Die Jugendlichen, die ein Ehepaar in Tessin auf brutale Art getötet haben sollen, haben sich also vor der Tat anscheinend den Film „Final Fantasy VII — Advent Children“ angesehen.
Einen Trailer kann man sich hier (.mov) ansehen. [Nachtrag: Die Filmfreunde haben eine ausführliche Kritik.] Es scheint alles andere als ein friedlich-harmonischer Film zu sein. Andererseits schreiben uns BILDblog-Leser, die ihn gesehen haben, dass kein Blut fließe, niemand mit einem Schwert niedergemetzelt werde und die Gesamtzahl der Toten etwa vier betrage. Der Film ist in Deutschland ab 12 Jahren freigegeben, in den USA (wegen „intensiver Science-Fiction-Action-Gewalt“) ab 13, in Großbritannien (wegen „milder Fantasy-Gewalt“) de facto ab 8.
Das ist doch interessant: Wenn ein Film, der harmlos genug ist, um von Zwölfjährigen gesehen zu werden, dazu taugt, zwei Jugendlichen irgendwie als Vorlage für eine grauenhafte Gewalttat zu dienen — deutet das nicht darauf hin, dass nicht die Filme Menschen gewalttätig machen, sondern gewalttätige Menschen sich irgendwo die Vorlagen für ihre Gewalt suchen? Und sie sogar dort finden, wo andere Menschen nur mehr oder weniger harmlose Inhalte sehen?
Ohne den naheliegenden Fehler zu begehen, von diesem Einzelfall auf alle zu schließen, scheint er doch ein interessantes Beispiel zu sein, um die Debatte um die Wirkung von Gewaltdarstellungen in Filmen und Computerspielen zu versachlichen. Und von den simplen, falschen Kausalitäten wegzukommen.
Aber was machen die Medien? Sie verhindern diese Versachlichung der Diskussion schon dadurch, dass sie diesen Film nun reflexartig einen „Gewaltfilm“ nennen, so wie sie vorher das Computer-Rollenspiel „Final Fantasy VII“ (ebenfalls frei ab 12) als „Killerspiel“ bezeichneten. Die Nachrichtenagentur dpa schreibt:
Den seit Tagen diskutierten Zusammenhang der Tat mit Gewaltfilmen und Computerspielen bekräftigte die 15-jährige Geisel, die in „Stern TV“ von den Geschehnissen am Tatabend berichtete: Die beiden Jungen hätten zunächst im Haus von Felix den Gewaltfilm „Final Fantasy“ angesehen. Sie seien auch von dem dazugehörenden Computerspiel begeistert gewesen.
Die Nachrichtenagentur AP berichtet unter der Überschrift:
Jugendliche sahen vor Tessiner Bluttat Gewaltvideo
Und am Mittwoch abend behauptet dpa:
Die Hinweise verdichten sich den Erkenntnissen nach, dass sich die beiden 17-Jährigen bei ihrer Tat von „Final Fantasy“ leiten ließen, von dem es auch eine Computerspiel-Variante gibt.
Bei n-tv.de scheint immerhin jemand noch soviel Verstand gehabt zu haben, die Überschrift „Gewaltvideo ‚Final Fantasy‘ wird Wirklichkeit“ nachträglich abzuschwächen.
Wenn schon keiner der Kollegen in die Videothek geht, um sich diesen verdammten Film einmal selbst anzusehen (ich ja auch nicht) — könnten sie nicht wenigstens stutzen, wenn sie die Überschrift „Schüler sahen vor Tötung Gewalt-Video an“ über einen Artikel setzen, in dem es heißt: „Das Video ist bereits für Zwölfjährige freigegeben“?
Manchmal denke ich wirklich, es ist hoffnungslos mit den Journalisten.
Ich hörte gestern ein Interview mit dem amerikanischen Kriminologen Franklin E. Zimring, der in einem Nebensatz mal eben die Vermutung aufstellte, der überraschende Rückgang der Kriminalität in vielen U.S.-Städten könnte ja dadurch begründet sein, dass die Jugendlichen ihre Aggressionen an Computerspielen statt in der Realität abreagieren können. Mit einer solchen Meinung könnte man hierzulande wohl allenfalls noch darauf hoffen, gemeinsam mit der Jazzprofessorin Ilse Storb in eine Talkshow über „wunderliche Akademiker“ eingeladen zu werden.
…und wenn sie vor dem Mord ein Mettwurstbrot gegessen haben war es bestimmt „Killermettwurst“ von BSE-Kühen.
Creutz.
Wie dumm Journalisten schreiben, weiß man leider immer nur dann, wenn es um ein Themengebiet geht, bei dem man sich selbst gut auskennt.
Und genau in diesen Momenten wird einem Angst und Bange, wenn man all die Bereiche denkt über die berichtet wird, von denen man keine Ahnung hat.
ja, genau …
Jedes Mal wenn so ausführlich über „Killerspiele“ berichtet wird, dann hat eine ganze Generation von jungen Leuten die Gelegenheit zu lernen, dass man nicht alles glauben darf, was in der Zeitung steht und im Fernsehn berichtet wird.
