Oktober 2006. Die „Frankfurter Rundschau“ schreibt über Blogs — und verwechselt Monate mit Tagen. Zwei Wochen später macht derselbe Autor denselben Fehler noch einmal.
Dezember 2006. „Jetzt.de“ schreibt über Blogs — und verwechselt Monate mit Tagen. Als er von den Lesern in den Kommentaren auf seinen Fehler hingewiesen wird, wiederholt der Autor ihn pampig. (Der Artikel ist bis heute nicht korrigiert.)
März 2007. Die „Fach“-Zeitschrift „werben & verkaufen“ schreibt über Blogs — und verwechselt Monate mit Tagen.
Es muss eine Berufskrankheit sein. Journalisten können nicht über Blogs schreiben, ohne sie um den Faktor 30 zu klein zu machen. Der neueste Fall trägt die Überschrift „Das Ende des Blogging-Wahns“ — und natürlich hätte man da schon aufhören sollen zu lesen.
Nachdem ich es trotzdem getan habe, hätte ich so einige Fragen an den Autor Gregor Fuchs. Zum Beispiel, was er mit seiner gleich zweimal gebrauchten kryptischen Formulierung meint, diese oder jene Firmen hätten „so etwas wie einen Blog“. Vielleicht wäre ich nach Ansehen der entsprechenden Seiten schlauer, wie Blog-ähnlich sie sind. Aber dazu müsste ich jede einzelne mühsam recherchieren. sueddeutsche.de hat es geschafft, den „w&v“-Artikel über das Internet im Internet zu veröffentlichen, ohne einen einzigen Link zu setzen.
Fuchs beruft sich auf die Blogstudie der Universität Leipzig und schreibt:
Nur gut ein Viertel (26,4 Prozent) aller Teilnehmer gab an, den Inhalten von Corporate Blogs zu trauen.
Im Gegenteil: Nur gut ein Viertel gab an, ihnen nicht zu trauen.
Und schließlich behaupten w&v bzw. sueddeutsche.de über das Schlämmerblog:
Die von der Agentur Tribal DDB betreute Site kommt pro Monat auf vergleichsweise hohe 25000 Nutzer …
Nein, nicht pro Monat. Pro Tag.
Journalisten verrechnen sich, was Blogs angeht. In jeder Hinsicht.
das sind aber auch ganz schön viele zahlen! und damit bringen sie naturgmäß ebenso eine menge verwechslungspotential mit sich. das sollte man nicht vergessen. die armen autoren.
[…] Andererseits: Was soll man erwarten von einer Seite wie sueddeutsche.de, die ihren Lesern in einem (gemeinsam mit Langenscheidt veröffentlichten) Internetlexikon den Begriff Weblog allen Ernstes so erklärt: Website mit nicht kommerziellem Inhalt und personalisierter Information, die regelmäßig mit Informationen zu einem bestimmten Thema aktualisiert wird. (…) Der Name ist dabei Programm und kommt von den Logfiles, in denen ein Webserver Zugangsdaten mitschneidet (…). […]
au weia. danke für’s nachzählen. und nachfragen.
Da könnte man schon von Medienmanipulation sprechen, um die kleine Konkurrenz noch kleiner zu machen.
Wird langsam Zeit, dass der Pressekodex (Inhalt u.a.: Selbstverpflichtung zur gewissenhaften Recherche, Ehrlichkeit im Sinne von Faktentreue etc.) auch für Printjournalisten gilt. Sonst müssen wir die mal von Bloganwälten abmahnen lassen ;-)
Da kann man generell einen größeren Bogen ziehen. Es ist absolut beängstigend was für ein Unsinn in den „Massenmedien“ bei Themen geschrieben wird, die irgendwas mit IT/Computer/Internet zu tun haben.
