KJM und RTL im konstruktiven Dialog zum Thema Jugendschutz bei DSDS
So lautete die Überschrift einer Pressemitteilung, die RTL gestern verschickte. Das ist die Art Satz, mit der früher gerne auch die „Aktuelle Kamera“ im DDR-Fernsehen ihre Meldungen begann.
Der Sender verlautbart:
RTL hat in der Sitzung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) am 6. März die Gelegenheit erhalten, auf die Vorwürfe der Kommission zu „Deutschland sucht den Superstar“ zu reagieren. „Die Gespräche mit der KJM sind sehr konstruktiv verlaufen“, so Dr. Tobias Schmid, Bereichsleiter Medienpolitik bei RTL. „Unabhängig von der juristischen Bewertung von ‚Deutschland sucht den Superstar‘ durch die KJM ist das Thema Jugendschutz für uns von besonderer Bedeutung. Wir vertrauen darauf, dass es auch in Zukunft dazu einen positiven Austausch mit der KJM geben wird.“
Da hat jemand die ganz große Nebelmaschine angeworfen. Große Worte, viel Bläh und Bla. Eine Nachricht ist jenseits des Wir-haben-miteinander-geredet nicht zu erkennen. Und was bedeutet der letzte Satz? RTL „vertraut auf“ einen positiven Austausch mit den Jugendschützern? Ist das ein Versprechen: RTL wird sich Mühe geben, die Forderungen der Jugendschützer zu berücksichtigen? Oder eine Foderung: RTL verlangt, dass die Jugendschützer nicht so auf Konfrontationskurs gehen? Oder ein Deal: Wenn die Jugendschützer nicht so viel öffentlichen Krach schlagen, werden wir auch mit uns reden lassen?
Ein PR-Satz wie eine optische Täuschung: Wenn man genau hinguckt, ist plötzlich nichts mehr da.
Aber die Verlautbarung geht ja noch weiter. Womöglich werden wir noch so etwas wie eine Nachricht in ihr finden:
Das Unterhaltungsformat „Deutschland sucht den Superstar“ läuft inzwischen in der vierten Staffel sehr erfolgreich.
Okay, das hat mit dem Thema nichts zu tun, schreibt sich aber gut reflexartig mal hin.
„Wir sind sehr darauf bedacht, die Akteure nicht zu beschädigen.“
Das sagt der RTL-Unterhaltungs-Chef Tom Sänger, und ich hoffe, sie haben wenigstens herzhaft gelacht bei RTL, als sie sich diesen Satz ausdachten. Weiter sagt er:
„Einige der jetzt diskutierten Fragen sind aber wohl eher Geschmackssache und weniger ein nachhaltiges Problem des Jugendschutzes. Entsprechend freuen wir uns, dass es hinsichtlich des Formats DSDS und den Ausstrahlungen im Hauptabendprogramm keine Beanstandung geben wird.“
Haben Sie’s gemerkt? Da war die News. Denn es wird zwar keine formelle Beanstandung für die Ausstrahlung im Hauptabendprogramm geben, sehr wohl aber eine für die Wiederholung im Nachmittagsprogramm. Und das Urteil der KJM ist erfrischend deutlich, wie aus deren Pressemitteilung hervorgeht:
Beleidigende Kommentare der Jury sowie die redaktionelle Aufbereitung und Inszenierung der Auftritte einiger Kandidaten waren geeignet, die Entwicklung von Kindern unter 12 Jahren zu beeinträchtigen. In einem Massenmedium wurde vorgeführt, wie Menschen herabgesetzt, verspottet und lächerlich gemacht werden. Antisoziales Verhalten wird auf diese Weise als Normalität dargestellt.
Und auch was die Ausstrahlung am Abend angeht, kritisieren die Jugendschützer RTL:
[Die KJM] war der Auffassung, dass die Sendungen auch für diese Altersgruppe [der 12- bis 16-jährigen] problematisch sind und äußerte Kritik daran, dass sie vor Ausstrahlung nicht von der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) geprüft worden waren.