Das ist für die meisten 16-jährigen sicher ne ganz neue, aber sehr lehrreiche, Erfahrung.
Von dieser Seite aus betrachtet, hat die Sache sogar was Gutes. :)
[…] Und was Journalisten aus einem Film ab 12 Jahren machen, der noch dazu computeranimiert ist, steht bei Stefan Niggemeier. Schon wieder. […]
Grundsätzlich kann niemand sagen, welchen genauen Einfluß Killerspiele oder Gewaltvideos auf die Betrachter haben. Das können weder die tollsten ZDF-„Terror-Experten“ noch Bischof Huber. Aber „Killerspiel“ oder „Killervideo“ klingen eben gut und dann reicht es, wenn ein Journalist diesen Wort benutzt und zwei Tage später steht es in allen Zeitungen. Es „muß“ ja schließlich immer nach spätestens einer Woche einen Grund für Amokläufe und ähnliches geben, und Verbote von Gewaltvideos kosten nichts im Gegensatz zu einer besseren Erziehungs- und Jugendhilfe.
Ich frage mich übrigens, warum sich niemand darüber aufregt, daß am Mittwoch eines der (vermutlichen) Opfer bei Stern TV zu Gast war. Habe die Sendung nicht gesehen, halte es aber für etwas zwielichtig.
Glaubt Ihr wirklich, Journalisten glauben die Mär vom Killerfilm/-spiel? Ich denke, sie reden einfach dem Volke zu Munde. Einfache, „naheliegende“ Erklärungen kommen halt besser an als komplexe Ursachenforschung.
Erst recht gilt das für Nachrichtenagenturen, zu deren Kunden auch viele Lokalblättchen zählen, die sich eh keine differenzierte Berichterstattung leisten (können).
Doch, der ein oder andere regt sich schon auf über diese Stern-TV-Besetzung. Ich hab’s aber auch nicht gesehen.
Hauptsache es kracht in der Überschrift und das Blut fließt zwischen den Zeilen. Das verkauft sich immer gut und bestätigt auch so wunderbar die Gedanken aller Erwachsenen, dass unsere Kinder alles kleine blutrünstige Monster sind. Wer braucht da noch eine Recherche? Und überhaupt: Liefen die Jugendlichen mit überdimensionierten Schwertern herum?
Stern TV war widerlich, das Mädchen war sichtlich verstört und es wurde wohl auch abgebrochen, wenn ich die Körpersprache richtig gedeutet habe, natürlich souverän gedeckelt von Jauch, aber darauf wollte ich gar nicht hinaus.
Bei den Filmfreunden haben wir ein Review von dem Film, damit die Leute mal wissen, über was für einen Kinderfilm wir hier eigentlich reden.
Ist eigentlich schonmal irgendwo geschrieben worden, dass dieser Film ein computeranimierter ist, also nochmal eine Stufe abstrakter?
Ich fand Jauch in der Sendung unmöglich. Zum Einen ist es mehr als fragwürdig, ein jugendliches Geiselopfer so mal eben von den Erfahrungen erzählen zu lassen. Zum Anderen fand ich es „interessant“ zu erleben, dass der gute Herr Jauch zweimal sehr resistent behauptete, die beiden Täter hätten sich immer mit ihren „Codenamen“ angeredet, was das Opfer jedesmal verneinte.
Nach der Sendung war ich wirklich froh, dass er kein ernsthafteres journalistisches Format übernimmt…
[…] Stefan Niggemeier » Finale Journalisten-Fantasien “Manchmal denke ich wirklich, es ist hoffnungslos mit den Journalisten.” (tags: blog journalismus killerspiele killerfilme killerkiller final.fantasy) […]
In meiner Jugend terrorisierte ein monosynaptischer Dorf-Hooligan die gleichaltrige Nachbarschaft mit einer langen Lederpeitsche, die er „Marsupilami“ getauft hatte.
Tschaja, auch Spirou & Fantasio waren schon extrem gewalttätig …
Eine grässliche Seite, aber ein wenig wie mein Arbeitskollege. Der kann einem auch alles erklären. Meistens stimmts nicht, aber je mehr man sagt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit dass da mal eine sprachliche Perle dabei ist.
Widerlich wird es dann, wenn die BLÖD-Zeitung das Spiel als übelste Gewaltorgie darstellt, und genau DIESE TITEL selbst in seinem Onlineshop anbietet!
Mit den Jahren habe ich es mir abgewöhnt, „Instanzen“ zu vertrauen: Politiker, Polizei, Justiz und Journalisten. Es ist immer die Rede von Berufsethos, vorhanden ist meines Erachens nicht besonders viel. Der Mensch bleibt (leider) ein Mensch.
[…] Stefan Niggemeier fordert eine Versachlichung der Debatte >> […]
Das was Franklin E. Zimring sagt, ist so naheliegend, dass ich mich ärgere selbst nicht darauf gekommen zu sein.
Als ich Kind war konntenm wir noch draußen überall spielen: Stoppeläcker, Wald, Wiese, moderige Tümpel, verfallene Schrebergartenlauben, alte Streuobstwiesen, Brennesselmeere etc. Heute steht da übrigens ein sehr chickes Industriegebiet leer.
