Einen links, einen rechts, das ZDF fallenlassen

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Markus Söder kämpft für die CSU gegen die Sozis im Sender und für einen konservativen Programmdirektor – uns zuliebe natürlich.

Am Freitag entscheidet der ZDF-Verwaltungsrat, wer neuer Programmdirektor werden soll. Alles spricht für Fernsehspielchef Hans Janke – außer, daß er nach der schlichten Farbenlehre als „Roter“ gilt und Intendant Markus Schächter der einzige „Schwarze“ in der vierköpfigen ZDF-Spitze wäre. In der CDU gibt es inzwischen Stimmen, die sich trotzdem für Janke aussprechen. Wortführer der Gegner ist Markus Söder, Chef der CSU-Medienkommission und Mitglied im ZDF-Fernsehrat.

Herr Söder, Sie haben das ZDF öffentlich kritisiert: Im Wahlkampf sei „in den Redaktionsstuben linke Politik gemacht“ worden. Sie haben das Thema in den Fernsehrat gebracht. Gab es Beschlüsse dazu?

Wir haben gemeinsam festgestellt, die Debatte künftig in den zuständigen Ausschüssen zu führen.

Das heißt, Sie äußern sich in Zukunft weniger und anders?

Das hängt von Fall zu Fall ab. Die Situation ist nach der Wahl mehr als schwierig. Es gibt schon sehr viele Kritikpunkte an der Berichterstattung. Ob es um die „Endspurt“-Reportage ging, die Themenauswahl in „Frontal 21“ und das dortige „Kanzlerduell“ zweier Puppen, die Zusammensetzung des Publikums bei Sendungen wie „Nachtduell“, die Auswahl der Gäste von „Berlin Mitte“, bei der es meistens ein Verhältnis von drei zu zwei für Rot-Grün gab. Diese Fälle wollen wir jetzt intern aufarbeiten. Dann sehen wir, ob sich das bessert oder sich der Trend fortsetzt.

Dem ZDF ist schon vieles vorgeworfen worden, aber selten, ein linker Sender zu sein.

Ich würde nicht pauschal sagen, das ZDF ist links. Das ist viel zu einfach und würde dem Gesamthaus nicht gerecht. Aber es gibt aus unserer Sicht eindeutige Tendenzen bei der Themensetzung in der Aktualität und bei Magazinen.

Ein Trend, daß die meisten ZDF-Journalisten links sind?

Einige schon. Das sind natürlich alles professionelle Journalisten – aber die Art, wie die Themen aufbereitet wurden, war sehr oft an die Regierungssicht angelehnt.

Deshalb drohen Sie, man müsse „an die Rundfunkgebühren ran“.

Diese Debatte ist sehr ernst und wichtig. Das ZDF ist eine Länderanstalt, da müssen sich die Menschen auch wiederfinden. Die Bayern sind treue und unglaublich viele Gebührenzahler – und bei uns hat die CSU über 58 Prozent erreicht. Diese Bürger wollen sich auch im Programm wiederfinden. Sonst stellt sich schnell die Frage: Gebühren zahlen für etwas, bei dem man sich nicht repräsentiert fühlt? Oder diese noch erhöhen?

Kann es sein, daß Sie Ihr Interesse und das Parteiinteresse mit dem Zuschauerinteresse verwechseln?

Ich verstehe mich als Anwalt der Gebührenzahler und als Kontrolleur einer öffentlich-rechtlichen Anstalt. Ein Fernsehrat ist kein Lobbyist des ZDF. Meine Aufgabe besteht darin, darauf zu achten, für was Gebühren verwendet werden.

Der Gebührenzahler hat also ein Interesse, daß der neue ZDF-Programmdirektor konservativ ist?

Das ZDF ist zur Ausgewogenheit verpflichtet. Alle gesellschaftlich relevanten Gruppen müssen sich entsprechend ihrer Stärke wiederfinden; im Programm und letztlich in der personellen Mannschaft.

Sie kämpfen nicht für die Union, sondern für die Zuschauer gegen einen Programmdirektor Hans Janke? Ist das Ihr Ernst?

Ich nehme an, Sie wollen darauf hinaus, daß es dem Zuschauer letztlich egal sein kann, wer da sitzt.

Nein, aber welcher Partei er angeblich nahesteht.

Natürlich wäre es zu kurz gegriffen, allein aufs Parteibuch zu schauen. Daß die Leute Kompetenz haben müssen, ist keine Frage. Kompetenz steht an erster Stelle, aber an zweiter, aus welchem gesellschaftlich-politischen Milieu er kommt und ob sich damit die gesellschaftlich relevanten Gruppierungen repräsentiert fühlen. Es geht nicht darum, ob die CSU glücklich ist. Es geht darum, ob das ganze komplizierte Geflecht der gesellschaftlich-relevanten Kräfte repräsentiert wird im ZDF.

Und Thomas Reitze oder Thomas Bellut wären eine gute Wahl, weil sie als konservativ gelten?

Weil sie es können und weil es im Rahmen der Intendantenwahl bezüglich des Programmdirektors eine klare Vereinbarung gab. Ich denke, es wäre sinnvoll, diese Strukturen zu erhalten.

