Koch & ich

Ich habe heute meinen ersten Ministerpräsidenten interviewt.

Und zum ersten Mal die erste Seite des F.A.Z.-Feuilletons vollgeschrieben.

Jetzt bin ich ein bisschen erschöpft.

Nun würde eigentlich gerne ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern, mit was für Aufregung eine solche Geschichte verbunden ist — insbesondere, weil Roland Koch (der eigentlich gerade im Urlaub ist) sich bis zu diesem Interview nicht zu der von ihm betriebenen Demontage des ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender geäußert hatte. Aber erstens weiß ich nicht, wie die F.A.Z. das fände, und zweitens fehlt mir die Zeit.

Interessant wäre aber die Frage, ob das eigentlich journalistisch in Ordnung (oder schlichter: nett) ist, die Aussagen eines Interviewpartners in derselben Ausgabe gleich kritisch zu kommentieren.

Und dank der Prozesshanselei des angeblich ersten Journalisten von Burda, Helmut Markwort (der ebenso wie sein früherer „Spiegel“-Kollegen Stefan Aust gerade effektiv für Einschränkungen der Pressefreiheit in Deutschland kämpft), ist da auch noch eine andere Frage: Wenn ich als Interviewer nach Ansicht von Markwort, Aust und Gerichten auch dafür verantwortlich bin, keine falschen Tatsachenbehauptungen des Interviewten zu veröffentlichen — wie gehe ich dann damit um, dass Koch behauptet, dass die „Heute“-Sendung 2008 von weniger Menschen gesehen wurde als „RTL aktuell“ (was nicht stimmt, ich aber erst hinterher nachschlagen konnte). Oder damit, dass er Claus Kleber als den Rädelsführer hinter dem Offenen Brief so vieler leitender und prominenter ZDF-Mitarbeiter darstellt (was anscheinend auch nicht der Wahrheit entspricht)?

28 Replies to “Koch & ich”

  1. Vorhin dachte ich noch: Sehr cool, der Herr Niggemeier. Macht da ein knallhartes Interview mit Koch und verliert auf dem Blog kein Wort darüber. Hier erkennt man eben den Qualitätsjournalisten und den Unterschied zu einem Johnny von Spreeblick. Dachte ich so. Aber gut, macht euch beide ja irgendwie sehr sympathisch :-)

    Das mit dem Kommentar fand ich allerdings auch seltsam, vor allem, weil ich den zuerst gelesen hatte (gehe immer zuerst auf die Medienseite, wo das Interview bis dato nicht auftaucht). Ein bisschen schizophren, diese zwei Textarten mit jeweils unterschiedlicher ähm… Konfrontativität. Aber in Lokalzeitungen kommt sowas ja auch häufiger mal vor: Kommentar und Berichterstattung nebeneinander vom selben Autoren. Und für Koch dürfte deine kritische Grundhaltung wohl nach dem Gespräch kein Geheimnis mehr gewesen sein, nehme ich an.

  2. @Daniel: Könnte ich auch mit leben, wenn es so wäre – aber warum sollte das so sein? Koch hatte doch auch die Chance, seine Position ausführlich darzustellen.

  3. Dafür, dass der Text (auf FAZ.net) von jemandem stammt, der sich über fehlendes Korrekturlesen bei RP-Online amüsiert, enthält er aber ganz schön viele Fehler ;-)

  4. Interessantes Interview. Der Koch arbeitet mit allen Mitteln. Würde er die gleichen Maßstäbe, welche er bei Brenders bisheriger Arbeit anlegt, auch bei der – von ihm installierten – Spitze des Hessischen Rundfunks anwenden, müßte er „seine“ Leute sofort hinauswerfen. Der HR präsentiert sich nach außen hin verheerend (Quoten, Programm-Niveau, peinliche Gerichtsprozesse).

    Dass Koch bei seinem eigenen Haus-Sender tatenlos zuschaut, dürfte Beweis genug sein für die eigentlichen Motive in Sachen ZDF.

