Statt „Lesen!“

Wahrscheinlich hatte alles damit begonnen, dass sich die interne Qualitätskommission des ZDF mit der Frage beschäftigte, warum die Freitagabendshow „Lanz kocht“ nicht so erfolgreich ist wie die Vorgängersendung „Kerner kocht“, und zu dem Ergebnis kam, dass das nicht, wie man annehmen könnte, am Moderator liegt, sondern am fehlenden Stabreim. Flugs machte man sich also an die Entwicklung einer Show „Lanz liest“, und weil Markus Lanz offenbar im Vertrag stehen hat, dass er im ZDF keine Show moderiert, in der Horst Lichter nicht Gast ist, könnte man den gleich in die erste Sendung einladen und zusammen aus dem gemeinsam geschriebenen Buch lesen. Ab der zweiten Ausgabe würde es dann aber, natürlich, ausschließlich um Kochbücher gehen, und schon hätte man eine zeitgemäße Alternative zu Elke Heidenreichs Büchersendung „Lesen!“, von der sich das ZDF entsprechend leichten Herzens verabschiedete.

Um die abzusehenden Vorwürfe des Populismus zu kontern, ließe sich „Lanz liest“ leicht durch eine zweite, anspruchsvollere, natürlich viel später am Abend gesendete Büchershow ergänzen: In „XY… ungelesen“ könnte Rudi Cerne nach Menschen fahnden, die die Literatur tatsächlich kennen, von der in Feuilletons immer so viel zu hören ist, oder, falls das scheitert, in einer Talkshow gleichen Titels mit prominenten Gästen (also Fernsehköchen) über Bücher diskutieren, die sie nicht kennen.

Hinter dem Titel „Bauer sucht Buch“ verbirgt sich das vielversprechende Konzept einer Doku-Soap, in der Inka Bause die Landwirte, für die RTL beim besten Willen keine Frauen finden konnte, die es mit ihnen, ihren Müttern und den anderen Kühen aushalten, mit einer rollenden Leihbibliothek auf ihren Höfen besucht und ihnen Vor- und Nachteile von Büchern im Vergleich zu Gattinnen nahebringt (plus: gibt keine Widerworte; minus: macht nicht den Abwasch).

Als weiteres Zugeständnis an den Bildungsauftrag plant das ZDF nach unbestätigten Informationen, seine nächste Telenovela im Berliner Vorort Buch spielen zu lassen. Versuche, in der Tradition der beliebten Tierserien „Unser Charly“, „Hallo Robbie“ und „Da kommt Kalle“ eine Familiengeschichte um die Abenteuer eines niedlichen Taschenbuches zu entwickeln, haben sich bislang als unerwartet schwierig herausgestellt. Zum Ausgleich ist der öffentlich-rechtliche Sender aber offenbar bereit, im Rahmen seiner täglichen Tierpark-Berichterstattung die Aufzucht einer Familie von Leseratten im Osnabrücker Zoo filmisch zu begleiten.

(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

44 Replies to “Statt „Lesen!“”

  1. Ironie des Schicksals dass Ranizkis Denkanstoß zu mehr Qualität in den öffentlich-rechtlichen Sendern in letzter Konsequenz zu einer weitern Ausbreitung dieser Seuche namens Markus Lanz geführt hatt.

  2. @Stefan

    Sie wissen doch: Die Ironie und ich… Ich und die Ironie…

    Offenbar gibt es noch andere, die Ironie nur mit Zeitschleife begreifen. „Lanz liest“ ist hoffentlich Ironie.

    Wenn meinereiner Verständnisprobleme mit Ironie hat, zeitigt das keine Konsequenzen für das Programm des ZDF, doch stellen Sie sich vor, einer vom ZDF schaut bei FAZ.net oder hier vorbei.

    Bringen Sie lieber Ironie-Tags an, nur zur Sicherheit.

  3. Klasse Text, wie immer.

    Ich fürchte ja, dass die Idee von „Lanz liest“ (oder wie immer das Format dann heißen wird) gar nicht so abwegig ist. Vermutlich denkt das ZDF wirklich dass erfolgreiches Konzept (Bücher vorstellen) + bei Stammpublikum scheinbar beliebter Moderator (Lanz, Kerner) wirklich eine auch nur ansatzweise angemessene Literatursendung ergeben wird.

