Stefan Niggemeier

„morgen bestellen wir ap ab“

Ich bin kein Fan von „Welt Kompakt“, aber diese Wortmeldungen aus der Redaktion sind eine wunderbar ungefilterte Form von Medienkritik und ein schöner Einsatz des Mikro-Blogging-Tools „Twitter“:



AP hatte um 21:23 Uhr eine Eilmeldung mit folgendem Inhalt versandt:

US-Regierung: Verschwörung zur Ermordung Obamas aufgedeckt

Washington (AP) Die US-Regierung hat nach eigenen Angaben eine Verschwörung zur Ermordung des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Barack Obama aufgedeckt.

Erst eine Stunde später, aber ungleich treffender berichtete Reuters, ganz ohne aufgeregtes „Eil“: „Eine Woche vor der Präsidentschaftswahl haben die US-Behörden offiziellen Angaben zufolge möglicherweise einen Anschlag auf den demokratischen Kandidaten Barack Obama vereitelt.“

Mehr bei Medienrauschen.

61 Replies to “„morgen bestellen wir ap ab“”

  6. Interessant ist das deutsche Medien dieser Meldung eine ungleich höhere Bedeutung beimessen als amerikanische. Während Caren Miosga in den Tagesthemen mit düsteren Andeutungen halb Deutschland in Angst versetzt hat und die BILD online ganz groß von MORDKOMPLOTT berichtet, findet sich – so wie ich das derzeit sehe – auf keiner amerikanischen Newsseite irgendwas vergleichbares. Das war schon beim angeblichen Anschlagsversuch vor ein paar Wochen der Fall. Ich glaube das haben die Leute bei Welt kompakt ganz richtig geblickt.

  8. sind mir diese Kmmentare Sympatisch? Ja!
    Werd ich deswegen „twitter“ ausprobieren? Nein.
    Aber danke für das Grinsen :)

  15. Köstlich, köstlich.. ich mag übrigens nicht nur welt kompakt nicht, sondern auch Twitter nicht. Persönliche Präferenzen „und so“..

    Sebastian liegt im Koma, er hats also gelesen ;o)

  19. Schaut euch mal am Morgen danach die einschlägigen Nachrichtenseiten an: Welt.de, stern.de, focus.de, rp-online.de und viele mehr sind sich auch nach der extrem relativierenden Korrekturmeldung nicht zu schade, in ihren Teasern von irgendwelchen „Mordkomplotten“ zu fantasieren und geheimnisvoll von „Anschlägen von Neonazis“ zu sprechen – und damit die Situation völlig zu übergeigen. Auf bild.de traue ich mich gar nicht zu gucken. Mir ist schlecht …

  20. Der öffentlich-rechtliche Radiosender „Einslive“ hatte kein Problem damit, diese unglaublich wichtige Meldung heute morgen in seinem Radio zu bringen. Wenn das so weiter geht, fange ich doch an zu twittern.

  21. Auf SPON wurde die Meldung gestern abend noch mit einem unkenntlich gemachten Foto eines dieser Möchtegern-Attentäter illustriert. Heute morgen kann man sein Gesicht dann unverpixelt sehen.

    Fangen die jetzt auch schon an wie die Bild-Zeitung?

  22. Ich habe das gestern auch live gelesen und mich köstlich darüber amüsiert (und direkt in meine Favoritenliste eingespeist), seitdem ist Welt kompakt in meiner Sympathieskala wirklich etwas nach oben gerückt – für solche direkten, durchaus emotionalen Kommentare aus der Redaktion liebe ich Twitter! Und Zeitungsredaktionen und Unternehmen sollten es genau deshalb auch tun – direkt, ungeschminkt, ungefiltert, persönlich, kritisch, authentisch – klasse! > Kunden- und Leserbindung!

  23. DerWesten twittert im übrigen auch sehr nett, abwechslungsreich und witzig und die Brauerei Moritz Fiege ebenso. Und auch der großartige Stephen Fry twittert engagiert. Für mich ist Twitter im Kommunikationsmix der Zukunft nicht wegzudenken. Schönes Tool, obwohl anfänglich sehr skeptisch, nutze ich es mehr und mehr und entdecke die Vorteile – gerade auch die Funktion der persönlichen Kurznachricht – sehr praktisch.

    Aber natürlich kann ich auch die Kritiker verstehen :-)

  24. […] Das “Nichts” bezog sich darauf, dass die Agentur AP zunächst von einer “Verschwörung” geredet hatte. Geil auf die Aussicht eines – vielleicht von George Bushs Schergen gesteuerten Mordkomplotts von Grisham-Ausmaßen – stellte man dann fest, dass es sich aber ”nur” um zwei kleine Neo-Nazis handelte – und fühlte sich wohl etwas verarscht. [Medienrauschen | Niggemeier] […]

  26. So einfach sollte man es sich nicht machen. Immerhin haben schon mehrfach Amokläufer ihre Taten im Internet angekündigt – und nachher haben sich alle gefragt, warum man das nicht ernst genommen hatte.

