Die Adventsklickmaschine von jetzt.de

Sie scheint täglich größer zu werden, die Panik der Medien, aus ihren Internetangeboten womöglich nicht auch den allerletzten Klick herausgepresst zu haben. Bei jetzt.de, dem Online-Jugendableger der „Süddeutschen Zeitung“, treibt die Verzweiflung gerade besondere Blüten. Gestern fand jedes Mitglied auf seiner persönlichen „jetzt-Page“, die ein Gästebuch enthält und verschiedene Möglichkeiten, sich anderen vorzustellen, plötzlich ein großes Bild wieder:

Es handelt sich, wie die Redaktion mitteilte, um einen „besonderen Adventskalender“: Um die Türen zu öffnen und zum Beispiel einen Fisch durch die Winterlandschaft springen zu lassen, muss man jetzt.de viele Klicks schenken. Das passiert mithilfe des „jetzt.de-Weihnachtsspiels“, das Besucher von sueddeutsche.de (und dieses Blogs) schon unter den Namen „Klick it like Beckham“ kennen.

Zur Lösung sind mehrere Dutzend Klicks nötig, die von sueddeutsche.de sämtlich als „PageImpressions“ an die zentrale Zählstelle der IVW geschickt und dann von Medienjournalisten und anderen Ahnungslosen gerne mit Ausweisen redaktionellen Erfolgs verwechselt werden.

Die Begeisterung bei der sogenannten „Community“ über das Geschenk hält sich bislang in Grenzen: Viele Kommentatoren bitten um die Möglichkeit, die vorweihnachtliche Klickmaschine wenigstens auf ihrer jetzt.de-Page ausblenden zu können. Ihre Beschwerden verhallen bislang ohne Reaktion.

[mit Dank an Christoph Lauer!]

Nachtrag, 17:45 Uhr. Um 15:55 Uhr reagierte jetzt.de-Mitarbeiter Nico Wilfer in den Kommentaren:

Wir bringen sehr bald für Nichtsammler die Möglichkeit, den Adventskalender aus der jetztpage zu entfernen. Bitte entschuldigt, dass wir das nicht schon zum Start angeboten haben.

25 Replies to “Die Adventsklickmaschine von jetzt.de”

  1. Haha, danke!
    Zu erwähnen ist außerdem, dass die Redaktion gefühlt derzeit ca einmal die Woche ein neues Klickspiel, Verzeihung, „Bilderspiel“ wie das ja inzwischen heißt, heraus bringt.

  2. Der Fairness wegen muss man sagen, dass ein Techniker mittlerweile dies hier in den Kommentaren zur Diskussion gepostet hat:
    „nico-wilfer 02.12.2008 | 15:55
    Wir bringen sehr bald für Nichtsammler die Möglichkeit, den Adventskalender aus der jetztpage zu entfernen. Bitte entschuldigt, dass wir das nicht schon zum Start angeboten haben.“
    Ein anderer ergänzte Ebenfalls:

    wolfgang-luebke 02.12.2008 | 16:15
    Liebe User,

    wir arbeiten gerade an einer Möglichkeit den Adventskalender zu entfernen.

    Gruß,
    die Technik

    Man reagiert also zumindest auf die Kritik.

    Das man allerdings nicht von vornherein daran gedacht hat, dass vielen so ein Quark nicht gefallen würde und aus vorherigen Diskussionen die ähnlich abliefen nichts gelernt hat, spricht jedoch vom Selbstverständnis dieser Redaktion.

  3. Hab der FAZ grad circa 100 Klicks geschenkt:

    http://event.faz.net/crackit/

    War tatsächlich halbwegs unterhaltsam. Und ich fühle mich nicht missbraucht als Klickvieh. Seltsam. Stimmt mit mir etwas nicht?

    Ernsthaft. Weil es ja alle machen: Liefern die gezählten Klicks nicht doch zumindest ansatzweise einen Anhaltspunkt für den redaktionellen Erfolg? Relativ gesehen, quasi im direkten Vergleich zwischen den sogenannten Nachrichtenseiten? Blogs natürlich ausgenommen.

  4. Wie missbrauche ich virtuell das „Fest der Liebe“?

    Indem man als kommerzielle Webseite mit vorgetäuschten redaktionellen Inhalten sinnlose Klicks penetriert. Dann muss man sich auch nicht wundern, wenn verbal zurückgek(l)ickt wird.

    Wann gibt es mal wieder positive Kritiken in Blocks oder bekommt man heutzutage nur mit Negativkritik User auf seine Seite und in den Kommentaren?

    Ich will auch mal kommentieren: „ja, das gefällt mir auch gut; den/die kann ich auch gut leiden; der/die/das machen ihre Sache zu unserer vollsten Zufriedenheit usw.“

    Gibt es denn nur noch Missstände, die es redaktionell zu ermitteln, aufzudecken und zu kommentieren gilt?

