, kommt mir heute noch das Gruseln. Der Tag, an dem ich nicht mehr in die Schule musste, war mein persönlicher Tag der Befreiung. An meiner Schule herrschte wie an mancher anderen Schule die ich kenne ein Klima der organisierten Demütigung. Wir hatten zwar auch ein paar tolle und engagierte Lehrer, aber vor allem viele Idioten, die den Job nur angenommen hatten, weil sie keine bessere Idee hatten. Gerade in der Mittelstufe sind Schüler halt anstrengend und bei uns war mehr als ein Lehrer, der sich ein bis zwei Opfer in der Klasse rausgepickt und diese vor versammelter Mannschaft runtergemacht hat. Der Vorteil lag ja auch auf der Hand: so lange die Klasse ihre Außenseiter verspottet, lässt sie den Lehrer in Ruhe. Divide et impera.
Ich dürfte damals auch kaum der einzige in meiner Klasse oder in meiner Schule gewesen sein, bei dem sich ein unfassbarer Hass aufgestaut hatte. Gar nicht mal direkt auf eine bestimmte Person, sondern auf das gesamte System „Schule“. Der Unterschied war halt, dass keiner Amok gelaufen ist. Ich will so ein Verhalten auch gar nicht entschuldigen, aber wenn ich an frühere Zeiten zurückdenke und mir dann auch noch überlege, um wie viel größer der Druck auf Schüler heutzutage ist, dann ist es fast erstaunlich, wie wenig letztlich passiert. Wobei natürlich die Frage bleibt, ob die vielen Mobbingfälle an Schulen in ihrer Summe nicht genau so schlimm sind, wenn auch weniger spektakulär und weitgehend unbemerkt.
Kann man einen Kommentar zu Winnenden schön finden? Nils Minkmaar legt mir dieses Dilemma auf
Herr Minkmar, ich lese Ihre Texte sehr gern. Da Sie sich aber inhaltlich wie stilistisch deutlich vom Hausherrn unterscheiden, wäre die Einrichtung eines eigenen Blogs vielleicht die bessere Idee?
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Zum Thema:
So tragisch Amokläufe und andere spektakuläre Gewalttaten auch sein mögen, bei dem anschließenden Rummel in und durch die Medien überkommt einen das kalte Grausen. Wie auf Knopfdruck spulen Politiker ihre Forderungen hinunter, die Interessenverbände halten feste dagegen. Immer wieder das gleiche: Verschärfung der Waffengesetze, strengere Kontrollen für Computerspiele, ärztliche Pflichtuntersuchungen gegen Kindesmisshandlungen oder was sonst gerade opportun ist. An solchen Tagen schalte ich weder Radio noch Fernseher an: Keiner weiß Genaues, die polizeilichen Ermittlungen zu den Hintergründen werden gerade erst aufgenommen, aber Hinz und Kunz spekulieren mit pflichtbewusst mitfühlendem Gesicht über Ursachen und Folgen.
„In Wahrheit geht das nicht. Man kann nicht jedem seltsamen Teenager mit dem Amokpräventionskatalog begegnen. Man kann nicht jeden Ballerspieler und Soziopathen unter Beobachtung halten. Und mit welchem Recht? Die meisten sind völlig harmlose Zeitgenossen.“
Trifft den Nagel auf den Kopf. Wenn man nicht 1984 will, sondern eine freie Gesellschaft muss man ein gewisses Risiko einfach eingehen. Mann kann ja auch nicht alle Autos verbieten weil es zu Autounfällen kommt. Es ist tragisch, aber es ist so, dass man solche Dinge einfach nicht vollkommen verhindern kann.
Das Beste und passendste, was ich zu diesem traurigen Ereignis heute gelesen habe.
Es ist wirklich eine Checkliste, die man abhakt.. hat Merkel schon was gesagt? Was sagt Köhler? Wann kommt die erste Nachbarin im Interview? Und letztendlich bedeutet all das nichts. Ich finde es gut und richtig, dass Merkel und Co. etwas dazu sagen. So wenig das auch bringen mag, aber es gehört dazu.
Auf alles andere, was so ein Amoklauf mit sich bringt und nach sich zieht, kann ich aber verzichten. Das wirkt alles immer nur nach blindem Aktionismus, von allen Seiten. Die Politiker, die „Wir sind noch da und wir zeigen auch, dass wir was machen“ schreien, die Medien, die immer die heißesten und neuesten und exklusivsten News haben wollen und alle zusammen fordern oder geben sie allesmat stets Erklärungen, die möglichst simpel und griffig sind und sich auf ein paar Schlagwörter zusammenfassen lassen..
Da tut mir so ein gemäßigter, überlegter und realistischer Kommentar wirklich gut.
Wer ist Unionsvize Werner Bosbach?
Und obwohl all diese Gesetze erlassen wurden, hindern sie niemanden daran, solch eine Tat zu begehen. Merken wir was? Gesetze bringen nur bedingt etwas! Im Grunde ist es für mich – so grausam die Tat war – eine Genugtuung, die beweist, dass der staatliche Wunsch nach totalitärer (!!!) Sicherheit für immer unerfüllbar bleiben wird. Denn womit kann man jemandem drohen, der sowieso sterben möchte?
@13
Ich bin auch nicht der Ansicht, dass man etwas wirklich Sinnvolles unternehmen kann. Aber genau das wird ja immer sofort suggeriert, dass irgendetwas passieegelren müsse. Jedenfalls in der Regel gar nichts, selbst wenn es sinnvolle Ansätze gäbe reicht es ja schon lange nur eine Umsetzung in Aussicht zu stellen.
@ A.K.
Die -Post-Amok-Inkompentenz, mit dem Unbegreiflichen moralisch und psychologisch angemessen umzugehen, hat bei Plasberg gerade ihren ersten traurigen Höhepunkt erreicht. Bosbach und Pfeiffer als übliche Verdächtige in der Runde und eine völlig überforderte Redaktion, die auf die Schnelle nur die bekannten Klischees zusammentragen und provokante Medienerzeugnisse (Stichworte: Counterstrike und „Amokzahltag“) nicht ansatzweise einzuordnen wusste, haben nur die altbekannten Punkte in Grund und Boden diskutiert – natürlich ohne Argumentation und ohne Konsequenz.
Als Zuschauer sitzt man nur kopfschüttelnd dar und wünscht gestandenen und lebenserfahrenen Männern die ihnen leider fehlende Reife, einfach mal die Fresse halten zu können – wenn nicht schon aus Rücksicht gegenüber der Brisanz und Aktualität und des Geschehenen, dann doch zumindest aus Scham vor der Selbstdemontage.
Der Beitrag von Nils Minkmar zeigt schließlich sehr schön, dass die richtigen Worten manchmal die sind, die zugeben, dass einem die richtigen Worte fehlen.
Wolfgang Bosbach! Wolfgang Bosbach!
Bester Kommentar zu diesem Thema. Wenn es so etwas geben kann bei diesem Thema.
Lol. Werner Bosbach. ^^ Dafür gibts beim Bildblog nen extra Eintrag, wenn einem pöhsen Redakteur sowas passiert. Muahahaha.
schöner artikel…aber, ich weiss nicht.
so pauschal alle reaktionen nach so einer geschichte als aktionismus einzustufen, das kanns ja wohl auch nicht sein.
meine erste instinkreaktion wenn ich davon lese, der junge hätte die waffe bekommen weil der papa eine seiner 17 feuerwaffen nicht richtig weggeschlossen hätte, ist, zu überlegen ob es nicht sinnvoller wäre, die verwahrung von waffen zuhause bei privatleuten einfach grundsätzlich abzuschaffen. welchen sinn hat die denn? wenn diese die waffen sowieso nur im sportverein benutzt werden dürfen und es strenge auflagen für die verwahrung gibt, warum nicht zentral im sportverein lagern und die lagerungsstätte muss bittesehr wie mein auto durch den sicherheits-TÜV.
klar kann man das als instinkreaktion im affekt einstufen. seh ich aber nicht ganz ein. ich möchte schon auch hören warum die lagerung von waffen bei privatleuten beibehalten werden sollte. noch ist mir kein überzeugendes argument über den weg gelaufen. und ich bin mal so frei und behaupte, der alte spruch „gelegenheit macht diebe“ gilt hier schon auch. klar könnte man auch die tresore im sportverein aufbrechen und die waffen klauen, oder sich eine illegale besorgen, aber: das erfordert deutlich mehr anlauf und geplanten vorsatz, als wenn jemand der psychisch sowieso schon angezählt ist einfach die uzi die der papa auf dem bett liegengelassen hat vorfindet, oder meinetwegen den schrankschlüssel oder wasweissich.
das ist schon immer noch ein qualitativer unterschied, und wer will behaupten zu wissen ob es nicht der entscheidende gewesen sein könnte.
ich wünsche mir schon, dass solche argumente ernstgenommen und nicht mit einer „alle reaktionen nach katastrophen sind purer aktionismus“-geste vom tisch gewischt werden.