Aber auf all das wird RTL ja nun in seiner Pressemitteilung eingehen. Vielleicht ein bisschen harmloser formuliert, ein bisschen schöngefärbt, am besten gleich mit einer fundierten inhaltlichen Erwiderung gegen die Bedenken der Bedenkenträger. Also, hier der Rest der RTL-Pressemitteilung:
„Natürlich wissen wir um unsere besondere Verantwortung als Familiensender, die wir sehr gewissenhaft wahrnehmen“, so Tom Sänger, Bereichsleiter Unterhaltung Show & Daytime bei RTL.
Oh.
Wieviel Angst muss ein deutscher Fernsehsender haben, um solche prawdaesken Pressemitteilungen herauszugeben? Und bei der Prawda hatte das noch halbwegs Sinn, weil deren Leser keine Chance hatten, das, was sie verschwieg, woanders zu erfahren. Heute ist die Wahrheit nur einen Klick entfernt.
Ich glaube übrigens wirklich, dass das nicht nur traurig, sondern einfach schlechte PR ist. Denn mit jeder Pressemitteilung dieser Art, die RTL verschickt, sinkt das Grundvertrauen, das ich als Journalist in Zukunft gegenüber einer Pressemitteilung von RTL habe.
Salz in die Augen der PRler, der letzte Absatz. Gute Aufdröselung!
„Ein PR-Satz WIE eine optische Täuschung“? Zutreffender und kürzer: „Ein PR-Satz IST Täuschung“.
Was hätten sie denn schreiben sollen?
z.B. „Trotz eines konstruktiven Gesprächs haben die Jugendschützer entschieden, dass die Ausstrahlung von DSDS im Nachmittagsprogramm beanstandet wird. RTL hält diese Maßnahme für unberechtigt, weil … [gute, von Medien zitierfährige Argumente einfügen], wird sich aber natürlich dem Urteil der Aufsichtsbehörden fügen.“
Alternativ (wenn man keine guten Argumente hat): gar keine Pressemitteilung herausgeben.
PR steht jetzt hier für Public Relations oder Press Relations, Phantasielose Ratlosigkeit, Planlose Rückendeckung, Peinliches Rätselraten, Plemmplemm Radebrechend, Pannen Retusche, Phallus Reduktion, … ?
Gut, dass es Abkürzungen gibt, dann war das alles nicht so gemeint.
Empfehle den PR-Text Generator zu entwickeln:
Wir, {Unternehmensname} sind ein global agierendes {Branche} und für uns stehen natürlich die Interessen unserer {Zielgruppe} im Mittelpunkt unserer {Aktion}. Für {irgendwas-was-man-rechtfertigen-muss} können wir nur {Funktion: Verantwortung-abwälz()} gerade im Rahmen der {irgendwas}.
Unser neues {Produkt} ist definitiv {Eigenlobgenerator} und es ist uns ganz wichtig {call:Sand-in-Augen-2.0}
{Ablenkungsdatenbank: select * von * Völlig anderes Thema}
Deswegen werden wir {schlecht verbrämtes Unternehmensziel} nur mit {Verantwortungskatalog} (Ironie-Filter)
{Erfolg-wünsch-floskel}
{Grußformel}
{Name des Bauernopfers}
Diese Pressemitteilung beweist doch nur eins: RTL ist es völlig schnurz was die KJM verlautbart. Bei den Quoten ist es auch nicht mal verwunderlich. Selbst wenn jetzt ein „Imageschaden“ entstehen oder ein Bußgeld erhoben würde, bei den Quoten wäre mit als RTL-Geschäftsführer alles egal, eine Pressemitteilung schicke ich nur raus um zu suggerieren ich würde diese Kritik tatsächlich ernst nehmen.
@Thomas: Wenn es das Ziel war, mit der Pressemitteilung zu suggerieren, RTL nähme die Kritik tatsächlich ernst, ist das aber gründlich in die Hose gegangen. Da hätte es schon geholfen, die Kritik überhaupt zu erwähnen.
@Dominik: Kannst Du das programmieren? Dann verkaufen wir das zusammen und werden reich! :-)
@Stefan 7.