Und was haben wir gespielt: Cowboy und Indianer, Räuber und Schandi, 2. Weltkrieg, Ritterschlachten, Mafia, Samurai, Geheimagenten usw. usf. Ich habe sogar mit einem Freund zusammen einen Super8-Film gedreht, in dem ich Auftragsmörder der Mafia war, mit Kommunionanzug, Pistolenschulterhalfter, Borsalinohut meines Vaters, schwarzen Fingerhandschuhen meimer Mutter (wegen der Fingerabdrücke), selbstgebasteltem Schalldämpfer auf meiner Faschings-Walter PPK…
Meiner Kenntnis nach ist keiner von uns (wir waren so 10-12 als harter Kern und bis zu 22 wenn alle „Mitläufer“ dabei waren) bislang durch Gewaltstraftaten auffällig geworden. Einer hat sich in der Graffitti-Szene herumgetrieben, ist beim S-Bahn-Surfen schwer verletzt worden und hat sich in der Reha dann umgebracht, ein zweiter ist auf Droge vor einen ICE gelaufen.
Schade, dass Sensationmsheische immer wichtiger wird.
Die Ballerspiele am PC ersetzen teilweise wohl das alte Cowboy&Indianer-Spiel. Und bringen eine ganz wichtige Komponente dazu: Der ewige Streit um „Du bist tot!“ „Stimmt nicht, war nur ein Streifschuss!“ findet dank dem PC-Schiedsrichter nicht mehr statt.
Weiterhin vermute ich, dass vielen nicht klar ist, dass für eine Schlussfolgerung aufgrund von Daten auch immer eine Negativkontrolle (die nie klappt) und eine Positivkontrolle dabei sein muss. Was bei „Menschenversuchen“ schwierig ist.
Und: Man sollte aufpassen, dass man keine Umkehrschlüsse (jeder Dackel ist ein Hund, aber nicht jeder Hund ist ein Dackel) zieht, bzw. Umkehrschlüssen aufsitzt.
[…] Finale Journalisten-Fantasien […]
[…] In ihrer Verzweiflung sahen sich die völlig entgeisterten Medien dann genötigt, die Ordnung des Universums wieder herzustellen und kurzerhand das gute alte “Final Fantasy VII” (USK-Freigabe ab 12), das die beiden zunächst angeblich offiziell als Vorlage für ihr Gemetzel gespielt haben sollen, quasi per Presse-Dekret zum “Killerspiel” zu deklarieren. Dann stellte sich raus: Mist, die haben gar nicht gezockt. Grummel. Aber hey – die haben mal “Final Fantasy – Advent Children” (FSK-Freigabe ab 12) geguckt. Puh, gerettet! Ein brutales Gewaltvideo! Dahamwersdochwieder… […]
Wann immer in Medien von „Killerspielen“ und „Gewaltvideos“ die Rede ist – und diese Sau wird noch oft durchs Dorf getrieben werden – empfiehlt es sich dringend, zunächst einmal gar nichts zu glauben, sondern den eigenen Verstand zur Recherche zu benutzen. Und das gilt zuallererst für die Journalisten die diese Sau zu treiben versuchen!
Der Mist, den sie verzapfen, fällt immer auf sie zurück!!!
[…]Nun war es also nicht Final Fantasy VII, sondern der Nachfolgefilm Final Fantasy VII: Advent Children. Soso… […]
Na immerhin ist mal ein Journalist auf die Idee gekommen das man ja zumindest theoretisch in die Videothek hätte gehen können und den Film ansehen …
[…] Killerspiele und Gewaltfilme 22. Januar 2007 Eigentlich finde ich den persönlichen Blog vom Bildblog.de-Herausgeber Stefan Niggemeier gar nicht mal sooo toll, und trotzdem verweise ich innerhalb einer Woche schon zum zweiten mal auf einen Beitrag, diesmal auf “Finale Journalisten-Fantasien“. Anscheinend haben die Medien nichts kapiert. Schon wieder wird in Zusammenhang mit einer schrecklichen Gewalttat keine “Ursachenforschung” betrieben, sondern gleich mal wieder auf so genannte “Gewaltfilme” “eingeprügelt”. Konkret geht es diesmal um den Film “Final Fantasy VII — Advent Children”, der in Deutschland ab 12 Jahren freigegeben wurde. Arbeitet die FSK wirklich so verdammt schlecht oder kommt endlich mal jemand auf den Gedanken, dass die Ursache von Verbrechen doch nicht bei Filmen/Computerspielen zu suchen ist? Falls nicht bliebe ja eigentlich nur die Möglichkeit, alles was für 12-Jährige freigegeben wurde bzw. wird komplett zu verbieten. Mich wundert dass dieser Vorschlag noch nicht von Herrn Beckstein gekommen ist. Ach ja, der hat ja im Moment anderes zu tun… […]
[…] Und durch die Köpfe einiger Print-Journalisten, wie Thomas Knüwer, Felix Schwenzel und Stefan Niggemeier regelmäßig […]
[…] (via) […]