Die Premium-Community von stern.de

Bei stern.de wünschen sie sich, dass die Leute mit ihnen diskutieren. Auf vier Artikeln auf der Startseite haben große Bapperl geklebt mit der Aufforderung: „Diskutieren Sie mit“!



Die Gesamtzahl der unter diesen Artikeln abgegebenen Kommentare: null.

Das klingt jetzt erstmal nicht so viel, muss man aber natürlich durch die Zahl der Artikel teilen. Die so ermittelte Diskussionswilligkeit pro gefeatureten stern.de Artikel liegt dann ziemlich genau bei: null.

In einem Interview mit der Fachzeitung „Horizont“ zum Relaunch der Seite vor vier Wochen hatte „Stern“-Online-Chef Philipp Jessen gesagt:

Wir wollen Premium-Inhalte und wir wollen auch eine Premium-Community. Der Community-Bereich soll eine Bereicherung darstellen und einen echten Mehrwert bieten. Das heißt, wir werden nicht alle Artikel kommentierbar machen, sondern nur die, bei denen wir das Gefühl haben, da lohnt es sich. Die Diskussionen werden immer von einem Community-Manager, dem Autor selbst oder einem Experten begleitet. Das Ziel ist eine lebhafte Debatte, bei der vernünftig miteinander geredet wird, und die auch für die Teilnehmer und die Autoren einen echten Mehrwert bietet. Wir wollen keine Abladestelle für Frust oder für Trolle aus Osteuropa sein. Zum Start werden wir lediglich ein bis drei Artikel zur Diskussion freigeben, aber ich will das natürlich schnell ausweiten. Wir müssen aber unsere Qualitätsstandards sicherstellen.

Und das mit dem Qualitätsstandards scheint ja soweit geklappt zu haben.

108 Replies to “Die Premium-Community von stern.de”

  1. Ich versteh auch gar nicht was man zu den aufgezählten Artikeln diskutieren sollte. Vor allem wenn: „Das Ziel ist eine lebhafte Debatte, bei der vernünftig miteinander geredet wird, und die auch für die Teilnehmer und die Autoren einen echten Mehrwert bietet. Wir wollen keine Abladestelle für Frust oder für Trolle aus Osteuropa sein.“ wie sollte dann ein Mehrwert entstehen? Alleine den ersten Artikel finde ich in seiner Zielstellung perfide …

  2. Was hat es mit diesen „Trollen aus Osteuropa“ eigentlich auf sich? Und warum müssen Artikel über den FC Bayern vor diesen geschützt werden?

  3. So schön kann man Zensur und Sparmaßnahme zusammen fassen. Hat die SZ ja schon vorgemacht. Ob das dort so gut geklappt hat mit den Nullkommentaren weiß ich nicht. Ich achte seitdem darauf, diese Seite nicht so oft zu beehren. Aber Zensurmaßnahmen hat man ja immer schon gerne mit Qualität begründet.

  4. Blöde Frage: Wie soll man denn überhaupt einen Kommentar unter dem Artikel hinterlassen? Wenn ich auf die Seite gehe:
    http://www.stern.de/video/experiment-in-griechenland–stern-redakteur-im-deutschland-trikot-durch-athen-6354080.html#comments

    Sehe ich keinerlei Link oder Formular um einen Kommentar abzugeben nur „Kommentare (0)“, „Stern-Moderation“ und darunter weiteren Premium Content wie „Die geheimen Regeln auf dem Damenklo“ oder „Kim Kardashians peinliches Foto-Shooting“.

  5. @4
    Das Ergebnis das ersten Artikels ist, dass die Griechen positiv auf das Trikot reagierten, begleitet von einem Interview mit einem deutschen „Halbgriechen“ der wenig verifiziert aber nicht unlogisch erklärt, dass man dort zwischen ausländischem Volk und ausländischen Regierungen deutlich unterscheidet.
    Man nimmt der deutschen Regierung, personifiziert von Merkel und Schäuble, allerhand übel, dem deutschen Reisenden (selbst im Trikot) heißt man willkommen. Der Artikel beinhaltet sogar den Aufruf, geplante Urlaube in Griechenland nicht abzusagen, da kein Grund bestünde, mit Feindseligkeiten zu rechnen. Was ist denn daran perfide?

    Und schön, dass hier wahrscheinlich der Grundstein gelegt wurde, dass eine „Premium-Community“ in Stefan Niggemeiers Blog das diskutiert, was beim STERN trotz Aufforderung nicht diskutiert wird.;-)

  6. Hat der „Stern“ sich schon selbst dazu geäußert, ob das eher an den quasi unerfüllbaren Qualitätsstandards, den durchgehend zu miesen Userkommentaren oder daran liegt, dass die Themen einfach keine Sau interessieren? Und sind jetzt „Trolle [insbesondere] aus Osteuropa“ DAS Hauptproblem für Kommentarspalten beim „Stern“? Sind damit jetzt „sternfixierte Handlanger“ Putins gemeint? Ist das ein allgemein anerkanntes Problem? Oder wie ist das zu verstehen?

  7. @HERDIR:

    Irgendetwas und -jemand zum Diskutieren findet sich bei jedem noch so doofen Artikel. Fragen Sie mal bei SPON nach.

    Zum Beitrag: Ich bin auf stern.de mal auf den Trikot-Artikel gegangen, lese darunter die Kommentarspalte mit „Kommentare (0)“ und wüsste auf Anhieb überhaupt nicht, wie ich dort mitdiskutieren kann, mangels Anmelde- oder Login-Button. Sowas von unübersichtlich, die Seite.

    Hat jemand herausgefunden, wie man in den Genuss des Mitdiskutierens kommt?

  8. @Thomas K.: Wie gesagt, gestern ging das noch. Man musste sich dafür in der „Community“ anmelden, was unter den entsprechenden Artikeln aber gleich angeboten wurde.

  9. Ich meine, dass ich dort schon mal Artikel gesehen hätte, die tatsächlich auch kommentiert wurden.

  10. Hätte der Stern-Reporter in Athen nicht eigentlich ein Auswärtstrikot tragen müssen? Dann würde auch „Rotes Tuch“ besser passen …

  11. Allgemein: Könnten wir als einigermaßen aufgeklärte Menschen aufhören, die Abwesenheit einer Kommentarfunktion auf einer Website oder das Nichtveröffentlichen von grenzwertigen Kommentaren als „Zensur“ zu bezeichnen? Weiß eigentlich noch jemand, was der Begriff tatsächlich meint?

  12. Vielleicht sind alle Kommentare so doof gewesen, dass keiner veröffentlicht wurde. Stefan, hast du mal selber einen Kommentar geschrieben?

  13. @ Volker
    Zensur bedeutet Inhaltskontrolle. Finde das trifft ganz gut wenn man die Kontrolle der Inhalte von Kommentaren Zensur nennt.

  14. @Jun: Nein, das ist privates Hausrecht. Zensur steht ausschließlich für staatliche/behördliche/militärische Informationskontrolle. Sie können Ihre Meinung ja problemlos an anderer Stelle als bei stern.de publizieren (beispielsweise hier).

  15. Diese Foren sind, auch wenn es sich tautologisch anhört, um so belebter, je mehr Menschen mitmachen. Man will dann mehr mit anderen diskutieren, bzw. deren Meinung widerlegen als einfach mal so einen einsamen Kommentar abgeben. Ich glaube nicht, dass die „Monetarisierung“ des Journalismus mit dem Anreiz von Bezahlforen der richtige Schritt ist.

  16. @Bernd, #19
    Sommerloch, in der Tat.

    Ich verstehe auch nicht so ganz, was diese Häme soll. Okay, der Begriff „Premium-Community“ ist übelstes Medien-Sprech. Die Idee dahinter finde ich aber begrüßenswert, wo ist das Problem (abgesehen vom „Zensur“-Gerede, siehe @Volker, #17)? Eine nach unten und für alle offene Kommentarspalte ist eben nicht für jede Seite optimal.
    War denn jemand von stern.de für ein Statement zu erreichen? Es spricht doch einiges dafür, dass es sich hier eher um ein technisches Problem handelt.