    Egal, wie die Sache beim ZDF ausgeht: die CDU/CSU hat mal wieder Punkte gemacht. Selbst, wenn Brenders Vertrag verlängert werden sollte, wird man in irgendeiner Hinsicht die „Schwarzen“ zufrieden stellen. Das ein oder andere Pöstchen wird halt dann den Unionisten zugestanden. Brender ist dann angezählt, alle anderen sind gewarnt: CDU/CSU sind die wahren Mächtigen beim ZDF, diese Botschaft wird nachwirken.

    So ist es eigentlich schon immer gelaufen. SPD, FDP und Grüne sind nicht in der Lage, dieser schon fast traditionellen Unverschämtheit der Konservativen etwas entgegen zu setzen. Wenn es um pure Machtpolitik geht – und es geht nur darum -, setzen sich die Schwarzen halt durch. Weil: Begriffe wie „journalistische Unabhängigkeit“ sind Leuten wie Koch doch letztlich völlig schnuppe.

  5. Also mein (durchaus wohlgenährtes) journalistisches Bauchgefühl sagt mir, dass ich Interview und Kommentar zum gleichen Thema mindestens grenzwertig finde. Das hat so ein bisschen was von nachkarten – auch wenn es wahrscheinlich nicht so gemeint ist. Ich hätte es besser gefunden, die Argumentation des Kommentars in die Fragen des Interviews zu packen, Koch damit zu konfrontieren und dann entsprechend nachzuhaken. Aber ich weiß jetzt auch nicht, wie das Interview und dessen Autorisierung abgelaufen sind.
    Verschärfend kommt in meinen Augen noch hinzu, dass Kommentar und Interview vom selben Autor sind.

  6. Sehr erfrischendes Interview! Danke. Leider bin ich Interviews gewohnt, die nur eine lose zusammengeschusterte Reihe an Fragen und ihre Ausweich-Antworten enthalten. Bitte mach weiter mit dem Nachhaken in Interviews. Auch die Kommentierung finde ich angebracht. Warum sollte es ein Problem sein, die eigene Kommentierung des Journalisten oder zumindest eine Art „Fact-Check“ einem Interview anzuhängen?

  7. zu den falschen Tatsachenbehauptungen:
    Warum diese nicht einfach transparent wiedergeben, und dahinter als Anm.d.Red. schreiben dass sie falsch sind?! Fände ich besser als wenn man Teile des Gesagten wegläße.

  8. Wenn Hr. Koch in einem Interview tatsaechlich Unwahrheiten behauptet – Verzeihung – sich nicht absolut korrekt erinnert, warum sollte man das nicht am besten noch in Sichtweite des Interviews in derselben Zeitung berichtigen? Waere das nicht ein Zeichen fuer eine ordentliche journalistische Arbeit, wenn der Interviewer nicht alles glaubt, was ihm erzaehlt wird, sondern das selbst nachprueft? Gerade Roland Koch gehoert zu denjenigen, die bekannt sind fuer ihr schlechtes Gedaechtnis. Ein interessierter Leser duerfte dankbar sein.

    Allerdings: sowas im eigenen blog zu machen ist wohl durchaus schlechter Stil.

  9. @ccc (#9):

    Finde ich gar nicht. Habe selten ein derart kerniges Interview mit einem Spitzenpolitiker gelesen.
    In einem Politiker-Interview geht es m.E. in erster Linie darum, aus dem Interviewpartner – höflich aber bestimmt – möglichst konkrete Antworten zu Fragen herauszukitzeln, die relevant für die öffentliche Meinungsbildung sind. Und ich finde, das hat Stefan prima hingekriegt.
    Und was spricht denn dagegen, dass der Fragesteller anschließend auch seine eigenen Ansichten zu den besprochenen Themen in einem Kommentar zum Ausdruck bringt? In das Interview gehört das m.E. nicht, denn ein Interview ist kein Meinungsaustausch.

