Amok twittern

„Focus Online“ hatte heute vormittag die Idee, seine Kurzmitteilungen auf Twitter zum Amoklauf unter einer Adresse zusammenzufassen, und legte dazu einen Benutzer namens „Amoklauf“ an. Da war aber was los im Twitterland. Der „Netzeitungs“-Twitterer erregte sich als erstes:

Wie pervers ist das denn? Focus Online twittert unter @amoklauf! Die schrecken ja vor nichts mehr zurück

Und legte später an den Focus-Online-Chefredakteur adressiert nach:

Schämt Euch!!!

Viele anderer Twitterer fanden das auch „pervers“ und machten das, was bei Twitter das Gegenstück zum zustimmenden Nicken ist: Sie wiederholten den Tweet der Netzeitung alle als Retweet. Vielleicht war die kleine Welle, die dadurch entstand groß genug — jedenfalls wurde der „Amoklauf“-Account wieder gelöscht.

Nun ist mir persönlich nicht ganz klar, was daran „pervers“ und ein Grund zum Schämen ist, einen eigenen Benutzernamen für die gesammelten Kurzmitteilungen zum Thema anzulegen. Es wirkt vielleicht etwas verzweifelt aufmerksamkeitsheischend, und in einem jungen Medium, dessen Benutzer einen nicht unerheblichen Teil ihrer Aufmerksamkeit darauf verwenden, zu diskutieren, ob hinter den angeblichen Accounts von Stefan Raab oder dem Dalai Lama die echten Menschen verbergen, mag so ein Name für eine Sekunde der Verstörung führen: Twittert da der echte Amokläufer? Oder gibt sich gar jemand anders als er aus und kokettiert mit der Tat? Aber beides war ja offenkundig nicht der Fall.

Ist es eigentlich auch pervers, dass Zeit.de sofort Anzeigen bei Google geschaltet hat, die eingeblendet werden, wenn man nach „Amoklauf“ oder „Winnenden“ sucht? Wäre es pervers, wenn sich ein Online-Medium die Adresse amoklauf.de gesichert und von dort aus in sein entsprechendes Ressort umgeleitet hätte? Und wie fiele das Urteil bei irakkrieg.de, weltwirtschaftskrise.de, kindsentfuehrung.de aus?

Am Inhalt der Kurzmitteilungen von „Focus Online“ scheint sich dagegen kein größerer Protest entzündet zu haben. Sie werden jetzt unter dem Benutzernamen FOCUSlive veröffentlicht, und sie lesen sich so:

FOCUS Online hat zwei Reporter nach Winnenden entsandt

FOCUS Online Team fliegt Heber A8.Polizeiwagen blockiert Auffahrt Richtung Muenchen Nähe Dorn

Nahe dornstadt

Offenbr verwirrende Lage in #Winnenden. FOCUS-Reporter fast am Ziel, um sich selbst ein Bild zu machen.

Hubschrauber kreist über Kreuz Wendlingen auf der A8

Großaufgebot der Polizei vor #Winnenden. FOCUS-Reporter passieren erste Straßenkontrolle

Bilanz des Irrsinns: Neun Schüler, drei Lehrerinnen, drei Passanten. Tot. Und der Täter. Tot. #winnenden

Mehrere Einsatzwagen schießen an FOCUS-Online-Reportern vorbei. #Amokläufer in #Wendlingen getötet. Drehen ab nach Wendlingen!

FOCUS-Online-Reporter unterwegs vom Tatort in #Wendlingen zum Tatort in nach #Winnenden. Erster Text entsteht im Auto.

Zum Anfang hatte FOCUSlive gefragt:

Ist es verwerflich über Amokläufe zu twittern? #amoklauf #winnenden #moral 2.0

Und falls das nicht ohnehin eine rhetorische Frage war, möchte ich antworten: So? Ja.

Man muss es nicht gleich „pervers“ nennen, aber es ist in jeder Hinsicht unangemessen. Es geht um Pietät, Prioritäten und Perspektive. Ich finde es falsch, angesichts des Unglücks so vieler Menschen über die eigene Anreise zu schreiben. Ich finde es falsch, in der Hektik dieser Berichterstattung noch über die Hektik dieser Berichterstattung zu berichten, auch wenn es nur zehn Sekunden dauert. Und ich finde es falsch, die Aufmerksamkeit vom Gegenstand der Berichterstattung auf den Berichterstatter zu lenken.

Guten Tag, liebe Leser, hier ist wieder Ihr Focus-Online-Live-Team. Wir haben eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie. Die schlechte: Es gibt zwei weitere Todesopfer. Die gute: Unsere Reporter sind auf dem Weg zum Tatort, der Verkehr läuft flüssig, und die Frisur sitzt.

Ich weiß schon, was jetzt das Gegenargument ist: „Focus Online“ berichtet das doch gar nicht auf seiner Nachrichtenseite, sondern nur auf Twitter. Und die Existenz von Twitter ist natürlich auch der Grund dafür, warum die Leute von „Focus Online“ diese Nichtigkeiten veröffentlichen: Weil sie es können. Weil es jetzt ein Medium dafür gibt.

Auf die Gefahr hin, mich anzuhören wie mein eigener Großvater: Ich möchte das nicht. Ich möchte nicht, dass die Reporter auf dem Weg zum Ort des Dramas denken, dies sei ein guter Zeitpunkt, schnell noch ihre persönlichen Befindlichkeiten zu veröffentlichen. Dieser Gebrauch von Twitter mischt für mich auf das Unangenehmste die Beiläufigkeit dieses Mediums mit der Bedeutung des Ereignisses.

Angesichts der Kurzatmigkeit, die solche Breaking News ohnehin schon bei den Medien auslösen, sind Journalisten, die ihre ADS auch noch auf Twitter ausleben und in den drei Sekunden, in denen keine neue Statusmeldung hereinkommt, gleich selbst eine herausschicken müssen, ungefähr das letzte, das wir brauchen.

Nachtrag, 18.50 Uhr. Breaking News:

(„@jochenjochen“ ist Focus-Online-Chefredakteur Jochen Wegner)

Nachtrag, 20.25 Uhr. Jochen Wegner antwortet in den Kommentaren:

FOCUS Online publiziert seit langem seine Nachrichten-Feeds bei Twitter. Obwohl auch viele unserer Redakteure twittern, haben wir mit dem Einsatz als Kommunikationsmittel der Redaktion lange gezögert – eben weil wir es nicht angemessen fanden, wie manche Kollegen das aktuelle Kantinenessen zu vermelden oder den Gemütszustand des CvD.

Heute haben wir uns entschlossen, neben den bestehenden einen neuen Account zu starten, um den Fortgang der Ereignisse dokumentieren zu können – und auch Details unserer Arbeit vor Ort. (Wir haben uns für @FOCUSlive entschieden, mehrere andere Accounts wurden eingerichtet und wieder gelöscht – darunter @amoklauf.)

Die in meinen Augen sehr harsche Kritik ist angekommen und wir werden in der Redaktion darüber diskutieren – Journalisten, die sich selbst und ihre Arbeit zum Gegenstand der Berichterstattung machen, wandeln auf einem schmalen Grat. Wir werden einen Weg finden, Twitter und andere soziale Netzwerke so zu nutzen, dass sie beidem gerecht werden – den Netzwerken selbst und den journalistischen Standards. Ironischerweise wurden wir bisher ebenso harsch dafür kritisiert, dass wir über Twitter nicht kommuniziert, sondern lediglich Links auf unsere Beiträge publiziert haben.

(Der oben zitierte Beitrag zur „Zahnbürste“ fiel definitiv in die Kategorie „Kantinenessen“, wir haben ihn gelöscht.)

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224 Replies to “Amok twittern”

  1. In der Tat.

    Und es ist auch nicht nur eine Frage von Pietät, Prioritäten und Perspektive, sondern auch von Qualität und Anspruch. *Sowas* ist weder in Form noch in Inhalt die Art von Berichterstattung, die ich von einer Publikation erwarte, die für sich in Anspruch nimmt, zu den führenden ihrer Gattung hierzulande zu gehören.

  2. Ist der Beitrag hier jetzt von Herrn Minkmar oder von Herrn Niggemeier? Fast egal, aber interessiert mich persönlich.
    Ich finde die Tweets, so wie sie hier zitiert sind, total uninteressant und überflüssig, und ich finde sie auch unangemessen.
    Aber ist es deshalb auch gleich pervers und/oder verwerflich? Meinetwegen nicht. Also mir gefällt es nicht, aber es stand auch nichts drin, worüber ich mich aufregen könnte.

  3. @Muriel: Die Beiträge von Herrn Minkmar können Sie entweder an der Farbe der Überschrift erkennen oder (bei Rot-Grün-Schwäche) daran, dass sein Name darüber steht.

  4. Volle Zustimmung!
    Aber ich gebe zu, Ich finde Twitter sowieso überflüssig… noch schneller, noch kürzer, noch platter. Ich brauche sowas nicht.

    Als ich heute Mittag zum ersten Mal heute die Nachrichten im Netz checkte und von dem Amoklauf erfuhr, war meine erste Reaktion natürlich Erschrecken, Entsetzen und Mitleid mit den Opfern. Der zweite Gedanke, der mir kam war aber gleich: So’n Mist, jetzt hört man wieder den ganzen Tag nichts anderes mehr.

    Mich nerven diese breaking News irrsinnig. Jeder Fliegenschiss auf einer Scheibe der Schule wird zu Nachrichten gemacht. Ich möchte nach so einem Ereignis nur die wichtigen gesicherten Fakten. Mehr nicht. Genaueres und Tiefergehenderes kommt eh erst später raus. Da warte ich lieber ein paar Tage und lese dann einen fundierten Bericht, als dass ich mir all diese Non-News anhören und durchlesen muss.

    Und wenn ich mir dann vorstelle, wie diese Reporter wie die Schmeißfliegen einfallen und jetzt noch mehr Müll als sonst als Nachrichten verbreiten, sich selbst via Twitter gar zur Nachricht machen, weil es ja vor allem darum geht, wie nah sie an dem Ereignis dran sind, dann kriege ich nur noch das Würgen. Jedenfalls entlarven sie sich damit selbst.

  5. Fand es, wie soll man das ausdrücken, obskur, dass der per Telefon zugeschaltete ARD Außenreporter kurz nach bekanntwerden der Tat auf jede Frage nichts sagen konnte, weil er noch gar nicht da war. Trotzdem wurde er minutenlang nach Neuigkeiten ausgefragt und musste jedesmal sagen „Weiß ich noch nicht / Ist rein spekulativ / Keine Ahnung“.

    Völlig inakzeptabel. (also nicht, dass der noch nicht vor Ort war…)

  6. Dreht es sich bei Twitter nicht zu einem großen Teil um Befindlichkeiten? Die ganze letzte Woche war doch voll von „sitze im ICE zur CeBIT“, „bin im Regen in Hannover“, „suche ein Lokal für den Abend nach der CeBIT“, „habe XY im Pressezentrum auf der CeBIT getroffen“ — geht es nicht genau um die Befindlichkeiten *neben* den Nachrichten? Solange die Journalisten ihren offiziellen Job von persönlichem Krams freihalten, und solange sie nicht sagen, dass sie ihrer Agenturarbeit jetzt ausschließlich per Twitter als einzigem Kanal nachgehen, kann doch der Wert ihrer Befindlichkeit nicht davon abhängen, worüber sie gerade im Job berichten?! Gerade als verantwortungsvoller Journalist muss man sich dessen doch bewusst sein, dass gerade im Moment soundso viele tausend Kinder an AIDS sterben, soundso viele in den dutzenden gerade laufenden Kriegen, etc., und trotzdem berichtet man über IT, Autos, Sport, Musik.

    Soll jetzt jeder, der über Harmloses berichtet, im Twitter über jeden Pfurz labern können, aber diejenigen, die an den moralisch komplizierteren Themen arbeiten, auf einmal nicht mehr?

    Mangelnde Pietät, von mir aus, ja, falsche Perspektiven, ja, aber damit verstoßen die Focusler doch gegen eine Ethik, die für dieses Medium nicht aufgestellt ist und gar nicht aufgestellt werden kann. Die eigenen Erwartungen diesem Medium aufzustülpen, kann doch nur schiefgehen. Jeden Quatsch von sich geben zu können, heißt im Gegenzug halt auch, allen möglichen Quatsch mitzubekommen. Unabhängig davon, wie viele Menschen gerade in welcher Entfernung sterben.

  7. Es ist höchste Zeit, alle Redaktionen, die solch unjournalistische Schwachsinnseinfälle ausleben, zu schließen. Vielleicht tun sich dann ja sogar Möglichkeiten für neue Redaktionen auf, die in Deutschland meines Erachtens dringend gebraucht werden.