Wenn ich an diverse Weblog-Artikel in Zeitungen denke, an die Abhandlungen von Video… – pardon: Killerspiele in den Politikmagazinen von ARD & ZDF oder auch die Second Life-SPIEGEL-Story, dann zeichnet sich da für ein verdammt großes Gebiet derartig große Inkompetenz und Ahnungslosigkeit ab, wie es mir für kein anderes Gebiet aus dem alltäglichen Leben bekannt ist.
Wie kommts? Inzwischen sollte es doch auch Journalisten geben die mit Computer arbeiten, im Internet surfen oder eine Videokonsole zuhause haben. Wie kommt es, dass „die Medien“ ausgerechnet bei diesem Thema mit werbeattraktiver junger Zielgruppe, einen solchen Unsinn produzieren, das man meinen könnte eine Horde von Amish-People würde die deutschen Medien kontrollieren?
@dogfood: Computerspiele etc. konkurrieren mit dem Fernsehen um die Gunst der Zuschauer bzw. Spieler, und Blogs konkurrieren mit Zeitschriften/Zeitungen um die Gunst der Leser.
Wenn daher also die Konkurrenz miesgemacht wird, kann man eigentlich nur noch sagen: honi soit qui mal y pense…
„sueddeutsche.de hat es geschafft, den Artikel über das Internet im Internet zu veröffentlichen, ohne einen […] Link zu setzen.“
Hab ich was übersehen, oder fehlt ausgerechnet im Blogeintrag, der das Fehlen von Links in einem Artikel von „sueddeutsche.de“ bemängelt, der Link zu genau diesem Artikel?
(Hier isser.)
der Link lag und liegt hinter „werben & verkaufen“ im dritten Absatz
„Es ist absolut beängstigend was für ein Unsinn in den „Massenmedien” bei Themen geschrieben wird, die irgendwas mit IT/Computer/Internet zu tun haben.“
Das stimmt. Beängstigend trifft es genau. Man fragt sich, ob dort in den Redaktionen prinzipiell niemand eingestellt wird, der sich damit halbwegs auskennen könnte.
Und die Tag/Monat-Geschichte hier ist ja wohl nicht mehr lustig. Unfassbar.
Und man fragt sich dann, ob das auch bei Themen gemacht wird, die man nicht so nachrecherchieren kann.
schlämmerblog angeguckt. da steht „der blog“.
der block -> der blog oder was?
[…] Stefan gibts die Korrekturspalte zum Artikel aufgrund einiger Falschaussagen Trackback-URL Gelesen: 1 heute: […]
@Stefan: „Aber dazu müsste ich jede einzelne mühsam recherchieren.“
Das sagt der Leyendecker-Hans: „Die meisten, so glaube ich, verstehen darunter, dass man ohne Hilfe der Sekretärin eine Telefonnummer findet.“
Lieber Stefan Niggemeier,
1000 Dank für die Hinweise. Sie haben recht. Die Blogstudie haben wir falsch interpretiert. Es handelt sich dabei aber nicht um eine Verschwörung gegen die Blogosphere oder gar gezielte Manipulation, um eine These zu stützen. Sondern um schlichte, bedauerliche und ärgerliche Unachtsamkeit. Den Wert und Sinn des Beitrages vermögen diese Unachtsamkeiten jedoch nicht zu beeinflussen. Im Beitrag unseres Autors wird deutlich, dass Corporate Blogs die hochfliegenden Erwartungen, die PR- und Marketing-Experten mit diesem Kommunikationskanal verbanden und zum Teil immer noch verbinden, nicht gerechtfertigt sind. Über falsche Versprechungen und Erwartungen die Kommunikationsprofis zu informieren, war und bleibt unser Anliegen bei der W&V. Gerade am Erfolg mancher privater Blogs zeigt sich doch, dass man Relevanz innerhalb der Blogosphere wohl nicht nicht designen und kopieren kann.