  17. Okay…
    „Eine Vorauswahl privater Stellen, ob Beiträge veröffentlicht werden oder nicht (z. B. einer Zeitungsredaktion vor der Veröffentlichung von Leserbriefen oder eines Forenmoderators vor oder nach der Veröffentlichung von Beiträgen in Online-Foren), ist daher keine Zensur im Sinne des Grundgesetzes und verfassungsrechtlich unbedenklich, auch wenn sie umgangssprachlich gelegentlich ebenfalls als „Zensur“ bezeichnet wird.“ (Wiki)

    Meine Tochter hatte übrigens meist eine gute Zensur in „Politik und Medien.“

  18. Das Thema „Internet-Zensur“ wurde hier erschöpfend beschrieben:
    https://xkcd.com/1357/

    Jetzt wüsste ich wirklich gerne warum stern.de die Kommentarfunktion wieder deaktiviert hat. Wurde man etwa von osteuropäischen Trollen überrannt? Hat man nichtmal schnell zehn Freunde mobilisieren können, um zumindest die Illusion einer interessierten Leserschaft zu erzeugen?

  19. Man sollte nicht so auf den „osteuropäischen Trollen“ herumreiten. Die Aussage, dass man keine „Abladestelle für Frust und osteuropäische Trolle“ sein möchte, beinhaltet doch im Gegenschluss, dass man ansonsten nichts dagegen hat, Abladestelle für alle anderen Trolle weltweit zu werden.
    Das ist schon wieder so generös, dass wir ausnahmsweise mal über eine blöde Bemerkung mit einem Hauch Rassismus hinwegschauen können.

  20. @23: „War denn jemand von stern.de für ein Statement zu erreichen?“

    Falsche Frage. Der Hausherr hat schon wiederholt erläutert, warum er das Instrument der Gegenrecherche für überschätzt hält.

  21. Warum sollten die Griechen etwas gegen deutsche Fußballtrikots haben? Immerhin verdanken sie ihre größte fußballerische Sternstunde mittelbar einem Deutschen.

  22. Da kann „stern.de“ noch so viele Kommentare verhindern wollen – ich folge keinesfalls Euren Links in Richtung „stern.de“. Denn dort wird klammheimlich JEDER Besuch positiv verwertet. ;-)

  23. Der Mensch vom „Stern“ hat aber Mut, das muss man ihm lassen, läuft im Jahr 2015 in einem Deutschland-Trikot mit nur DREI Sternen rum! Oder ist der „Stern“ selbst der vierte Stern? Verwirrend!

  24. @32: Evtl. verdienen „Stern“-Redakteure so wenig, dass sie sich ein aktuelles Weltmeister-Trikot nicht leisten können?

    IMHO sind die 4-Sterne-Trikots sowieso horrend überteuert. Die mit 3 Sternen gibt es dagegen überall für’n Appel und ’n Ei. Aber wer zieht die denn noch an. Pft!

  25. @34: Da unterstellst Du aber einen hohen Bildungsstandard hinsichtlich internationaler Fußball-Mannschaftstrikot :-P *SCNR*

  26. @daste: Auf das Instrument der „Gegenrecherche“ hat stern.de hier sicherheitshalber auch verzichtet. (Womit ich gar kein Problem habe. Ich wüsste nur umgekehrt auch nicht, warum ich irgendjemanden bei stern.de um irgendeine Stellung bitten sollte, bevor ich völlig zutreffend darauf hinweise, dass da gestern die vier großen „Diskutieren Sie mit“-Artikel von null Menschen kommentiert wurden. Aber vielleicht frage ich demnächst mal nach Beispielen für „Premium-Content“. Als „Gegenrecherche“.)

  27. @36 als Eigenreflexion: Apropos Bildungsstandard. Vielleicht sind ja die meisten SPON-Leser doch nicht so doof und treten eben nicht in die aufgestellte Banalitätsfalle für „Premium-Content“. (Uiuiuiui! Was für ein Buzzword!) Ergebnis: 0 Kommentar, weil es eben 0 interessiert.

    Knopf dran. Deckel drauf.

  28. Mir ist schon vor ein paar Tagen aufgefallen, dass unter einigen stern-Artikeln, bei denen man zum Diskutieren aufgefordert wurde, kein Button zur Teilnahme existiert. Ich hätte dahinter aber eher einen technischen Fehler bzw. Inkompetenz der Website-Programmierer vermutet, statt beabsichtigte Verhinderung.

    @dermax #27 Wenn schon Links posten, dann bitte wenigstens saubere, also ohne Referrer und dem ganzen Anhang. Nach „html“ (ab dem Fragezeichen) ist das nur Link-Müll.

  29. @20 (und andere):
    Man sollte das vielleicht einmal klarstellen, wann und wo immer man kann: „Zensur“ ist ein Begriff der mit der Meinungsfreiheit in Verbindung gebracht wird und das ist auch zunächst einmal nicht falsch, den in Art. 5 GG taucht er auf. Zensur in diesem Sinne ist aber schon deshalb nur die Zensur durch staatliche Stellen, weil ich mich auch auf die Meinungsfreiheit und das Unterlassen von Zensur ausschließlich gegenüber den 3 Gewalten des Staates berufen kann (vgl. § 1 Abs. 3 GG).

    Das bedeutet: Jeder andere Bürger (oder Zusammenschluss von Bürgern) ist mit gegenüber nicht verpflichtet, mir die freie Ausübung meiner Meinungsfreiheit zu gestatten. Oder anders: Wenn es mir nicht passt, was ein anderer beim Abendessen sagt, kann ich ihm den Mund verbieten und ihn rauswerfen. Wenn es mir nicht passt, was jemand auf meiner Internetseite schreibt, kann ich es löschen. Das ist vielleicht nicht immer die souveränste Entscheidung, aber eben eine mögliche und rechtmäßige und manchmal vielleicht auch sinnvolle.

    Und Zensur i.S. von Art. 5 GG meint allein die stattliche Vorzensur (vgl. BVerfG NJW 1972, 1934). Das BVerfG ausdrücklich: „Mit der in Rechtsprechung und Schrifttum herrschenden Meinung ist unter „Zensur” i.S. des Art. 5 Abs. 1 Satz 3 GG nur die Vorzensur zu verstehen … Als Vor- oder Präventivzensur werden einschränkende Maßnahmen vor der Herstellung oder Verbreitung eines Geisteswerkes, insbesondere das Abhängigmachen von behördlicher Vorprüfung und Genehmigung seines Inhalts (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) bezeichnet.“

    Nur damit mal wirklich klar ist, was diese Begriffe bedeuten.

  30. @Tanja #5
    „Was hat es mit diesen „Trollen aus Osteuropa“ eigentlich auf sich? Und warum müssen Artikel über den FC Bayern vor diesen geschützt werden?“

    Die ganzen Bayern-Hater sind nun mal vom Moskautreuen Schalkesponsor Gazprom als langer Arm Putins in Stellung gebracht worden.

    Und die nordamerikanischen Ntrepid-Trolle sind da ausnahmsweise keine Hilfe, die bevorzugen den BVB.

    @jun:
    „Nein, das ist privates Hausrecht.“.

    Ja, das ist rechtlich gesehen schon korrekt. Allerdings steht man bei der Formulierung der Netiquette und der Moderationsspielregeln nicht dazu.
    Oder finden Sie dort bei den Foren der bekannten großen Tageszeitungen und Magazine einen Abschnitt dieser Art:

    – Wir behalten uns vor, uns politisch unliebsame Kommentare nicht freizuschalten, wenn uns das dadurch dokumentierte Meinungsbild in unserem Forum nicht unseren Vorstellungen entspricht. Und zwar auch, wenn der Kommentar weder in Sachen Tonality noch inhaltlich ansonsten in irgendeiner dokumentierbaren Form zu beanstanden wäre.

    Das scheint ja für so ziemlich alle Foren der o.g. Medien so zuzutreffen. Angeblich mit Ausnahme der Zeit, wenn es stimmt, was andere und die selbst darüber berichten.

    Das ist natürlich deren gutes „Hausrecht“, dokumentiert jedoch auch ein Defizit an Kritikfähigkeit, das in Sachen journalistischer Qualität sowie Akzeptanz von Meinungsvielfalt nicht dazu geeignet ist, Vertrauen in eine offene, unvoreingenommene Berichterstattung zu fundieren.

    Das ist also keine „Zensur“ im engeren Sinne und auch tatsächlich deren gutes Recht. Ein gutes Licht wirft es dennoch nicht auf die aktuelle Geistesverfassung zumindest mancher Verlagshäuser.

    Richtig bizarr wird es aber erst, wenn man sieht, wie viele Hassposts und nur oberflächlich getarnte rechtsextreme Propaganda gleichzeitig problemlos freigeschaltet werden. Ehrlich gesagt habe ich mich bei manchem Zeitungsforum schon öfter gefragt, ob die Moderationsteams womöglich von Rechtsextremen unterwandert wurden.