[…] Tag der Trauer « Stefan Niggemeier Ein Amoklauf ist die Art von Nachricht, zu der mir keine Haltung gelingen will. (tags: germany Amok violence) […]
„Hinterher stehen wir natürlich dumm da und auch das ist Teil jenes Vergnügens, das der Sadist sucht.“
Punktlandung, Danke.
@14, 32
Danke für eure Kommentare. Auch ich finde es eher verwunderlich, dass so etwas nicht noch häufiger passiert.
Meine Gedanken zum Thema: http://tinyurl.com/dg8553
so wie gott milliarden menschen hungern lässt, so erschafft er manche, die auserkoren sind, wenige seiner geschöpfe früh und
somit bequem für sie selbst zu erlösen.
nur der glaube an ihn lässt uns diese geschehnisse begreifen die uns gleichmit zu seinem vollstrecker werden lassen.
Ein angenehm gemäßigter, ausgewogener Beitrag. Obwohl: Ganz widersprechen mag ich Kommentar #8 auch nicht. Auch mir fällt es schwer, angesichts solcher Geschehnisse wirklich erschüttert zu sein, wirklich Mitgefühl zu haben. Dazu passieren überall auf der Welt zu viele Sachen, die mein Mitgefühl ebenso verdient hätten – und ich will nebenbei auch noch ein bisschen leben. Und welchen Wert hat Mirgefühl, wenn es doch an sich nur Mitgefühl mit sich selber ist: Die Menschen haben Mitgefühl, weil es in Deutschland passiert ist, in einem ihnen wohlbekannten Raum (Schule), weil sie sofort darüber nachdenken: „Das könnte auch meinen Kindern passieren“. Das ist dann genau genommen gar kein Mitgefühl, das ist Angst. Und um vor so etwas Angst zu haben, dazu bin ich vielleicht zu abgeklärt. Wie viele Kinder werden pro Jahr in Deutschland von Autos überfahren und wie viele von Amokläufern erschossen? Verwirrte und Verirrte wird es immer geben. Lieber alle paar Jahre so ein Blutbad als Sicherheitspersonal vor allen Schulen (und trotzdem alle paar Jahre so ein Blutbad). Das wird kein Politiker je so sagen, schade eigentlich, es wäre ehrlich und bahnbrechend.
Politiker fordern (keine) Konsequenzen:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,612750,00.html
Liest bei SPON eigentlich der Überschriftenbeauftragte die eigenen Beiträge?
Sehr guter Beitrag, danke, Herr Minkmar.
@ 47: Wtf?
An solchen Tagen wird der rituelle Charakter des öffentlichen Lebens deutlich.
Richtig – und der Beitrag von Nils Minkmar ist auch Teil dieser ritualisierten Betroffenheits- und Empörungsmaschinerie, die sich (inzwischen schon ziemlich routiniert) Mordanschlägen in Afghanistan, weltweiten Naturkatastrophen oder eben Amokläufen widmet.
Zu dieser Empörungsrhetorik gehören dann auch solche Sätze wie Als ich das Haus verliess, was die Welt noch in Ordnung (das passt immer und stand bestimmt vor Erfurt und Emsdetten auch irgendwo) oder dieses unerträgliche Geschwätz der Bosbachs, Pfeiffers und wie die bei dieser Gelegenheit immer wieder hervorgeholten sogenannten Experten auch noch heissen mögen.
Wie wäre es, wenn alle Massenmedien im Rundfunk und Fernsehen (mindestens die öffentlich-rechtlichen) ihr Programm zwischen 20 und 22 Uhr einfach einmal abgeschaltet hätten? Diese pseudo-investigativen Stahlgewitter à la „Spezial“ oder „Brennpunkt“ oder „hart aber fair“ in diesem Fall einmal nicht produzieren. Wie wäre es, Pietät und Trauer nicht einfach immer nur zu behaupten, sondern zu praktizieren?
Betroffenheitswochen!
Leute, die nicht betroffen sind, versichern sich gegenseitig der tiefen Betroffenheit (gemeint ist: Mitleid). Stunden nach der Tat drängeln sich die die Adhocexperten, und wissen wie’s kommen konnte: Waffen, Computerspiele, Einsamkeit, …
Immerhin hat das ZDF es geschafft und einen Traumaexperten befragt, der nicht müde wurde abzuwiegeln. Das fehlt am meisten: Kühle Köpfe, die zurückrudern.
Bei keinem anderen Thema wird die eigene Inkompetenz so zur Schau gestellt, wie bei diesen Amokläufen. Wieso fragen Reporter nach Einlasskontrollen an Schulen? Glauben die wirklich, man solle da bewaffnete Kräfte aufstellen, die einen entschlossenen Täter aufhalten können? Können die sich die Frage nicht selbst beantworten, oder suchen die einfach nur einen Doofen, der sich so eine Forderung zu eigen macht? In dem Zusammenhang möchte ich die Unsitte anprangern, die Fragen des Interviewers rauszuschneiden, so daß das Interview ein wenig an Dynamik gewinnt – der Zuschauer muß sich die Frage erst dazudenken, bzw. wird von einer Antwort überrascht, die nicht als Antwort, sondern als Statement daherkommt.
Oder diese Computerspielfrage – ist es so, daß nur alle Leute außer Politikern und Journalisten wissen, daß fast jeder maskuline Jugendliche derartige Spiele gespielt hat?
Nach mehr Schulpsychologen wird gefragt, aber hieß es nicht, der junge Mann habe die Schule längst verlassen?
Wenn ein hochkarätiger Politiker am Ort nichts sagen zu sagen hat – wieso strahlt man es dann aus? Damit man bei der nächsten Pressekonferenz ein Käsetoast bekommt?
Wie kann man nach wenigen Stunden so eine Plasbergsendung machen? „Ich kann zum konkreten Fall nichts sagen …“ sag‘ dann aber doch was, weil ich dafür ja eingeladen worden bin. Sonst sagt der Konkurrent was, und der weiß ja auch nix konkretes.
Niemand zieht die Parallele zu religiös verbrämten Selbstmordattentätern. Wieso eigentlich nicht? Gibt es da keine?
Kann es sein, dass Nils Minkmar ein Gutmensch ist? Der Blogeintrag reiht sich fabelhaft in das Betroffenheitsgefasel der Medien…Ingesamt enthält er – finde ich jedenfalls – auch keinen einzigen Satz der einen irgendwie weiterbringt. Sei es, um das Medienverhalten zu kritisieren (wie denn auch…), oder zu mutmaßlich richtigen Schlüssen, die wir aus dieser Tat ziehen sollten. Denn so tragisch diese Tat war, wie unermesslich traurig es für die Angehörigen der Opfer und des TÄTERS! (nebenbei gesagt) auch ist, der Rest Deutschlands und der Welt muss nicht Betroffenheit simulieren, sondern die entsprechenden richtigen Schlüsse ziehen, um sowas zu verhindern…
Statt „Killerspiele“ wie Counterstrike (haha!) etc. zu verdammen, wäre es doch mal sinnvoll, mehr Geld in das „seelische Wohl“ der Schüler zu stecken: Sozialarbeiter etc.
Wie wärs denn mal mit einem ordentlichen Beitrag ohne Gutmenschentum oder Gefühlsduselei?
Setzen Sechs!
Schon die Überschrift „Tag der Trauer“ ist doch hohler, dümmlicher Pathos. Jeden Tag sterben Menschen irgendwo einen unsinnigen, grausamen Tod. Nur weil es Deutsche, nur weil es Schüler sind, wird aus einem Tag ein Tag der Trauer? Nur DESHALB ist auf einmal die Welt nicht mehr in Ordnung? Vorher war sie es je? Wie sieht eine Welt aus, die „in Ordnung“ ist? Das ist Betroffenheitsrhetorik, nichts anderes.
Ehrlich: Die Meldung geht mir irgendwo am Allerwertesten vorbei. Denn ist gibt keine Möglichkeit, irgendetwas Sinnvolles aus dieser Meldung abzuleiten. Soll ich meine Kinder nicht mehr zur Schule schicken? Sollen wir Schulen zu Hochsicherheitstrakten umbauen? Sollen wir für eine Handvoll Kranker unsere Freiheit aufgeben? Nein. So etwas wird immer wieder passieren, und es wird immer wieder dieselben Reflexe geben.
Muss ich noch schreiben, dass mir die Opfer und der Angehörige leidtun? So leid, wie mir jeder tut, dessen Leben zu früh endet? Wahrscheinlich ja, gehört ja auch zum erwarteten Reflex.