  8. komische art, google-karma zu sammeln.

    bei focus fällt mir ein, ich müsste mal wieder zum zahnarzt.

    .~.

  9. „Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“
    (Hanns Joachim Friedrichs)

    Einen guten Journalisten erkennt man auch daran, dass er sich nicht in den Vordergrund schiebt und selbst inszeniert wie ein Herr M. (Video-Clown beim Spiegel), ein Herr S. bei der FAZ, ein Herr D. von Bild und ein paar Dutzend andere Alpha-Tiere dieser Branche, die mich mehr und mehr ankotzt wegen ihrer Selbstdarstellungssucht und ihrer Lässigkeit bei Umgang mit Fakten und journalistischer Qualität.

    Wer als Journalist twittert, hat offensichtlich ein Ego-Problem und ganz sicher seinen Beruf verfehlt.

  10. So zu twittern ist doch nur folgerichtig. Nur Menschen, die sich für so wichtig halten, dass sie der Welt miteilen müssen, was sie grade tun und denken, twittern. Und im Zweifelsfall ist alles von Belang. Die Betonung liegt auf „Menschen“, denn was und wie Focus getwittert hat, hat die Twittergemeinde ja nicht irritiert. Den Fehler den sie machten war, dass sie eine Person (@Focusreporter) durch ein Ereignis (@amoklauf) ersetzt haben. Und das kann, wenn man in der personenbezogenen Twitterwelt lebt, in der Menschen ihr Leben dokumentieren, durchaus verstören. Ein Verstoß gegen die Abmachung quasi.;-)

  11. Na gut, dann warten wir halt ein paar Tage und lesen dann fundierte Berichte darüber, dass der Täter gerne Rammstein, Slipknot und Marilyn Manson gehört und Counter-Strike gespielt hat.

  12. Es geht um die Selbstinszinierung die angesichts der Ereignisse lächerlich wirkt. Und die Tatsache dass Datenmüll auf Twitter inflationär geworden ist, entpflichtet die Redakteure nicht von bestimmten Regeln. Die schreiben ja nicht ihren Kumpels, sondern sind immer noch in ihrer Rolle als Informationsdienstleister.

    Wobei die Focus-Reporter wohl eher das Gefühl vermitteln: Ihr seid live dabei, ihr kriegt die News in Echtzeit.

  13. Nach Twitter-Amoklauf: <a href=http://www.focus.de/digital/internet/winnenden-amoklauf-zeugnisse-aus-dem-netz_aid_379349.htmlFOCUS richtet sich selbst. Angeblich schrieben die Journalisten über Jahre am Computer. Online-Medien: Gefahr für die Medienlandschaft? Wer stirbt als nächstes?

  14. Die eigene Perspektive bei einer Reportage mit einzubringen, halte ich in einem solchen Fall auch für den falschen Schwerpunkt, aber noch einigermaßen verzeihlich.
    Ziemlich unerträglich finde ich, mit dem Keyword „Amoklauf“ Google-Anzeigen zu schalten (macht faz.net gerade auch wieder).

  15. Twitter ist doch sowieso nur ein Zeitvertreib für Menschen, die zu wenig zu tun haben und glauben, der Kosmos würde sich um ihre Befindlichkeiten drehen. Wer braucht das?! Das wäre, als würde ich ständig SMS verschicken mit Inhalten wie „Habe gerade Brot gekauft“, „Weiß nicht, ob ich die Überschrift fett markieren soll“ oder „Juhu, ein Vögelchen“… Twitter als Phänomen ist mir – als sonst internetaffinem Menschen – völlig unverständlich.

  16. Wenn ich die Wahl habe zwischen den Verkehrsmeldungen der Focus-Reporter und dem n-tv-Heini, der als erstes erklärte, der Nachbar des Amokläufers habe ihm erzählt, dass der Täter gerne „Ballerspiele“ spiele, dann nehme ich ohne zu zögern ersteres. Möglicherweise auch keines von Beidem, aber das ist ja mir überlassen.

    Natürlich eiern die Reporter mit ihren Nebenschauplätzen bei twitter hart an der Grenze herum, aber es ist ihr gutes Recht, sich im Zweifelsfalle selbst bloßzustellen. Wenn das Twittern sie vom Interviewen Betroffener abhalten würde, wäre das sogar ein Gewinn für alle beteiligten.

    Der Kulturkampf pro und contra twitter macht mir jedenfalls Angst. twitter ist das erklärte Medium der Irrelevanz (im positiven Sinne) und der Umstand, dass es genutzt wird, macht es für die Nutzer relevant. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

  17. @Lukas:

    twitter ist das erklärte Medium der Irrelevanz (im positiven Sinne) und der Umstand, dass es genutzt wird, macht es für die Nutzer relevant.

    Ähm…

    Hä?

  18. @9 / Lutz

    „Ich möchte nach so einem Ereignis nur die wichtigen gesicherten Fakten. Mehr nicht.“

    Ist ja schön für dich. Schon mal darüber nachgedacht, dass es noch mehr Menschen auf der Welt gibt? Z.B. Angehörige der 1.000 Schüler. Und da die nicht alle gleichzeitig vorm Fernseher / Radio sitzen, ist es auch gerechtfertigt nicht nur einmal am Tag darüber zu berichten.

  19. @corny: Ist ja richtig, nur: Ist denen damit geholfen, alle paar Minuten eine neue Nachricht zu bekommen, die sich eine halbe Stunde später als falsch herausstellt?

  20. Ganz übersehen. Und oben gleich noch ne 32-teilige Bilderklickstrecke. Ich muß grad mal umfallen gehen.

  21. besonders widerlich finde ich den google keyword einkauf bei der zeit.. das zeigt, wie schlecht dort die klickzahlen sein müssen

  22. Wie bescheuert aufmerksamsgeil muß ein mensch sein, der wie Peter Turi heute gegen Mittag folgendes twittert:

    turi2: Peter Turi beantragt eine einstweilige Erschießung gegen jeden Medienmacher, der dieses Meedia.de-Interview nicht liest:

  23. #Irrenhaus

    Erinnert mich daran, dass Twitter auch vor kurzem in der Daily Show besprochen wurde, anlässlich einer Rede von Obama, bei der einige der anwesenden Politiker das Twittern nicht sein lassen konnten. Wer das nicht mitbekommen hat sollte jetzt nicht denken, dass etwa frühzeitige inhaltliche Kommentare dabei herausgekommen sind – nix. Twitter ist doch einfach nur ein weiteres Zeichen für den Untergang des Abendlandes. Und das mein ich nur halbironisch.

  24. Ich halte persönlich Twitter nach wie vor für nützlich und kann bestimmte geäußerte Meinungen nur teilweise bestätigen. Twitter leistet einen Beitrag zum Gesamtbild eines Vorfalls (Bsp. Hudson-Landung oder Anschläge in Bombay) .
    Das nun „klassische“ Medien auf Zwang versuchen als jeweils als erstes Profit aus dem jungen Medium „Twitter“ zu schlagen ist eine vorhersehbare Reaktion (natürlich stellt sich Focus in seiner Sensationsgeilheit reichlich „bescheuert“ in der Wahl der News als auch der Wahl des Channelnamens „Amoklauf“ an).
    Im Vergleich zu den ersten Fotos aus Bombay die über Twitter kommuniziert wurden und eine entsetzliche Nähe zu dem Leid in Bombay verdeutlichen (so habe ich es aufgefasst), zeigt sich hier die Armut und Verzweiflung vom Focus-Reporter unbedingt auf den Twitter-Trend als erstes aufspringen zu müssen.

  25. Weil Lukas oben etwas von einem Kulturkampf um Twitter schrieb: Für mich geht es nicht darum, ob Medien twittern, sondern was und wie sie twittern.

    Ähnlich wie Blogs kann Twitter eine Möglichkeit sein, einen formloseren Zugang zu den etablierten Medien und ihren Inhalten zu ermöglichen. Wenn es gut geht, wachsen so z.B. Sympathie, Nähe, Interesse. Wenn es schlecht geht… sagen wir so: Seit ich die Tweets der „Focus Online“-Reporter gelesen habe, ist mein Interesse an ihren Berichten weit in den negativen Bereich gerutscht (um das Wort „Arschlöcher“ einfach mal zu vermeiden).

  26. @Lukas:
    Twitter (und andere, weitgehend kongruente Microblogging-Dienste), das erklärte Medium der Irrelevanz – ja, das stimmt schon (irgendwie). Aber:

    Erstens muss das anscheinend einer Vielzahl seiner Nutzer und Interessenten wohl erst noch so erklärt werden, denn bei denen hält sich scheinbar das genau gegenteilige Verständnis des ganzen.

    Zweitens – ist „Irrelevanz“ vereinbar mit der Verbreitung von
    Nachrichten und Journalismus, ist das wünschenswert, erstrebenswert? Sollte das wirklich dermassen willkürlich vermischt werden? Ist es ein Qualitätsmerkmal, wenn Informationsbedarf und -bedürfnis in Wechselwirkung mit egomanischer Nabelschau seitens des Informierenden treten?

  27. @ 29 corny:

    Es ist nun einmal so, dass es unmittelbar nach einem solchen Ereignis nur einige gesicherte Fakten gibt. Und dass, was da gleich wieder aufgefahren wird, ist dem wenigen gesicherten Wissen einfach nicht angemessen.

    Ich will keine selbst- oder fremdernannten „Experten“ hören, die letztendlich nichts dazu sagen können, was hier los war, weil sie noch nicht genügend Infos haben und stattdessen über frühere Ereignisse schwadronieren.
    Ich will auch keine Vor-Ort Reporter, zu denen alle 10 Minuten geschaltet wird, damit sie sgen können, dass sich die Lage langsam entspannt aber kaum neue gesicherte Erkenntnisse vorliegen.
    Und ich will erst recht keine Best-Of Auflistung der Amokläufe aus den letzten Jahren, die aus Ermangelung an Fakten über den hier vorliegenden Fall zusammengeklaubt wird.

    Wenn man sich diese Sondersendungen und Schaltungen und Nachrichtensendungen mal anschaut, ist doch das, was am Ende dabei rauskommt, extrem dünn. Das ist doch nur noch reine Heuchelei und kommt total fake rüber.

    Natürlich weiß ich, dass es noch andere Menschen gibt und sich die Medien nicht allein nach meinen Wünschen richten können. Trotzdem ist das, was bei solchen sachen abläuft, die reine veräppelung

  28. Lieber Stefan Niggemeier,

    wir beschweren uns immer, wenn sich die (klassischen?) Medien den neuen Medien verschließen; wir beschweren uns, wenn sie nicht über ihre Arbeit berichten. Und vor allem – Sie tun alldies, Sie schreiben für die FAZ und bloggen; Sie schreiben für die FAZ und sind den neuen Medien gegenüber offen.

    Und jetzt kritisieren Sie das, was die Web-Community und (womöglich über Umwege) auch Sie den klassischen Medien vorwerfen.

    Doppelmoral Herr Niggemeier?

    Sicherlich mag die Arbeit von FOCUS ONLINE zum Teil pietätlos daher kommen. Zustimmung. Aber ich finde es trotzdem richtig, dass die Redaktionen über ihre Berichterstattung bloggen oder twittern. Und ich möchte das auch in Zukunft.

    Und ich möchte nicht, dass die Web-Community gestern die Medien noch drängten, heute sich beschwert und morgen die Medien wieder kritisiert, weil sie nichts macht.

    Insofern ist Ihr Blogeintrag, Herr Niggemeier, ein berechtigter, wenn auch schädlicher Eintrag.

    Es grüßt herzlich,
    Frederic Schneider

  29. …apropos pervers: Die ARD überträgt gerade ungerührt einen Biathlon Weltcup der Damen LIVE.

  30. Aus meiner, vielleicht ZU konservativen Sicht, ist „TWITTERN“ das genaue Gegenteil von Journalismus – oder von dem, was Journalismus sein sollte: Journalismus sollte das Sammeln von Informationen sein, das Aufbereiten der gesammelten Informationen und im Idealfall das Schaffen eines Mehrwerts durch das Verknüpfen von Informationen. „TWITTERN“ ist das Gegenteil: Jedes Häppchen wird nicht verarbeitet, sondern nur noch ausgeworfen, und das Ergebnis ist dann eben auch nur Auswurf.

    Man mag ja für neue Medien offen sein, aber man muss auch nicht jeden Weg gehen, den es gibt, vor allem nicht, wenn er geradewegs vom Ziel wegführt. Es fehlt unserer Gesellschaft nicht an Informationen – es fehlt an einem Informationsfilter. Und anstatt sich als ein solcher zu positionieren, beteiligen sich Journalisten an Desinformation durch Überinformation.