    Ansonsten finde ich die sehr enge Auslegung des Zensur-Begriffes problematisch. Meines Wissens gibt es in Russland auch genug Möglichkeiten, alles mögliche frei im Internet zu publizieren und keine Vorabkontrolle der klassischen Medien. Dass dort medial alles in bester Butter sei, würden wohl trotzdem nicht viele unterstellen.

  31. Von den vier Artikeln erkenne ich ehrlich gesagt bei drei kein richtiges Gesprächsthema:
    Griechen haben nichts gegen Deutsche im allg. oder gegen Deutsche, die in Griechenland Geld ausgeben, im Besonderen (achwas?), Frau Merkel darf sich ihre Interview-Partner selbst aussuchen (achwas!), was die Bayern mit ihren Geld machen, kann eh‘ niemand sonst verhindern (nagut, man wird doch noch träumen dürfen), nur beim letzten erkenne ich sowas wie eine Frage, um die es bei der angestrebten Diskussion gehen sollte:
    „Sind Sie für höhere Falschparkerbußgelder?“
    Vllt. noch mit Umfrage:
    [ ] Ja
    [ ] Nein, sie sind genau richtig
    [ ] Nein, sie sind schon zu hoch
    [ ] Nein, ich bin mit Frau Merkel voll und ganz zufrieden
    [ ] Isch ‚abe gar kein Auto
    [ ] Weiß nicht/egal/Apfelkuchen

    Aber das wäre ja Arbeit…

  32. Also ich finde die Artikel dort cool. Und wenig Kommentare sind da nur, weil eben nur manchmal Kommis freigeschaltet werden. Finde deine Kritik am Stern inzwischen auch unangemessen hoch.

    Bei Güllner hast du natürlich völlig recht. Hier geht mir das aber zu sehr in Richtung Penisvergleich und „haha, meine Artikel haben viel mehr Kommentare als eure auf Stern.de“.

  33. Na, da bilde mir doch mal Einer einen Satz mit „Wahlstatistiker und Penisvergleich…“
    („Qualitätsstandards“ könnten spaßeshalber auch gern darin vorkommen.)
    ;-)

  34. Offenbar arbeitet man aber noch am Web-Auftritt. Eben war die Seite nur schwer zu erreichen (dauerte ewig), hatte aber keine Kommentar-Funktionen (mehr). Jetzt gibt’s sogar einen Seiten-Ladefehler.

    Also empfehle ich, erst einmal Ruhe zu bewahren, bis die technischen Probleme gelöst sind. Danach kann man sich ja immer noch aufregen – wenn möglich vielleicht auch auf stern.de, selbstverständlich unter Beibehaltung der Qualitätsstandards…

  35. Ich kann mich irren (weil stern.de nie zu meinen Lieblingsseiten gehörte) – gab es früher nicht mal eine Artikelkommentarfunktion, die wegrationalisiert wurde, um sie jetzt wieder einzuführen?

    Dann ist es kein Wunder – die Leute sind es einfach nicht gewohnt, dort Kommentare abzugeben. Die fressen die Meldung, versuchen die Hälfte davon zu finden, die glaubwürdig ist, schmeißen gedanklich den Rest weg, und dann lesen sie woanders nach, wie es wirklich ist (im Gegensatz zu SpOn, wo sie sich nicht die Mühe machen, die glaubwürdige Hälfte zu finden, sondern alles glauben und dann kommentieren).

  36. Zensur (Begriff)

    Sprache ist lebendig, und die Bedeutung von Wörtern verschiebt sich manchmal. In meinen Augen gibt es den Zensurbegriff im engeren Sinne, der klassische, der sich nur auf Eingriffe durch den Staat bezieht und dann einen erweiterten, der meint, man würde daran gehindert, seine Meinung auszudrücken, da diese Meinung unerwünscht sei.

    Ich finde den erweiterten Zensurbegriff sinnvoll. Ich bitte um ein Gedankenexperiment: angenommen es gäbe ein „Meinungskartell“ unter den Mainstream-Medien. Es würden zu besonders wichtigen Themen überall sehr ähnliche Meinungen transportiert werden und Kritiker unter den Lesern würden diffamiert werden, etwa als „osteuropäische Trolle“. Wenn unter diesen Umständen Postings ausschließlich wegen Kritik oder unerwünschten Meinungen nicht veröffentlicht würden, wie soll man das nennen? Ein neutraler Begriff wie „Nicht-Veröffentlichung“ würde die eigentliche Beschuldigung nicht ausdrücken, dass es nämlich um die Unterdrückung Andersdenkender gehe. Welcher Begriff wäre also der Richtige?

    Ich möchte hier nicht diskutieren, ob Medien TATSÄCHLICH Meinungen unterdrücken. Ich denke aber, dass es in der Wahrnehmung der „Zensur“-Rufer so ist – und diese Sichtweise braucht halt sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten.

    Selbst AFD-Anhänger, die sich als osteuropäische Trolle tarnen, wissen meistens, dass eine Zeitung rechtlich gesehen willkürlich auswählen darf, welche Beiträge veröffentlicht werden. Der Vorwurf der Zensur ist natürlich moralisch gemeint. Ich finde auch, dass jeder versteht, was mit dem Begriff der Zensur im weiten Sinne gemeint ist. Den eigentlichen Inhalt eines Postings zu ignorieren und stattdessen darüber zu klagen, dass ein Begriff nicht im Sinne des Dudens benutzt wird, hat in meinen Augen etwas von Sprachnazitum.

  37. @5 Tanja

    Diese „Trolle“ hat man sich bei den transatlantischen Qualitätsmedien ausgedacht, um die Zensur der Kommentarspalten zu rechtfertigen. In der Realität hingegen gibt es keinerlei Beweise für eine „osteuropäische“ Invasion eben dieser Kommentarspalten. Diese ließe sich sich durch eine Auswertung der IP-Adressen zwar sehr einfach belegen, aber dafür haben die Premiumjournalisten der Qualitätspresse leider keine Zeit. (Vielleicht, weil sie in letzter Zeit ständig lebhafte Diskussionen mit PremiumleserInnen aus Nicht-Osteuropa führen.)

  38. @ Jaheira:
    Verstehe ich trotzdem nicht so recht. Wenn der „erweiterte Begriff“ zufällig nicht auch „Zensur“ hieße, sondern „Svensur“, dann würde man mit „hier wird svensiert!!!!“ doch nur das kritisieren, was weiter oben „Hausrecht“ genannt wurde. Aber gerade das will man — so denke ich zumindest — nicht sagen; sondern tatsächlich, dass „zensiert“ wird. Selbst, wenn es falsch ist.

  39. Danke @Symboltroll #46 und Jaheira #54
    das war so in etwa der Hintergrund meines Postings.

    Man sollte grundsätzlich schon mal den Begriff der Zensur von ihrer Einklagbarkeit unterscheiden. Was das Grundgesetz angeht, sind das zwar Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat, sie wirken aber über die Generalklauseln und über die einfachgesetzliche Ebene auch zwischen den Bürgern untereinander. Der Begriff Hausrecht ist sehr schief, weil es beim tatsächlichen Hausrecht um den Schutz der Privatsphäre geht, sollte man also tunlichst nicht in die Meinungssphäre übertragen.

    Den klassischen Medien kommt ja eine wichtige Verteilerrolle zu, was Meinungsäußerung betrifft, das ist ja immer noch die Agora, wo sich alle treffen. Wenn man also dort unter einem Vorwand unliebsame Meinungen ausschließt, trifft das für mich geradezu den innersten Kern des Begriffs der Zensur. Die SZ hat zumindest damals angekündigt, Kommentare nach – angeblichen – Qualitätsstandars auszuwählen, und das ist doch der Punkt: Das ist total intransparent. Ob die Zensur tatsächlich stattfindet finde ich ziemlich egal, da niemand das kontrollieren kann.

    Das Grundgesetz ist auch schon ein bisschen älter und das Bild von der Zensur dürfte überholt sein. Heute gehen viele Gefahren von der Privatwirtschaft aus auch hinsichtlich anderer Grundrechte und auch für die Pluralität von Meinungen meine ich doch, dass Medienkonzernen nicht zutrauen ist. Was wir in der letzten Zeit an manipulativen Artikeln nur beispielsweise in der Griechenland – Geschichte gesehen haben, soll ich da etwa Vertrauen haben, dass die SZ Kommentare richtig „auswählt“? Das ist ja schon per se verrückt. Bei der „Zeit“ finde ich es weitgehend okay, weil das einigermaßen transparent ist. Das wäre für mich so ein tauglicher Standard, wie man Kommentarspalten führt.