  4. Am Ende des zweiten Absatzes beschreibst Du das aktuelle Sendeformat von Elke Heidenreich. Ganz ohne Ironie.

  5. Buch sucht Leser. Deutschland sucht das Superbuch. Auslandsbuch. heute-Buch. Das aktuelle Buch-Studio. Buchstars. Buchstraße. Buchspiegel. Buchort. Die zehn nervigsten Bücher der Welt. Bücher suchen ein Zuhause. B.S.I. – Den Lesern auf der Spur. Welt der Bücher. Mein neues Lesen – XXL. Buchquiz.

    Ich schweife ab…

  6. Wie ging der Spruch? Wenn der Kabarettist soweit ist, dass sein Programm schon ein halbes Jahr später zur Realität wird sollte er in Ruhestand gehen. Ich gebe diesem Post nicht mal dieses halbe Jahr.

  7. ja das zdf. ist schon eine tolle institution. Aber wo sitzen nicht noch alles sehr kluge leute. Aber schön geschrieben der artikel. ich liebe sarkasmus

  8. Bei dieser müden Kabarettnummer würde selbst dem Saalpublikum beim Scheibenwischer die Gesichtszüge einfrieren.
    Schuster, bleib bei Deinen Leisten!

  9. Hervorragender Beitrag zur aktuellen Debatte. Das ZDF sucht seinen Bildungsauftrag…mit Markus Lanz, Horst Lichter und Konsorten! Danke das es doch noch Menschen gibt, die dieses Drama ähnlich sarkastisch beim Namen nennen mögen. Wir bekommen halt doch alle das Fernsehen, das wir offenbar verdienen *seufz*

  10. Für mich persönlich ist die ganze Debatte um so witziger, weil ich das Programm des ZDF nur noch über die Parodien in „Switch reloaded“ kenne. Von daher habe ich im ersten Absatz auch noch nach den Ironietags gesucht, danach fiel’s mir aber leichter :-)

  11. @11 Jetzt müßte man nur noch treffende Worte zu Roger Willemsen finden. – Ohne Kraftausdrücke.

    Im Übrigen finde ich das alles nicht soo lustig hier. Oh Gott, wenn das alles wahr wäre … Habe schon Angst vor „GLanzLichter – Die Show übers Bücherfressen!“

  12. @20/Alberto Green
    Ich glaube nicht, dass die Qualität des deutschen Fernsehens an drei Jahresstunden Elke Heidenreich hängt. Es gab nicht annährend soviel Katzenjammer, als MRR das Literarische Quartett aufgab. Auf die Idee, es mit anderer Besatzung fortzuführen, ist anscheinend damals niemand gekommen. Das es geht (auch mit Nievau) zeigt der „Literaturclub“ des Schweizer Fernsehens (den Willemsen eine kurze Zeit moderierte; jetzt Iris Radisch).

    Die ganzen Eintragungen hinterlassen bei mir einen eher schalen Geschmack: Was soll mit der „Qualitätsdebatte“ angestossen werden? Einerseits heisst es, es sei ein Fehler zu glauben, das Publikum wünsche Qualität – andererseits wird jetzt wegen Frau Heidenreich gejammert. Es ist noch nicht einmal der Begriff „Qualität“ definiert worden (nicht jede Sendung die um 0.00 Uhr läuft und nur 100.000 Zuschauer hat ist alleine deswegen schon gut). Die Glosse über „Lanz liest“ zeigt mir: da weiss einer auch nicht weiter. Das ist bitter, weil, wenn der nicht weiter weiss, wer dann?

    Es gab reichlich Formate, wie auch anspruchsvolle Literatur im Fernsehen angeregt werden kann. Die Flucht in den Zynismus zeigt die Resignation. Schade.

  13. Den Willemsen sehe ich mittlerweile als jemanden, der viel zu früh Herrenhandtasche trägt und ausschließlich über die Vagina von Charlotte Roche redet. Das ist ganz fantastisch. Jedenfalls im Vergleich zu Oliver Geissens Brusthaar. Aber Herr Gott, es gibt soviel großartige Dinge im Fernsehen … und der Rest ist schon so oft hier geschrieben worden, daß ich mich nicht wiederholen mag. Ich sehe außerdem Zynismus (wenn man dem Artikel denn wirklich solchen attestieren will) nicht als Symptom von Resignation. Eher vom Gegenteil. Weiß nicht, wie das bei Stefan ist.