    Selbst wenn es die beiden nicht bis Obamo geschafft hätten: Ein Massaker an einer Schule wäre ja schlimm genug.

    Im übrigen würde man sich wünschen, dass Welt und Welt Kompakt auf den Hype, den Bundesinnenminister Schäuble immer um angebliche islamistische Terroristen in Deutschland macht, ähnlich reagierten. Bei zwei noch auf dem Flughafen festgenommenen Männer stellten sich kürzlich die angeblichen Drohschreiben für Terroranschläge als Liebesbriefe heraus. Die Festnahmen waren uns von fast allen Medien als Beweis für eine „fortgesetzte islamistische Bedrohung“ präsentiert worden.

  27. Solche Ehrlichkeit ist nur herrlich erfrischend solange man mit der dargebotenen Meinung übereinstimmt. Mal ein komplett aus dem Kontext gegriffenes Beispiel erfrischender Ehrlichkeit auf einer noch bekannteren Internetpräsenz (Achtung, ENGLISCH):
    http://www.youtube.com/user/dijhili
    „So ehrlich sollten alle schreiben.“*
    ;o)

    (* Lieber nicht. Im Übrigen: Stefan kämpft schließlich für journalistische Integrität und gegen Polemik)

  28. Wäre es nicht sinnvoll, wenn Menschen die Nachrichten aus den USA verfassen vernünftig Englisch könnten?

    Ich bin weder Jurist, noch Übersetzer, noch Journalist, aber wenn ich im Rahmen einer solchen Meldung von „Verschwörung“ oder „Komplott“ lese, dann gehe ich erst einmal davon aus, dass jemand den amerikanischen Tatbestand „conspiracy“ (= „Verabredung zu einem Verbrechen“) falsch übersetzt hat.

    Ist es wirklich zu viel verlangt eine solche kritische Einordnung (und Englisch- und Landeskenntnisse) auch (und gerade) von Profis zu erwarten?

  29. Mark. „Verabredung zu einem Verbrechen“ – bitte entschuldige, aber das klingt wie Ringelpietz mit Anfassen, Yogi-Tee und ein bisschen Bomben bauen nebenher.

  31. Fein, fein. Da zeigt sich doch ein wenig, wofür Twitter gut ist: Wirklich ungefilterte Meinungen, etwa aus einer Redaktion. Ein hübsches Sprachrohr. Und in diesem Fall zeigt es die fieberhafte Aufgeregtheit, die auch die deutschen Medienwelt langsam aber sicher in eine überdrehte Angela-Merkels-Schnürband-offen-Breaking-News-Landschaft verwandelt…

  32. @Schnuti: Mark hat vollkommen Recht! Das deutsche Strafrecht kennt in §30 II StGB die Verabredung zu einem Verbrechen, eine Alternative des Versuchs der Beteiligung an einem solchen. Bomben gebaut haben sie ja gerade nicht, geschweige denn damit angefangen. Sehr viel weiter als bei einem Plan, einer Vorstellung von dem Überfall auf das Waffengeschäft und das spätere Attentat waren sie ja nicht – und Gedanken sind sowohl in den USA so wie auch hier nur in ganz begrenztem Maße strafbar – nämlich dann, wenn man sie zumindest in einem gewissen kommunikativen Akt manifestiert hat: „Man steht bei dem anderem im Wort und kommt deshalb von der Vereinbarung nicht so leicht los“, heisst es dazu in der Literatur.

  33. Und auch LEO weiß nicht alles. Laut Wiki: „In the criminal law, a conspiracy is an agreement between natural persons to break the law at some time in the future, and, in some cases, with at least one overt act in furtherance of that agreement“

  37. @Mark/#28:
    Ich bin Übersetzer, und mir wird ziemlich regelmässig ziemlich schlecht wenn ich den Zustand von ausländischen Nachrichten/Reportagen/Dokumentationen sehe sobald sie von der deutschsprachigen Medienmaschine verwurstet wurden, umso defekter je heisser die benutzte Nadel beim Stricken war.

    Mir begegnete diese „Verschwörungsmeldung“ gestern zunächst als tiefrot schreiender Breaking-News-Crawler auf n-tv und N24 (natürlich alle zwei Zentimeter unterbrochen von „Aktuelle News auf Ihr Handy, für nur ein Arm und ein Bein pro Minute“). Wie wenig Substanz das wirklich hatte war schnell klar, weil ich mich im selben Moment mit einem Freund in den USA unterhielt, der mir versicherte, dass sich dort niemand sonderlich aufregt oder ungebührlich News breakt.