Wieso schreiben diejenigen, die sich darüber aufregen, dass Herr Minkmar seine Gedanken zum Thema niederlegt, hier eigentlich? Schon gar mit ihrer verqueren Logik – die u.a. beweist, dass es mit dem Textverständnis in D wirklich nicht weit her ist -, dass jeder, der sich zum Thema äußert, auch oder gerade wenn es nachdenklich ist, selbst Teil der angeblichen Weltverschwörung [‚tschuldigung: Medien- und Betroffeneheits- und Gutmenschenmaschine] ist?
Meine Damen und Herren – von hartherzig? über Walter bis Gregor Keuschnig etc. -, Sie haben sich gerade selbst zu dem gemacht, was Sie angeblich ablehnen. Vielen Dank für den Beweis der Heuchelei der Gutmenschenablehner!
naja, Dierk, ich würde sagen diese Leute schreiben aus dem selben Grund wie Herr Minkmar. Sie haben was dazu zu sagen. Und das dürfen sie hier.
Oder sind hier nur Beiträge gestattet, die Herrn Minkmars Beitrag loben ? Kritik unerwünscht ?
Mir persönlich wäre es lieber gewesen, die versammelte Journaille hätte nichts zu diesem Thema geschrieben, gesagt, oder gesendet. Aber so wie die Damen und Herren Politiker und „Experten“ sind sie dazu verdammt, sich zu äussern, denn davon leben sie. Auch wenn man seit Erfurt oder Emsdetten nichts neues sagen kann. Oder generell zu diesem Thema.
Wie bereits mehrfach gesagt wurde, gehören diese Ausbrüche Einzelner einfach zum System dazu. Wir verbieten ja auch nicht das Autofahren, nur weil tausende pro Jahr im Straßenverkehr sterben; und wir schaffen nicht die Demokratie ab, weil 2% die Rechten wählen.
Natürlich kann man die Gesetze verschärfen, und mehr Sozialarbeiter und Psychologen in den Schulen schaden sicher auch nicht, aber diese Maßnahmen wirken halt nur bis zu einem gewissen Grad.
Das ist der Preis, den wir dafür zahlen, in einer freien und offenen Gesellschaft leben zu dürfen.
Ist zwar ein Filmzitat aber es stimmt irgendwie:“ Manche Menschen wollen die Welt nur brennen sehen.“ Amokläufer/Selbstmordattentäter kann man nicht beikommen, denn alles was man ihnen nehmen könnte wäre das Leben und das halten diese Menschen sowieso für Wertlos.
Auch „Ballerspiele“ – find ich unpassend abwertend – machen keine Amokläufer, überrascht mich allerdings bisher das noch kein Politiker oder ähnliches Gesindel rumgeblökt hat eben soetwas zu verbieten, ist ja ein gern gesehener Sündenbock.
Ach im übrigen: Auch in totaliären Gesellschaften gibt es Amokläufe, Amokläufe sind nunmal einzeltäter die einfach losgehen und töten. Selbst der beste Geheimdienst kann Menschen nicht in die Gedanken gucken.
Mich macht es betroffen wenn ich das Leid bei den Menschen vor Ort sehe. Und es macht mich betroffen das unser komplexes System anscheinend schwerwiegende Probleme hat. Und jeder der in Deutschland lebt und es schätzt hier zu leben, denke ich macht es auch betroffen. Vielen Menschen ist es ein Herzensanliegen, dass es allen gut geht. (Gutmenschen?) Von meinem Gefühl her wird sich die Jugend nicht in Richtung Gutmensch entwickeln, da können sich dann ja einige freuen.
Die passende & treffende Bemerkung zu Reaktionen von Offiziellen machte Max Goldt in der ZEIT, als er Merkels Kommentar zum „11. September“ in einem Halbsatz wertete.
Auch hier nur an drei Stellen in der Tonalität in den Kommentaren gelesen, nicht im Minkmar-Text, der aus Amokläufer lediglich Sadisten, Soziopathen und seltsame Teenager macht, und niemals in marktüblichen Medien: Niemand wird als Amokläufer geboren. Es gibt Persönlichkeiten, die werden zu Amokläufern gemacht. Vermutlich nicht von Counterstrike. Entscheidend ist das soziale Umfeld. Und aus diesem Grund wird es auch künftig Amokläufer gegen.
@55: Nun, nicht ganz. Mit der gleichen wohlgeölten Rhetorik, mit der Politiker nun die altbewährten Klischees auusspucken, setzt sich auch unser Medienbetrieb in Bewegung. Und da kann man natürlich am Fernsehen sitzen, und sich fragen, warum die Schülerinnenmutter den RTL Journalisten Betroffenheitsstatements gibt, und sich wundern, warum sie nicht daheim ist und sich kümmert. Meine Meinung: giut möglich, daß es auch etwas mit den Journalisten zu tun hat.
Ich habe damals in Erfurt hautnaher als mir lieb war erlebt, wie Journalisten wie Aasgeier auf Betroffene losgingen. Jeder, der sich dem Schulgebäude näherte, musste vor irgendeine Kamera und irgendein Mikro gezerrt werden; z.T. haben sich Journalisten unter falschen Angaben das Vetrauen einzelner Personen erschlichen. Needless to say: keiner dieser Leute hatte auch nur im geringsten Erfahrungen mit dem, was da auf sie einstürzte.
Kurzum: Ich würde mir auch von Journalisten etwas weniger aalglatte „Routine“ (‚wir brauchen O’Töne, Gesichter, Emotionen…‘) wünschen, und etwas mehr Respekt.
Was für eine Gesellschaft sind wir und wie gehen wir mit Problemen um?
Wenn immer mehr Busfahrer geschlagen und verprügelt werden, dann bekommen die eben jetzt eine Glasscheibe zur Sicherung.
Wir sind auf dem besten Wege die USA zu kopieren – soziales Gleichgewicht ade. Ich würde mir wünschen, dass wir das ändern.
Minkmar
Ich hoffe, es beleibt nicht bei der Sprachlosigkeit. Nur zu Colmar. Heute werden dort keine Zauberer mehr vom Stadtrat verbannt. Man ist klüger geworden. Und heute muss man eine einfache Frage beantworten:
Warum ist in unserer Schulzeit niemand auf die Idee gekommen, dass es solche Amokläufe überhaupt geben könnte?
Eine Antwort habe ich schon. Es liegt nicht daran, dass heute Zauberer in unseren Schulen unterwegs sind, die ein Kultusministerium verbannen könnte. Schade eigentlich.
Gruss Frank
Wenn man die Berichterstattung von Bild Online und Spiegel Online vergleicht, könnte man auf die Idee kommen, da wären zwei verschiedene Amokläufer am Werk gewesen.
Der Bild-Amokläufer war ein Außenseiter und Versager mit schlechten Noten, der seine Spielkameraden mit Farbgeschossen nervte und vergraulte, bei sportlichen Betätigungen nicht besonders gut war und nächtelang am Computer Horrorfilme und Counterstrike spielte.
Der Spiegel-Amokläufer war zwar ein zurückhaltender, introvertierter Mensch, aber „ein Typ zum Pferdestehlen“, besonders gut im Tischtennis, der auch nicht länger am Computer gespielt oder Horrorfilme konsumiert hatte, als andere Jungs in seinem Alter.
Aber der Bild-Amokläufer passt natürlich viel besser ins Konzept…
@Christina
Niemand wir gezwungen, sich mit Journalisten zu unterhalten. Wenn mein Kind in dieser Schule gewesen wäre, wäre ich bei ihm und würde mit ihm über das Geschehene sprechen, daran könnte mich kein noch so vertrauensseliger Journalist hindern.
Wir leben eben in einer mediengeilen Welt, wo jeder meint, in jede Kamera lächeln und in jedes Mikro sprechen zu müssen. Neulich, Kölner Innenstadt, auf mich wurde eine Kamera gerichtet und man hielt mir ein Mikro vor den Mund – die Frage habe ich schon gar nicht mehr wahrgenommen, so schnell hatte ich mir aus dem Staub gemacht. Was rief man mir nach: „Sie müssen doch eine Meinung dazu haben!“. Willkommen in Deutschland 2009: Jeder muss zu allem eine Meinung haben und diese öffentlich äußern.