  31. @44 Ja, das Interview ist nett grad…es wurde „in gutem Rhythmus durchgeschossen“…“Eine innere Ruhe, die sich im Schießen auch ausgewirkt hat“…

  32. Ich dachte das Thema wäre nach Gladbeck durch aber nein, neues Medium neue Idiotie.

    Ich kann die Diskussion, welche Computerspiele schuld sind, gar nicht erwarten. Die 16 Schusswaffen im Elternhaus sind bestimmt aus dem Monitor gefallen.

    P.S.: ich hoffe die Interpunktion erfüllt die Sorgfaltspflicht…

  33. @Sebastian: Mir ist doch die Interpunktion egal. Ich hatte drüben nur dafür plädieren wollen, selbst auch ein bisschen gelassener zu sein, was die Interpunktion des (Gast)bloggers angeht.

  34. @ Stefan – 39
    Twittern ist der Versuch von Journalisten mit gering entwickelten Selbstbewusstsein, scheinbar direkt Kontakt mit „Followern“ aufzunehmen, um sich liebedienerisch an sie heranzuschmeißen, Liebe und Zuwendung einzufordern (weil die Follower als Gegenleistung ja als erste „informiert“ werden) oder Reaktionen einzufangen, die über Leserbriefe und Kommentare sonst nur langsam hereinkommen.

    Ich arbeite aber nicht für Follower sondern für meine Auftraggeber und mich, aus Neugier, aus Leidenschaft, für meinen Lebensunterhalt. Zuwendung hole ich mir jedoch woanders. Manche brauchen dazu Twitter und Blogs – arm. Doch die „Freunde“ draußen sind selten welche, die meisten werden wir nie kennenlernen. Und wollen wir das wirklich? Diskutieren Sie mit jedem, den Sie zufällig auf der Straße treffen? Muss ich jedes Thema diskutieren, das mich ankotzt, das ich aber nicht ändern kann. Vielleicht ist es auch eine Frage des Alters.

    Wie sehr beschäftigen wir uns stattdessen mit unseren Kindern, meinetwegen mit den Katzen, mit unseren Hobbys, hören Musik, sind in der Natur? Pseudo-Communities, wie sie Twitterer, Mit-Blogger und Blog-Kommentarschreiber generieren, helfen uns nicht weiter, wenn wir durchhängen, einen Fehler gemacht haben, schlecht recherchiert oder unsere Partner und Kinder vernachlässigt haben und schlichtweg Liebe und Zuwendung brauchen. Sie stärken vielleicht ein kleines Ego, sind auch mal intellektuelle Diskussionen mit Unterhaltungs- und Spielwert und Zeitvertreib. Aber sie bringen uns nicht wirklich weiter. Denn unsere Denkarbeit leisten wir mehr oder weniger allein am Computer. Und da müssen wir uns schon auf unsere Kompetenz und unser Können verlassen. Das ist unser Job. Aber nicht das Entertainment von Followern und das Verbreiten von Gerüchten, Infoschnipseln und Befindlichkeiten. Oder der Frage: War ich gut? Ich muss in einem gewissen Alter schon selber wissen, was ich kann…

    Wer sich Zeit nimmt, sich mit seinem realen sozialen Umfeld zu beschäftigen und auseinanderzusetzen, braucht Twitter und Blogs nicht. Denn sie sind meist Zeitverschwendung, l’art pour l’art oder schlichte Sinnsuche. Ich schließe mich da herzlichst als viel zu häufiger Non-Follower meiner Thesen und Ansprüche ein.

  35. Das ist doch ganz einfach: unfollow!
    Das ist wie mit den vielen Zeitungen am Verkaufsstand, da kauf ich doch auch nicht jede. Und beim Fernsehen schau ich auch nicht jeden Kanal.
    Das ist der Vorteil der Demokratie und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen: ich kann auch etwas nicht tun müssen.

    Stefan

  36. Etwas eigenartig, dass hier sofort wieder eine Twitter-pro/contra-Debatte entbrennt. Als wäre das nicht ein Blog und die selbe Art von Diskussion anhand von Blogs schon unsinnig genug gewesen.

    Es geht doch gar nicht um das ob, allein um das wie. Natürlich kann man mit jedem Medium pietät- und anspruchsvoll umgehen. Und gerade als journalistisches Medium sind die Ansprüche, den man zu genügen hat, eben andere als die Erwartungen an eine Privatperson. Aber das ist doch gerade der Punkt: Vom Focus kann man, aller ohnehin niedrigen Erwartungen zum Trotz, dennoch erwarten, dass sie das Medium Twitter überlegt und angemessen einzusetzen versuchen, was immer das dann bedeutet. Auf den Versuch, die Zielsetzung kommt es an.

    Und natürlich ist ein Kurzformat wie Twitter nicht geeignet, komplexe Umstände darzustellen. Aber es geht ja nicht um 140 Zeichen, sondern um das Gesamtbild, das in allen Tweets und den angeschlossenen Onlinemedien entsteht. Es soll ja Menschen geben, die ihre großen Liebe eben jene in Sms mitteilen – und das geht ja auch irgendwie, auch wenn es weder den Liebesbrief noch die gemeinsam verbrachte Zeit ersetzt.

  37. Etwas wunderlich, dieser „Ein Journalist“, der Blogs, Twitter und all diese Pseudogemeinschaft unsinnig findet, dann aber viel Zeit darauf verwendet, sich in ihr zu bewegen. Einmal davon abgesehen, dass es mittlerweile ja auch Menschen geben soll, die sich ihren Freundes- und Diskussionskreis nicht von geographischen Zufälligkeiten diktieren lassen wollen.

  38. Gott sei Dank, hat Kerner wenigstens heute keine Sendung, sonst hätte er vielleicht wieder einen total traumatisierten Schüler vor die Kamera gezerrt und sich wieder Betroffenheit heuchelnd in Szene gesetzt !!!

  39. @ Stefan
    Ja, für die Leser in der Tat. Aber ich werfe sie doch nicht mit Rohdaten meiner Recherche zu, mache mich wichtig („ich stehe ganz vorn, vor mir viele Polizisten mit Maschinenpistolen“) und lasse jeden Gedankefurz heraus. Ich kann es nicht jedem Leser rechtmachen. Die halten mich wahlweise für kompetent, arrogant, miserabel informiert, langweilig oder brilliant. Je nach Einstellung, Vorwissen und eigener Kompetenz.

    Motzgurke hat sehr gut beschrieben, was unser eigentlicher Job ist. Und den machen immer mehr Journalisten immer schlechter.

    Der Eismann twittert und blogt auch nicht. Der hat ein Rezept und macht sein Eis, wie er es für richtig hält. Abgestimmt wird an der Kasse. Und ab und an bekommt er mal ein Lob. Aber er bettelt nicht darum wie so viele (jüngere) Journalisten.

    Ich will auch nicht wirklich wissen, ob Sie und Minkmar Katzenfreund sind oder z. B. wer als Student mal wen im Bett hatte und wer wo im Urlaub war. Das ist Exhibitionismus, kein Journalismus.

    Okay, es ist Ihr Blog und ich brauche ihn/es(?) nicht zu lesen. „Leider“ lohnt es sich fallweise doch sehr… :-)

  40. Ich sehe das ähnlich wie Daniel. Der RSS-Feed der Tagesschau sah doch fast ähnlich aus, was die Anzahl der Updates angeht. Ich brauchte kein Twitter, ich hatte alle 10 Minuten Wasserstandsmeldungen. 9 Tote. 10. 16. 17. 16. 3 Passanten. Usw.

    Das hat mich mindestens genauso angekotzt. Als würde man ein Fußballspiel verfolgen.

    Wo zum Geier bleibt da die journalistische Gelassenheit, der Abstand? Das ist ja wie im Circus Maximus. Am 11. September konnte ich es ja noch ansatzweise verstehen, aber hier in der Mitte vom Nichts quasi eine Nachbarschafts-Verfolgungsjagd per Twitter und RSS herbeizutickern ist sowas von geschmacklos… die Einzigen, die das Thema hätte wirklich interessieren können waren die Passanten, die man vielleicht hätte vor dem Amokläufer warnen können, das war ja damals auch die Ausrede in Gladbeck, warum alle wie der geifernde Mob am Gerät gehangen haben.

    Wer „Todesmarsch“ gelesen hat, dem könnte hier so langsam wirklich das Mittagessen hoch kommen. Mir ist jedenfalls ordentlich schlecht.

  41. Einspruch! Auch am „11. September“ war das in keiner Form nachvollziehbar. Das war genau das gleiche. Oder ist die Anzahl der toten Leute entscheidend?
    Dass nun alle nachträglich einen auf Betroffenheit machen und jeglicher Anflug von Spaß aus dem dt. Fernsehen verbannt wird, ist schlicht pervers.

  42. Ich finde das berichtete „Großaufgebot der Polizei vor Winnenden.’ pervers und verwerflich, weil zu diesem Zeitpunkt, nach der Tat, sinnlos verschleuderte Steuergelder, die man im Vorfeld, zur Prävention solcher potentiellen Tatmöglichkeiten, einsparte.

    Wer braucht/e nach der Tat ein „Großaufgebot der Polizei vor Winnenden.’?

    Wo ist/war die Präsenz der Polizei (Streife, Aufklärung, Schutz, Vorbeugung) vor der Tat oder war der Amoklauf von 2002 in Erfurt kein Grund, derartige Maßnahmen zu finanzieren? Im Gegenteil. Es wurde vielmehr eingespart, an Mitteln sowie an Personal, wegen den angeblich „zu hohen Kosten von Prävention”.

    Was also ist hier wirklich pervers und verwerflich?

    Unter „@amoklauf zu twittern” oder das wohl nicht schützenswerte Grundgesetzliche Recht auf Bildung und Schutz auf die Unversehrtheit des Lebens (weil wohl zu teuer), was den nun erneuten sinnlose Tod der Schüler verwehrt wurde, die leider nicht mehr fragen können: „Wo wart ihr?” und „Wie viel vorinvestiertes Geld ist Euch Bildung und Schutz wirklich wert?”

    Da stellt sich die Bundeskanzlerin mit gespielter Betroffenheitsmine ins TV um dann wohl die nächste finanzielle und personelle Bildungs- und Schutzkürzung abzusegnen.

    Und morgen früh erbrechen sich wieder die Schmierfritzen aller Zeitungen zum Thema auf Seite 1 übers Volk, obwohl es ja schon ALLE wissen – sinnlos erkauftes Wissen.

  43. FOCUS Online publiziert seit langem seine Nachrichten-Feeds bei Twitter. Obwohl auch viele unserer Redakteure twittern, haben wir mit dem Einsatz als Kommunikationsmittel der Redaktion lange gezögert – eben weil wir es nicht angemessen fanden, wie manche Kollegen das aktuelle Kantinenessen zu vermelden oder den Gemütszustand des CvD.

    Heute haben wir uns entschlossen, neben den bestehenden einen neuen Account zu starten, um den Fortgang der Ereignisse dokumentieren zu können – und auch Details unserer Arbeit vor Ort. (Wir haben uns für @FOCUSlive entschieden, mehrere andere Accounts wurden eingerichtet und wieder gelöscht – darunter @amoklauf.)

    Die in meinen Augen sehr harsche Kritik ist angekommen und wir werden in der Redaktion darüber diskutieren – Journalisten, die sich selbst und ihre Arbeit zum Gegenstand der Berichterstattung machen, wandeln auf einem schmalen Grat. Wir werden einen Weg finden, Twitter und andere soziale Netzwerke so zu nutzen, dass sie beidem gerecht werden – den Netzwerken selbst und den journalistischen Standards. Ironischerweise wurden wir bisher ebenso harsch dafür kritisiert, dass wir über Twitter nicht kommuniziert, sondern lediglich Links auf unsere Beiträge publiziert haben.

    (Der oben zitierte Beitrag zur „Zahnbürste“ fiel definitiv in die Kategorie „Kantinenessen“, wir haben ihn gelöscht.)

  44. Jetzt warten wir mal auf heute abend, „Hart aber fair“. Eine Psychologin wird dort sein, die über Amoklauf forscht. Vielleicht bringt das ein bisschen heiß ersehntes Begreifen.
    Ein langes Gespräch mit einer Fachfrau/einem Fachmann wäre jedoch möglicherweise ergiebiger als Plasbergs Quasselrunde.
    Mal sehen.

  45. Eine Psychologin, die versucht, herauszufinden, warum Menschen, die dazu keine Stellung mehr nehmen können, unverständliches tun?
    Na, mal sehen, welches Computerspiel der Junge installiert hatte.