  40. @ Thema Zensur: Verwendet man den Begriff nicht „eng“, verlöre man die Möglichkeit zur Differenzierung. Der Unterschied zwischen Russland und hier mag ja genau darin liegen, dass dort von staatlicher Seite eingegriffen wird, hierzulande die Medien sich dank Internalisierung erwarteteter Tendenzen ganz von allein einschränken. Und zwar ohne die bewusste Bildung eines „Meinungskartells“. Das Ergebnis ist ähnlich, dass Zustandekommen unterschiedlich, und wenn man dann von Zensur redet, kann dies mit dem Hinweis auf das Nichtzutreffen abgebügelt werden. Anstatt davon zu reden, dass Medien bei bestimmten Themen es anscheinend für nötig halten, konform (regierungskonform, konform mit anderen Medien, volksmeinungskonform etc.) zu berichten, um im Anschluss zu fragen, warum das denn so ist.

  41. @ 45 Maximillionen:
    >Nur damit mal wirklich klar ist, was diese Begriffe bedeuten.

    Der Begriff „Zensur“ beschränkt sich nicht auf seine Bedeutung im Sinne des Grundgesetzes.

  42. @45: Im Ausgangspunkt ist diese Darstellung sicher richtig. Ich bin mir aber nicht sicher, ob diese enge Auffassung in dieser Rigidität heute noch zutreffend ist, nachdem die Schleusen zur „Grundrechtsgeltung im Privatrecht“ (also unter Privaten) durch die „Kriechflüssigkeit“ der sog. „Ausstrahlungswirkung“ der Grundrechte mittlerweile weit offenstehen und beliebige Ergebnisse ermöglichen. Immerhin hat das BVerfG soeben einen Grundstückseigentümer verpflichtet, einen Flashmob auf seinem Gelände zu dulden, nachdem er (sc. der Eigentümer) das Grundstück grundsätzlich für die Öffentlichkeit geöffnet hat (Beschluss vom 18. Juli 2015 – 1 BvQ 25/15). Wenn jemand seine Website für Kommentare öffnet, ist daher unabhängig von der Begrifflichkeit für Kommentarrestriktionen („Zensur“?) zweifelhaft, ob diese uneingeschränkt zulässig sind oder zumindest einer sachlichen Rechtfertigung bedürfen.

  43. @ Wolfgang Messer
    Sie beschreiben Zensur im Sinne vom Grundgesetz. Wenn Religionen, Internet Seiten, Chats, Sommer Camps, produktionsfirmen oder Übersetzer Kontrolle über Inhalte ausüben wird das auch Zensur genannt. Meiner Meinung nach sollten Institutionen wie der Stern, die stark von Meinungsfreiheit Rechten, und sogar Sonderrechten in dem Bereich profitieren, sich besser für die Meinungsfreiheit anderer einsetzen als sie gezwungen sind. Sonst wirkt es heuchlerisch und sie verlieren Kunden, Leser und Unterstützer. Für den Redakteur der die Anstalt verklagt hat würde ich beispielsweise nicht auf die Straße gehen sollte der Verteidigungsminister ihn wegen Landesverrat verhaften lassen.

  44. Seit dem Relaunch kommt mir stern.de eigentlich so vor wie die Startseite von web.de oder Yahoo.
    Uninteressant und wäre nicht die Fotocommunity verlinkt, würde ich gar nicht mehr auf stern.de gehen.
    Aber, nackte Frauen gehen immer ;-)

  45. @#60 Th. Koch

    Ich würde das nicht so sehen, dass die „Schleusen offenstehen“. Da steckt das alte Missverständnis drinnen, zu übersehen, dass _jede_ richterliche Rechtsanwendung immer zugleich auch Rechtsgestaltung ist, so dass der Richter immer auch zum Gesetzgeber wird.

    Der von Ihnen zitierte Beschluss ist ein sehr weiser Beschluss des BVerfGs. Nachlesen kann ihn jeder hier, es lohnt sich:

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2015/bvg15-056.html

    Da steckt der Gedanke drin, den ich oben auch geäußert habe:

    „Für den Schutz der Kommunikation kommt das insbesondere dann in Betracht, wenn private Unternehmen die Bereitstellung der Rahmenbedingungen öffentlicher Kommunikation selbst übernehmen und damit in Funktionen eintreten, die früher in der Praxis allein dem Staat zugewiesen waren.“

    Gefahren für die Grundrechte gehen heute gerade auch von Privaten aus, siehe Google &Co und unsere Privatsphäre etc. Oder nehmen wir die 1%, denen in Kürze 99% der irdischen Güter gehören werden.
    Medien sind DER Ort, wo sich Meinungsbildung abspielt und wir haben in deutschen Medien inzwischen oligarchische Strukturen. Es ist überhaupt nicht egal, wie diese Kommentarteile gehandhabt werden und ob es sie gibt und einige Kommentare hier zeigen, dass das Bewusstsein für diese Problematik noch nicht sehr ausgereift ist (Sommerlochthema). Rechte, die man nicht ausüben kann, hat man nicht und der Zugang zu Lesern/Zuhörern etc. ist ganz entscheidend.

    Deshalb, danke SN, super Thema!

  46. Die „Trolle aus Osteuropa“, an die glaubt er offenbar immer noch, wenn er von der heftigen Kritik der Leser von SZ, FAZ, ZEIT & Co an deren sehr parteiischen Ukraine-Artikeln schreibt. Und der ist „Stern-Online-Chef“? Das könnte ich besser.

  47. Mit der nicht ganz korrekten Verwendung des Begriffs „Zensur“ wird hier imho zum Ausdruck gebracht, daß man die „zensierenden“ bzw. ihr Hausrecht ausübenden Medien als Handlanger oder verlängerte Arme des Staates versteht, die für den Staat (im Sinne von „Schere im Kopf des braven Journalisten“) schon mal vorzensieren. Um so etwas wie Gedankenfreiheit in Form eines kleines Pflänzchens hier schon auszurupfen, bevor es eine größere Pflanze wird und der Staat einschreiten muß. Ich denke, deshalb rufen viele an der Stelle auch schon „Zensur“.

  48. Danke mina (#57).

    Eine schöne Differenzierung. Ich war auch schon auf die Argumentation von wegen „Hausrecht“ hereingefallen.

    “Den klassischen Medien kommt ja eine wichtige Verteilerrolle zu, was Meinungsäußerung betrifft, das ist ja immer noch die Agora, wo sich alle treffen..“

    Just hier haben sich viele online-Medien, bis hin zur „linken“ „taz“, durch eben diese Teilzensur, die in Foren stattfindet, unglaubwürdig gemacht. Sie verwehren teilweise den Eintritt zur Agora und es ist klar zu erkennen, dass die Forenwächter nicht nur nach Regeln einer Netiquette handeln. Es ist auch zu beobachten, dass missliebige Kommentare, teilweise nachträglich und ohne Anmerkung, „wegmoderiert“ werden.

    Grundsätzlich stelle ich fest, dass aber sowieso Herr Jessen und die Chefs vergleichbarer Medien tote Pferde reiten. Die Agora heißt längst „Facebook“ oder „Twitter“. Dort findet das wirkliche Nicht-Leben statt.

  49. Zum Thema Zensur:
    Wenn „Zensur“ generell nur staatliche Zensur bedeuten soll, müsste „Gewalt“ ja auch nur staatliche Gewalt bedeuten.
    So, wie das Wort meistens verwendet wird, wird jede einseitige, nicht legitime Beschränkung von Aussagen damit gemeint.

  50. Mich wundert es sowieso immer wieder, warum ständig über „Zensur“ gemeckert wird, wenn man nicht jeden Online-Artikel zur Kommentierung freigibt. Kein Mensch ist im Vor-Internetzeitalter auf die Idee gekommen, zu verlangen, dass Zeitungen jeden Leserbrief abdrucken. Warum sollte das nun grundsätzlich anders sein?

    Im Übrigen ist doch jedem unbenommen, in anderen Foren, Blogs oder auf seiner eigenen Website sich zu einem Artikel zu äußern. Die Meinungsfreiheit ist doch kein verbrieftes Recht, seine Meinung sofort und direkt unter einem Artikel posten zu dürfen.

  51. Ich habe den neuesten IE und die Schrift geht bei mir rechts total ins Grüne, so dass man sie kaum lesen kann. Und das beim bekanntesten Blog Deutschlands…. eieiei ;-)

  52. @polyphem

    Bitte gern. Ich würde Ihnen absolut zustimmen, dass die etablierten Medien dabei sind, sich selbst abzuschaffen. Die SZ ist ja geradezu suizidal. Geht doch nach drüben! Allerdings finde ich, dass wir die klassischen Medien dringend brauchen, das Prinzip, dass gut ausgebildete Leute Themen aufbereiten, was anschließend in all den vielfältigen Medien diskutiert werden kann. Wenn es nur noch Facebook gibt, dann bedeutet das wahrscheinlich Zersplitterung, dann werden sich die Leute nur noch unter jeweils Ihresgleichen unterhalten. Das ist jetzt schon so und wäre sicher nicht gut für die Gesellschaft, wenn sich das noch vertiefen würde.