@55
„Wieso schreiben diejenigen, die sich darüber aufregen, dass Herr Minkmar seine Gedanken zum Thema niederlegt, hier eigentlich?“
Wenn Anteilnahme denn ehrlich und aufrichtig gemeint ist, habe ich nichts dagegen. Man kann das aber auch übrigens für sich persönlich im Stillen üben, ganz ohne Blogs und Kameras. Genauso wie bei Fräulein von der Leyen, die in ihrem ersten Satz meinte: „Ich bin sprachlos und entsetzt“, aber dann fünf Minuten lang darüber säuselte, was man jetzt nun „verbessern“ könne…
Und auch wie bereits erwähnt bei Sätzen wie:
„Als ich das Haus verließ, war die Welt noch in Ordnung. “
oder
„Ein Amoklauf ist die Art von Nachricht, zu der mir keine Haltung gelingen
will.“
kommt mir bei so einem geheuchelten Gefasel nun mal die Galle hoch. Wenn man nichts sagen will oder kann, einfach mal im Falle von Blogs die Finger stillhalten.
Es hilft keinem und zeigt ein mal mehr, dass in der Politik und in der Gesellschaft praktisch seit 2002 nichts, absolut gar nichts passiert ist und uns wohl auch in Zukunft solche dämlich sinnlosen Aussagen nicht erspart bleiben werden. Aber vielleicht sollten Blogger und Kommentatoren wie hier einmal darüber nachdenken, ob es nicht auch Wert ist darüber zu berichten, wenn ein Vater seine Alte und seine Kinder abschlachtet, oder über jugendliche Kinderficker, oder wenn verwahrloste oder gar verfaulte Babies gefunden werden -wenn es überhaupt die Öffentlichkeit erfährt. Vielleicht nimmt dann auch die angebliche „Betroffenheit“ von moschus ab, und Leute wie er und Nils merken dann endlich, dass es nicht auf die Anzahl der Übertragungswagen ankommt. Dann sind wir schon mal einen Schritt weiter.
Oh je, das ist alles wirklich grauenhaft. Was ich aber auch ganz schlimm finde ist, wie jetzt unsere Nachrichtenmagazine und die, die sich dafür halten, ihre Tsak Forces aus unerschrockenen, halbboulevardisierten Reportern (und denen, die sich dafür halten) losschicken in diesen kleinen Ort, um dieses ganze schreckliche Massaker vor uns auszubreiten, um den Jungen bis in die letzten Hirnwindungen zu durchleuchten, seinen Freundes- und Verwandtenkreis abzugrasen, die Blümchen im Vorgarten der Eltern zu erwähnen, und das alles nur, um ihre und unsere (meine nicht) Lust am Voyeurismus zu befriedigen. In der Woche darauf werden dann die Auflagenzahlen analysiert, und wenn sich das Heft schlecht verkauft hat, dann sind sie enttäuscht. Dann machen sie es beim nächsten Amoklauf aber ganz genau so oder legen noch ne Schippe drauf.
ICH WILL NICHT JEDE BLUTTAT UND JEDES MASSAKER INKL. HAUSBESUCH VOM STERN (JA, VOR ALLEM VON DEM) BIS INS KLEINSTE BESCHRIEBEN/AUFBEREITET/NACHESPIELT BEKOMMEN.
Lieber Frank, Ich bin sehr dafür, über Morde in der Familie, Kindesmissbrauch und Kinderverwahrlosung zu berichten. Geschieht das denn ihrer Meinung nach zu wenig?
Korrektur: statt NACHESPIELT muß es richtig heißen NACHGESPIELT, klar.
Lieber Nils Minkmar,
nein, das geschieht zu oft – und vor allem zu oft als reine Skandalberichterstattung. Die Anatomie eines Massakers, so ind er Art. Damit wir alle zu hause im wohligen Wohnzimmer uns daran mit Ekel ergötzen kann, wie schrecklich es da draußen manchmal ist. Ja, dieser Ekel kann offenbar schön sein. Aber leider verharrt die Berichterstattung auf dieser Oberfläche. Darunter ist nichts.
Auf BILD.DE gibt’s jetzt den Amoklauf als Flash-Animation – für alle, die leider nicht live dabei sein konnten.
Das ist genau das, was ich meine. Und Stern und Spiegel sind da nicht besser, der Stern schon gar nicht und der Spiegel versucht auch nur, mit wohligen Worten von seiner eigentlichen Kernkompetenz abzulenken: Boulevardisierung, sonst nichts.
@55:
Es ist einfach nur Kritik an verbalem Durchfall. Und diese Kritik ist ja anscheinend auch erwünscht, sonst würde hier nicht so eine Kommentarfunktion vorhanden sein.
Natürlich darf man sich „nachdenklich“ Thema äußern, Du tust es auch. Dann habe ich aber dank der Kommentarfunktion auch das Recht, Kritik zu üben.
Aber dieser Blogeintrag ist keine „nachdenkliche“ Äußerung, sondern gerade wie oben schon öfters kommentiert eine billige, schlechte und vor allen Dingen unnütze Verbalisierung eines von der Presse und Gutmenschen aufgezwungenen Mitleidsempfinden. Und alle Welt macht mit. Gerade im Blog von Stefan Niggemeier hätte ich so einen schlechten, an den „Mainstream“ angepassten Text nicht erwartet.
[…] Sonntagszeitung” und derzeit Gastblogger in Stefan Niggemeiers Blog hat eben dort einen Beitrag zum Thema Amoklauf in Winnenden veröffentlicht, der die Sache auf den Punkt […]
Dieser Kommentar bringt es auf den Punkt. Ich wünschte, Reporter und Chefredakteure sämtlicher deutscher Medien würden ebenso viel Reflexionsfähigkeit zeigen, statt auf den Zug der höher-schneller-weiter-Berichterstattung aufzuspringen.
[…]mir wurden Erinnerungen an das Massaker von Erfurt wach und ich verbrachte einige Zeit vor den Nachrichtensender N-TV, N24 und CNN, um unzählige Berichte förmlich aufzusaugen[…]
Wieder dieser Fatalismus: Als seien Amokläufe ein Naturschicksal, als müsse es dazu kommen (als käme es überall auf der Welt so häufig dazu wie in Deutschland). Das Jugendstrafrecht zu verschärfen ist freilich die beste Idee. Der Täter, der mit dem eigenen Tod rechnet, wird kalkulieren: 10 Jahre Gefängnis, dann mach ich’s, 15 Jahre (Lebenslänglich) dann nicht.
Vielleicht sollte man, statt all des präventiven Unsinns, sich ins Gedächtnis rufen, was passieren muß, bevor jemand so etwas macht. Bevor jemand sein Leben wegwirft. Wie viel Haß. Und woher der Haß kommt. Der produziert sich nämlich nicht im Amokläufer, sondern wird von ihm nur reflektiert: die heuchlerische Gesellschaft bekommt ihre eigene unmenschliche Gewalt in den Momenten solcher Amokläufe vor Augen geführt; und senkt sie betreten, wie vor etwas ihr fremden.
Die Amokläufer sind nicht das Problem, sie sind das Symptom. Eine Unterscheidung, die in der Medizin lange akzeptiert ist, hat im gesellschaftlichen Diskurs noch lange keine Chance auf Gehör. Jetzt hört man’s wieder rufen: die armen Opfer. Als wären wir nicht alle Opfer und Täter zugleich.
@Thom
Nein, ich bin kein Täter, und auch kein Opfer. Ich habe mit diesem Amoklauf nichts zu tun, auch mit keinem anderen.
Welche „unmenschliche Gewalt“ bekommt „unsere heuchlerische Gesellschaft“ vor Augen geführt?
Und vor allem: Wo senkt denn irgendwer betreten die Augen?
Haben Sie Ihre Waffe schon geladen? Wo wohnen Sie – ich bin dann mal da weg.
Jaja, jetzt ist wieder die Gesellschaft schuld. Weil es uns allen ja so schlecht geht hier. Der Hunger, die soziale Kälte, der pure Egozentrismus, den jeder Einzelne vorlebt. Schlimm. Früher war das ja nicht so. Früher war auch mehr Lametta.
So ein Schmarrn!
Der Großteil der Menschen, die ich in meinen mittlerweile 28 Lebensjahren kennengelernt habe, haben es, ohne mich zu kennen, erstmal gut mit mir gemeint. Wer sich nicht selbst isolieren möchte, muss in dieser Gesellschaft auch nicht isoliert leben. Es gibt hier so viele Menschen mit so vielen unterschiedlichen Ansichten, dass man immer Gleichgesinnte und Freunde finden kann, ganz egal, was für ein Freak man auch ist. Wer sich hinter einer misanthropischen „Die Welt ist schlecht und keiner mag mich“ – Attitüde verschanzt, sollte vielleicht mal sich selbst hinterfragen, anstatt sich in seinem Selbstmitleid zu suhlen. Wenn er dazu nich bereit ist und sein Leben lieber beenden möchte, bitte, das liegt in seiner individuelle Entscheidungsfreiheit.. Aber was für ein riesen ******* muss man sein, um vorher noch 15 Menschen, die er zum Teil gar nicht kennt, umzunieten?