  46. Da als besonderer Nutzen von Twitter allüberall die spontanen Tweets von Katastrophen genannt und gerühmt werden, wundert es nicht, dass es jetzt schwer fällt, hier noch zu differenzieren.
    (Über twitter.com/einsturzkoeln hat sich niemand aufgeregt, obwohl es da auch Tote gab.)
    Hier nun scheint der Kritikpunkt zu sein, dass es twitternde Journalisten sind – wogegen ansonsten eher kritisiert wird, wenn diese NICHT twittern…

    Wer soll denn da noch durchblicken und adhoc „ethisch korrekt“ twittern/nicht twittern??

  47. Focus Online. Hab gestern den pervers-sinnfreien pro-Atomkraft Artikel gelesen, da wundert mich nichts mehr. Guter Journalismus und Deutschland sind Antonyme.

    Tja, schauen wir mal ob der Focus bald das große Titelthema: „Egoshooter“ hat mit dem Inhalt:
    Unschuldiger Jugendlicher sitzt frustriert und angewidert von unserer perversen Gesellschaft zu hause bei Kaffee, Kuchen und den 15 Waffen des Vaters, mit welchen er regelmäßig mit anderen völlig normalen Personen auf Zielscheiben schießt. Da kauf er sich einen EGOSHOOTER und wird durch diesen total verdorben!

  48. „Ironischerweise wurden wir bisher ebenso harsch dafür kritisiert, dass wir über Twitter nicht kommuniziert, sondern lediglich Links auf unsere Beiträge publiziert haben.“

    Genau DAS meinte ich, Herr Niggemeier. Sonst wird kritisiert, die Medien würden nichts tun. Heute tun sie etwas und auch wieder falsch. Irgendetwas stimmt nicht!

  49. @Frederic Schneider: Bei aller Herzlichkeit — was für ein Unfug.

    Genauso wenig wie Blogs oder Twitter prinzipiell schlecht sind, sind sie prinzipiell gut. Es kommt darauf an, was man daraus macht. (Das ist so banal, dass ich mich kaum traue, das hinzuschreiben.)

    Von mir aus müsste Focus Online nicht twittern. Ich habe auch, soweit ich mich erinnern kann, noch nie gefordert, dass Medien twittern oder bloggen müssen. Aber wenn sie es tun, darf man sie auch dafür kritisieren.

    Da entwickelt sich gerade ein neues Medium, von dem keiner so richtig weiß, wie man es am Fruchtbarsten nutzt. Unter welchen Voraussetzungen mögen die Chancen am größten sein, dass da gute Dinge entstehen? Sie sagen, indem man nix Böses drüber schreibt. Ich meine, indem man sich darüber streitet, was geht und was nicht geht.

  50. „Ich finde es falsch, angesichts des Unglücks so vieler Menschen über die eigene Anreise zu schreiben.“ – yeah!

    Alle, die in ihren Blogs und Tweets über ihre beschissenen langweiligen Leben, ihren ermüdenden Arbeitsstress, ihr Feierabend-Bier, neue Apple-Gadgets oder belanglose Fernsehserien schreiben, bitte auch noch mit in diesen Sack stecken!

  51. Lieber Herr Niggemeier,

    ich bin dafür, dass wir in einer lebhaften Demokratie auch über Dinge streiten dürfen, ja manchmal müssen. Was mich stört ist vielmehr diese Doppelmoral.

    Die Netzwelt fordert andauernd, dass Medien und Politik die Instrumente des – ich traue mich kaum mehr, dies zu schreiben – „Web 2.0“ verwenden mögen. Und ich bin der Auffassung, FOCUS ONLINE hat dies heute gut getan.

    Sicherlich lässt sich über den ein oder anderen Tweet streiten. Da bin ich völlig bei Ihnen und wie ich Herrn Wegner gelesen habe, ist er da auch bei uns beiden. Aber von Ihnen wurde der Schritt gänzlich kritisiert.

    Ich kann nichts Verwerfliches daran finden, wenn eine Redaktion Hintergründiges über ihre Berichterstattung schreibt, solange dies auf seriöser Basis basiert. Unabhängig davon, was die Berichterstattung behandelt.

    Ihre Kritik ist für mich deshalb Anstoß einer Debatte, die sonst aus dem Web gerade in die andere Richtung geführt wird.

    Dies hat Herr Wegner ebenfalls geschrieben, indem er meinte, „ironischerweise“ gebe es sonst immer Forderungen, man möge doch nicht nur die eigenen Beiträge auf focus.de via Twitter bewerben, sondern „richtige“ Tweets verfassen.

    Aber womöglich sind solche Debatten wie diese auch notwendig, um Twitter so eine allgemeinere Akzeptanz zu verleihen – oder im Gegenteil, in Zukunft darauf zu verzichten.

    Herzliche Grüße,
    Frederic Schneider

  52. @54

    Der Blog scheint mir aber von Herrn Minkmar.

    Kommentiert hat er (Stefan) das wohl schon… ;P

  53. @Frederic Schneider: Es ist eine „Doppelmoral“, wenn ich etwas anderes fordere als (angeblich) „die Netzwelt“? Das ist doch Unsinn. Das ist auch nicht ironisch.

  54. @76

    Ebend, scheint aber wohl doch eine enorme geistige Hürde zu sein, diese Information auch zu verabeiten…

    (nicht für ungut…^^)

  55. Stefan: Womöglich unterstelle ich Ihnen persönlich mehr als Sie verdient haben. Der allgemeine Aufschrei der Kommentare zu diesem Blogeintrag trifft meine Kritik dafür umso deutlicher. Mich würde trotz alledem noch einmal interessieren, was Sie daran verwerflich finden, wenn eine Redaktion wie FOCUS ONLINE über ihre Arbeit berichtet. Finden Sie auch den spiegel.de-Artikel verwerflich, den die Redaktion damals über ihre Arbeit am 11. September 2001 verfasst hatte?

  56. @Frederic Schneider: Dass eine Redaktion einen Einblick in ihre Arbeit gewährt, dass sie die Bedingungen dieser Arbeit thematisiert und reflektiert — dagegen habe ich überhaupt nichts, im Gegenteil. Das ist aber nicht das, was bei FOCUSlive passiert. Was dort stattfindet, würde ich als eitles Geschwätz, Hyperventilieren („Tot.“) und Dauer-Eigenpromotion bezeichnen.

  57. @54, 76

    Ich werde zu alt um fern zu sehen, zu atmen und zu schreiben… Nehme alles zu rück, gehe lieber ins Bett.

    Was fürn Tag…

  58. Stefan: Bei Twitter haben Sie 140 Zeichen zur Verfügung – mit allem drum und dran. D. h. Sie müssen eine Meldung verfassen, die normalerweise in einem Artikel schätzungsweise einen Satz darstellt. In der Konsequenz haben Sie kurze, manchmal flapsige Mitteilungen, die i. d. R. aus Beobachtungen bestehen. Eine Beobachtung etwa, die lautet:

    „Mehrere Einsatzwagen schießen an FOCUS-Online-Reportern vorbei. #Amokläufer in #Wendlingen getötet. Drehen ab nach Wendlingen!“

    Ich finde, diese zwei Sätze klingen hart, aber sie sind Beobachtungen, die die Redaktion getwittert hat. Realität.

    Ober wollten Sie eigentlich nur schreiben, Sie finden diese Art der Berichterstattung bei Twitter als solche falsch? Wenn ja, hätten Sie einen Gegenvorschlag?

  59. Zum Anfang hatte FOCUSlive gefragt:

    Ist es verwerflich über Amokläufe zu twittern? #amoklauf #winnenden #moral 2.0

    Dazu möchte ich anmerken, dass es bei Redaktions-Twitter-Accounts, zu denen mehrere Autoren beitragen, durchaus auch mehrere Meinungen gibt (zumindest so lange bis die Chefredaktion eingreift).

    Und solange es in diesem Fall keine festen Standards gibt, werden auch öffentliche Twitter-Zwistigkeiten innerhalb der Redaktion nicht ausbleiben …

  60. Für mich war der heutige Tag, was die Frage der Twitternutzung durch etablierte Medien angeht, auch eher ernüchternd.

    Dabei war es nicht einmal die Banalität und Unangemessenheit mancher Tweets. Mich hat v.a. die Vorgehensweise von FocusOnline angewidert. (Und daran ändert auch der obige Kommentar von Jochen Wegner nichts.)

    Denn wieso, so frage ich mich, muß Focus, als die ersten schrecklichen Neuigkeiten aus Winnenden publik werden, panisch einen extra Twitteraccount einrichten? Hätte man nicht seine Follower über bestehende Accounts über die Entwicklung informieren können?

    Nein, offenbar wollte man vom Nachrichten- und Katastrophenhype profitieren. Nach 2-3 Stunden hatten die Focus-Redakteure bei sage und schreibe 2000 Twitterern ihren Account als Follower rangeklebt. Das ist nichts anderes als Spam. Katastrophentrittbrettfahrer. Traurig. Finde ich.

  61. @Frederic Schneider: Es gibt ungezählte journalistische Formen, um zu kommentieren, berichten, reflektieren. Niemand zwingt die Medien, sich zusätzlich auf eine einzulassen, die eine Beschränkung auf 140 Zeichen vorsieht.

    Ich finde den Versuch von „Focus Online“ besonders misslungen. Vielleicht gibt es Journalisten, die besser mit den Beschränkungen und Möglichkeiten des Mediums umgehen können. Vielleicht nicht.

    Ich weiß aber, ehrlich gesagt, auch nicht, ob die Reporter an einem Tag wie heute nicht genug zu tun haben, ohne zwischendurch noch atemlose Meta-Kurzmitteilungen zu veröffentlichen.

    Ich weiß, dass das wieder so eine opahafte Frage ist, aber könnten sie in den paar Minuten, die sie zum Verschnaufen haben, anstatt zu Twittern nicht … nachdenken?

  62. Die Menschen sind oft doch nur wie die Lemminge.
    Einer fängt an zu pöbeln „das ist pervers“, einer springt auf und noch einer und schon wurde eine Welle losgetreten. Viele meckern mit ohne sich mit dem Thema wirklich auseinander zusetzen.
    So sind wir nunmal.

  63. Stefan: Die Medien müssen den Umgang mit Twitter sicherlich noch lernen. Und sie müssen Erfahrungen sammeln. Für die Medien ist es dann tragisch, wenn jemand wie Sie gleich auf den Probelauf drauf haut – was Ihnen natürlich zusteht.

    Aber noch einmal: Meines Erachtens haben die Kollegen von FOCUS ONLINE jenes heute ob des Stresses gut gemacht. Sie haben einige Tweets, wie den zitierten, geschickt, wo ich als Leser mir einen Eindruck machen kann, unter welchen Bedingungen die Reporter arbeiten. Ich glaube, darum geht es. Sicherlich kann man so ein System schlecht finden, wie manche sich auch weigern, Blogs zu lesen.

    Aber gerade für Berichterstattungen wie beim heutigen Amoklauf wird die Stärke von Twitter deutlich. Besser machen kann man es immer noch. Hier würde mich immer noch interessieren, welche Vorschläge Sie äußern.

  64. @Frederic Schneider:
    Sie haben einige Tweets, wie den zitierten, geschickt, wo ich als Leser mir einen Eindruck machen kann, unter welchen Bedingungen die Reporter arbeiten. Ich glaube, darum geht es.

    Ich glaube, darum geht es nicht.

    Die Motivation zu dieser, ahem, „Berichterstattung“ via Twitter hat ihren Kern in Twitters Ruf, also im Nimbus, auf diese Art die Leserschaft „hautnah“ dabei sein zu lassen und quasi sekundengenau das Allerneuste geliefert zu bekommen. Das ist kein „Redaktion inside“, sondern ein „latest breaking news“ – darum geht es. Im Grunde eine Expansion des Onlinemedien-MissSelbstVerständnisses, immer der Schnellste sein zu müssen, oder wenigstens schneller Nachrichten zu liefern als die Konkurrenz. Man legt sich so selbst den Zwang auf, auch tatsächlich Meldungsbrocken in die Netzwelt zu blasen, damit nicht der Eindruck entsteht, man sei nicht nah und direkt genug dabei. Die Gefahr des Hyperventilierens liegt dabei natürlich nah, denn die Atemlosigkeit des Reporters ist keine Nachricht an sich, sondern allein sein „Problem“. Dabei geht eine der Hauptaufgaben der journalistischen Arbeit (das Filtern, Auswerten, Verifizieren und kontextuelle Einordnen) verloren – der Nachrichtenwert von vorbeirasenden Polizeiwagen oder Freizahnbürsten vom Chef ist gleich Null. Da ist ja selbst der sprichwörtliche sinnlose Reporter vor Ort besser wenn er nur berichten kann dass es nichts neues zu berichten gibt. Hauptsache so tun als liefere man der Zielgruppe Nachrichten. Wo das dann bei alltäglichen Nachrichten bloss ärgerlich wäre, ist es vor dem Hintergrund einer Tat wie dieser geradezu zynisch und wirkt weitgehend sensationalistisch, und in der dargebrachten Form verkrampft und künstlich. Das zu kritisieren ist völlig gerechtfertigt.