Lieber Herr Reitz,
ich habe auch nicht angenommen, dass es sich um eine Verschwörung handelt. Ich glaube dennoch nicht, dass es ein Zufall ist, dass sich etablierte Medien, wenn sie sich mit Blogs beschäftigen, regelmäßig zu Ungunsten von Blogs verrechnen. Ich glaube, da mischt sich Wunschdenken mit Ahnungslosigkeit. Und da klassische Medien den Blogs ja vor allem mangelnde Qualität und ungeprüfte Inhalte vorwerfen, ist es schon erstaunlich, wie diese klassichen Medien gerade bei diesem Thema wieder und wieder ihre eigenen Defizite in dieser Hinsicht demonstrieren.
Und ein Gedanke noch: Es geht mir nicht darum, dass dem Autor blöde Flüchtigkeitsfehler unterlaufen sind. Blöde Flüchtigkeitsfehler passieren mir dauernd. Aber ich würde, glaube ich, nicht versehentlich in einem Artikel z.B. über RTL eine um den Faktor 30 zu kleine Zuschauerzahl hinschreiben oder Glaubwürdigkeit mit Nicht-Glaubwürdigkeit verwechseln und daraus dann große Schlussfolgerungen ziehen. Ich glaube, ich würde merken, dass das nicht stimmen kann. Ich kenne mich nämlich ein bisschen mit dem Fernsehen aus.
[…] Darüber hinaus weißt der Artikel in der Süddeutschen einige Fehler auf. Darauf geht Stefan Niggemeier ein. Thomas Gigold | Blogwelt | Lesezeichen hinzufügen bei… del.icio.us Mr. Wong Yigg […]
[…] In jeder Hinsicht.” So lautet das Fazit des Medienjournalisten Stefan Niggemeier nach einer näheren Betrachtung des bei sueddeutsche.de erschienenen Artikels “Das Ende des Blogging-Wahns“. Ich […]
@Burkhard Reitz
Darf ich ein Zitat bringen?
Douglas Adams (The Independent Sunday, 1999): „Wenn Sie also echte, ernsthafte Informationen über BMWs haben wollen, dann ist http://www.bmw.com der letzte Ort, wo Sie sie finden.“
Gregor Fuchs wollte wohl irgendwie sowas machen, oder zumindest hat er behauptet, er könnte das. Es ist ihm nicht gelungen.
@Stefan
Flüchtigkeitsfehler? Jetzt werde bloss nicht zu höflich – das ist einfach ein schlechter Artikel.
Es ist schlicht und einfach „schlampige Arbeit“.
@grey
Du hast vollkommen recht, der Artikel ist einfach grottenschlecht. Die „Recherche“ ist echt dürftig ausgefallen. Mehr war aus Sicht des Autors wohl auch nicht nötig, denn seine Meinung schien schon vorab festzustehen.
Wenn er wirklich fundierte Erfahrungsberichte gesucht hätte, hätte er nur mal beim PR-Blogger schauen müssen, der beschäftigt sich mit nichts anderem als Corporate Blogging. http://www.pr-blogger.de
Jetzt habe ich den comment von Herrn Reitz eine halbe Stunde auf dem Schirm und ich spiele jetzt mal.
Ich mache das jetzt mal so, wie ich es gelernt habe:
Hinweise
recht
wir
stützen
Unachtsamkeit
jedoch
gerechtfertigt
falsche
Relevanz
Das ist sein Comment – vielleicht kennt jemand das Spiel von dem Wort in einem Satz, das sich einprägen soll.
Reitz kennt es bestimmt. Der Trick ist, die Schlagwörter auszumachen, die ihn durch den Text begleiten.
Im Telegrammstil sieht sein Spiel so aus:
Hinweise recht +++ wir stützen Unachtsamkeit +++ jedoch gerechtfertigt +++ falsche Relevanz +++
Ich liebe dieses Spiel. Und wirklich böse ist der ja nicht.
F…
‚These‘ muss an dritter Steller rein – sonst klappt es nicht.
? Könnt ihr mir das Spiel noch mal erklären?