Wer so drauf ist, hat mit Sicherheit jede Form von Ablehnung, die ihm in seinem Leben, von wem auch immer, entgegengebracht worden ist, aufrichtig verdient.
Wann endlich wird Tischtennis verboten?
Die Tatsache, dass manche hier Herrn Minkmar „geheucheltes Gefasel“ vorwerfen (wie etwa „Frank“) empfinde ich, gelinde gesagt, als eine Unverschämtheit. Dass Herrn Minkmar unterstellt wird, dieser Text sei Ausdruck „eines von der Presse und Gutmenschen aufgezwungenen Mitleidsempfinden[s]“ (Walter), ist empörend! Mir fehlen dir Worte. Ich hoffe, Herr Minkmar lässt sich durch diese sich selbst disqualifizierenden Äußerungen nicht davon abhalten, auch weiterhin solch nachdenkliche Artikel zu schreiben.
@82:
Wie würdest Du denn solche Sätze beschreiben?
Schön, ich gebe zu, es ist „höherwertig“ geschrieben, als manch Artikel von Spiegel (Online) oder BILD etc. aber wie schon mehrmals erwähnt: Betroffenheitsgelaber OHNE Inhalt. Ja, wir sind in unterschiedlichen Maßen betroffen – ok – Ja, wir findens schlimm – ok – Aber warum muss man dann so einen Text verfassen?? Wäre nicht irgendetwas Sachliches besser? Etwas was irgendwie mehr dem Geist dieses Blogs entspricht (auch Gastblogger sollte man sich irgendwie daran halten..) ? Ich finde schon.
Nachtrag @82:
Empörend, empörend!!!
Jemand kritisiert ein Schicksal! Schweinerei! Jemand gedenkt nicht der Opfer und kritisiert doch tatsächlich die Berichterstattung und einen „nachdenklichen“ Eintrag eines Journalisten!
Also legen wir die Hände in den Schoß und tun nichts? Das halte ich für falsch. Der Grund, warum solche Schulmassaker die Menschen mehr bewegen als die nicht minder grausamen Amokläufe gescheiterter Familienväter ist, dass wir im Laufe des Zivilisationsprozesses irgendwann erkannt haben, dass wir für Kinder und Jugendliche eine besondere Verantwortung haben. Tim K. Ist nicht als Sadist und Mörder geboren worden. Vermutlich hätte man sein Abdriften durchaus verhindern können, es gibt inzwischen auch durchaus einige kriminologische Erkenntnisse dazu, wie sich gefährdete Jugendliche, die nicht unbedingt Amokläufer werden müssen, frühzeitig identifizieren ließen.
Es stimmt, dass das Risiko nie mehr auf Null zu bringen sein wird, weil der Geist des Schulmassakers aus der Flasche ist. Nichtsdestotrotz lohnt jede Diskussion über Medien, Waffen, Schule, soziales Miteinander, weil sie alle Beteiligten sensibilisiert, auch wenn Verbote (Computerspiele) Unsinn sind.
Es ist ein Leichtes, sich über die Berichterstattung in den Medien zu erheben. Aber: Die Massenmedien sind für viele Menschen zur wichtigsten Kommunikationsplattform geworden, die sie an so einem Tag dringend benötigen. Die Menschen wollen wissen, was passiert ist, sie suchen Orientierung. Selbst wenn es keine wirklichen Erkenntnisse oder Lösungen gibt, befriedigt die Berichterstattung nicht per se die unterstellte Sensationsgier, sondern ersetzt den Stammtisch, der zu Unrecht so in Verruf gekommen ist. Denn wie der frühere sonntägliche Kirchgang mit anschließendem Smalltalk hat der Stammtisch einen Gedankenaustausch ermöglicht, der nach so einem Geschehen ungeheuer wichtig ist. (Sei es auf ebenjenem Niveau.) Wer das nicht braucht, hat es gut und muss das nicht konsumieren. Selbstverständlich würde man sich wünschen, n-tv hätte mehr Geld und könnte mit CNN konkurrieren, und ja, auch ich finde, dass die Politiker einmal weniger geschliffen, menschlicher, normaler reagieren würden (aber eigentlich gleichen sich die Statements der Normalbürger ja inzwischen denen der Profis an, was wieder ein anderes Thema wäre).
Ich wäre auch vorsichtig mit der Verurteilung dieser Mutter, deren Tochter Zeuge wurde, und die ihre Tochter hoffentlich nicht alleine zu Hause gelassen hat. Vermutlich hat sie es einfach nicht mehr ausgehalten und musste raus zum Tatort, musste mit anderen reden, um das irgendwie für sich einordnen zu können. Das ist tatsächlich eher ein Beispiel für die elementare Bedeutung von Kommunikation.
Wirklich schlimm war die Selbstdarsteller-Kür auf Twitter, und das nicht nur in Bezug auf den Focus. Den Wettbewerb des geschliffensten 140-Zeichen-Beitrags hat gewonnen, wer in den klassischen Medien zitiert wird, was dann wieder als Erfolgsmeldung geschliffen getwittert wird. O je.
Ich finde es interessant, das nicht auf den zwei notwendigen Ebenen diskutiert wird:
1. Warum hat er das getan? Jaja, Killerspiele, blabla. Wahrscheinlich hat er auch noch Metal gehört. Es ist dunkel und wir tragen Sonnenbrillen… Eine Diskussion hierüber ist müßig, aber natürlich wird sie dennoch geführt.
2. Wie konnte er das machen?
Die Antwort auf 2. ist natürlich sehr sehr einfach zu nennen. Sie wurde schon häufig benannt, aber immer nur in Nebensätzen: Die verdammte Waffe des Vaters lag – unerlaubterweise – offen herum!
Alles was Politiker heute labern, vom zentralen elektronischen Waffenregister (Vorschlag übrigens nicht der CSU, sondern der Linken) bis hin zur Verschärfung des Waffenrechts usw. übersieht diese simple kleine Tatsache: Menschen sind dumm. Menschen sind vergesslich. Diese Vergesslichkeit, dieses dumme Versehen, hat die Durchführung der Tat erst möglich gemacht.
Egal wie es im Kopf des Jungen aussah, egal was er durchgemacht hat, den Amoklauf hat erst das Versehen des Vaters ermöglicht. Hierüber ist zu diskutieren. Und es wird kein Ergebnis geben. Denn 100%ige Sicherheit vor der menschlichen Natur, zu der auch Vergesslichkeit gehört, kann und wird es nicht geben.
@83
Wie ich solche Sätze beschreiben würde? Ich würde sagen, der Text ist eine kleine Meditation über das Ursachen-Tier Mensch, das angesichts dieser Tragödie noch im Sinnlosesten einen Sinn sucht (besser: suchen muss) – und die Vergeblichkeit dieser Bemühungen.
Das muss man nicht genau so sehen. Und wenn dir der Text auch sonst nicht „gefällt“: geschenkt! Aber dem Autor zu unterstellen, er folge hier einem Mitleidsdiktat (Wessen Diktat? Wer ist „die Presse“? Belege??), heisst, ihn persönlich zu diskreditieren (und nicht seinen Text).
sehr schöner beitrag. ich hab direkt, nach dem amoklauf, zu meinen arbeitskollegen gesagt, dass der junge bestimmt ein „killerspiel-spieler“
war. ich warte nur noch darauf, bis sich die einzeller von der presse u.
politik auf dieses thema stürzen. als ob das spiel daran schuld ist,
dass er FREI an richtige waffen gekommen ist. wahrscheinlich lag
es auch an cs, dass er ne vermurkste kindheit (werfe ich ma so in den
raum) hatte.
Ich zitiere BILD.DE, das seinerseits einen Polizeisprecher: „„Wir haben bei ihm unter anderem das Spiel Counterstrike gefunden.“ Der Amokläufer habe in den vergangenen Monaten viel Zeit mit Killerspielen am Computer verbracht. Auch Pornobilder fanden die Polizisten auf seinem PC.
Alles verbieten: Counterstrike. Killerspiele im Allgemeinen. PCs. Pornographie.
Und: Warum gibt’s so viele Polizeisprecher und nur so wenige Polizeidenker?
Tut mir leid: Das Zitat endet nach dem ersten Absatz, der Rest ist von mir.