    Random disclosure:
    Ich kann Microblogging nicht ausstehen, jedenfalls nicht bevor es nicht dem „blödsinniger Hype“-Status entwachsen ist.

  38. @Schnuti: Deutsch- bzw Englischkenntnisse sind eben mehr als nur in Wörterbüchern nachzuschauen.

    Es bedeutete sich darüber im klaren zu sein, dass Begriffe wie „Verabredung zu einem Verbrechen“ und „conspiracy“ einerseits eine „Allerweltsbedeutung“ haben und andererseits die juristisch gut definierten Namen von Tatbeständen sind.

    Man kann „Verabredung zu einem Verbrechen“ für zu niedlich und „conspiracy“ (z.B. im US Bundesrecht) für zu aufgeregt benannt halten, aber juristisch sind sie (soweit das bei so verschiedenen Rechtssystem eben geht) identisch.

  40. Spricht man in Journalistenkreisen die Agentur eigenlich „Ah Pee“ oder „App“ aus?
    Letzteres würde die Überschrift sehr viel lustiger machen.

  43. Ich weiß gar nicht, ob ich es bedenklicher finden soll, dass das sms-gepresste Pupsen und Rülpsen („zum lieblings-libanesen“, „es riecht langsam nach feierabend“, „sushi war extrem fluffig“) offensichtlich nicht ganz ausgelasteter Redakteure als neue Form des Online-Journalismus missverstanden wird oder aber dass ausgerechnet Tugendwächter Niggemeier das anonyme Beschimpfen von Journalistenkollegen als „hirnlose Affen“ zur „wunderbar ungefilterte(n) Form von Medienkritik“ hochjubelt. Das Hirn vorm inflationären Tastendrücken einzuschalten, sollte auch zumindest für Blogger mit Anspruch eine ernstzunehmende Option sein.

  44. Manche, wie Don Alphonso oder Thomas Knüwer, haben ja die Beschimpfung als neue meinungsbetonte Darstellungsform etbaliert, aber auch das habe ich nie verstanden, also warum das so viel Beifall findet. Aber damit haben nun die Welt-Twitterer nichts gemein.

    „das anonyme Beschimpfen von Journalistenkollegen als „hirnlose Affen” zur „wunderbar ungefilterte(n) Form von Medienkritik” hochjubelt“

    finde ich auch, vielleicht bin ich einfach zu spießig um das toll zu finden

  45. Noch was offtopic, wo wir auch gerade bei schlechten Überstzungen aus dem Englischen sind:
    Neulich kam im Fernsehen – ich glaube ÖR – in einem Kulturformat (also natürlich ÖR) ein Bericht über einen Künstler, der Installationen mit kleinen Digicams oder Überwachungskameras macht. Da haben sie seine Worte, dass er die Kamera ganz einfach in einem kleinen „spy store“ gakauft hat, doch glatt mir Gewürzladen überstzt! In einem normal produzierten Beitrag, also keine Synchronübersetzung. Sowas muss doch spätestens dem deutschen Sprecher komisch vorkommen…

  47. In der New Yorker U-Bahn-Zeitung „Metro“ war das heute die Titelseite. Die Zeitung wird immerhin von mehreren Milliarden (Achtung: Zahl könnte dramatisiert sein) Pendlern gelesen…
    Ein Anschlag auf Obama ist auch genau das womit die meisten Amerikaner rechnen (direkt nach dem Tod McCains und der Übernahme des Amtes durch Palin). Die Meldung trifft also den amerikanischen Nerv… was kann man AP da vorwerfen?

  48. Was kann man AP vorwefen? Exakt das.

    Aber natürlich kann eine Nachrichtenagentur, statt Nachrichten zu verbreiten, auch versuchen, durch übergeigte Formulierungen und die völlig abwegige Klassifizierung als dringende „Eil“-Meldung, Nerven zu treffen.

  49. Naja, abwegig??? Sicher ist das übertriebene Aufblasen jedes noch so unbedeutenden Furzes als „Breaking News“ typisches Merkmal amerikanischer Nachrichten-(Un-)Kultur [Ich persönlich finde das bei den Amis aber zumeist noch recht charmant präsentiert – Steinigt mich!]. Aber die Festnahme zweier, mehrerer Bundesverbrechen Beschuldigter, die dem neuen US-Messias nach dem Leben trachten [Egal, wie bizarr und unrealistisch der Plan auch war, die Bedrohung ist nunmal strafbar] ist im Verhältnis schon einer Eilmeldung würdig.
    Das die AP „Conspiracy“ in „Verschwörung“ und nicht in das sachgerechtere „Verabredung zum“ übersetzt ist ein Lapsus, der aber eigentlich keiner Diskussion mit 50 Kommentaren wert wäre. Aber wenn die Sau erstmal am Ortsschild des Dorfes vorbeigetrieben ist gibts halt kein halten mehr… ;-)