Hatten Sie den Eindruck, daß die Art, wie die Intendantenwahl auf der Grundlage dieser Strukturen stattfand, gut war fürs ZDF?

Nicht unbedingt. Ich würde manches ändern. Ich halte es für falsch, daß nicht nach zwei Wahlgängen eine einfache statt einer Dreifünftel-Mehrheit genügt. Das hat ja zu dieser Problemlage geführt.

Das? Oder eher, daß es immer allein darum geht: Welcher Partei steht jemand nahe? Sie sprechen von „gesellschaftlich relevanten Gruppen“, aber was zählt, ist nur, daß Janke als SPD-Mann gilt, Bellut als CDU-Mann.

Völlig unbedeutend ist es nicht.

Ist das gut fürs Fernsehen? Ist das im Interesse der Gebührenzahler?

Wir haben eine repräsentative Demokratie in unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung, und die definiert sich über diesen pluralistischen Ansatz. Das hat sich 50 Jahre in vielen Bereichen von Gesellschaft und Politik bewährt. Das ZDF unterliegt den gleichen Prinzipien. Ich finde nicht, daß man das in Frage stellen sollte, bloß weil man mal bei einer Personalentscheidung nicht gleich die augenscheinlich „schnellste“ Lösung hat.

Viele, die sich auskennen, sagen öffentlich, sie halten Janke für die beste Wahl. Beeindruckt Sie das?

Natürlich nimmt man diese Stimmen ernst. Ich weiß allerdings nicht, ob zum Beispiel das massive Werben von Gottschalk dem Kandidaten nützt. Entscheiden müssen andere. Ich bin fest überzeugt, daß der Intendant am Freitag dem Verwaltungsrat einen Vorschlag macht, der mehrheitsfähig ist.

Sind Sie selbst mehrheitsfähig? Der Fernsehratsvorsitzende Polenz, CDU, sagt, der Einfluß der Parteien solle nicht zu groß werden, man dürfe nicht jeden Personalvorschlag politisch diskutieren.

Ich habe das so verstanden – und da stimme ich ihm auch zu -, daß man nicht jede Personalie öffentlich dauerhaft diskutieren soll.

Genau das tun Sie.

Nein, das tue ich nicht mehr.

Haben Sie aber getan.

Ich habe einen Diskussionsbeitrag zu dem Thema gegeben. Ich denke, das war wichtig und richtig. Aber ich habe Herrn Polenz so verstanden, daß wir das nicht dauerhaft fortsetzen wollen. Vor allem nicht bei jeder kleinen Personalie.

Polenz sagt: „Ich halte es nicht für sachgerecht, wenn öffentlich über Personen debattiert wird.“

Der Fernsehratsvorsitzende hat im übrigen eine andere Aufgabe als ich. Ich bin der Meinung: Ein bißchen Transparenz schadet nie. Es muß doch Kritik möglich sein, ohne daß gleich gesagt wird, „da wird jemand beschädigt“. Es nützt doch dem ZDF nur, wenn manche Sachen kritisch hinterfragt werden. Ich bin schließlich einer der jüngsten im Fernsehrat, vielleicht formuliere ich manches auch plakativer als ein Etablierter.

Etablierter als Sie kann man kaum sein: Sie halten jeden Unions-Mann für qualifiziert, jeden SPD-Mann für unqualifiziert.

Das habe ich nicht gesagt.

Darauf läuft es hinaus.

Ich habe gesagt, Qualifikation ist das erste. Aber stellen Sie sich vor, es gibt zwei Gleichqualifizierte.

Sie wollen einen Konservativen.

Halte ich insgesamt für die ausgewogenere Lösung. Aber entscheiden müssen es andere.

Sie sitzen als Vertreter der CSU im Fernsehrat. Es gibt Vertreter von CDU und SPD. Ich frage mich, ob da irgend jemand als Vertreter des Publikums oder der Interessen des ZDF sitzt.

Aber das ZDF-Programm ist doch ganz gut. Oder haben Sie den Eindruck, das ist alles schlecht?

Nein.

Dann haben wir doch gute Arbeit gemacht!

Wenn das Programm gut ist, dann trotz des Einflusses der Parteien, nicht wegen.

Das sehe ich nicht so.

Wie sehen Sie jetzt die Chancen für Janke oder für Bellut?

Ich bin optimistisch.

Inwiefern?

Ich bin optimistisch, daß wir eine gute Lösung finden.

Und Sie haben gesagt, daß Sie Reitze und Bellut für gute Lösungen halten und Janke nicht.

Ja, das habe ich gesagt.

Wäre Janke schlecht fürs ZDF oder schlecht für die Union?

Ich glaube, es würde eine schwierige Situation auslösen, die das Gesamtvertrauen zwischen ZDF und Kontrollgremien betreffen könnte.

Haben Sie überhaupt Indizien, daß Leute wie Janke oder Schächter Entscheidungen aufgrund ihrer Parteipräferenzen fällen?

Es sind ja Leitungspositionen bei der größten Fernsehanstalt in Europa. Da hat jede Aufgabe eine politische Dimension.