    Man würde sich wünschen, die betroffenen Alten Medien fänden eine andere Spielwiese als eine mit 16 Toten, anhand der sie unbedingt beweisen wollen, dass sie einige Neue Medien wie diese noch nicht verstanden haben.

  65. Abgesehen von den Zahbürsten, die niemand braucht: FOCUS online scheint das zu machen, was die Netzgemeinde fordert. Sie sind da, wo die User sind, sie können (wenn sie wollen) Transparenz schaffen und bei aller Dramatik des Ereignisses sind die Postings bzw. Statusmeldungen nicht mehr oder weniger „schlimm“ als das, was sonst -außer bei Don Alphonso- gefeiert wird, wenn es Otto-Normal-User bei Katastrophen aller Art twittern.

    Bedenklicher finde ich, wenn bild.de Rankings twittert – welcher Amoklauf hat die meisten Toten gefordert? (fehlt nur noch: Platz 1, Platz 2…). Schlimmstenfalls belanglos finde ich zu erfahren, vor welcher Polizeiabsperrung der Focus-Reporter gerade steht.

    Interessant wäre zu wissen, ob (vielleicht gibt es ja sogar mitlesende) mit tragischen Ereignissen erfahrene Psychologen eher Stefan Niggemeier zustimmen oder eher dem Focus-Account followen würden, ihn zumindest aber in dieser Form nicht verdammen würden. Ich bin mir da nicht so sicher.

  66. @ Frederic: AUA!

    Wenigstens weiß man jetzt, welche Medienprofis bei der JU Eschborn arbeiten. Aber da Du (das Du benutze ich jetzt einfach mal so) auch politisch Bescheid weißt, finde ich es bemerkenswert, wie Du diskutierst. Statt die Argumente Stefan Niggemeiers zu widerlegen, bellst Du deine einfach weiter runter. Vielleicht hilft Dir ja der obige Beitrag von Herrn Minkmar weiter, dass Bellsyndrom abzustellen.

    Es tut mir leid als anonymer User deine Offenheit benutzt zu haben und ein wenig über Dich in Erfahrung gebracht zu haben, aber ich konnte mir diesen Blödsinn nicht mehr durchlesen, ohne an eine Kampagne zu denken. Daher mein Verhalten.

    Noch eines: Jeder sollte die Produktionsabläufe kennen, um ein Produkt beurteilen zu können („Und sie müssen Erfahrungen sammeln“). Aber wenn der Schuh schlecht verarbeitet ist und obendrein stinkt, würdest Du denn Produzenten nicht auch raten, erst ihre Produktionsabläufe zu hinterfragen, bevor sie Dir den Schuh verkaufen wollen?
    Oder noch treffender: Willst Du von Journalisten für dumm verkauft werden, aber es mit der Begründung hinnehmen: „Aber die sind noch nicht so weit, die müssen noch ein wenig üben und dann kann man über Geschmack und -losigkeit urteilen“?
    Absurd!

  67. @Frederic Schneider:
    Ich kann deine Kritik nicht verstehen. Bei Stefan kann ich auch keine Doppelmoral erkennen.
    Twitter ist wieBlogs, Zeitungen oder Bücher nur ein Medium. Für manche Dinge ist ein Medium geeignet und für manche nicht. Wenn man mit einem Medium nicht umgehen kann, muss man die Kritik ertragen.

    Nur weil Stefan bloggt, muss er Twitter nicht gut finden. Nur weil Twitter ein neues Medium ist, muss man es nicht für alle Dinge benutzen.

    Das Image von Journalisten is ja nicht das Beste. Durch Aktionen wie von Focus wird sich daran nichts ändern.

  68. Nachtrag zu 89: Oh Gott, Turi hat seine Erschießung beantragt, „falls jemand seinem Link bei Twitter nicht folgt“? Heute? Stimmt das? Mal nachgucken und ggf. entfollowen.

  69. Ewald: Ich bin offen für andere Meinungen und nehme für mich in Anspruch, mir das leisten zu können. Meine ursprüngliche Meinung ist aber weiterhin die selbe und zwar, dass ich den Twitter-Account von FOCUS ONLINE richtig und ansich gut gemacht finde. Mein Kernargument wurde daher von mir selber zu keinem Zeitpunkt widerlegt.

    Stefan Niggemeier hat jedoch insoweit Recht, als dass Twitter nicht für jeden Zweck geeignet ist. Außerdem kann man über alles diskutieren.

    Und ja, ich räume auch Journalisten die Möglichkeit ein, Fehler zu machen, wenn sie ein neues Medium testen. Zumal der Redaktion auf deren Twitter-Account kein Fauxpas passiert ist.

    Das würde ich allerdings nicht als „Blödsinn“ und mit „AUA!“ kommentieren, sondern vielmehr mit – wo du Recht hast – „Offenheit“. Ich glaube, das darf ich mir auch erlauben, obwohl ich mich politisch engagiere. Oder?

  70. Tom: Womöglich ist das Problem unserer Diskussion, dass ich sage, focus.de kann es, und ihr sagt, focus.de kann es nicht. Und ich bin der Auffassung, dass Twitter ein Zukunftsmedium gut ist und es umso besser ist, dass die Medien es schon heute einsetzen. Wobei der Zeitpunkt für die Premiere sicherlich zweifelhaft ist – was an meiner Begründung allerdings nichts ändert.

  71. irgenwie verliert man den Überblick. Diesmal war es nicht Kerner, sondern Jauch der Betroffene interviewt hat. Kurze Zeit später ein heulender Pooth im Interview. Auch den braucht man an einem solchen Tag nicht. Das Heute Journal berichtet, meiner Meinung nach, in ausgeglichner Weise. Auch über Twitter, einerseits schnelle Information, anderseits falsche Infos. Am Ende aber doch eine harsche Kritik an Twitter.
    Aber was ist die Alternative. Vielleicht gar nicht berichten. Vielleicht ja auch keine Berichterstattung über die Berichterstattung?!

  72. Ich glaube mein Unwohlsein entsteht dadurch, dass Twitter erstmal für etwas steht, was man als Gegenteil von Recherche und Journalismus bezeichnen kann: flüchtige Gedanken, Hörensagen, Schreiben ohne zu Denken, Verkürzung.
    Ob und wie man Journalismus und Twittern zusammenbringen kann, und ob man das zusammenbringen muss, weiß ich nicht.
    Bei Menschen, die man kennt, ist das vielleicht ganz schön auf dem Laufenden zu sein, was sie grade so treiben. Bei Journalisten interessiert mich weniger der Mensch, als das, was sie zu sagen haben.
    Gut, Twitter ist noch recht neu, und auch Blogs haben noch längst nicht ihren Platz gefunden, insofern wird sich zeigen, inwiefern journalistisches Twittern sinnvoll sein kann. Aber ich wünschte mir, das Journalisten generell weniger Nachrichtenschnipsel hektisch zusammenfügen und neu aufbreitet verbreiten, dafür aber genauer schauen, ob das, was sie verbreiten auch inhaltlich stimmig ist. (Häufig klaffen in Artikeln die aus Meldungen verschiedener Agenturen zusammengeschrieben wurden logische Lücken, und keinem scheint das aufzufalllen.)

  73. […] Doch Twitter spielte noch eine größere Rolle in der heutigen Berichterstattung. So pflegten die Medien nicht nur ihre neusten Schlagzeilen, Erkenntnisse oder Vermutungen ein, sondern machten Twitter auch zum Inhalt ihrer Nachrichten. Besonders N-TV versuchte über “Schalten” zu Twitter immer wieder die Stimmungslage in der Bevölkerung abzubilden. Und Focus versuchte eine Art “Backstage”-Berichterstattung. Mit mäßigem Erfolg. […]

  74. Nicht das die Nicht-mehr-ganz-so-neuen-Medien all dem in viel nachstünden. CNN geilt sich gerade an den üblichen komplett wackeligen und pixeligen Handy-Videos vom vermuteten Täter auf (via AP). Dass sie ein Photo des Täters haben (via Proxy-Wittwenschütteln vom deutschen „magazine bild.de“) ist ja eher normal.

  75. Hatte eigentlich jmd gemerkt, das CNN (Beitrag 27) den vollen Namen des Täters genannt hatte? Hoffentlich kommt das wenigstens von youtube wieder runter nachdem schon schülerVz (lobenswerter Weise) die betreffenden Accounts von der „public area“ entfernte.

  76. Die verschiedenen Medien (auch in Deutschland) sind sich auch jetzt noch nicht gerade einig darüber, ob und wenn ja wie sie Portraitphotos unkenntlich machen wollen, und ob sie den Nachnamen abkürzen oder voll angeben. Wenigstens wurde bei dem frischen CNN-Video rausgeschnitten wie sich der Täter erschiesst.

  77. achja, falls das geändert wird: da stehen zu auswahl dreimal galerien zu winnenden und einmal „schützenfest von barca, nullnummer porto“ (fußball)

  78. Nächster Amok – … in Leipzig
    – Als Buch-Ersatz.
    Am nächsten Montag als E-Book!

    Aber: Samstag wieder Bundesliga, mit Bayern-Sieg. (11:0 gegen Amok Leipzig).

  79. Bei der Auflage würde ich als Chefredakteur auch das Kantinenessen-Niveau ins große twitter-live-Mikro posaunen. Wenigstens aber Humor bei der Arbeit und Größe zum offenen Eingeständnis.

  80. Ich weiß nicht, ob es hier schon erwähnt wurde.

    Beachtenswert auch die heutige Titelgeschichte der Süddeutschen. Dort steht der Täter mit vollem Namen und Wohnort. Fehlte eigentlich nur noch Straße und Telefon-Nr.

    Geht gar nicht – von der BILD würde ich sowas erwarten, aber nicht von der Süddeutschen.

    Viele Grüße
    Lars

  81. Blah, blah, blah – Twitter ist ein Medium, in dem genausoviel Mist gelabert wird wie überall sonst. Deshalb ist es trotzdem ein prima Medium. War vielleicht nicht alles so pietätvoll von Focus, aber auch kein Weltuntergang. Die Jungs lernen halt auch noch.

  82. Sehr seltsam auch die Berichterstattung auf n-tv, die sich zum Großteil aus Gerüchten nährte und völlig konfus war. Mal war der Täter tot, mal nicht, mal war er noch in der Schule, dann war er verhaftet worden, dann doch wieder flüchtig, dann hatte er sich selbst erschossen, dann doch wieder nicht, dann war er in einem Supermarkt, dann doch in einem Autohaus, dann sollte plötzlich in Nürtingen auch noch ein Schusswechsel stattgefunden haben, dann war es doch Wendlingen, dann waren es 9 Opfer, dann 11, dann 16, dann nur Schüler, dann auch Lehrer und immer stand das Wort: Gerücht vor dem Liveticker – völliges Chaos.

    Und als der n-tv Studio-Reporter dann noch meinte: „Winnigen hat etwa 27.000 Einwohner und ein paar Zerquetschte“ habe ich dann endgütlig umgeschaltet.

    Danke für den Beitrag. Twitter geht mir in solchen Situationen ziemlich auf den Nerv. Dieser schnell-schnell Journalismus ist so irre sensationsgeil, dass es nur noch pervers ist!

  83. Das Eintippen vom allem, was man irgendwie mal aufgeschnappt hat ist kein schlechter Journalismus, es ist gar keiner. Es ist das Erzeugen einer Desinformationswelle für ein Publikum, für das so ein Amoklauf eine willkommene Abwechslung zur Fußball-Bundesliga ist. Im Spiel tote Schüler zu tote Lehrer stehts mittlerweile 8 zu 3, Totschütze war mal wieder Tim K.

  84. zum thema n-tv: ich schaue diesen sender sonst praktisch nie, aber habe deren programm gestern ueber stunden verfolgt (sowie twitter und div websites) und fand sehr interessant, wie die kollegen stets auf der validitaet der twitter-updates („das sind ja nur irgendwelche leute, keine journalisten, wie wir, die die infos filter“) herumzuhacken versuchten, aber selbst jede menge stuss und geruechte sendten, die der sender eben bei twitter aufschnappte

  85. oh wie sich alle Gutmenschen wieder kollektiv erheben und aufstöhnen. Die wankende Doppelmoral geht mir auf den Keks.
    Twitter ist ein spannendes und noch sehr junges Massenkommunikationsmittel. Es hat anarchische Züge, Zensur findet nur beim Twitterer statt und unterscheidet nicht im Niveau der Beiträge.
    Da ich das Geschehen gestern über lange Zeit und verschiedene Kanäle verfolgen konnte, möchte ich heute Twitter nicht verdammen. Ja, es ist schlimm, wenn der Name des mutmaßlichen Täters unbestätigt getwittert wird, aber war Bild nicht der erste? Bedenklich, wenn der Amoklauf ohne weitere Verweise von @piefendeckel und @werauchimmer berichtet wird, aber haben nicht auch professionelle TV- und Online-Medien Gerüchte vermeldet ohne auf Bestätigung von AP & Co zu warten?