@87:
Zitat, Beweise für die Mitleidstuerei?? Einfach mal in die Nachrichten / Fernsehen schauen:
Zu jedem Mist gibt es Sondersendungen. Wenn irgendwo ein Reissack umfällt oder ein Unglück passiert werden sofort unzählige Kamerateams entsendet, jeder (Entschuldigung) Idiot darf seinen unqualifizierten Senf dazu geben und alle sind ganz bestürzt. Alle sind traurig. Jede dämliche Boulevardmoderator berichtet mit trauriger Mine über diese Sachen. Dabei geht es nicht im Geringsten um die Geschädigten, sondern um den Kommerz. Der Rest der Bevölkerung ist „mittrauig“, da es ja anstößig und „empörend“ ist, so etwas nicht traurig zu finden. Was interessiert es mich näher, ob irgendwo in Asien ein Tsunami die Landschaft zerstört, ein Staudamm bricht, oder sonstirgendwo Menschen durch Bürger/-Krieg sterben oder jemand Amok läuft. Es ist passiert. Kacke. Ok. Traurig für die Angehörigen (ohne Frage). Der Rest der Welt kann ja sich dann mal kümmern, für die Zukunft präventive Maßnahmen zu entwickeln. Aber nein: Trauer und Bestürzung… Und ganz ehrlich, die Meldung über den Amoklauf (Warum ist man da eigentlich Sadist – hab ich nicht ganz verstanden?) hätte gereicht.
Aber nein, VIVA/MTV ändert sein Programm (nebenbei: Endlich mal wieder Musik auf diesen Sendern) und die gesamte Medienwelt berichtet scheinheilig über die tragische Tat. Und alle machen es nach, sieht man auch an den ganzen Kommentaren.
Sieht man ja an deinem Beitrag. Gutmenschentum.
Mein Gott, Walter! Hast du eigentlich den Text von Nils Minkmar gelesen oder nur Fernsehen geguckt? Ich hatte geglaubt, hier ginge es um den Artikel von Herrn Minkmar.
[…] Stefan Niggemeier auf stefan-niggemeier.de […]
@Oliver #86, Und wäre der Waffenschrank verschlossen gewesen – der Sohn hätte keine Chance gehabt den Schlüssel zu finden? Aus der Tasche des Vaters kurz entführen? Oder bei einem anderen Waffenvereinsmitglied an eine Waffe kommen können?
Die Präventionsdebatte ist uferlos, und gemessen an der Häufigkeit derartiger Ereignisse irrational.
Der Staat hat nur ein begrenztes Budget, und was in Amokprävention fließt, das fließt nicht in andere Bereiche, wo es vielleicht mehr nützt – Verkehrserziehung, Impfungskampagnen, Lebensqualität für Schüler und Jugendliche insgesamt.
Es klingt sicher zynisch, wenn man die verschiedenen Gefahren und Schäden monetär betrachtet und gegeneinander aufrechnet, aber gerade darin liegt die Begründung, solche Fragen nicht am Tag zu diskutieren, da das Kind in den Brunnen gefallen ist, und sich alle in Mitleid und Betroffenheit ergehen. Schnell ist ein „wir müssen was tun!“ rausgeschlüpft, und Kollege investigativer Journalist zieht es bei der nächsten Katastrophe hervor und fragt, wieso nichts geschehen ist.
Daß es, @info #85, kriminologische Erkenntnisse zur Früherkennung der Täter gibt, halte ich für ein Gerücht.
Die Grundgesamtheit der Täter, die für eine solche Studie in Frage kommen, ist ja bedenklich gering (3 Täter in 10 Jahren?), und dann sind sie, wenn sie virulent geworden sind, oft tot, so daß man nicht mehr am lebenden Objekt studieren kann, Fragen stellen.
Es kommen dann solch überzeugende Erkenntnisse zu Tage wie, daß der Täter Computerspiele gespielt hat. Ah! Die Leute schauen zum ersten Mal, was ihre Kinder eigentlich getan haben, und was sie finden gilt dann als signifikant – nicht für Jugendliche, was womöglich richtig wäre, sondern für Amokläufer.
„Hat als Kind Muttermilch getrunken.“ ist eigentlich die Kardinalserklärung aller derart defekter Statistiken.
Wieviele Patienten sterben jährlich im Krankenhaus an Keimen, die sie sich dort erst eingefangen haben?
Aber nein! Laßt uns das weiße Einhorn jagen!
Mir fällt sehr unangenehm auf, wie wenig sich Herr Minkmar und die meisten Kommentatoren wirklich Gedanken über die Motive und Entwicklung des Amokläufers machen. Entweder wird hirntote Küchenpsychologie ausgebreitet (…Amok ist ein sadistisches Verbrechen: Der Schütze maßt sich absolute Macht an, demütigt seine Opfer und indirekt seine Eltern…),oder man kurzschließt aus den eigenen, glücklicheren Lebensumständen auf allgemeine Erklärungen (#80, Mirko).
Wahrscheinlich können nur diejenigen ein Verständnis für Tim K. aufbringen, die selber einmal Mobbing erlebt haben. Für diejenigen ohne solche Erfahrung empfehle ich die Lektüre von Jodi Picault:“19″.
Auch wenn der Roman viele Schwächen aufweist, gibt er doch eine gute Vorstellung von dem, was Schul-Amokläufer so bewegt.
Ich lese das ja hier geduldig und mit viel Interesse, aber das Adjektiv hirntot stört mich, lieber Borsig. Das war keine Psychologie sondern ein Argument gegen die Wirksamkeit von noch mehr Kontrollen. Und bitte bedenken Sie, dass der Hirntod ein schweres Schicksal ist und nicht zum Kritisieren anderer Meinungen gebraucht werden sollte. Ich würde Sie bitten, zu einer angemessenen Ausdrucksweise zurückzukehren, gerade wenn sie für sich selbst einen zarten Umgang beanspruchen.
@94 Die Studien wurden mit amerikanischem Datenmaterial ergänzt. In den USA gibt es Ansätze, eine Art Checkliste in den Schulen einzuführen, da es tatsächlich einige Verhaltensmerkmale (eben nicht nur Persönlichkeitsmerkmale) gibt, die Hinweise auf gefährdete Personen geben. (Es wurde in den USA sogar eine entsprechende Software wie ein Q+A-Katalog entwickelt). Es hat sich ja beispielsweise herausgestellt, dass die Kriminologen, die gestern fest davon überzeugt waren, dass der Täter seine Tat irgendwo angekündigt hat, Recht behalten haben, weil das ein typisches Verhaltensmuster ist. Die Folgen solcher Verhaltensscreenings von Schülern durch das Lehrpersonal sind mit Sicherheit vorher gründlich zu überdenken. Aber die Sensibilisierung für gewisse Vehaltensänderungen könnte schon Sinn machen. Wie gesagt, absolute Sicherheit gibt das natürlich auch nicht
@#96: Lieber Herr Minkmar,
um bei der Küchenpsychologie zu bleiben: Warum heute so egozentrisch empfindlich. Ich habe nicht „…wird hirntot Küchenpsychologie ausgebreitet…“ geschrieben, sondern „hirntote Küchenpsychologie“. Aber schön, dass ich Sie ein wenig echauffieren konnte…der Beitrag war mir zu sehr auf der Metaebene gelagert.
Wie kommen Sie übrigens auf die Idee, dass ich für mich einen zarten Umgang beanspruche? Schon wieder Küchenpsychologie (braindead or not)?
@69 „Lieber Frank, Ich bin sehr dafür, über Morde in der Familie, Kindesmissbrauch und Kinderverwahrlosung zu berichten. Geschieht das denn ihrer Meinung nach zu wenig?“
Dass darüber berichtet werden muss, ist natürlich logisch und auch nicht falsch. Dann muss man aber auch in all den anderen Fällen darüber berichtet werden. Wenn Sie das in ihrem Blog oder wo auch immer tun, ist das nur konsequent. Tuen Sie’s denn?
Falls ja, darf es aber auch dann nicht damit enden, mir stundenlang Lichter -und Menschenketten vorzuführen und jeder – vom Papst bist zum Niggemeier-blog – gaukelt mir seine gutgemeinte Betroffenheit vor.
Entweder ist Ihre Welt genauso leicht wieder in Ordnung zu bringen, wie sie gestern auseinandergerissen wurde, aber ich könnte allein von Oktober 2008 monatlich, teils wöchentliche durch axtschwingende und messerstechende Durchgeknallte Dramen auflisten, die bei weitem nicht weniger schreckhaft sind, als gestern. Und da sind die verwahrlosten Kinder noch nicht mal mit bei.
Über Kindesmissbrauch wurde auch schon in Zeitungen nur noch in einer kleinen Spalte berichtet. Vielleicht ist das so ähnlich wie im Irak. Da hat sich gestern wieder jemand auf einem Marktplatz in die Luft gesprengt und über 40 Leute mitgenommen. Aber das scheint ja „zum Glück“ (noch) zu weit von der eigenen Haustür entfernt. Und so hat auch der gestrige Fall zum Beispiel den Fall Michelle aus Leipzig in den Hintergrund gedrängt. Gestern mussten sich alle zwanghaft darauf stürtzen. Und genau das ist falsch. Es stachelt wie schon mal geschrieben andere höchsten noch an, das Gestrige zu toppen. Wenn die Diskussion nicht stattfindet und die Berichterstattung immer nur dann in den medialen Vordergrund gerückt wird, wenn ein depressiver, junger Kerl, der offenbar schon mehrfach in der Klappse gewesen war, durchdreht, hilft das keinem.