  14. Ohohoh, nicht traurig sein! Ich hab doch gar nicht den Willemsen … achso, Doch. Aber ich habe an deinen Witzen gar nicht rumgemäkelt, ich hab nur gesagt, daß ich das nicht lustig finde, weil ich vor dem Realitätspotential Angst habe. Gekichert hab ich schon. Nicht böse sein. *knufft zwinkernd in die Seite, geht aber zugunsten einer echten Diskussion auch ab*

  15. Wie wär’s mit „Vorlesen !“, moderiert von dem tollen (aber leider unerträglich eitlen) Sprecher Christian Brückner, der aber hinter einem Wandschirm sitzen müßte und von dem man also nur die Stimme hören würde, weil sein pfauenhaftes Gehabe zu sehr von der Sendung ablenken würde.
    Brückners Auftritt in der letzten Ausgabe von „Lesen !“ war fast schon quälend. Am Schluß massierte er sich minutenlang mit ausgestreckten Zeigefingern die Augäpfel.

  16. @22/Alberto Green
    Willemsen liebe ich für zwei Sachen: Eine vernichtende Polemik über Karasek und die Frage an Madonna, ob sie gut küsst (und die Dame vollkommen aus der Fassung brachte). Darüber sehe ich hinweg, dass er den Literaturclub zerquatscht hat. (Sein neues Buch trägt den Titel „Der Knacks“. Ich weiss noch nicht genau, wie ich es finde.)

    @26/Bartleby
    Brückners Auftritt war enorm quälend; er offenbarte grosse Nöte zu erklären, warum „Moby Dick“ denn ein so tolles Buch ist (dabei ist das gar nicht so schwer).

  17. Ist vielleicht etwas off topic, aber da in vielen Kommentaren hier Bezug auf die aktuelle Qualitätsdebatte (wurde das eigentlich schon als Unwort nominiert?) hergestellt wird, wollte ich die Frage doch mal loswerden.
    Warum geht es in dieser Debatte, die sich explizit auf das Fernsehen bezieht, so oft um Literatur oder um Sendungen über diese? Auch schon vor diesem Ranicki-Fernsehpreis-Gedöns.
    Woher kommt diese Assoziation Literatur = Kultur?
    Hat ein Buch per se eine wie auch immer geartete höhere kulturelle Wertigkeit als z.B. ein Film oder ein Computerspiel?
    Für Herrn Reich-Ranicki hat das Fernsehen ja offenbar nur dann eine Daseinsberechtigung, wenn es Literatur rezensiert oder adaptiert. Warum das Medium Buch im vergleich zu anderen Kunstformen derart zum Kulturgut hochgejazzt wird ist mir schleierhaft.
    Ach ja, denn Artikel finde ich sehr treffend :-)

  18. Willemsen ist doch auch kaum besser als Karasek. Er ist zwar ein intelligenter und gebildeter Mensch (sicher intelligenter und gebildeter als die meisten im TV), aber auch furchtbar eitel und leider oft auch geschwätzig, eine Mischung aus Elke Heidenreich (Sprechdurchfall) und Christian Brückner (extreme Eitelkeit) sowie Biolek (unerträgliches Ranschmieren an die Promis, *brrrrrrrrrrr*).

  19. Vielleicht sollte man den Jürgen von der Lippe mit seinem „Was liest du?“ mal auf einen prominenteren Sendeplatz setzen (kommt irgendwann spät auf WDR), statt immer neue Kochsendungen und Kerner-Shows einzuführen.

    @Alberto: deine Idee (?) „GLanzLichter“ ist leider titeltechnisch so genial, dass der Horror in dem Augenblick Realität werden wird, wie ihn der erste ZDF-Mitarbeiter hier liest….

  20. @28: Das habe ich mich in den letzten Wochen auch gefragt… Es gibt doch mindestens so viele schlechte Bücher wie Filme, TV-Sendungen, PC-Spiele etc. Man muss sich nur die aktuelle Bestseller-Liste anschauen…

  21. @Qualität im Fernsehen

    Also ganz unglaublich finde ich diese Lyrik-Endlosserie in 3Sat mit diesem dicklichen Vortragenden, der meist im Pyjama vor einer Kulisse, die vom tschechischen Kinderfernsehen der 80er ausgeborgt wurde, Gedichte vorträgt. Wenn das nicht das Herz jedes Kulturmenschen höher springen lässt, dann weiß ich nicht.

    In meiner persönlichen Rangliste meditativer Sendungen wird die Lyriksendung übrigens nur noch von dieser Malkursserie für eingekiffte Landschaftsmaler von so einem Alt-Hippie übertroffen. Ich glaube, das läuft manchmal auf Bayern.