[…] Sie verwechseln was. Andauernd. Warum auch der Artikel der SZ kürzlich fehlerhaft ist hat Herr Niggemeier aufgelistet – und ein Beispiel bei dem ein Journalist sich weigerte trotz des nachgewiesenen Fehlers […]
[…] des Blogging-Wahns? Nun, von den inhaltlichen Fehlern mal ganz abgesehen: Wo kein Anfang, da auch kein […]
„Könnt ihr mir das Spiel noch mal erklären?“
Ja, das würde mich allerdings auch interessieren. Ist das so eine PR-Sprech-Sache?
[…] kann man nicht aufhalten. Und wie kann etwas zu Ende gehen, dass die „alten“ Medien anscheinend immer noch nicht richtig verstanden haben? Oder vielleicht auch (noch) gar nicht verstehen wollen? (Um es kleinreden zu können?) Ich […]
ich bleib dabei :
http://www.teno.de/teno/deutsch/blog/2007/03/05/sind-wir-nicht-alle-ein-bischen-bloggiert/
[…] (4/07) schafft es Autorin Ernestine von der Osten-Sacken, sich in ihrem Artikel über Blogs im Gegensatz zu anderen Medien bei den Besucherzahlen nur um den Faktor zehn statt dreißig zu verrechnen, überrascht […]
[…] anderen Blogs und schon ist es um den Tagesablauf geschehen. Ich finde was ganz Interessantes bei Stefan Niggemeier . Dieser Artikel führt mich dann zur Sueddeutschen Zeitung, da ich ja auch das Original der […]
Sueddeutsche.de: Journalistische Sorgfaltspflicht in der Praxis…
Das Ende des Blogging-Wahns. Endlich. Journalisten lieben Weblogs. Wirklich? Der Wunsch manches Journalisten scheint Vater seines Artikels zu sein. Zu dieser Erkenntnis gelange ich, wenn ich die sueddeutsche.de online lese. Wie geht es Euch? Blogger w…
[…] vor. Denn auch wenn manche Zeitungsjournalisten ein Ende des Blogging-Wahns herbeisehnen (und dabei einige entscheidende Zahlen verwechseln), bleibt als Fakt: Weblogs haben handfeste Vorteile – zumindest für den, der sich mit ihnen […]
wie sehr blogger die dinge durcheinander bringen zeigst du in deinem artikel wirklich gut!
schaue ich mir die stats. so an ich würde mal sagen dass der Journalist mit 25000/monat ganz gut liegt!
eine schwalbe macht halt noch keinen sommer ;)
lol!
aber zumindest schreibst du deinen artikel nachprüfbar! dafür mal ein lob!
denn das ist in der blogger szene leider nicht selbsverständlich und fehler macht jeder mal!
gruß
der wasserbetten fan
[…] Stefan Niggemeier » Wiederholungstäter III über den Artikel aus der Süddeutschen… (tags: Blogs Web2.0 PR Journalismus) […]
[…] zum wiederholten Male ganz groß!Wie kann es eigentlich eine der besten Zeitungen Deutschlands online so […]
[…] die Auflagezahlen von Printmedien zwar sinken, aber die Zugriffszahlen von Blogs zwar höher sind als manchmal behauptet, aber halt noch immer verschwindend klein im Vergleich zu Presse und […]
@6 „Wenn ich an diverse Weblog-Artikel in Zeitungen denke, an die Abhandlungen von Video… – pardon: Killerspiele in den Politikmagazinen von ARD & ZDF oder auch die Second Life-SPIEGEL-Story, dann zeichnet sich da für ein verdammt großes Gebiet derartig große Inkompetenz und Ahnungslosigkeit ab, wie es mir für kein anderes Gebiet aus dem alltäglichen Leben bekannt ist.“
Auch wenn’s um „die Musikindustrie“ geht, wird so manches inkompetent und ahnungslos in prompt den verkehrten Topf geworfen.