    Komisch, dass hier schon wieder Kloppe ausgeteilt wird, ob Twitter das „geeignete“ Medium für Ereignisse dieser Art ist oder nicht. Hallo? Es ist ein Kommunikationsmittel, das nur die Länge der Zeichen begrenzt ist und sonst nichts. Wer es zu welchem Zweck benutzt ist eine Entscheidung des einzelnen schreibend, lesend, verweigernd.

  86. Also ich war einigermassen entsetzt. Und zwar weniger von der Tat als über die unglaublich heuchlerische Bereichterstattung insbesondere von ARD und ZDF. In fast keiner der gestrigen Sendungen wurde das Thema nicht in irgendeiner weise verwurstet. Und dabei war man sich nicht zu schade sich wie die Fliegen auf die Scheisse zu setzen, immer noch eine nichtssagende Lifeschalte zum Tatort und noch ein Interview mit einem Polizeisprecher und noch ein paar Aufnahmen von verheulten Gesichtern der Davongekommenen. Wirklich Pervers war die Liveübertragung der Pressekonferez der Polizei auf der ARD. Ich habe wirklich selten so ein wichtigtuerisch heuchlerischen Polizeipresidenten gesehen, der darauf geachtet hat betont langsam zu sprechen und besonders beteutungsschwanger zu klingen, auch wenn der Täter zu diesem Zeitpunkt allerdings längst tot war. Und am Ende des Tages natürlich ein Brennpunkt als Sondersendung. Da dachte man endlich es ist vorbei aber NEIN. Frank Plasberg, den ich eigentlich sehr schätze, hat sich doch tatsächlich dazu herabgelassen auch noch (zum wiederholten male) auf den Zug aufzuspringen und hat das Thema in seiner Sendung Hart aber Fair auch noch verwurstet. Und wir Ahnen es bereits: Alle Beteiligten wussten bereits warum der Täter so war wie er war: Er hat Counterstrike gespielt. Eine grosse Leistung. Glückwunsch an Plasberg. Es war zum Kotzen. Und der Rest der (Online-)Medien war auch nicht viel besser. Jeder hat seine Chance gesucht um die Tat möglichst sensationsgierig auszuschlachten. Wenn man zynisch ist könnte man sagen Tim K. hat gestern kurzfristig mehr für die Wirtschaft getan als jedes Konjunkturprogram bisher. Na, vielen Dank.

  87. @111 Der volle Name war auch schon gestern im ARD-Brennpunkt erkennbar, als ein Zeitungsausschnitt mit den Namen der Abschlussklasse Tim K.s gezeigt wurde.

  88. Herr Frederic Schneider, wenn Ihnen so sehr an Hintergrundberichterstattung liegt, dann lassen Sie Ihre Kollegen doch eine Reportage dazu verfassen und drucken diese oder stellen sie ins Netz. Das Medium Twitter für den gemeinen Egoblender bietet sich mit seiner beschränkten Anzahl für Worte eben nicht an für Journalismus. Und das, was Ihre Kollegen fabriziert haben, war nur, Spekulationen und eigene Nichtigkeiten zu verbreiten. Unjournalistischer kriegt es auch Lieschen Müller nicht hin. Gratulation! (Print-)Medien müssen ja wohl nicht jeden Käse mitmachen, nur weil sie Probleme mit dem eigentlichen Geschäft haben. Und weil andere etwas von web 2.0 faseln.

  89. Pervers? Es ist Berichterstattung auf 140 Zeichen begrenzt. Twitter ist ein weiteres Medium zum präsentieren von Ereignissen – es geht zudem darum schnell zu sein – der Erste zu sein. Passt doch alles wie immer in unsere schnelllebige Zeit – die Schlagzeile raushauen und die Zugriffe ernten – Traurig ist das…

  90. @gruene Nase: Hah, „nur“ ist gut; und Du faselst auch nicht von Web2.0, sondern nutzt es. Gleiches Recht für alle.

  91. 1964 nannte man das doch noch ‚the medium is the message‘ oder?
    Nach dem Fremdschämen nun das Fremderleben, „… ich war dabei…“ und mit einem click bin ich auch schon wieder woanders.
    Mich erinnert das alles mehr an Freizeitpark denn an Journalismus.

  92. Ich finde, hier wird mit falschen Maßstäben argumentiert: So belanglos viele Einträge bei Twitter auch sind, sie geben doch einen guten und vor allem direkten Einblick in die Arbeit von Politikern, Leuten aus der Wirtschaft oder eben auch Journalisten.

    Als zum Beispiel Präsident Obama seine State of the Union-Rede gehalten hat, konnte man bei Twitter lesen, was einige Abgeordnete und deren Mitarbeiter währenddessen in Wirklichkeit tun: Sie dachten an Sportübertragungen oder darüber nach, dass sie in diesem Moment lieber neben jemand anderem sitzen würden. Sie dachten nicht daran, was aus General Motors wird, welche Folgen die Finanzkrise noch haben wird oder wie es weiter geht im Irak und Afghanistan.

    Ob das angemessen ist, darüber kann man natürlich streiten. Aber diese Perspektive, die Twitter in diesem Moment bietet, kann kein anderes Medium bieten.

    Und das ist hier – bei diesem furchtbaren Unglück – nicht anders: Journalisten sind Profis. Fernsehleute müssen bei so einem Ereignis Ü-Wagen organisieren, Betroffene vor die Kamera zerren – und ein Chefredakteur einer Online-Seite muss entscheiden, ob es journalistisch lohnenswert ist, seine Mitarbeiter noch einen Tag vor Ort zu lassen (und zu bezahlen!) oder eben nicht.

    Ich finde das interessant: Wie geht ein professionelles Medium mit so einem Unglück um? Wie kommen die Nachrichten auf die Seite/auf den Bildschirm?

    Auch und gerade hier ist das eine Perspektive, von der ich – und sicher auch ein paar andere – gerne mehr lesen würde und mich dafür auch nicht schämen muss. Man kann sowohl von dem Ereignis betroffen sein und sich dennoch als medieninteressierter Mensch auch für Hintergründe einer Berichterstattung interessieren.

    Es ist schade, dass das wohl viele hier nicht trennen können. Aus Sicht von Focus-Online – aber auch allen anderen Medien – ist es deshalb nur folgerichtig, in Zukunft auf solche Dinge zu verzichten.

  93. „folgerichtig, in Zukunft auf solche Dinge zu verzichten.“

    Als hätte je ein Medium auf etwas verzichtet, nur weil es Scheiße ist.

  94. Die Bedenkenträger laufen wieder mal auf Hochtouren um Unwichtiges. Damit sind sie genauso sensationslüsterne Trittbrettfahrer wie die, über die sie sich aufregen. Die Tragödie hat in der Schule und nicht in den Medien stattgefunden.

  95. @“Medienexperte“

    Wie Medien mit einem Ereignis umgehen ist unwichtig? In einem Blog eines Medienjournalisten? Sie spinnen.

  96. mal ne Frage: wie könnte journalistisch sinnvolles Twittern aussehen?
    Konsequent subjektiv, in etwa: „je näher wir zur Schule kommen, desto mulmiger wird mir: wie werden die Schüler auf uns reagieren, schließlich kommen wir nicht zum helfen?“
    oder inhaltlich, kleine Puzzlestücke des Geschehens zusammentragend: „grade mit Schülern gesprochen: der Amokläufer trug schwarz, sein Gesicht war nicht vermummt“.
    Oder eher die Banalität des Alltags dokumentierend, trotz Tragödie: „eigentlich wollte ich mir heute freinehmen, mir nen schönen Tag machen, und jetzt das….“
    sowohl als auch, oder ganz anders?

  97. @Haco

    Vielleicht NICHTS von alledem, weil es keine Informationen sind, die zu irgendetwas gut sind als zur Befriedigung von einer Art von Sensationsgier, wie sie nur aus Langeweile entstehen kann.

    Was, außer einem (wohligen?) Schauer sollen denn diese Informationen erzeugen? Verständnis? Ideen zum Umgang mit derartigen Bluttaten?

    Die Medien sind voll von Details, und wenn’s an’s Analysieren geht, kommen immer dieselben – man verzeihe mir die Wortwahl – Schnellschüsse.

  98. Twittern wird überschätzt, und es ist gut, dass das sich gerade bei einer solchen Geschichte herausstellt.

    Zufällig hat eines der intelligentesten Medien- und Politikblogs (läuft, einsam avantgardistisch, als Comic getarnt, seit Jahrzehnten), „Doonesbury“, den Reporter Roland in dieser Woche als Twitter-Junkie vorgeführt, mit diesem Strip als Höhepunkt: http://www.doonesbury.com/strip/dailydose/index.html?uc_full_date=20090311 . Und bei „Non sequitur“, einem weiteren Welterklärungs-Comic von Gnaden, standen neulich nachrichtenbegierige Menschen an einem Kiosk Schlange, um ein Extrablatt zu kaufen, dessen Schlagzeile lautete: „Print stirbt!“

    Was will ich sagen? Ich glaube, Journalisten tun nicht nur gut daran, auf ihrem Teppich zu bleiben, sondern sie sollten den Wert dieser Grundlage auch nicht leichtfertig unterschätzen oder verspielen. Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit sind die Güter, die wir beim Publikum monetarisieren, wie Erbsenzähler sagen würden: Es handelt sich dabei um eine sehr vergängliche Ware. Die Medien mögen wechseln, aber auch in 140 Zeichen muss man sich dessen, was man tut, auf hohem professionellem Niveau bewusst bleiben.

  99. Twitter wird nicht überschätzt, sondern seine Möglichkeiten betont, aber (in Deutschland) nicht genutzt: Nach der Hudsonrivergeschichte wollte ich vor einigen Tagen erfahren, warum mich die Hubschrauber über der Stadt so nervten. Ich informierte mich nun via Twitter. Alles was ich bekommen habe, waren Spiegelonline-, Weltonline usw. -links (auch von den Leuten, die nach eigenem Bekunden mitbekommen haben, dass Stadtarchiv eingestürzt ist.): Hier ist was los: tinyurl…

    Fand ich doof.

    An sowas ist aber nicht Twitter schuld, wie einige hier behaupten, sondern die Nutzer.

    Wenn der Fleischsalat schlecht war, gebe ich ja auch nicht dem Brot die Schuld dafür, dass ich kotzen musste.

  100. @motzgurke Mir steckt in der Kritik an der journalistischen Twitternutzung viel zu laute wohlfeile Empörung drin. Natürlich ist da manches nicht sehr appetitlich. Aber das Hauptproblem ist die Tragödie in der die Schule. Das Gegeifer über Twitter steht in völligem Mißverhältnis zu den Schulproblemen und auch zur Behandlung von Schulproblemen in den Medien. Statt dessen wird über unwichtiges Twitter gezwitschert und ist man selbst nicht viel twittriger. Wo ist Niggemeiers Auseinandersetzung zum Thema „Mobbing und Schulprobleme in den Medien“, statt dessen nur Gegeifer über vorerst so unwichtiges Zeug.

  101. @motzgurke
    Ist es verkehrt, sich mit dem Geschehen auseinanderzusetzen? Auch wenn es nur Info-Schnipsel sind? Die Interpretationsfähigkeit ist um vieles größer. Vielleicht führt es sogar zu einem veränderten Verhalten beim Einzelnen.
    Mann kann es verdammen, befürchten, was als nächstes passiert, das Puzzle für sich zusammnetragen, wenn man Zeit hat,… Alles besser als die Analysen und vorgefertigten Meinungen zu konsumieren, die mit der immer gleichen Rezeptur aus Nachricht, gefühlten Hintergrund, Bild, Moralanspruch und sogenannten Experten ins Horn blasen.
    Auf n-tv sehe ich in diesem Moment ein Close-Up auf Beileidskerzen und einem Zettel mit „warum?“. Ist das der bessere Journalismus?

  102. Niggemeier bloggt leider selbst Amok über Unwichtiges. Er empört sich über anderer Sensationsgier, ist aber selbst voll reingelaufen in die Sensationsfalle.