    Ständig diese reale und virtuelle Stresserzeugung kann auf die Dauer gar nicht gesund sein.

    Kein Wunder das die Welt, real wie auch virtuell so negativ eingestellt ist.

  5. Egalisieren sich die ganzen Kickhaschereien der verschiedenen Wettbewerber nicht mittlerweile? Vermutlich geht’s doch nur noch darum, nicht im Nachteil zu sein… Wie war das eigentlich nochmal mit der Fewer-Clicks-Benutzerfreundlichkeit? :-)

  6. „von Medienjournalisten und anderen Ahnungslosen gerne mit Ausweisen“

    Mensch, Stefan, Du bist echt gut, aber warum muss es immer diese Verallgemeinerung sein? Siehst Du nur die Turi2-Spacken in die Tasten hauen? Bald, so scheint es, brauchen wir ein s.-n.blog…, oder? Beste Grüße, Klaus.

  7. hm..also diesen fall von klickdoping find ich nun auch nicht so dramatisch.

    neon.de bietet so ein Spiel schon lange an, als Auszeit-Duell und weißte was, es macht Spaß!

    Das ist vielleicht der größere „Skandal“, dass jetzt.de von neon.de klaut…

    Ansonsten muss ich mich da vielen vorkommentatoren anschließen: Inzwischen gleicht sich ja das Klickdoping wahrscheinlich wieder aus.

    Wobei die anderen Fälle mit Klickstrecken über 500 Seiten weiter Leserverarschung bleiben!!!

  8. Diese Klick-Spiele werden hier ja am laufenden Band kritisiert. Ich glaube aber, dass die Kritik aus technischer Sicht nicht gerechtfertigt ist.

    Ein Hit entsteht immer genau dann, wenn ein HTTP-Request an den Server geschickt wird und dieser antwortet. Dies wird in den Logs aufgezeichnet und ist natürlich statistisch verwertbar. Deshalb haben ja auch die Anbieter ein immanentes Interesse daran, einen Artikel auf mehrere Seiten zu verteilen.
    Die Klick-Spiele basieren aber alle auf JavaScript. Dies ist eine Scripting-Sprache, die komplett clientseitig (sprich im Browser) ausgeführt wird (Die Kommentarvorschau hier unterhalb der Box wäre ein Beispiel dafür.). Der Webserver liefert also nur einmal das Script aus, ist dann aber am Spiel absolut unbeteiligt. Das lässt sich auch einfach mit einem HTTP-Sniffer (Wireshark, etc.) bestätigen. Während der Klicks findet keine Datenübertragung statt, d.h. die Anzahl der Klicks ist völlig unbedeutend, ich könnte auch mitten in den Text klicken, es hätte den selben Effekt.

  9. Disclaimer: Eventuell können die Klicks über ein JavaScript mitgeloggt werden, was ich jetzt nicht überprüft habe. Fest steht aber, dass ein Klick kleine klassischen Hit (d.h. HTTP-Request) auslöst.

  10. Man kann sich einfach mal die Mediadaten von jetzt.de ansehen

    http://www.tomorrow-focus.de/marken_2008/language_de_/index.html?marken_id=jetzt&content_id=website

    und hier

    http://jetzt.sueddeutsche.de/mediadaten

    Wobei unter erstem Link die aktuellere Version ist. Auf Seite sieben werde die PI angegeben. Ins Auge sticht der Monat Juni mit 12.000.000 PIs. Warum? In diesem Monat war die EM und zu diesem wurde ein Klickspiel angeboten, dass folgendermaßen funktionierte: Jede Stunde konnte man ein Tütchen mit fünf Spielerbildchen öffnen, es gab ca. 180 Spieler zu sammeln. Man konnte die Bilder mit anderen Usern tauschen, man konnte aber immer nur ein Bild gleichzeitig verschicken.

    Seit März gibt es Klickspiele auf jetzt.de die PIs lagen monatlich bei ca. vier Millionen. Im März dann auf sieben, April fast zehn. Man sieht also, wie die Klickspiele grade bei dieser Seite die PIs ziemlich erhöhen.

  11. das problem ist eben die evaluationsmethode der ivw, von der die werbeeinnahmen abhängen. das sollte man vor allem kritisieren.

  12. […] Und man bezahlt die Suchmaschine Google dafür, die eigenen Beiträge an erster Stelle zu positionieren, sucht jemand nach einem relevanten Begriff. Das Ziel: Möglichst viele Clicks und Seitenimpressionen. Die sagen natürlich wenig aus, außer, dass die Seite oft geladen oder auf ihr geklickt wurde. (Was im übrigen auch der Grund ist, warum wir so oft “Fotostrecken” angeboten zu kommen: Anstatt alle Bilder benutzerfreundlich auf einer Seite zu positionieren, muss man für jedes einzelne Bild – genau – klicken.) (Zusatz: Stefan Niggemeier hat dies am Beispiel des jetzt.de Adventskalenders erklärt.) […]

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