Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
Billy Eichner ist der nervigste Schwule im amerikanischen Fernsehen. Und die schwulste Nervensäge. Er geht in New York auf die Straße, stellt sich mit seinem Mikrofon nichtsahnenden Passanten in den Weg, überfällt sie mit irgendeiner Frage oder einem Spiel und ist dabei so unfassbar dreist, unfreundlich und ungeduldig, dass man weiß, dass er damit nicht durchkäme, wenn er nur halb so dreist, unfreundlich und ungeduldig wäre.
Neulich hatte er Jon Hamm im Schlepptau, den aus „Mad Men“ bekannten Schauspieler, und spielte ein Spiel, das er „Würden Sie einen Dreier mit mir und Jon Hamm machen?“ nannte und das daraus bestand, Menschen zu fragen, ob sie – „für einen Dollar!“ – einen Dreier mit ihm und Jon Hamm machen würden. Einer verduzten Frau versuchte er es dadurch schmackhaft zu machen, dass er sagte, wie progressiv das wäre: Sie als füllige schwarze Frau, er als schwuler Mann, Jon Hamm als Gewinner eines Screen Actors Guild Awards. „Aber er hat keinen Oscar“, erwiderte die – und man wollte sofort in eine Stadt ziehen, in der zufällig angesprochene Menschen auf der Straße spontan solche Pointen liefern.
Ein Mann willigte spontan in den vermeintlichen Dreier ein, musste sich dann aber in eine Diskussion verwickeln lassen, wer denn oben und unten liegen würde. Eine Frau wollte gerade noch ihren Mann fragen, disqualifizierte sich aber dadurch, dass er Sprinkler-Anlagen designt. Eine ältere Dame schob Billy Eichner rüde aus dem Weg, bis sie realisierte, dass es um Jon Hamm ging, und doch nochmal kurz zurückkam.
Es sind jeweils nur wenige, unfassbar hektische und überdrehte Sekunden, und wenn man Eichner nicht für seine Art hasst, muss man ihn lieben – in diesen Zeiten ganz besonders.
Mit einem anderen Passanten, der eigentlich nur auf die Frage „Who you gonna call?“ richtig mit „Ghostbusters“ geantwortet hatte, entwickelt sich ein Streit, weil der es wagt, „Pretty Woman“ als „furchtbaren Film“ zu bezeichnen. Nach einer hitzigen, fast körperlichen Auseinandersetzung über die vermeintliche Glorifizierung von Prostitution darin, räumt der Fußgänger ein, sich den Film vielleicht doch nochmal ansehen zu müssen.
Den Schauspieler Seth Rogen rekrutiert Billy Eichner als Kameramann für ein grausames Spiel, in dem er Passanten mit der Nachricht konfrontiert, dass Seth Rogen gerade gestorben sei. Nachdem die in die Kamera formuliert haben, wie traurig sie das finden beziehungsweise dass sie keine Ahnung haben, wer das überhaupt sein soll, zeigt Eichner, dass der Mann direkt neben ihnen steht.
Das ist viel zu schnell, um überhaupt als selbes Genre wie die deutsche Schlafshow „Verstehen Sie Spaß“ wahrgenommen zu werden, und es ist bei aller Schroffheit immer wieder herzerwärmend: Wenn Rogen sich schüchtern und ein bisschen peinlich berührt („er hat mich gezwungen, das zu machen“) bei den Passanten bedankt, die ihm gerade einen freundlichen verfrühten Nachruf geschenkt haben. Oder wenn die eine Hälfte eines schwulen Pärchens – ein Mann, der gerade gestanden hat, wie attraktiv er den „Bären“ Seth Rogen fand – ihm gegenübersteht und ungelenk distanziert die Hand gibt.
Eine Frau sagt, sie könnte mit dem Kiffer-Humor Rogens nichts anfangen, da fände sie Billy Eichner witziger, und als Eichner fragt, ob es daran liegt, dass sein Humor einfach klüger sei, widerspricht sie: „Naja, da bin ich jetzt nicht so sicher.“