Wenn CSU und FDP im bayerischen Landtag über 108 Sitze verfügen, und Horst Seehofer mit 104 Stimmen zum Ministerpräsidenten gewählt wird, ihm also 4 Stimmen aus der eigenen Koalition fehlen, wie würden Sie das Wahlergebnis charakterisieren?
„Spiegel Online“ nennt es eine „überwältigende Mehrheit“:
(Von dem grundsätzlichen Gedanken, dass „Spiegel Online“ eine Neuigkeit einfach erst einmal nachrichtlich melden könnte, ohne ihr sofort einen kommentierenden Dreh zu geben, hat man sich ohnehin längst verabschieden müssen.)
Lustiger fand ich ja, als bei einer Wahl vor einiger Zeit in einem Artikel „PDS“ stand, wo eigentlich die Linke hätte stehen müssen.
„Überwältigend“ wurde offenbar ersatzlos gestrichen.
Nun ja, bezogen auf die 71 Gegenstimmen und 7 Enthaltungen ist das immer noch eine sichere Mehrheit, selbst wenn es (aus dem gelben oder schwarzen Lager) noch ein paar mehr Abtrünnige gewesen wären. Im Gegensatz zu Simonis und Ypsilanti jedenfalls. Und ja klar, „überwältigt“ oder was auch immer sollte man ganz einfach weglassen. Aber wenn die’s gerne so haben wollen …
Wie so oft sagt die Spiegel-Meldung mehr über den Verfasser als über den Gegenstand: Spiegel Online ist einfach sehr leicht zu überwältigen.
Vor ein paar Jahren war hier im Blog eine Meldung aus Spon erwähnt, in der es genau in die andere Richtung ging. Ein Rechtsaussen-Kandidat hatte mehr Stimmen bei der MP-Wahl bekommen, als die Rechtsaussen-Fraktion zu diesem Zeitpunkt gerade Mitglieder hatte. Die Stimmendifferenz ergab sich aus der Zahl der bis dahin ausgeschlossenen Rechtsaussen-Abgeordneten, wurde aber bei Spon zu einem „Welche Demokraten-Fraktion gibt dem Nazi Stimmen?“-Skandal hochgeputscht.
Lektion für Spon dürfte dann fälschlicherweise sein, dass, wie man es falsch macht, man es falsch falsch macht.
Super-Horst begeistert den Spiegel und Spiegel Online ist endlich auf Focus-Niveau.
@Mathias: Oh, so lange ist das noch gar nicht her. (Und die Geschichte heute ist natürlich ungleich undramatischer.)
@ Mathias: Ich wüßte nicht, was Spon (im folgenden: Spawn) falsch machen würde, wenn sie einfach ’nur‘ berichten würden. Gerade in Eilmeldungen.
Oh. Ich meine natürlich: Was Stefan geschrieben hat.*errötend ab*
Entschuldigung, aber hab ich den eigentlich Sinn verpasst oder regt sich Stefan darüber auf, dass SpOn das Wort „überwältigend“ gebraucht, wenn Seehofer ca. 96% Zustimmung aus seiner Fraktion bekommt?
Hoppla, Spiegel-Online hat wohl doch noch dazu gelernt!!
Jetzt (15:25 Uhr) heißt es dort:
„Horst Seehofer ist am Ziel: Der neue CSU-Vorsitzende wurde im Landtag zum Ministerpräsidenten von Bayern gewählt – er bekam aber nicht alle Stimmen aus dem Lager der schwarz-gelben Koalition im Freistaat.“
Komisch nur, das solche Verbesserungen immer erst nach den Einträgen auf den Blogs kommen…
@Leo: Das ist moderner Journalismus 2.0. Stand mal bei Medienlese was nettes drüber: http://medienlese.com/2008/08/25/mainstreaming-media-wozu-herausgeber/
@10, Klaus: Das mit den 96% kannst du nur behaupten, wenn du unterstellst, dass niemand aus den anderen Fraktionen ihn gewählt hat :)
Ypsilanti wäre über 96% Zustimmung anders glücklich als Angela Merkel. Kim Jong Ils Zustimmungsquote ist übrigens laut einem Bericht von Onion News auf 120% gesunken.
„Komisch nur, das solche Verbesserungen immer erst nach den Einträgen auf den Blogs kommen…“
Mitunter merken sies sicher auch selbst. Onlinemeldungen brauchen eben Zeit zum reifen.
Ist es nicht gerade ein Markenzeichen bzw. Unterscheidungsmerkmal von Spiegel Online, in jeden Bericht ein bisschen Kommentierung einfließen zu lassen? Bloß dpa widergeben kann jeder.
Wobei nachträgliches Korrigieren oder/und Feinschleifen weitaus besser ist als ignorantes Stehenlassen, selbst wenn das „wie“ sicherlich meistens diskussionswürdig ist. Egal ob sie es nun selbst gemerkt haben oder von aussen drauf gestossen werden mussten. Natürlich wäre es schöner, der Korrekturbedarf bestünde erst garnicht, aber naja…
Nein nona, das Beste ist, man liest SPON nicht mehr bis sie eine Versionsgeschichte zu jedem Artikel veröffentlichen wie in der Wikipedia.