    @Thomas

    Es ist ja nicht jedes Gemecker gleich. Das, worauf es ankommt ist doch, dass man Kommentarteile zur Meinungsmache einsetzen kann. Deshalb muss es da Standards geben, wie das zu geschehen hat. Außerdem sind Kommentare ein wichtiges Korrektiv, da sich die Medien nicht im Sinne der Meinungsfreiheit entwickelt haben. Natürlich könnten die Leute auch in abgelegenen Waldgebieten demonstrieren oder auch irgendwo schreiben, wo es niemand bemerkt. Aber es leuchtet eben ein, wie diese zitierte BVerfG-Entscheidung betont, dass die Möglichkeit zur Ausübung des Grundrechts gewährleistet sein muss.

  53. Ich diskutiere solche Themen schon längst nicht mehr direkt unter den Artikeln, sondern vielmehr auf Seiten wie z.B. shortnews.de die frei von Zensur sind. Und komischerweise klappt das Diskutieren dort wunderbar, auch wenn man gelegentlich mit den Köpfen (Meinungen) aneinander rauscht.
    Die Zeit wo Nachrichten, Stimmungen und Meinungen lediglich transportiert wurden (Fernsehn, Print Medien, Radio etc) sind gottseidank vobei dank des Internets. Die Menschen haben die Interaktivität enddeckt, wollen sich einbringen…und das lässt sich nicht mehr aufhalten. Die Büchse der Pandora ist weit offen ;-)

  54. @ Mycroft:

    „Wenn ‚Zensur‘ generell nur staatliche Zensur bedeuten soll, müsste ‚Gewalt‘ ja auch nur staatliche Gewalt bedeuten.“

    Da wir gerade bei hinkenden Vergleichen sind: Betreiben die Deutsche Bahn oder Hauseigentümer eigentlich Zensur, wenn sie Graffitisprayern das Besprühen ihre Züge/Wände untersagen?

  55. @63:
    „….Da steckt das alte Missverständnis drinnen, zu übersehen, dass _jede_ richterliche Rechtsanwendung immer zugleich auch Rechtsgestaltung ist, so dass der Richter immer auch zum Gesetzgeber wird.“

    Nur zur Klarstellung: Ich übersehe das nicht, ich halte diese Ansicht nur für grundfalsch. Aber das hier zu diskutieren, würde zu weit führen.

  56. @#74 Th. Koch

    In der Tat kann man das hier nicht im Detail diskutieren, aber der Hinweis sei erlaubt, dass es eine Frage der richterlichen Objektivität ist und deshalb hohe gesellschaftliche Relevanz besitzt. Der Prozess der richterlichen Rechtsfindung ist natürlich ein hermeneutischer Vorgang. Zwei große Rechtsphilosophen haben es sehr einleuchtend erklärt und nachgewiesen, Gustav Radbruch und Arthur Kaufmann.

    @DaW #73

    Sorry, DaW, Sie kitzeln mir eine Antwort heraus;-) Graffitis verletzen das Eigentumsrecht und niemand darf seine Grundrechte so ausüben, dass er Straftaten begeht. Deshalb ist es auch keine Zensur, wenn man rassistische Kommentare löscht.

  57. @75 Mina
    Das Problem ist aber, dass Graffitis als Eigentumsrechtverletzung klar definiert werden können. Bei Ihrem Vergleich wäre die Löschung rassistischer Kommentare nur dann keine Zensur, wenn der Kommentar glasklar justiziabel wäre. Es gibt eine erhebliche Grauzone, bei der der Kommentar aber auch rassistisch ist, ohne einen Straftatbestand zu erfüllen. Solche Kommentare zu löschen, wäre dann aber doch Zensur?

  58. (Ohne jetzt alle Kommentare gelesen zu haben… im Zweifelsfall schäme ich mich gerne.)
    Rucksack und dieser albernen Känguru-Beutel dieses freundlicherweise verpixelten Menschen sind hier noch keinem aufgefallen? Ist das nicht eher die Dienstbekleidung deutscher Touristen? Ich kann mir kaum vorstellen, dass so ein Grieche freiwillig rumläuft.

  59. Vielleicht sind die Leser von stern.de einfach nicht die diskutierfreudigsten. Würde ja passen irgendwie. Hier klappt das mit den Kommentaren schließlich auch ganz gut…

  60. Zum Zensurbegriff:
    Früher tauchte man den Federkiel in Tinte, um dann currant aufs hübsche Büttenpapier die Gedanken frei fließen zu lassen. Man faltete das ggf. mehrfach redigierte Opus, couvertierte und frankierte es, um es den verlässlichen Beamten der Deutschen Reichs- oder Bundespost anzuvertrauen, die es emsig innert einiger Tage zum Briefkasten der Redaktion beförderten. Dort las (ggf.) jemand die wertvollen Beiträge wohlwollend (oder auch nicht), heftete sie ab (oder übergab sie dem Rundordner). In die knapp bemessenen Leserbriefspalten kam indes nur eine kleine, eher subjektive Auswahl (wenn denn die Leserbriefschreiber auch nur einen Bruchteil der Populationsdichte heutiger Kommentatoren erreichten.) War das Zensur? Nein.
    Heute rotzt anonym jemand irgendwas hin und erwartet, dass dies ungelöscht und unredigiert stehen bleibt, weil es sonst Zensur wäre … Klar.

  61. @Lars
    Und trotzdem hinkt der Vergleich … Wenn ein Kommentarbereich eingerichtet ist und um eine Diskussion gebeten wird und dann intransparent Kommentare zugelassen werden oder eben nicht .. neigen einige Mitbürger zur Beschreibung „Zensur“ … Es steht ja trotzdem jedem frei an die Emailadressen der Webseiten Lesebriefe (solche wie die mit Feder geschriebenen .. wobei die kann man ja auch einscannen) zu schreiben und wenn die nicht veröffentlicht werden, würde m.E. der Schreiber auch nicht „Zensur“ schreien …

    Übrigens finde ich es auch perfide die Kommentarbereiche zu schließen oder gar nicht anzubieten mit der Behauptung es würden nur „Osteuropäische Trolle“ oder Schmähkritiken o.ä. eingehen, denn das kann keiner nachvollziehen bei völliger Intransparenz …

    Vielleicht sollten die Newsportale und Zeitungsableger einfach nochmal in sich gehen und überlegen was sie wirklich wollen … und dann einfach das kommunizieren und umsetzen …

  62. @#76 JUB 68

    Da haben Sie ja eine Kiste aufgemacht mit der Eigentumsverletzung. Bis 2005 war das ein großes Problem mit dem Analogieverbot, man hat sich sehr gewunden, denn was soll das für ein Schaden sein, wenn man eine hässliche Betonmauer mit einem kunstvollen Graffito versieht, das ist ja eher eine Verbesserung. Dann hat man den § 303 Abs. 2 StGB geschaffen und Graffiti explizit einbezogen. Es gibt auch eine Diskussion um Graffiti und Kunstfreiheit. Bei der Grundrechtsausübung gelten auch die sogenannten verfassungsimmanenten Schranken und es gibt den Begriff der praktischen Konkordanz, es ist also nicht auf Straftatbestände beschränkt, sondern die Grundrechte begrenzen sich gegenseitig.

    Unschärfen gibt es immer und auch bei der Zensur gibt es eine Grauzone. Da behilft man sich mit einem Prozedere, das die Wahrscheinlichkeit, dass Zensur stattfindet, minimiert. Man kann Transparenz schaffen und das mildeste Mittel anwenden, z.B. Anmerkung/Ermahnung statt Löschung etc.
    Nehmen wir einen nicht justiziablen Rassismus, darunter stelle ich mir so einen Sarrazin vor(?). Das _kann_ Zensur sein, muss aber nicht. Die entscheidende Frage ist, soll man sowas wirklich löschen oder ist es nicht besser, wenn es offen diskutiert wird?
    Bei der SZ weiß kein Mensch, ob von 500 Kommentaren, die eingehen, 20 veröffentlicht werden und nach welchen tatsächlichen Kriterien sie ausgewählt werden. Ich vermute, dass so etwas wie die Mollath-Geschichte gewissen Kreisen nicht gepasst hat und glaube, dass das Qualitätsargument vorgeschoben ist. Hat auch schon der blinde Oberzensor von Teheran so gemacht;-)

  63. #82
    @HERDIR

    „Vielleicht sollten die Newsportale und Zeitungsableger einfach nochmal in sich gehen und überlegen was sie wirklich wollen … und dann einfach das kommunizieren und umsetzen …“

    Genau.