  103. Harald, das Problem ist ja insbesondere folgende Bigotterie der Medien: Auch wenn alle wissen, weil Amok-Psychologen es ja zigfach betonen, dass gerade die mediale Berichterstattung solche Amokläufe forciert und aus den Tätern Helden macht, tun die Medien genau das Gegenteil von verantwortlicher Berichterstattung und befeuern mit zig Sondersendungen das Thema noch und nöcher. Wo bleibt da die Verantwortung??? Oder zählen wirklich nur noch Klickraten und Quoten, ganz egal, was das für Konsequenzen hat. Focus scheint jedenfalls mächtig stolz auf das Ergebnis zu sein.

    Könnte sich dazu mal ein Medienvertreter äußern???

  104. Twitter als Tool stört mich im übrigen gar nicht, ganz im Gegenteil, ein wirklich tolles Medium. Mich stört nur die Sensationsgier und Sensationsgeilheit vieler Twitterer (d.h. im Grunde ganz normaler Menschen) und noch Schlimmer, die Sensationsgier der etablierten Medien, die dort in solchen Situationen wirklich ihre schäbigste Fratze zeigen. (siehe Focus)

  105. @medienexperte

    völlig richtig. ich denke auch, dass man eindeutig über das ziel hinaus geschossen ist, allerdings zeugt das nur von einer unerfahrenheit mit diesem dienst. moralische unerfahrenheit mit solchen diensten stehen auch professionellen journalisten zu. und so erschütternd dieses ereignis auch war: man spuckt gift und galle über den verfall der pietät und kann sich dem folgen nicht entziehen.

    vielleicht zeigt niggemeier hier nur eine moralische sollbruchstelle auf. zuviel emotionen. geschmacklosigkeit und kritik an der sonst so hochgehassten belanglosigkeit, die den twitterdienst aufblähen lässt (also das sonst getwitterte) und der freilich in die schusslinie geraten ist. und auch hier ist er in der schusslinie.

    mit dem unterschied, dass es nicht mehr twitter an sich ist, das man als dienst kritisiert, sondern die akteure darin.

    mir scheint, als wären sich noch nicht mal experten im klaren darüber, was sie mit twitter anfangen sollen. aber anstatt das alleine für sich zu ergründen, lässt man lieber überkochen.

  106. Ich hab immer noch nicht so ganz verstanden, was jetzt an Infos über die Zahnbürsten oder die Verkehrssituation der Reporter journalistisch wertvoll sein soll. Was wirklich relevantes konnte ich zwischen all dem Müll nicht finden.

    Das gilt allerdings genauso für die hilflosen Versuche der diversen Fernsehsender, Sendezeit zu füllen. Viel spannender fand ich gestern Phoenix, die versucht haben, ein bißchen über die üblichen Beißreflexe hinaus Analyse zu betreiben. Aber das guckt wahrscheinlich eh kein Schwein…

  107. Es gibt auf Twitter viel Unsinniges und eben auch Tweets die mehr als „Unpassend“ sind.

    Dabei ist doch die einfachste Lösung solchen Twitter-Usern nicht zu folgen, ich sehe mir genau an wem ich folge und wenn ich nach 1-2 Wochen feststelle, dass die tweets nicht interessant sind und mir nichts bringen klicke ich auf unfollow …. eigentlich ganz einfach.

    Speziell diverse Medien, seien es Online – oder Printmedien glauben wohl durch Twitter mehr Leser zu bekommen. Ich war noch nie ein Freund dieser besagten Institutionen und dies wird sich nicht ändern.

  108. Was GENAU bringt es überhaupt, jemandem bei TWITTER zu folgen? Jedes Brotkrümelchen aufzusammeln, das ein anderer einem fallenlässt? Und am Ende mit einem Sack Brotkrümelchen dazustehen, aber darüber zu vergessen, ein Brot zu kaufen?

  109. @Schnuti, #142: Nun ja, solche Fälle zu ignorieren, wäre nicht unbedingt die Pflicht der Medien, und es hülfe auch nicht. Es stimmt ja nicht, dass Amokläufe durch Medien ausgelöst werden, genau so wenig wie es stimmt, dass Killerspiele und Horrorvideos oder Waffenbesitz Amokläufe auslösen. Es mag allenfalls so sein, dass Berichte, Spiele usw. Gewalt in eine bestimmte Form bringen, die sich sonst eventuell anders Bahn gebrochen hätte. Das Problem ist leider komplexer, und es ist (auch) ein gesellschaftliches, über das zu berichten durchaus lohnt, auch im Ton des „educated guess“ zu den Motivlagen der Täter. Journalisten müssen verantwortlich damit umgehen, unterdrücken können sie das Thema nicht, und ich denke, das wäre auch falsch.
    Übrigens gab es ohne Columbine und Erfurt und Massenmedien als Beispielgeber 1913 bereits schon einmal einen Amokläufer in Winnenden bzw. in der Region. Das weiß die „Welt“ heute in ihrem Kommentar auf Seite 1 und hier http://debatte.welt.de/kommentare/117489/nach+dem+amoklauf+schulen+besser+schuetzen .

  110. Das erinnert schon sehr an die Reporter, die damals in Köln in das Auto der Busentführer stiegen und ein Stück mitfuhren, um ihnen den Weg zu zeigen. Später wurde das als journalistisch fragwürdig kritisiert. Wenn die Situation da ist, wird das mit neuen Medien heute aber ganz genauso gemacht.

  111. @26
    Dieser geniale Satz kommt bei mir an die Pinwand:
    „Wenn das Twittern sie vom Interviewen Betroffener abhalten würde, wäre das sogar ein Gewinn für alle Beteiligten.“ Insoweit danke vielmals!

    Wie Stefan begreife ich aber das nicht ganz:
    „twitter ist das erklärte Medium der Irrelevanz (im positiven Sinne) und der Umstand, dass es genutzt wird, macht es für die Nutzer relevant.“

    Klingt nach dem Medium, das die Message ist. Wenn dieses Medium explizit eines der Irrelevanz ist, dann ist es jedenfalls eines, aus dem ich mich als Journalist schon aus diesem Grund sehr gerne heraushalte. Ich bekomme sonst ein Problem mit meinem beruflichen Selbstverständnis. Danach werde ich dafür bezahlt, dass ich aus der trüben Informationsflut Irrelevantes aussiebe und dem Rezipienten sozusagen die Arbeit erspare, das Gold aus dem Sand zu waschen. Zugang zu dem ganzen Schlamm hat heute schließlich jeder, der online ist. Wer nur die Nuggets will, aber keinen Spaß am Muckraking hat, muss sich Journalisten leisten. Als Relevanz-Scouts, denen das Medium als Message zu wenig ist. Nicht als textende Non-Stop-Echtzeit-Plappermäuler.

    Allerdings: Relevanz ist nie absolut, sondern – im Jargon der ITler gesprochen – stets kontextsensitiv. Der Zahnbürstentweet ist also durchaus relevant für Leute, die schon immer wissen wollten, wie unorganisiert Focus-Reporter sind (haben, obwohl allzeit reisebereit, kein Necessaire in der Schreibtischschublade) oder wie sehr sie fixiert sind auf ihren Chef Jochenjochen (würden nie auf eigene Faust und Rechnung eine Dienstzahnbürste kaufen). Er ist relevant für die behandelnden Zahnärzte und nicht zuletzt für Jochen, der entsetzt erfährt, dass diese seine Reporter nicht die erwartete geistige Reife haben, um ihre Eingebungen unredigiert via Twitter aufs Publikum loslassen zu können.

  112. Journalist: Stimme dir zu. Es handelt sich sicherlich um einen möglichen Aspekt. der einen solchen Amoklauf auslösen kann. Aber fakt ist, die Täter suchen die Öffentlichkeit und ihnen ist definitiv bewusst, dass sie sich mit einem solchen Akt der erweiterten Selbsttötung gewissermaßen unsterblich machen.

    Über das Thema gar nicht zu berichten halte ich definitiv für falsch, nur bitte maßvoll und verantwortungsvoll und hier gilt es definitiv für jeden Sender / Verlag Grenzen ethische festzulegen. Nach dem sensationsgierigen („GERÜCHT!“) n-tv Herumgeeiere war ich echt froh, als ich um 14 Uhr „heute“ anschaltete und dort wirklich nur sehr sachlich die bis dahin aus seriösen Quellen belegten Basics berichtet wurden.

    Ja, die Öffentlich Rechtlichen sind langsam, aber gestern empfand ich es zeitweise als sehr wohltuend und angemessen. Plasberg fand ich auch okay. Es ist eben eine Sache der Abwägung, nur dazu muss man Denken, Überlegen, Argumente austauschen und Reden und dazu fehlt mittlerweile vielen Sendern die Zeit – sehr bedauerlich!

  113. Und Twitter treibt dieses Zeitproblem (hastig, hastig, wer hat die neuesten News direkt vom Geschehen??? Wer ist am nächsten dran??? Twittert der Attentäter auch???) leider in solchen Situationen absolut auf die Spitze, weil die übliche „Super-Live-Mitten-Drin-Twitter-Berichterstattung“ in der Art dieses Mediums begründet liegt – was Vor- und (wie in diesem Fall) Nachteile hat. So, genug gesagt.

  114. „erweiterte Selbsttötung“ – Die unschuldigen Opfer nur als Begleiterscheinung der Selbsttötung eines Geisteskranken.

    Bei so viel Gefasel wird mir schlecht.

  115. @Schnuti, #152: Das Problem mit der vom Täter eventuell erwünschten Öffentlichkeit wird der Journalist nicht los, auch wenn man noch so verantwortlich handelt. Andererseits sind die Medien auch hier nichts anderes als „Medium“, also Vermittler bzw. Vehikel. Sie können nichts für die Haltung dessen, über den sie berichten, auch wenn er es vielleicht aktiv beabsichtigt, sich in der Berichterstattung zu spiegeln und durch sie unsterblich zu machen. Wobei – ich möchte hier erneut für eine Sekunde innehalten: Da es Amokläufe auch in der Geschichte gab, glaube ich nicht, dass der mediale Effekt das Problem vergrößert. Er verändert es nur, indem er ihm eine Plattform für die Bildung einer „Kultur“ gibt, in die sich andere wiederum einbetten können.
    Amokläufe sind, sehr abstrakt betrachtet, für den Täter zugleich universelle und finale Macht-Erfahrungen. Solche (Tötungs-)Fantasien sind kein Phänomen, für das es mediale Vorbilder braucht; sie liegen, fürchte ich, in der Natur des Menschen bzw. manches Menschen. Das enthebt den Journalisten natürlich nicht der Verantwortung, anständig und seriös zu berichten, aber es erleichtert ihn um das Gefühl, in dem Dilemma zu stecken, was immer er tut oder unterlässt, nur Fehler machen zu können.
    By the way: Die doch sehr verbreitete Nennung des vollen Täternamens im Fall Winnenden ist aus meiner Sicht auch unabhängig möglicher Beispielwirkung ein Ethik-Skandal, über den etwas lauter debattiert werden müsste. Wofür ist eigentlich der Presserat da, wenn niemand den Kodex kennt?

  116. @Journalist: Ich habe nicht das Gefühl, dass es eine Frage des „Kennens“ ist. Die Leute, die mit 80 durch eine Tempo-30-Zone brettern, wissen doch auch, wie schnell sie eigentlich fahren dürften.

  117. @111 / lars

    „Beachtenswert auch die heutige Titelgeschichte der Süddeutschen. Dort steht der Täter mit vollem Namen und Wohnort. Fehlte eigentlich nur noch Straße und Telefon-Nr.“

    Die SZ hat sich neulich etwas Schlimmeres geleistet. Da war ein Polizist getötet worden, offenbar von seiner Frau. Auf dem Dorf. Ohne Zeugen, ohne Gewissheit über Motiv und Umstände. Der Familienname wurde zwar abgekürzt, aber die Namen der Rassehunde und des Hundeclubs, in dem Täterin und Opfer aktiv waren, standen in der Zeitung – und noch mehr Details, die der geschwätzige Reporter nicht für sich behalten konnte. So konnte man ganz leicht googlen, wo die Eltern des Mannes wohnen, die die Kinder aufgenommen haben.

    Hier liegt der Fall anders. Den Namen von Robert Steinhäuser aus Erfurt kennen wir doch auch alle noch heute. Das Presserecht schützt Verdächtige, für die noch die Unschuldsvermutung gilt, und rezusozialisiernde Straftäter. Es geht allenfalls um das Persönlichkeitsrecht des Vaters, der die Waffe und vor allem die Munition offensichtlich nicht weggeschlossen hat und vor seiner Verantwortung so wenig weglaufen kann wie vor der Tatsache, dass sein Sohn tot ist – was sich auch nicht verschweigen lässt.

    Im übrigen: Im Fernsehen war gestern das Elternhaus immer wieder im Bild. Im Zeitalter von Google Earth dürfte es nicht so schwer sein, auch auf diesem Weg Namen und Adresse herauszubekommen, ohne hinzufahren. Wenn schon, müssten also auch die Sender auf solche Bilder verzichten.