Auf der WP wird die ganze Zeit herumgehackt, die Artikel könnte ja jeder verändern. Dort kann man aber wenigstens nachgucken, WANN das letzte Mal am Artikel herumgepfuscht wurde.
Schlimmer noch: in SPON wandern irgendwann die Artikel in das Archiv, an das man nur per Zahlung herankommt, ohne sich sicher sein zu können, dass nach dem Einstellen ins Archiv nicht noch Informationen verfügbar geworden sind, die den Artikel entscheidend betreffen.
Deshalb ist SPON für mich gestorben.
Übertrag es doch einfach mal auf eine Person in Deinem Bekanntenkreis. Morgens sagt sie Dir das eine, mittags dann das nächste, und am Abend dann „ach ich hab’s gar nicht so gemeint“. Irgendwann hörst Du einfach nicht mehr hin.
Jetzt lese ich bei einigen von 105 Stimmen. Zählen ist schon schwierig, oder?
„Komisch nur, das solche Verbesserungen immer erst nach den Einträgen auf den Blogs kommen…“
Na, na! Also so viel Selbstlob ist auch nicht gut. SPIEGEL ONLINE hat genügend Leser – und Kollegen vom großen Bruder DER SPIEGEL -, die Feedback geben.
Davon abgesehen ist das Ergebnis doch relativ gut. Da sieht man allerdings wiederum, dass es immer Abweichler gibt und die wären im Falle Hessens für eine Frau Ypsilanti tödlich ;).
Die haben an 104% gedacht und das wäre ja überwältigend.
„Schlimmer noch: in SPON wandern irgendwann die Artikel in das Archiv, an das man nur per Zahlung herankommt,“
Das ist schon lange nicht mehr so. Anders gesagt: Ihr Bekanntenkreis ist immer für Sie da. ;-)
[…] finanzielle Schlagkraft von Konzernen, haben etablierte Namen. Und obwohl viele mosern über Sensationsheischen bei Spiegel Online oder Schlüpfriges bei Süddeutsche.de, wählen die meisten immer diese Seiten an – aus […]
Es kommt halt drauf an was der Schreiber des SPON-Artikels erwartet hat. Wenn er davon ausging, daß Seehofer weit weniger Stimmen bekommen würde als schwarz-rot Sitze im Landtag hat, dann ist das Ergebnis schon überwältigend. Wenn man davon ausging, daß Seehofer auch weit über die Grenzen des bürgerlichen Lagers bzw von den freien Wählern auch die ein oder andere Stimme bekäme, ist das Ergebnis enttäuschend.
um an der stelle, an der mal ein nachrichtenmagazin war, den phantomschmerz zu pflegen, lese ich spon nur sehr sporadisch. und ich bin erstaunt, wie schnell das geht. es reicht, gelegentlich die titelseite zu betrachten und vielleicht ein, zwei artikel zu lesen. die paar links im monat, die mich auf einen befriedigenden artikel führen, reichen total, um den kreislauf von selbst- und enttäuschung am leben zu erhalten.
eine verlässliche quelle – der enttäuschung.
.~.
Genau was .~. gesagt hat.
Ach und @Stefan Pannor: wenn das nicht mehr so ist: gut. Ich konnt es nicht bemerken, ich les es ja nicht mehr.
fabian
schwarz-gelbe
In Bayern regiert Rot nicht mit.
Wenn 56,52% für SPON schon „überwältigende Mehrheit“ sind, was schreiben die da erst bei 56,53%, 56,54%, 56,55%, 56,56%, ….usw.? Die Steigerungsformen würden mich mal interessieren.
Oder wollte man mit diesem spontanen Ausruf, die politische Ausrichtung des Blattes offenkundigen?
„..ohne ihr sofort einen kommentierenden Dreh zu geben, hat man sich ohnehin längst verabschieden müssen.“
Aber schon vor gaaanz langer Zeit. Mittlerweile kann es einem trotz täglichen Studiums der SPON-Seite passieren, dass man (wenn man kein anderes Medium außer dem Internet nutzt) Nachrichten á la „Neuer UN-Generalsekretär ist …“ einfach verpasst, weil SPON statt News zu bringen, irgendetwas wieder einordnet, schon immer gewusst hat bzw. einen sich anhand einer Meldung zunächst aufdrängenden Eindruck bzgl. irgendetwas gleich mal im Keim zu ersticken versucht, weil es nämlich gaanz anders ist.
„Oder wollte man mit diesem spontanen Ausruf, die politische Ausrichtung des Blattes offenkundigen?“
Also das wäre mir ja neu, wo SpOn immer nachgesagt wird, es hätte einen linken Drall.
Warum empört Ihr Euch alle so über SpOn? Logischerweise unterscheidet sich der Online-Ableger keineswegs von seiner Print-Mutter, die ja auch „nie ein Nachrichtenmagazin“ (Enzensberger) war.
Was sagst Du dann erst zu solchen Überschriften?