    Mir ist gerade auch noch Marshall McLuhan eingefallen….

  64. Der Begriff „Zensur“ ist wenig hilfreich für eine Auseinandersetzung mit der Moderationspraxis in den betreffenden Foren. Mit der ursprünglichen Bedeutung, als staatliche Meinungskontrolle, hat das nichts zu tun.

    Zu dem habe ich auch dort kein Problem damit, wenn rein destruktive Beiträge und strafbar extremistische Hetze zensiert wird. Auch spreche ich jedem Forenbetreiber das (Haus-) Recht zu, ihm unsympathische, aber nicht explizit strafbare Hassposts zu sperren. Und wer wirklich einer getarnt organisierten Meinungsmache begegnet, kann das auch sperren.

    Wenn aber Foren von Tageszeitungen und Magazinen mit Massenreichweite selektiv freischalten, weil das Meinungsbild in ihrer Leserschaft nicht gefällt oder aus diesem Grund das Kommentieren generell oder bei bestimmten Themen abschaffen:

    Dann dokumentieren sie damit ein Selbstverständnis ihrer Rolle in der öffentlichen Debatte, welches mich auch darüberhinausgehend an ihrer Eignung als meine vertrauenswürdige Informanten zweifeln lässt. Das lässt darauf schliessen, dass ungestörtes Stimmung-machen da wichtig genommen wird.

    Bei vielen tendenziösen Artikeln der letzten Jahre stand halt schnell eine belegte Widerlegung drunter. Macht natürlich keinen Spaß und schwächt die Überzeugungskraft des Geschriebenen.

    Nur: Eine Debatte darüber unter dem Vorzeichen ‚Zensur ja/nein?‘ wird immer am eigentlichen Thema vorbeigehen.

  65. @Symboltroll 85
    Ich verstehe nicht, was Sie gegen den Begriff Zensur z.B. beim selektiven Freischalten haben, wie würden Sie denn dazu sagen?
    Es ist natürlich auch das Interesse des Zensors, gerade in einem freien demokratischen Land, sein Vorgehen zu maskieren. Wenn man mal den Wikipedia-Artikel überfliegt, sind da Zensurmaßnahmen aufgezählt, zum Beispiel eine Zeitungssteuer oder höhere Transportgebühren für Medien. Das ist ja absolut vergleichbar mit selektivem Freischalten. Dass Gefahren für Grundrechte auch von Privaten ausgehen können, ist ja anerkannt, wie in dem verlinkten Verfassungsgerichtsurteil oben auch erörtert.
    Ich glaube, dass es in die Irre führt, den Begriff so formalistisch zu fassen und würde da auch eine Gefahr drin sehen. Ansonsten stimme ich Ihnen in allem zu.

  66. @83 Mina
    Okay, dann anders:
    Eigentlich wollte ich Sie dazu bringen, dass Sie einräumen, dass auch Sie nicht jeden Kommentar durchlassen würden, selbst wenn er nicht justiziabel ist und auch nicht gegen Netiquette verstößt.
    Denn eigentlich bin ich schon der Meinung, dass der Begriff Zensur auch nicht im umgangssprachlichen Sinne auf den Umgang diverser Medien mit ihren Kommentatoren anzuwenden ist.
    Ja, dann muss ich mir gefallen lassen ein „Sprachnazi“ zu sein. (Kam nicht von Ihnen, haben Sie aber zugestimmt.) Also gehe ich nochmal direkt auf Ihren Beitrag #57 ein.
    Ihnen ist klar, was der Begriff Zensur bedeutet, aber im Zusammenhang mit seiner Anwendung auf unfairen Umgang diverser Medien mit ungefälligen Kommentaren wollen Sie das nicht so verbissen sehen, da finden Sie schon, dass der Begriff ebenso anwendbar ist. Beim Gegenargument „Hausrecht“ lassen Sie diese Großzügigkeit vermissen. Da muss es dann schon genau genommen werden mit dem Begrifflichkeiten. Ist das jetzt „Sprachmachiavellismus“?
    Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass Ihnen jemand mit seinen privatwirtschaftlichen Ressourcen eine Plattform schaffen muss.
    Klar ist das nachvollziehbar ärgerlich, wenn sachliche Argumente oder sogar der Nachweis weggelassener Fakten in einem Kommentar unterdrückt werden. Verständlich ist es auch, wenn dann im berechtigten Frust zum Wort „Zensur“ gegriffen wird.
    Aber man kann doch einfach mal akzeptieren, dass man aus Ärger, womöglich berechtigten Ärger, geschimpft hat, statt eine juristisch und moralische untermauerte Rechtfertigung zu proklamieren.
    Unterdessen sollte man auch für ganz pragmatische Gesichtspunkte Verständnis haben.
    Ein Moderator, den nicht die Kommentatoren bezahlen, kann auch nicht jeden Senf durchlassen, der dann erneute Diskussionen, oft auf schäbigen Niveau nach sich zieht. Das ist sicher oft genug ein Problem der Kapazitäten und nicht der gewollten Unterdrückung von Meinungen.

  67. #48 Penisvergleich
    Da war doch schon mal der Diekmann in der Vermessungsanstalt bei der TAZ. Diese Medienfuzzys sind alle nur Hormongesteuert.

  68. @JUB 68 #87

    „Eigentlich wollte ich Sie dazu bringen, dass Sie einräumen, dass auch Sie nicht jeden Kommentar durchlassen würden, selbst wenn er nicht justiziabel ist und auch nicht gegen Netiquette verstößt.“

    So abstrakt kann man das schwer beurteilen, aber vermutlich gäbe es solche Kommentare, die ich nicht durchlassen würde. Dabei kommt es aber dann darauf an, dass es öffentlich sichtbar ist, dass es passiert ist und warum. Das ist auch der gedankliche Hintergrund, warum wir ziemlich aufwendige umfangreiche Prozessordnungen haben bei Gericht. Dahinter steckt der Gedanke, dass Gerechtigkeit nicht immer absolut herstellbar ist, aber man kann sicherstellen, dass sie bei Einhaltung der Regeln so verwirklicht wird, dass man von einem fairen Prozess sprechen kann. Einzelne Ausreißer sind dann nicht das Problem, solange die Ausreißer sich nicht häufen. Diesen Gedanken kann man dann auf Foren auch gut übertragen, finde ich.

    Das Hausrecht bezeichnet eine private Sphäre, die nur Ihnen gehört und wo Sie jeden nach Gutdünken ausschließen können. Deshalb passt diese Metapher gar nicht, denn das ist das genaue Gegenteil von dem, worum es bei Meinungsfreiheit geht. Man braucht diesen Begriff aber auch gar nicht, die richtige Begründung dafür, dass es eine Nettiquette geben darf, ist, dass sie die freie Meinungsäußerung erst möglich macht in so einem Forum, aber auch nur, solange man nichts überspannt. Deshalb geht es nicht um Großzügigkeit, sondern um die Genauigkeit, ob ein Begriff passt oder nicht und warum wir ihn so benutzen sollten oder nicht. Diese Zuspitzungen wie Sprachnazi und Sprachmachiavellismus brauchen wir hier gar nicht, finde ich. Bei #57 habe ich gesagt, „in etwa der Hintergrund“, wenn ich mich recht entsinne. Den Begriff „Sprachnazi“ hätte ich nicht gebraucht.

    „Ihnen ist klar, was der Begriff Zensur bedeutet…“

    Der Abkürzung halber würde ich, obwohl nicht sooo firm, auf Wittgensteins „Sprachspiel“ verweisen. Warum sollen wir die Hausrechts-Metapher nicht benützen, den Begriff der Zensur aber schon? Sie wollen den Begriff „Zensur“ in einer sehr formalistischen Weise benutzen (ich benutze ihn nicht „umgangssprachlich“, sondern materiell). Das wird eben der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Beim Begriff der Zensur geht es inhaltlich um Gefahren für die Meinungsfreiheit und somit für die Demokratie und man kann da gar nicht wachsam genug sein, denn wenn sich gewisse Strukturen erstmal verfestigt haben, ist es zu spät.