…wirtschaftlicher ist aber ein kleiner Praktikantenwiesel, der Journalismus studiert und abgebrochen hat und jetzt in Betriebswirt macht…
-obwohl von selbigem könnte man auch die Sprachblasendatenbank füllen lassen. Oh. Gott, jetzt mache ich mir da schon ernsthafte Gedanken darüber. Hihi
Herrje, mein Sand-in-Augen 2.0 ist gerade wieder abgestürzt. Das ist noch ne beta-Version, oder?
@ 3: Nichts.
Sand-in-Augen 2.0 funktioniert nur mit dem Hirn-am-Eingang-abgegeben 4.75 Browser. Für alternative Hirnsysteme weichen Sie bitte auf die Opensource Software VWNGnu 1.0 (VieleWorteNichtsGesagt) aus. Unsere Entwickler arbeiten mit Hochdruck an den Service Packs, denn wir sind ein global agierendes Softwareunternehmen…
Bitte, läuft doch.
Vielleicht auch nur Aktionismus. Presse- und Rechtsabteilung sollen ja auch ausgelastet sein. Zumindest bis zum Umzug in die Messehallen und dem damit verbundenen Personalabbau…
Schockierend fand ich das Interview in der TAZ („Köstlich amüsiert“) zum Thema Jugendschutz und DSDS.
Dort reduzierte der Chef der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen, Joachim von Gottberg, die profitorientierte Strategie von RTL/ Bertelsmann (Aufmerksamkeit durch Skandale erregen) auf die mangelhaften Manieren des Simon-Cowell-Darstellers Bohlen, verhöhnte die – tatsächlich – machtlose Medienaufsicht ganz offen („in Pressemitteilungen hatte die KJM schließlich großspurig angekündigt“) und forderte unter Hinweis auf die Globalisierung („in Frankreich wäre so etwas beispielsweise undenkbar“) und EU-Richtlinien das Ende des deutschen Jugendschutzes.
Das Jonet-Medienblog zeigt, wie erfolgreich das Manöver war: Zehn Artikel zum Thema. Zugegeben: das meiste sind Intellektuellen-Blätte, aber auch Spiegel Online hat es aufgegriffen.
Torsten: Eine Hälfte dessen, was Jonet verlinkt, ist nicht aktuell, sondern aus dem Januar.
Und z.B. bei DWDL heißt es: „Ganz ungeschoren kommt RTL aus dem Jugendschutz-Verfahren der KJM wegen ‚Deutschland sucht den Superstar‘ nicht heraus, auch wenn es sich in der offiziellen Mitteilung des Senders so liest.“ Auch nicht gerade der Beleg für einen PR-Erfolg der RTL-Propagandaabteilung.
Nicht alle Journalisten sind so doof, wie der Sender offenbar glaubt.
Du hattest doch nie „Grundvertrauen“ in PMs von RTL, oder?
War das jetzt der Journalistendisclaimer?
[…] hatte daraufhin in einer prawdaesken Pressemitteilung den Unterhaltungschef Tom Sänger den Satz sagen lassen: „Wir sind sehr darauf bedacht, […]
[…] hatte daraufhin in einer prawdaesken Pressemitteilung den Unterhaltungschef Tom Sänger den Satz sagen lassen: „Wir sind sehr darauf bedacht, […]
[…] Vorsitzende der KJM und Chef der BLM, nahm am selben Tag das Urteil schon vorweg: RTL habe aus der Beanstandung im Vorjahr keine Konsequenzen gezogen. Darüber sei er „schwer verärgert”. […]
Hier ein Link zu den Vor-Vorrunden aus dem Off eines ähnlichen von RTL geplanten TV-Formats – etwas Off-Topic vielleicht, doch ich wollts unterbringen:
Caster für neue RTL Produktion gesucht
Sorry, der Verweis funktionierte nicht, noch ein Versuch:
http://dsb.uni-leipzig.de/~dsb/anzeigendetails.php?id=176548&angebotgesuch=angebot&stadt=alle&suchbegriff=&anzeigen=jobs&beginn=50