@80 (Mirko): Ihr Text könnte, selbst was die Altersangabe anbelangt, von mir stammen. Danke.
Minkmar
Nur als Hinweis – jenseits des Grundsätzlichen, Colmar und dem ganzen Rest … . In unserem blog hat sich gerade ein Thelonious (Beitrag 112) zur Berichterstattung aus Winnenden geäußert. Offensichtlich kommt er aus der Region.
Die Kollegen sind offenkundig wie Barbaren in den Ort eingefallen.
Einen Aspekt des Dramas verdienen Überlegungen zur Familie: Bei aller Betroffenheit gegenüber der Familie ist doch die Frage zu stellen, was passiert wäre, wenn der Vater, Schusswaffe und Munition nicht offen aufbewahrt hätte. Die jüngsten Informationen, dass der Amokläufer in psyiatrischer Behandlung war, lässt den sorglosen Umgang des Vaters komplett unverständlich erscheinen.
Wird die Familie jemals wieder ein mormales Leben führen können?
Als Nichtbetroffener sollte man das alles nicht so wichtig nehmen. Das ist ja gerade das Ekelhafte: Daß nichtbetroffene Politiker Betroffenheit heucheln.
Wenn ich das fast immer grinsende Gesicht von Bosbach und Konsorten sehe, kann ich nahezu jeden Amokläufer gut verstehen! Und das ist kein Witz.
Ist es eigentlich gänzlich ausgeschlossen, dass auch Politiker wirklich und „echt“ betroffen sein können?
@104
Betroffen? Aber ja, wenn’s um sie selbst geht, ihre Macht, ihr Bankkonto…
ich finde erschreckend, wie viele kommentatoren den anschein erwecken, diese außergewöhnlichen extremfälle ohne große umstände deuten zu können. meiner erfahrung nach führen solch schlimme begebenheiten in wochenlange sprachlosigkeit und verstören nachhaltig. nur von experten begleitete, langwierige aufarbeitung kann dann ansätze von „verarbeitung“ anregen. vorschnelles getröte birgt die spiegelung der beschworenen bestie in sich.
ich finde den artikel von herrn minkmar sehr gut. danke schön.
.~.
@106:
Ist im Grunde ganz simpel, diese Heinis verwechseln ihre eigene Menschenverachtung mit Zynismus. Außerdem sind es alles harte Kerle, die tief im Innern immer noch ganz hart sind, sie kennen keine Scham [außer wenn andere sie kritisieren], sie lehnen alles und jeden ab. Alle Politiker, alle Journalisten, alle Menschen, die noch schmerz empfinden können werden als korrupt oder Gutmenschen abqualifiziert.
Die Belegung mit speziell geschaffenen, angeblich ironischen, Negative [‚Gutmensch‘] ist immer die Waffe der geschwätzigen Sprachlosen – und natürlich Demagogen. Es ist nämlich am einfachsten, wenn „die Anderen“ gar nicht erst als Menschen gesehen werden.
Widerlich, einfach widerlich.
Jetzt haben wir’s: die Waffe, die offen rumlag, war’s. Nicht das Leid, daß der Kerl erfahren hat. (Sei’s auch kein Hunger und keine Kälte im Winter, sondern „bloß“ das, was mit jedem passiert, der nicht gerade hipp ist). Und an den, der sich vor meiner Nähe fürchtet: Keine Sorge, ich stehe zum Glück auf der richtigen Seite des „hipp/out“-Spektrums, was der Bürger gerne „mitten im Leben“ nennt. Aber auch da stinkt es, und auch dort ist Empathie möglich. Hunger ist nicht nur ein Problem der Hungernden, auch wenn’s der Bürger gern so hätte.
Wenn es erlaubt ist, die Trauerparty zu sprengen und vielleicht ein wenig aufzuheitern: Die ARD hat also einen Tag nach dem Amoklauf Schmidt und Pocher gecancelt und zeigt statt dessen a) Stiller Schrei – Leben nach dem Albtraum b) Tod im ewigen Eis. Vermutlich, damit die Leute mal auf andere Gedanken kommen.
[…] Stefan Niggemeier/ Nils Minkmar – Tag der Trauer Man sollte sicher nicht den Fehler begehen, den Medienwandel in dieser Debatte völlig auszuklammern – wer wirklich glaubt, dass konstanter und unbegleiteter Konsum von Ego-Shootern oder ekelhaftesten Videos im Netz keinerlei Auswirkungen auf junge und vielleicht labile Charaktere habe, der begeht den gleichen Fehler wie diejenigen, die solchen Medieninhalten die Schuld an einem Amoklauf geben: er macht es sich zu leicht. Es ist daher zwar richtig, auch über Medien zu reden, es ist aber sträflich falsch, über die sehr viel wichtigeren Themen nicht zu reden. […]
Ich habe nach dem Studium der großen Nachrichtenseiten festgestellt, dass ich, meinem „Profil“ entsprechend, schon mindestens viermal hätte Amok laufen müssen. Verdammt.
[…] Ich empfehle sehr den Artikel “Tag der Trauer” von Nils […]
Hi ihr,
weiß noch nicht, inwieweit dass schon durchgesickert ist, aber bei dem angeblichen Internet-Post von Tim K. handelt es sich um einen Hoax.
Der Google-Cache beweist es zweifelsfrei. Ich war noch nie so erschüttert über die schlampige Arbeit von Polizei und Presse. Unfassbar.
Erklärung auf englisch: http://www.action-team.us/krautchan-winningen-hoax/
[…] online spreeblick ahoi polloi kaliban coffee and tv stefan niggemeier freitag.de / lukas’ […]
@info, #97, … mit US-amerikanischen Daten angereichert? Ist das denn methodologisch korrekt?
Was sind gefährdete Personen: „die Hinweise auf gefährdete Personen geben“? Jugendliche? Eine Person, die letztlich nicht ausgerastet ist, sondern an Altersschwäche dahinschied wird mit welchem Recht als ‚gefährdet‘ charakterisiert? Weil sie Merkmale mit den Tätern teilt?
Verhaltensänderungen sind für die Phase Pubertät, Jugend und Adoleszenz charakteristisch – da wird man viel zu beobachten haben. Mir würde ein Jugendlicher auch Sorgen machen, bei dem es nicht zu Verhaltensänderungen kommt.
Jetzt hat man also doch eine Ankündigung gefunden? Ist eine Ankündigung nicht auf die Zukunft gerichtet? Welchen Wert hat es eine Ankündigung hinterher zu finden, im Kontext von Präventionsfragen? Soll man alle Jugendlichen heimlich überwachen, damit man das nächste Mal die Ankündigung vorab erhält und nicht nachträglich?
Man muß bedenken, daß das Ziel der Prävention kein Vulkan ist, der unwillkürlich vorab Rauchsignale absondert, sondern ein willentlich handelndes Subjekt, daß die Aktionen, die sich gegen seine Ziele richtet, antizipieren könnte. Und bis die Politik ein Gesetz verabschiedet hat, daß ein Forenscreening gestattet oder organisiert ist die Karawane längst weitergezogen zu Jabber, Twitter und der übernächsten Technik.
@PM, #104: Betroffen bedeutet numal, daß jemand von einem Ereignis betroffen ist, ein Heimgesuchter, ein Opfer. Insofern kann natürlich ein Politiker Betroffen sein: Er kann erschossen werden, oder seine Angehörigen können erschossen werden. Das nennt man betroffen.
Wenn jemand anreist, um mit den Betroffenen auf’s gleiche Bild zu kommen, oder sagen wir, um denen beizustehen, Trost zu spenden, Hilfe zu versprechen, oder in ihrem Namen Rache zu fordern, so ist das – so sehr sich dieser aufplustert – nicht Betroffenheit. Vielleicht ist es Mitleid. Bestenfalls.
Aber es wird gerne behauptet „Ich bin betroffen!“ und gemeint ist „schockiert“. Von einem Hochwasser betroffen sind die, denen der Keller vollläuft. Das ist einfach. Einem Anverwandten eines Getöteten würde ich zugestehen Betroffen zu sein, weil ihm ein Schaden zugefügt wurde.
Aber beliebig weit ausdehnen sollte man den Kreis der legitim mitbetroffenen nicht – nicht auf die ‚ich fühl mich so betroffen’en.