  50. @BN:
    Es ist einer Meldung würdig, angesichts der Unausgereiftheit der „Planung“ -oder eher „diffuser Absicht“- wohl eher nicht einer hysterisch kreischenden Eilmeldung. Es ist keineswegs die erste Anschlagsdrohung gegen Obama in diesem Wahlkampf, und andere haben längst nicht solche Wellen geschlagen. Für meine Begriffe schwerwiegender ist hier sowieso die Idee, das ganze als Amoklauf durchzuziehen, was in vielen dieser Meldungen gerne untergeht oder zumindest lediglich hintenansteht – sind die Leben anderer potentieller Opfer etwa weniger wert als das eines Präsidentschaftskandidaten? Zumal die zwei Verdächtigen offenbar selbst nicht davon ausgingen, an Obama überhaupt ranzukommen, und stattdessen bei dem Versuch zu sterben erwarteten. Was macht denn die Meldung einer sehr sehr frühzeitig *vereitelten* Tat so furchtbar eilig? Doch wohl lediglich das Ausstechen der Konkurrenz im Nachrichtengeschäft. Je lauter desto schrei. Und ist natürlich klar dass Reizworte wie „Neo-Nazis“ extra viel Hysterie in deutschen Redaktionen schüren.

  52. @nona:
    Zunächst einmal: Was denn nun? Zum einen soll der Plan unausgereift und von diffuser Absicht getragen sein, andererseits wird aber den 102 wahllos ins Auge gefassten Opfern zu wenig Beachtung geschenkt.

    Im übrigen: „Breaking News“ werden in den USA sehr viel lockerer gehandhabt – deswegen ist der geneigte amerikanische CNNFOXNewsMSNBC-Zuschauer wohl auch abgestumpfter, als Möchtegern-Nachrichtenprofis aus Deutschland und vermag dergleichen besser einzuordnen. Mein springender Punkt ist letztlich, dass sich die Weltkompakt-Redaktion selbst etwas lächerlich macht, wenn sie zugibt, dass sie auf die ersten Verschwörungs-Eilmeldungen derart angesprungen ist, wie ein Dackel-Rüde auf eine läufige Dogge – weil in heimlicher Erwartung einer Story von Grisham-Ausmaßen, wie ich es in meinem Blog schrieb.
    Ist das die Schuld von AP? Oder vielleicht doch nur der verschobene Empfängerhorizont von Weltkompakt angesichts eines eigentlich kleinen semantischen Fehlers? Es gibt bessere Gründe, sich über was aufzuregen.

    Ich persönlich hoffe inständig, dass es Obama und insbesondere seinen Kindern erspart bleibt, was sicherlich Hunderte von schlicht Verrückten und ideologisch-rassistisch Verwirrten bereits an Attentatsplänen ausgebrütet haben und in die Tat umzusetzen streben. Wir werden leider sicherlich noch mehr solcher Meldungen zu sehen kriegen in den nächsten Jahren, Weltkompakt sollte sich also besser nen dickeres Fell zulegen.

  53. @BN:
    Mir ging es um die Unterscheidung von „Plan“ und „Absicht“. Absichten solcher Natur dürften unter Neo-Nazis wohl leider weit verbreitet sein, aber bislang scheint es so, als sei der daraus entspringende tatsächliche konkrete Plan für eine Tat bei den beiden Verhafteten nicht so sonderlich weit fortgeschritten oder ausgereift gewesen zu sein. Wenn daraus eine Schlagzeile á là „Neo-Nazis wollen Obama töten“ gebaut wird, dann ist das in vielerlei Hinsicht nur pseudosensationell, weil wenig überaschend. Solche perfiden Phantasien dürften in den meisten rechten Erbsenhirnen geistern.

  55. @Stefan:
    War auch kein Vorwurf an Dich, an der Treibjagd haben wir uns ja alle auf der einen oder anderen Seite beteiligt, da spielt es dann auch keine Rolle wer nun die Peitsche in der Hand hatte ;-)

  59. Es bleibt natürlich die spannende Frage, ob Niggemeier auch dann noch von einer „wunderbar ungefilterte(n) Form von Medienkritik“ schwärmen würde, wenn beispielsweise „Bild“ das bildblog.de-Team mit Verweis auf stilistische Schwächen, Grammatikfehler und Schlampereien im Umgang mit Zitierregeln als „hirnlose Affen“ auszeichnen würde.

    Mein Verdacht: Niggemeier würde dann wohl eher seine Anwälte in Stellung bringen.

    Und ähnliches steht wohl auch bei den Twitter-„Journalisten“ aus der Lehrredaktion der „Welt“-Readers-Digest-Ausgabe zu vermuten.

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