    @Stefan: Ich mecker‘ ja auch ab und an gerne am ‚Qualitätsjournalismus‘ rum. Aber hier hab‘ ich fast nichts auszusetzen. Hättest Du’s nicht erwähnt, hätte ich nicht vermutet, dass dies Dein erstes Mal war ;o).
    Zum ‚fast‘ und zu den falschen Tatsachenbehauptungen in Interviews: Meiner Ansicht nach sollte es Usus sein, dass ein Interviewer den Wahrheitsgehalt der behaupteten Fakten nachrecherchiert und gegebenfalls nachträglich richtig stellt und zwar – diesbzgl. gebe ich luna (#11) Recht – zuallererst im selben Medium, in dem auch die falschen Behauptungen veröffentlicht wurden.

  10. Ich hab‘ da jetzt ernsthaft ständig „Mistelpräparate“ statt „Ministerpräsident“ gelesen.

    Ministelpräparadent? Na egal…

  11. @Arnulf: Die Autorisierung war völlig unproblematisch. (Also, nicht dass da jetzt irgendwelche Gerüchte aufkommen, weil ich oben so bedeutungsschwanger von einem Nähkästchen erzählt habe. Da ist nichts irgendwie Skandalöses drin.)

  12. Herr Koch erzielt eine deutliche Verbesserung seiner materiellen Situation, indem er seine Katzen zu wenig füttert. Das respektiere ich.

  13. @Omar:

    „Leider bin ich Interviews gewohnt, die nur eine lose zusammengeschusterte Reihe an Fragen und ihre Ausweich-Antworten enthalten.“

    Ja, da müssten die deutschen Medien mal zusammenhalten und das mit dem Autorisieren der Interviews konsequent ablehnen. Solange das aber als Standard gilt, wird man keinen Politiker vor den Block bekommen, wenn der nicht in nachhinein nochmal drüberlesen darf.

    Das wollen selbst Chefs von kleinen Mittelständlern, denen man auf einer kleinen Messe in Arbeitsamt ein, zwei Fragen (wie läuts, hat es sich gelohnt?) stellt den Artikel vorher lesen, bevor sie antworten.

    Mut ist so eine Sache für einen freien Journalisten, der auf die Honorare angewiesen ist. Ich erinnere an die Geschichte, die im vergangenen Frühjahr auf Telepolis stand:

    Zeit Online will einer freie Journalistin keine Aufträge mehr erteilen, weil sich ein Bundestagsabgeordneter über sie beschwert hatte.
    http://www.heise.de/tp/r4/artikel/27/27731/1.html

  14. Es kommt schon ein wenig seltsam rüber, dass so manche Kritikpunkte aus dem Kommentar nicht auch im Interview erwähnt wurden. Warum z.B. Herrn Koch nicht damit konfrontieren, dass Quote nicht unbedingt etwas mit Qualität zu tun hat und die Gründe angesichts der Auszeichnungen eher vorgeschoben wirken?
    Dass beides in einer Ausgabe steht, wirkt auf der einen Seite schon ein wenig wie feiges Nachtreten, nachdem man sich im Interview nicht getraut hat (wahrscheinlich aber eher erst hinterher ein-/aufgefallen ist). Auf der anderen Seite gibt es aber ein besseres Gesamtbild ab als beides getrennt zu veröffentlichen.

    @nona: Überdosis Fernsehblog? ;)

  15. Ätsch! Ich habe meine ersten beiden Ministerpräsidenten schon vor ein paar Jahren interviewt. Allerdings nicht für die FAZ, sondern nur für Wikipedia.

    In der Sache hätte ich mir natürlich gewünscht, wenn einige der Argumente, die hier und im FAZ-Kommentar genannt werden, auch im Interview gefallen wären. Aber ich kann es verstehen, wenn einem in der konkreten Interviewsituation nicht alles sofort einfällt.