    „Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass Ihnen jemand mit seinen privatwirtschaftlichen Ressourcen eine Plattform schaffen muss.“

    Das stimmt, aber wenn man dieses (vielleicht als eigenständiges neues Medium anzusehende) Medium Leserforum benutzt, „eröffnet man einen Verkehr“ und hat eventuell eine Vormachtstellung bzw. wacht über den Zugang zur Agora. Das begründet dann gewisse Pflichten. So ist auch der Gedankengang des Bundesverfassungsgerichts, wirklich sehr anschaulich in diesem Beschluss und nicht wahnsinnig lang:

    http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2015/bvg15-056.html

    Zum Punkt „nicht jeden Senf durchlassen“: Da haben wir wieder das Problem, wer darf das bestimmen, was Senf ist? Bei Dieter Nuhr verteidige ich die Kunstfreiheit mit zugehaltener Nase, bei der „Anstalt“ mit großer Leidenschaft. Bei der Unterscheidung von Pragmatik und gewollter Unterdrückung komme ich wieder auf das Prozedere zurück. Es muss halt einsehbar sein, was warum gelöscht wurde unter Berücksichtigung des mildesten Mittels.

    Vielleicht ist es ohne juristische Vorbildung nicht so einleuchtend, ich kann das schwer beurteilen, aber ich hoffe, ich konnte klar machen, dass es keine Marginalie ist und auch keinem bloßen Ärger geschuldet.

  69. „Ich verstehe nicht, was Sie gegen den Begriff Zensur z.B. beim selektiven Freischalten haben, wie würden Sie denn dazu sagen?“

    Wenn man denn dafür überhaupt einen speziellen Begriff braucht und kreieren oder verwenden will, kann man dessen Angemessenheit durch reverse engineering prüfen:

    Lösen Sie ihn aus dem spezifischen Kontext und verwenden Sie ihn testweise als allgemeine Charakterisierung. Also: Verwerten Sie ihn genau so großzügig unformalistsich, wie von Agitatoren gewohnt:

    Hier mal 2 Umsetzungen:

    1.
    A) In Deutschland gibt es Medien, die eine an Zensur erinnernde Freischaltungspraxis pflegen. Also:
    B) In Deutschland herrscht Zensur

    2. (Mal hypothetisch)
    A) Mina betreibt einen Blog gegen Xenophobie. Dort werden täglich anonym mehr als ein Dutzend Posts mit Links zu Kriminalfällen geposted, bei denen offiziell keine Informationen zu Verdächtigen vorliegen, verbunden mit (unbegründeten) Andeutungen dass das „natürlich“ irgendwelche fremdreligiösen Ausländer begangen haben, was ja aber in den Medien und auf ihrem Blog natürlich wieder totgeschwiegen würde. Das nimmt so überhand, dass Mina entscheidet, solche Posts nicht mehr freizuschalten. Daran ist nichts abstrakt, das ist Alltag. Bei Welt-Online können Sie es sich mal ansehen, da werden die Hetz-Posts dieses Milieus großzügig freigeschaltet.

    Ergo:
    B) Bei Mina wird die Meinungsfreiheit unterdrückt. Mina führt ein Zensurregime.

    Ist aus Ihrer Sicht B jeweils eine ausreichend zutreffende Charakterisierung der tatsächlichen Verhältnisse, oder eine gezielte Manipulation des Lesers?
    Su funktioniert extremistische Propaganda. Auf diesem Wege beweisen Rechtsradikale, dass Deutschland Meinungsdiktatur und Zensurstaat. Schließlich ist die Holocaustleugnung strafbar.

    Was Sie als kleinlichen „Formalismus“ abtun, ist aus meiner Sicht also rhetorisches Verantwortungsgefühl.

    Anders gesagt, semiotisch betrachtet: Solche Begriffe sind mit einem reichhaltigen assoziativen Umfeld verbunden, welches eine bestimmbare Bandbreite von Vorstellungsbildern über das damit Charakterisierte transportieren. Sobald das dadurch kommunizierte Bild -kontextbefreit- irreführend wird, wird die Verwendung dieses Begriffes in dieser Form zu Agitprop.

    Ein ganzes Paket anschaulicher Fallbeispiele dafür finden Sie z.B. bei den Reichsbürgern. Setzen Sie sich mal in eine der leergeräumten Militärkasernen und lesen Sie sich dort durch, wie die die Behauptung „begründen“, Deutschland sei hier und jetzt ein „besetztes Land“ und es herrsche noch Kriegsrecht.

    Diese Vorgehensweise überlasse ich Demagogen. Ob die das dann nutzen, um Putin oder Assad als neuen Hitler darzustellen oder Deutschland als Gesinnungsdiktatur, ist mir egal. Gezielte Manipulation ist es in beiden Fällen, egal wer da jeweils der Gute und der Böse sind.

  70. @89 Mina
    Zuallererst möchte ich gleich auf das Beispiel von Symboltroll (91) hinweisen, wonach Sie, wenn auch hypothetisch, nach Ihrer eigenen Auslegung ganz schnell selbst durch Ihre Zensur zur „Gefahr für Meinungsfreiheit und Demokratie“ werden können.
    TAKE THIS, Mina!
    Da bin ich schon mal neugierig, was Ihnen dazu einfällt.
    Ansonsten:
    Der Gerichtsbeschluss, den Sie da beisteuern, ist trotz der grundsätzlichen Problematik am Ende eine Einzelfallentscheidung.
    Es wErden auf den konkreten Sachverhalt bezogen, die Interessen der Verammmlungs- und Meinungsfreiheit gegen die Interessen des Eigentümers abgewogen. In diesem Fall ist es dem Eigentümer zuzumuten, dass seine Interessen weniger Gewichtung haben. Aber bei der Verwaltung der Kommentarspalten durch Medienunternehmen liegen die konkreten Sachverhalte etwas anders.
    Glauben Sie dass es einen Gerichtsbeschluss geben könnte, mit dem man die Freischaltung eines Kommentars erzwingen kann? Wie würde denn da eine Abwägung der Interessen ausfallen?
    Ausserdem ist Ihre Argumentation weniger juristisch sonder schon eher philosophisch. Indem Sie Analogien zwischen Prozessordnungen und der Verwaltung von Kommentarspalten schaffen, die letztlich nicht rechtlich vorgeschrieben sind, kreieren Sie eine Spielart Ihres kategorischen Imperativs, der zwar nachvollziehbar ist, dennoch nicht allgemein verbindlich.
    Zu guter Letzt:
    Es ist der sprachlichen Bedeutung des Wortes „Zensur“ immanent, dass es sich um behördlich, staatlich ausgeübte Kontrolle handelt.
    Sie können das dennoch anders verwenden, aber das ist dann letztlich aus germanistischer Sicht umgangssprachlich verwendet.
    Das ist aus meiner Sicht auch nicht verhandelbar.

  71. Gibt es denn einen Vorschlag wie man das beschriebene Problem benennen kann? Ich sehe die Bezeichnung „Zensur“ in diesen Fällen auch als falsch verwendet an …

  72. @93
    „Kommentarselektion“
    – je nach Einzelfall noch mit Adjektiven versehen, wie „einseitig“ oder „verzerrend“.

  73. @JUB 68
    Selektion klingt gar nicht gut, böse Assoziationen!
    Anwalt Th. Koch hat in Kommentar # 60 den Begriff „Kommentarrestriktionen“ eingeführt. Ein typischer sperriger Juristenbegriff, den ich trotzdem in meinen Sprachgebrauch übernehme!

  74. @95 Frank Reichelt
    Verdammt, ich hatte einfach nur das Wort „Auslese“ bzw. „Auswahl“ im Kopf, an die bösen Assoziationen hatte ich in dem Moment gar nicht gedacht.
    Was wohl auch daran liegt, dass das Wort Selektion mir in letzter Zeit mehr in anderem Kontext untergekommen ist.
    Wenn es denn zu sperrig wird, könnte man sich ja auch einfach mal auf die deutsche Sprache besinnen und ein Ungetüm wie „Kommentarspalteneinbahnstraßensperrung“ kreieren.
    Ihr Vorschlag (bzw. der von #60) ist treffend, stellt aber viele in mündlichen Diskussionen vor ein Problem, das Wort spricht nicht jeder aus, ohne sich phonetisch zu verschlucken.

  75. @Symboltroll #91

    Nein, auch bei so einer Freischaltungspraxis „herrscht“ in Deutschland natürlich keine Zensur. Wenn wir nicht wachsam sind, könnten wir aber dahin kommen. Der Satz „In Deutschland herrscht Selbstzensur“ ist vermutlich wahrer, als uns lieb ist.