    Also, wer kann da noch meinen, das öffentlich-rechtliches Fernsehen böte nicht genug Kultur…

  22. @33 Natürlich sind Bücher – genauso wie Musik – Geschmacksache, aber so etwas wie „Schmitz‘ Katze“, „Kennen wir uns nicht?“, „Die perfekte Liebhaberin“ und „Langenscheidt Deutsch-Frau/Frau-Deutsch“ ist ja nicht gerade Literatur. Das macht ja auch nichts – man will sich ja auch mal unterhalten lassen. Deshalb finde ich es ziemlich unrealistisch und auch weltfremd, wenn MRR sagt, das Fernsehen solle sich mehr mit Shakespeare beschäftigen.

  23. Nashwin, ich hoffe für dich und bete zu Gott, daß du da nicht Bob Ross beleidigt hast. Ich werde sehr wütend, wenn jemand etwas gegen Bob Ross sagt. Sehr, sehr wütend.

  24. @37.

    Um Himmels Willen! Ich wollte doch nicht Bob Ross selig beleidigen. Alt-Hippie soll doch keine Beleidigung sein, sondern vielmehr eine Ehrenbezeichnung.

    Und ich schrieb doch, dass die Sendung die Nummer Eins meiner Hitliste meditativer Sendungen ist. Also, wenn das kein Lob ist!
    Und Bob Ross würde Ihre Wut gar nicht goutieren.

    „The little clock on the wall says we are out of time. Happy Painting and God bless you, my friend.“

  25. @35/Augusten
    „Bild dir meine Meinung“, Edition Tiamat, 1999: „Der grosse Antimuff – Hellmuth Karasek-Ein Porträt“. Eine kleine Kostprobe? Okay, ich hoffe, Willemsen verklagt mich nicht gleich:

    Was ihn [Karasek] überforderte – und das passiert „der Kunst“ leicht mal -, das Ambitionierte, Engagierte, radikal Wahrhaftige, formal Gelöste, Experimentelle, Unkommerzielle, Anstrengende, das nicht wie Karasek primär das Massenpublikum penetrieren will, all das ist „arrogant“ und zeugt von „elitärem Dünkel“. Aber wer schützt das Publikum vor der Arroganz des Kritikers, der gegen das Verschwinden Godards eine Huldigung an Tom Gerhard anzubieten hat!

    Man möchte immer weiter zitieren, aber…naja, es gehört ja auch nicht zum Thema hier (Entschuldigung an den Hausherren).

    @36/Thea
    Keine Ahnung, welche Bücher das sind, die Sie da finden. Aber in der aktuellen „Spiegel“- Bestsellerliste (erste 25) findet man neben der üblichen Konfektions- und Ramschware durchaus Gutes: Tellkamps „Turm“, Lenz‘ „Schweigeminute“, Pamuk, LeClézio, Rafik Schami. Es gibt Leute, die auch Regener toll finden (ich kenne das leider nicht); trivial ist das aber nicht (auch wenn es nicht gefällt). Genau so wenig wie Bennett (dieses Buch ist durch Heidenreich und Scheck allerdings erheblich gepusht worden).

  26. @39 Bennett? Kannte ich nicht, aber man kann ja mal schnell nachsehen:
    Ah-ja… Elisabeth II entdeckt durch Zufall die Literatur, usw.
    Scheint was (auch amüsantes) für mich zu sein. Werde gleich mal morgen die Bücherei meines Vertrauens aufsuchen. Danke.
    Übrigens: Die Edition-Tiamat-Bücher füllen auch meine Regale und werden imer mal wieder gerne zur Hand genommen.

  27. Ich bin erstaunt, dass das Konzept überhaupt noch nicht genannt wurde: „Tagebuch“ mit Tom Buhrow – wäre sicher ein Renner.

    Oh und Bob Ross ist großartig. Ich würde ja an dieser Stelle sagen „Gott hab ihn selig“ – aber er hat ja selber quasi Gottstatus. Meditation pur…

  28. Hi, ich habe das Gespräch Gottschalk ./. Reich-Ranitzky gesehen. Meiner Ansicht nach war das Problem dieser Konversation:
    Der eine hat von GELD gesprochen und der andere hat gedacht, es geht um KULTUR.

  29. Ich finde den Titel „Kerner kocht“ sowieso unpassend. Wann hat denn der Kerl überhaupt mal einen Kochlöffel geschwungen? Ich kenne zwar die „Sendung mit dem Lanz“ :) nicht, aber ich vermute, der wird ebenfalls nicht soviel mit Kochen zu tun haben. Und sagt man nicht auch: „Viele Köche verderben den Brei!“

    Offenbar wird beim ZDF auch frei nach Bertold Brecht nach dem Motto gehandelt: „Erst kommt das Fressen, dann folgt die Moral!“
    Oder in dem Fall: die Kultur!

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