  16. Beim Handelsblatt kommentieren wir selbst geführte Interviews in der Regel nicht, ich finde das auch besser so. Denn stößt das Interview eine Debatte an, lässt sich dann immer noch nachlegen. Tut es das nicht – waren die Äußerungen vielleicht auch nicht kommentierenswert.

    Was die Fehler betrifft: Im Interesse des Lesers läge wohl, direkt im Anschluss an die fehlerhafte Äußerung diese zu korrigieren, oder dies per Fußnote zu tun. Generell könnte man natürlich auch nochmal den Interviewpartner anfragen – aber ich vermute schwer, das lässt sich kurzfristig bei einem Politiker nicht machen: Die Abstimmungsprozesse sind ohnehin behäbig wie ein halbtoter Wal.

  17. ich empfinde es durchaus als normal, dass werktätige im bereich abfallentsorgung/wiederaufbereitung nach getaner arbeit nochmals über die dicksten stücke sondermüll debattieren. meinetwegen auch gleich direkt auf dem recyclinghof…

  18. gutes Interview, finde ich. Nicht so hart, daß es einem die Möglichkeit raubt, in Zukunft nochmal einen MP zu interviewen, aber auch nicht so weichgespült, daß der Erkenntniswert gegen Null geht.
    Der Kommentar allerdings klingt schon ein wenig nach Nachtreten. ^^

  19. Ich hätte kein Problem damit, wenn Politiker (die klug, weise und gerecht sind) hier und da ihren Einfluss über den Rundfunkrat geltend machen, wenn es tatsächlich angebracht erscheint. Im Fall Brender riecht es nach Parteipolitik. Aber gewaltig. Für meinen Geschmack macht Nikolaus Brender eine sehr gute Arbeit. Am „Länderspiegel“ oder dem „Auslandsjournal“ ist überhaupt nichts auszusetzen. Das ist gern gesehenes Wert-Fernsehen. Die ZDF-Quote mit der von RTL-Produkten vergleichen zu wollen, hat über das Ziel hinaus geschossen. Quote und Qualität haben in vielen Fällen leider nichts miteinander gemein, wie es auch Mirko (17) ähnlich angemerkt hat. Kochs Argumentation war an dieser Stelle nicht sehr qualifiziert.

    Es ist grundsätzlich höchst problematisch, dass Parteien so eng mit den Medien vernetzt sind, vor allem dann, wenn Parteien von solch schlechter Güte sind, wie unsere Bundestagsparteien.

    Das FAZ-Interview war ein echter Lese-Genuss.

  20. Zur Causa Blender gibt es einen wertvollen Kommentar eines TV-Journalisten, der das über- und unparteiische Vergnügen mit dem nun aus allen Ecken gelobten Chefredakteur hatte:
    http://www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/wie-geht-es-uns-herr-kueppersbusch-73/
    Friedrich Küpperbusch kann sich so was leisten. Viele andere halt nicht.
    Denn alleine aus der Tatsache, dass hier politisches Mauscheln im Spiel ist den Schluss zu ziehen, der ZDF-CR sei „einer der besten“ die wir haben ist – kurgeschlossen.

  21. Koch scheint vom brutalstmöglichen Aufklärer
    des CDU-Spendenskandals jetzt zum brutalstmöglichen Aufpasser im Bereich
    Quoten der Öffentlichen Fernsehanstalten mutiert zu sein. Er gibt sinkende
    Quoten des ZDF im Bereich Politik als Grund für seine Aktivitäten gegen
    Chefredakteur Nikolaus Brender und damit auch Intendant Schächter an.

    Folgender Vorschlag für ihn: Er möge im trio infernal Koch, Merkel, Stoiber
    veranlassen, dass Herr Harald Schmidt, vulgo Dirty Harry, und Herr Pocher,
    vulgo Olli the Pocher, der ARD entzogen und jeweils Chefredakteur Politik
    bzw. Moderator des heute journals werden. Das würde sich sicher positiv auf
    die Quoten auswirken und in eindrucksvoller Weise zur angestrebten weiteren
    Popularisierung des ZDF beitragen.

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