  118. @Stefan, #156: Das Beispiel hat eine gewisse Fallhöhe angesichts des Falls Winnenden. Wenn die Amok-Fachleute nicht alle falsch liegen, liegt gerade in der Grenzüberschreitung der Kick: Man wird alles los, am Ende auch sich selbst. Ernst Wagner kannte den Begriff „Amoklauf“ 1913 wahrscheinlich gar nicht, geschweige denn Privat-TV-Berichte über andere, die einen unternommen hätten, und doch…

  119. Kurz aus der laufenden PK „getwittert“: Der Täter war wegen Depressionen in Behandlung, fühlte sich unverstanden und verlacht… Ein traurig-klassischer Fall, will mir scheinen.

  120. […] Amok twittern Nachdem ich mich mich kurz nach dem Amoklauf von Winnenden entnervt für einige Stunden von Twitter verabschiedet haben, tut es ganz gut, diesen Beitrag von Sfefan Niggemeier zu lesen. Er beschäftigt sich v.a. mit der Fokus-Redaktion, die sich zunächst den Account "Amoklauf" gesichert hat, Protest erntete und dann unter neuem Namen (FocusLive) twitterte. Seine Position: "Auf die Gefahr hin, mich anzuhören wie mein eigener Großvater: Ich möchte das nicht. Ich möchte nicht, dass die Reporter auf dem Weg zum Ort des Dramas denken, dies sei ein guter Zeitpunkt, schnell noch ihre persönlichen Befindlichkeiten zu veröffentlichen." (tags: online-journalismus ethik) […]

  121. […] müssen, ungefähr das letzte, das wir brauchen,” schreibt Niggemeier in seinem privaten Blog. Respekt ! Wenigstens einer der sich traut […]

  122. @anna: BTW: einer dieser kollegen war der heutige ARD-Star von „hart aber fair“ Frank Plasberg …

    (…) Das erinnert schon sehr an die Reporter, die damals in Köln in das Auto der Busentführer stiegen und ein Stück mitfuhren, um ihnen den Weg zu zeigen. Später wurde das als journalistisch fragwürdig kritisiert. Wenn die Situation da ist, wird das mit neuen Medien heute aber ganz genauso gemacht.

    http://www.wdr.de/themen/panorama/kriminalitaet02/gladbecker_geiseldrama_1988/interview_plasberg.jhtml?rubrikenstyle=panorama

  123. Journalist: Es gibt aber psychologisch und medial gesehen durchaus so etwas wie den „Werther-Effekt“, zum Glück noch nicht im Bezug auf Amok-Läufe und ich hoffe und bete, dass das niemals geschieht! Falls doch, so werden die Medien zwangsweise ihre Berichterstattung ändern.

    http://de.wikipedia.org/wiki/Werther-Effekt

    Und hier der Werther-Effekt als medien-induzierte Selbsttötung:

    http://www.psychosoziale-gesundheit.net/psychiatrie/werther.html

    Bitte hier insbesondere die letzten Abschnitte lesen:

    „Suizidprävention aus der Sicht der Medien

    Was können die Medien tun, um den Werther-Effekt möglichst gering zu halten?

    – Sie sollten jede Bewertung von Suiziden als heroisch, romantisch oder tragisch vermeiden, um möglichen Nachahmern keine post-mortalen Gratifikationen in Form von Anerkennung, Verehrung oder Mitleid in Aussicht zu stellen.
    – Sie sollten weder den Namen der Suizidenten noch sein Alter und sein Geschlecht angeben, um eine Zielgruppen-Identifizierung auszuschließen.
    – Sie sollten die Suizidmethode und – besonders bei spektakulären Fällen – den Ort des Suizides nicht erwähnen, um die konkrete Imitation unmöglich zu machen.
    – Sie sollten vor allem keine Informationen über die Motivation, die äußeren und inneren Ursachen des Suizides andeuten, um so jede Identifikations-Möglichkeit und Motivations-Brücke mit den entsprechenden Lebensumständen und Problemen des Suizidenten vermeiden.

    Oder in konkreter Empfehlung:

    Beschreibe den Suizidenten, die Methode, den Ort, die Lebensverhältnisse und die Gründe so abstrakt, dass sie kein Anschauungsmaterial mehr enthalten, das einer möglichen Identifikation und Enthemmung Vorschub leisten könnte (nach W. Ziegler und U. Hegerl, 2002).“

    Siehe auch die Fernsehserie: Der Tod eines Schülers.

    @ hartherzig: Ich glaube leider, dass es so ist und das macht für mich die ganze Tat noch tragischer, wobei egal, welches Motiv dem zugrunde liegt, es ist immer tragisch. Ach mich macht diese Art von sinnlosem Morden einfach nur sprachlos und unfassbar traurig.

  124. Aber ihr habt natürlich insofern recht, in Zeiten von Internet, Twitter und Google-Earth schert sich keiner mehr um solch ethisch-mediale Zurückhaltung und das ewige Argument wird sein: Die Infos sind frei verfügbar und wenn wir es nicht bringen, bringen es die anderen. *seufz*

  125. Das Verhalten von Zeit und Fokus lässt natürlich zu wünschen übrig, besonders die Adwords Anzeige ist bizzar! Die alle sind doch auf Besucher angewiesen, aber die auf diese art zu generieren… Muss nicht sein.

  126. Der Pietätlosigkeit die Krone auf setzt gerade der Privatsender RTL, indem er auf seiner web-site zum Amoklauf, inkl. angeblichem Selbstmordvideo;

    http://www.rtl.de/rtlaktuell/rtl_aktuell.php

    rechts ein Werbebanner einblendet wo für ein Game-online-Spiel geworben wird:

    „Hier Gratisbogenschiessen“

    In der Grafik sieht man dann ein Zielfernrohr u. a. gerichtet auf eine Zielscheibe. Im Werbetext:

    „Herzlichen Glückwunsch – Sie haben 10,00 € zum Spielen gewonnen.

    Video über GameDuell Teilnahmebedingungen

    Bitte hier Spielernamen eingeben (3-20 Zeichen).

    * Viele tolle Spiele kennen lernen
    * Mehr als 10 Mio. Mitspieler treffen
    * Echtes Geld gewinnen“

    Sowas verstehen die Verantwortlichen dieses Schmuddel- und Heuchel-Senders also offensichtlich unter „Synergieeffekte positiv nutzen“!

  127. Ich finde es falsch, in der Hektik dieser Berichterstattung noch über die Hektik dieser Berichterstattung zu berichten, auch wenn es nur zehn Sekunden dauert. Und ich finde es falsch, die Aufmerksamkeit vom Gegenstand der Berichterstattung auf den Berichterstatter zu lenken.

    Warum denn eigentlich? Gerade in einem so hektischen Thema ist ja so viel Potential für hektische Fehler vorhanden, dass die Transparenz um diese Hektik nicht schlecht ist. Niemand wird erwarten, dass die Reporter für diese Hektik bemitleidet werden, aber welchen Schaden lässt diese Information entstehen, dass sie „falsch“ wird?

    Über ein „Wir haben uns gerade einen Cheeseburger bei McDonalds geholt“ könnte man sich zurecht beschweren, über ein „Wir berichten demnächst von vor Ort“ aber nicht.

    Mag mans nicht, muss mans nicht lesen. Mag mans nicht machen, muss mans nicht tun. Findet man die Information wertvoll genug um sie zu erstellen oder zu lesen, dann sollte mans tun.

    Niemand wird dabei verletzt, und die Aufmerksamkeitsspanne auf wird nicht reduziert, nur weil man zwischendurch auch noch eine Info darüber bekommt, wann die FOCUS-Reporter vor Ort eingetroffen sind.

    Also nochmal: Was ist daran, dass die Hektik des Ereignisses und die Präsenz von menschlichen Berichterstattern offensichtlich wird, schlussendlich „falsch“ oder „schlecht“?

  128. Genaueres zum Gerd Blank der SZ. Graff kritisiert Medien, die „eine unverlässliche Quelle“ wie Twitter „zur Grundlage [ihrer] Berichterstattung […] machen“. Leider war er selbst ein wenig „unverlässlich“ bei der Nennung seiner Quelle:

    „Nils Minkmar, Feuilletonist der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung und derzeit Vertretungsblogger von Stefan Niggemeier, griff die Frage nach der Verwerflichkeit auf und antwortete: Ja, das sei „in jeder Hinsicht unangemessen.“ Er, Minkmar, finde es falsch, „die Aufmerksamkeit vom Gegenstand der Berichterstattung auf den Berichterstatter zu lenken.“ Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen.“

  129. Habe gerade bei Google nach „Amoklauf“ gesucht und Anzeigen von Ebay und Amazon erhalten… Eigentlich wollte ich Infos über diese furchtbare Tragödie beziehen – aber natürlich habe ich jetzt richtig Lust zum Shoppen bekommen… Auch wenn hier keine bewusste Anzeigenschaltung vorgenommen wurde, müssen meiner Meinung nach bestimmte Keywords herausgefiltert werden!

  130. Ich bin Filmemacher und bin gerade in der Endfertigung meines neusten Kurzfilms „HALTLOS“, der durch die Ereignisse von Winnenden erschreckende Aktualität bekommen hat.
    Es geht um den Amoklauf eines jungen Mannes, der seine Tat in einem Koma ähnlichen Zustand – in dem er zuerst nicht fähig ist Realität von Traum zu trennen – zu bereifen beginnt.

    Der Film zeigt dabei keine explizite Gewalt, sondern schreckt mehr durch die entsetzliche Erkenntnis am Ende ab.

    Ich würde mich freuen, wenn die Besucher des BLOGs sich für den Film interessieren und ich damit vielleicht einen kleinen Beitrag durch meine Tätigkeit als Autor und Regisseur zum Thema einbringen kann.

    Hier die links zum trailer:

    http://www.youtube.com/watch?v=kQ90Yzi1FWY
    oder
    http://vimeo.com/1524599

  131. […] Amok twittern Ist es eigentlich auch pervers, dass Zeit.de sofort Anzeigen bei Google geschaltet hat, die eingeblendet werden, wenn man nach „Amoklauf” oder „Winnenden” sucht? (tags: germany media journalism Twitter Amok medien) […]

  132. AMOKLAUF – 3 – 2 -1 – meins!

    Einen Amoklauf günstig bei eBay ersteigern können, laut Werbeausage bei Google oder einen Amoklauf bei Amazon zu niedrigen Preisen in Riesen-Auswahl und kostenlose Lieferung ab nur 20 EUR?

    Wie banal ist dann das zwitschern der (Medien)Vögel auf den Flug zum (Story)Futter, wo selbst ein Vogelschiss nicht unerwähnt bleibt. Klar, jeder muss kacken und das dann eben der Welt kund tun. Es gibt zwar noch nichts zu berichten aber selbst das ist 140 Twitter-Zeichen wert.

  133. […] Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat die Berichterstattung über den Amoklauf im baden-württembergischen Winnenden bei Stuttgart scharf kritisiert. Einige Journalisten hätten den Internetdienst Twitter zur Selbstdarstellung genutzt und seien dabei äußerst pietätlos vorgegangen. Das schade dem Ansehen des Berufsstandes, so der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken. Insbesondere das Nachrichtenmagazin “Focus” und der “Stern” wurden heute für die sensationslüsterne und pietätlose Berichterstattung via Twitter kritisiert. […]

  134. Das ZDF hat sich vergangene Woche mit einem Bericht im Heute Journal in die Twitter-Mania eingereiht. Dort wurde in einem Beitrag berichtet wie andere Medien oder Privatleute über den Amoklauf twittern. Einfach gruselig.

    Wenn man nicht mehr weiss was man melden soll, sollte man vielleicht einfach mal die Klappe halten.

  135. Irgendwie ist das auch ziemlich egal. Welche Informationen man sich wo „rauszieht“ ist doch jeden selbst ueberlassen. Eine typische „blabla Twitter ist so wichtig noch mehr blabla mir wird ganz schlecht“ Diskussion.
    Aber ihr wisst ja…
    Arguing on the internet is like running in the special olympics…You may win but you are still retarded!
    ;-)

  136. Übrigens: Die ZEIT hat immerhin offenbar die Google-Kampagne gestoppt, die FAZ ist noch mit dabei…

  137. Das Medium ist die Message. Wenn sich Twitter (oder das Internet an sich?) so super dazu eignet, Banales, Pietätloses oder Nichtiges ohne Zeitverlust zu verbreiten, dann passiert das eben auch. Lest doch einfach mal wieder ein gutes Buch. Oder eine gute Zeitung (wenn es so etwas noch gibt).

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