Wahrscheinlich hat den Politprofis mal jemand gesteckt, daß man gegen Betroffene keine Chance hat, daß Betroffene immer Recht haben. Da möchte der Politiker natürlich dabei sein, und gibt sich als Betroffenen aus.
Hier fehlen Journalisten die nachhaken „Was, Herr Minister! Sie sind auch betroffenen? Wen aus Ihrer Familie, wenn ich es so salopp formulieren darf, hat es denn erwischt?“ „Doch, doch – Sie sagten doch, sie seien selbst betroffen. Zieren Sie Sich nicht! Nennen Sie Details? Die Tochter? Der Sohn? Das Bein? Ein Steckschuß?“
@motzgurke:
Bisschen einfach. Wenn Menschen unter Schock stehen, geht ihnen das Bewußtsein über ihre Rechte schonmal verloren. Vielleicht wurde die Mutter von ihrer Tochter ja gebeten, nochmal zur Schule zu gehen, um zu checken, ob es XYZ gut geht — wir wissen es nicht. Und deshalb sollten wir uns da beim Verurteilen vielleicht auch zurückhalten.
Ich weiß, daß der Medienrummel in Erfurt einen Lehrer fast in den Selbstmord getrieben hätte. Natürlich hätte er die lärmenden Meute vor seinem Haus einfach ignorieren können. Wahrscheinlich hätte er sogar die Polizei rufen können. Hat er aber nicht, und das wurde ihm nach anfänglicher Bewunderung für sein beherztes Eingreifen schnell als Profilierungssucht ausgelegt, vor allem, da in den Medien der Eindruck entstand, er habe einen ganzen Tag lang nichts anderes getan, als ein Interview nach dem anderen zu geben.
Natürlich kann man etwas tun, auch wenn es nur in der wagen Hoffnung geschieht, vielleicht eine einzige derartige Tat zu verhindern.
Und dies kann nur in einer radikalen Neuausrichtung dessen geschehen, was wir Schule nennen.
Auch ich teile wie so viele die Erfahrungen permanenter Demütigung seitens der Lehrer- wie Schülerschaft, gepaart mit pubertärer Orientierungslosigkeit und Konflikten im Elternhaus, die einem jungen Menschen an den Rand der Verzweifelung treiben können.
Welche Reaktionen die Kinder im Druckkessel dann zeigen, kann keiner wirklich voraussagen. Es ist immer auch die Frage des Zufalls, der populären Vorbilder von Bob Marley bis Max Payne und anderer, unzähliger Faktoren.
Aber man kann den Druck im Kessel verringern, anstatt permanent den Zwang zur Nivellierung und Konformität zu erhöhen, die Kinder schon viel zu früh einem vermeintlichen Wettbewerb auszusetzen und so jegliches soziales Miteinander zu konterkarieren.
Und wenn sich die Schulen heute darüber beschweren, dass sie die Fehler der Elternhäuser nicht ausbügeln können, dann sollte ihnen aber auch bewusst sein, dass die Eltern von heute die Schüler von gestern waren.
Jedoch wird auch diesmal wieder alles beim Alten bleiben, das Thema wird sich in den üblichen Phrasen verlieren, die Politik hat kein Interesse an wirklichen Veränderungen, denn erstens würde das ihre Postenverteilung einschränken und den Einfluss mindern und schlussendlich könnte eine besser gebildete Gesellschaft ja ihr ganzes System hinterfragen.
Spätestens nach der nächsten „Pisa-Studie wird wieder die Wettbewerbsfähigkeit der Kinder im Vordergrund stehen. Denn kritisch zu urteilen und selbstbewusst Widerspruch zu leisten haben die meisten Erwachsenen ja nie gelernt!
@karnival
Und weil die Schulen „permanent den Zwang zur Nivellierung und Konformität erhöhen“ (Tun sie das?), die Kinder „schon viel zu früh einem vermeintlichen Wettbewerb aussetzen (Tun sie das? Und wiese „vermeintlicher“ Wettbewerb?) – deshalb läuft auch jeden Tag irgendwo in Deutschland irgendein Schüler Amok.
Ob es gefällt oder nicht: Ab einem gewissen Alter steht in der Schule die Wettbewerbsfähigkeit im Vordergrund. Das ist kein unmenschlicher Druck, das ist ganz normal, damit müssen heranwachsende Menschen klarzukommen lernen. Wann sollen sie es sonst lernen: Im Studium, im Aussbildungsbetrieb oder vor den Türen der Arbeitsagenturen?
Übrigens: An Schulen gibt es soziales Miteinander, genauso wie es Außenseiter gibt – und immer schon gegeben hat. Das Grüppchenbilden und Ausgrenzen ist Teil des sozialen Miteinanders Heranwachsener. Schuld am Amoklauf ist der Amokläufer und dessen offenkundig in absurdem Maße verantwortungslose Eltern – niemand sonst, keine „Gesellschaft“, keine „Schule“, und auch nicht der Neoliberalismus.
@Stefan W., #116
„Betroffensein“ hat mehrere Konnotationen. Die semantische Engführung dieses Begriffs ausschließlich an seine, ich will mal sagen: „wörtliche“ Bedeutung, beantwortet meine Frage nicht. Meine Frage zielte darauf, dass Politikern offenbar nur aufgrund der Tatsache, dass sie Politiker (und nicht zuerst einmal auch Menschen) sind, jedwede Fähigkeit zu einer aufrichtigen, „ehrlichen“ Anteilnahme (ohne Hintergedanken) abgesprochen wird.
@107 Dierk
Das hat mit Zynismus nichts zu tun. Mir ist nur reflexartige „Betroffenheit“ ein Gräuel. Erklär’s mir: Warum sollte ich angesichts dieses Blutbads betroffen sein? Betroffener als bei all den anderen Todesfällen irgendwo auf der Welt, von denen ich jeden Tag erfahre?
Bist du selbst auch „dauerbetroffen“? Oder ist deine Betroffenheit selektiv? Je näher, je jünger, je hübscher die Opfer, desto betroffener? Je mehr Raum ein Ereignis in den Medien eingeräumt bekommt, desto betroffener. Diese selektive Betroffenheit nenne ICH zynisch.
Wenn du es hingegen schaffts, angesichts des Leids der Welt jederzeit bedingungslos betroffen zu sein, dann will ich nichts gesagt haben. Kennen möchte ich so jemanden dann aber auch nicht.
Er wird dieses Jahr 23 Jahre alt. Vor 2 Jahren verlor er seinen besten Freund durch einen Autounfall. Ein Jahr später seine Schwester durch Krankheit. Seit einem Jahr lebte er mit seiner großen Liebe zusammen und begann über alles hinwegzukommen. Sie war Lehrerin an der Schule in Winnenden und starb im Kugelhagel des Verrückten. Wie stark muss ein Mensch sein, der das alles verkraften soll?
Was zählen für ihn die Analysen, die jetzt für ein sensationsgieriges Publikum erstellt werden? Sich in seine Lage zu versetzen ist unmöglich. Aber unter dem Eindruck seiner Geschichte über alles noch einmal nachzudenken, das sollte möglich sein.
> … dass Politikern … jedwede Fähigkeit zu einer aufrichtigen, „ehrlichen” Anteilnahme (ohne Hintergedanken) abgesprochen wird.
Geht es um die Fähigkeit zur Anteilnahme, um die akute Anteilnahme, oder um eine Anteilnahme, von der der Anteilnehmende überwältigt wird?
Die Fähigkeit zur Anteilnahme fehlt m.W. Autisten, und sonst sehr wenig Menschen, also sind Politiker sicher zur Anteilnahme fähig.
Ihre Rolle erzwingt aber Anteilnahme – ob nun ehrlich oder geheuchelt ist egal. Wer keine Anteilnahme empfindet könnte sich einfach zurückhalten – und es drängeln sich ja auch nicht die Politikermassen nach vorne.
Jedenfalls instrumentalisiert der Politiker, der sich ins Lampenlicht drängelt, sein – möglicherweise aufrichtiges – Mitgefühl. Ich sehe nur nicht die Relevanz des teilnehmenden Politikers.
[…] Nils Minkmar auf Stefan-Niggemeier.de. Wie laut muss man als Jugendlicher eigentlich sein, um gehört zu werden? Noch lauter als eine Beretta? […]
[…] Nils Minkmar bloggt als Gast bei Stefan Niggemeier: “[…]In Wahrheit geht das nicht. Man kann nicht jedem seltsamen Teenager mit dem Amokpräventionskatalog begegnen. Man kann nicht jeden Ballerspieler und Soziopathen unter Beobachtung halten.[…]“. http://www.stefan-niggemeier.de/blog/tag-der-trauer/ […]
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