    Wenn Mina ein Blog gegen Xenophobie (ein etwas euphemistisches Wort für den Fremdenhass, mit dem wir es tatsächlich zu tun haben) betreiben würde, würde sie sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen, die entsprechenden Daten liefern, warum Ausländer nicht krimineller sind als Deutsche, dass es im Land eine Unschuldsvermutung auch für Ausländer gibt und öffentlich erklären, dass solche Posts nicht mehr freigeschaltet werden, weil das Recht auf freie Meinungsäußerung missbraucht wird und Rechte anderer verletzt werden. Mina hätte dann auch nicht das geringste Problem damit, dieses Vorgehen „gerechtfertigte Zensur“ zu nennen. Dazu gibt es ja auch eine Parallele, nämlich den Jugendschutz. Das ist eindeutig Zensur, aber sie ist eben zulässig, wobei dieser Schutz auch wieder begrenzt wird vom Recht auf Meinungsfreiheit. Im Verfassungsrecht nennen sie das „Wechselwirkungstheorie“. Mit Vorwürfen aus der rechten Szene, die regelmäßig allgemein geäußert und nicht begründet werden, könnte ich sehr gut leben.
    Was die „Welt“ angeht, weiß ich nicht, was es helfen sollte, es nicht Zensur zu nennen, in diesem Fall gebotene aber unterlassene Zensur. Niemand hat übrigens behauptet, dass Meinungsfreiheit gemütlich ist, sie bereitet regelmäßig Schmerzen.

    „So funktioniert extremistische Propaganda. Auf diesem Wege beweisen Rechtsradikale, dass Deutschland Meinungsdiktatur und Zensurstaat. Schließlich ist die Holocaustleugnung strafbar.“

    Nein, sie „beweisen“ nichts. Extremistische Propaganda wird man nicht dadurch bekämpfen, dass man sich vor der Diskussion des Begriffs der Zensur und den Bedingungen, unter denen sie zulässig ist, drückt. Ganz im Gegenteil, man erweckt ja dadurch den Eindruck, man würde seinen eigenen Argumenten nicht trauen und macht es viel schlimmer. Was die Holocaustleugnung angeht, auch da kommt es auf die Begründung an, auch das ist sicher Zensur, aber auch sie gerechtfertigt, denn es ist ein sehr gutes Argument, dass die Opfer und ihre Nachkommen vor Beleidigungen explizit geschützt werden.

    Von „kleinlichem“ Formalismus habe ich auch nicht gesprochen, sondern von einer Definition, die sich am Formalen ausrichtet statt an inhaltlichen Kriterien. Reichhaltiges assoziativ ja, aber das Argument funktioniert meiner Ansicht nach genau andersherum, nämlich dass man genau deshalb den Begriff diskutieren muss. Dann wird es auch nicht irreführend und man orientiert sich an der Sache und muss gar nicht unterscheiden, ob jemand gut oder böse ist. Dass es diese Umtriebe gibt, finde ich auch höchst besorgniserregend und es gibt eine Reihe von Dingen, die man tun kann dagegen, Präventionsmaßnahmen etc. Verbote sind immer schlecht, mit einer verbotenen NPD wird das Gedankengut nicht verschwinden, das ist ja eine ganz ähnliche Sache.

    Wir leben ja in einem Umfeld, wo ständig Dinge umbenannt werden, darunter die „feindlichen Kämpfer“ in Guantanamo oder „besondere Verhörmethoden“ für Folter. Cameron hat auch Zensur im Sinn und Berlusconi hatte es auch. Also immer Vorsicht angesagt.

  76. „TAKE THIS, Mina!“

    Warum so erbittert, JUB? Wir können doch verschiedener Meinung sein, ohne uns persönlich in die Wolle zu kriegen? Ich hoffe jedenfalls, ich konnte Ihre Neugier befriedigen.

    Gerichtsurteile und Beschlüsse beziehen sich _immer_ auf einen Einzelfall. Es kommen aber immer wieder dieselben Rechtsprinzipien zur Anwendung und die Probleme sind vergleichbar, den Hinweis auf das Urteil hat uns ja auch ein Jurist geliefert.

    Es ist gerade nicht so, dass die Interessen des Eigentümers weniger Gewicht haben, Sie können das unter den Schlagworten „Drittwirkung der Grundrechte“, „Schrankenlehre“ und „Wechselwirkungstheorie“ nachlesen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass es gelingen könnte, eine Veröffentlichung eines Kommentars gerichtlich zu erzwingen. Bei mächtigen Medienkonzernen, die einen zentralen Zugang zur Meinungsbildung kontrollieren, so dass sie Privatleuten wie der Staat gegenübertreten, könnten sie verpflichtet werden, beim Löschen von Kommentaren gewisse Regeln bezüglich Transparenz und Vielfalt einzuhalten. Ich könnte es mir vorstellen dass es das einmal geben wird. Welche Interessen könnte ein Online-Blatt anführen, Kommentare zu löschen, die zur Meinungsbildung beitragen? So einen Fall haben die „Nachdenkseiten“ schon mal publiziert, das gibt es also bereits. Denken Sie an die Machenschaften Berlusconis. Wir sind da vielleicht aufgrund solcher Rechtsprechung besser gewappnet dagegen.

    Beim Verfassungsrecht geht es schon sehr zentral um Rechts- und Staatsphilosophie, da entkommt man der Philosophie auch nicht.
    Was die Prozessordnungen angeht, drücken sie einen sehr alten bewährten Rechtsgedanken aus, darüber hinaus gibt es auch die Diskurstheorie und Diskursethik, denen dieselben Gedanken zugrunde liegen, an die sich Rechtsextremisten übrigens nicht halten und sich deshalb selbst ausschließen. Das sind also ganz genau die Anwendungsfälle, wo prozessuale Regeln zur Anwendung kommen.

    „Es ist der sprachlichen Bedeutung des Wortes „Zensur“ immanent, dass es sich um behördlich, staatlich ausgeübte Kontrolle handelt.“

    Wikipedia definiert: „Zensur (lateinisch censura) ist der Versuch der Kontrolle der Information“

    Wo steht das Ihrer Ansicht nach, dass es sich nur um staatliche Kontrolle handelt? Das hat irgendwer mal behauptet, stimmt aber nicht. Ein Problem der „Drittwirkung“, wie bereits erörtert.

    Lesen Sie mal Art. 5 Grundgesetz:

    http://dejure.org/gesetze/GG/5.html

    Zum Problem der Drittwirkung der Grundrechte, Schranken etc.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Praktische_Konkordanz

    https://de.wikipedia.org/wiki/Grundrechte_%28Deutschland%29#Drittwirkung_von_Grundrechten

    Ob man den Begriff der Zensur gar nicht anwenden möchte, dann sagt man „Einschränkung der Meinungsfreiheit“, oder Fälle berechtigter Zensur annimmt, ist dann doch vielleicht auch nicht so ein Riesenunterschied.

  77. @ 97
    Pepito
    Ja, ich habe den Nuhr ganz bewusst genannt. Seine Kunst besteht ja darin, Stammtischsprüche so umzuformulieren, dass man es ihnen nicht sofort anmerkt. Trotzdem darf er das natürlich sagen.
    Es gab ja den sehr guten Artikel von Hannah Beitzer in der SZ dazu und den in der Zeit zur Mode des ostentativen Gekränktseins.

  78. @73: Selbst, wenn Grafittis tatsächlich eine Meinung darstellen, was nicht immer der Fall ist, so hat nicht die Bahn die Pflicht, den Sprayern kostenlos ein Medium zu liefern. Entweder, sie mieten sich die Flächen, wie man das auch bei Plakaten macht, oder sie besprayen ihre eigenen Wände.

    Als ungefähre Analogie: wenn jemand auf einer Website eine Kommentarfunktion zur Diskussion über ein bestimmtes Thema der Welt zu Verfügung stellt, dann hat der, dem die Website gehört, das Recht zu entscheiden, was noch themenrelevant ist und was als OffT, kriminelle Äußerung oder dummes Zeug nicht mehr als Kommentar zählt.
    Das kann sich insofern an Zensur grenzen, wenn einseitig bestimmte Meinungen oder Kommentare trotz höflich-sachlicher Formulierung und Themenbezug und ohne strafrechtlicher Bedenken gesperrt werden. Man kann sich über die Lage und Größe dieser Grauzone streiten.
    Dies ist aber relativ egal. Relativ, weil die Meinungsfreiheit wohl kaum dadurch gefährdet wird, wenn a) in einem von tausenden von Blogs, Webseiten und Foren eine bestimmte Meinung nicht vorkommt und b) jeder jederzeit eine eigene Webseite aufmachen kann, wo sie oder er schreiben kann, was er will (bis es juristisch bedenklich wird, jedenfalls).
    Eine Privatperson, oder meinetwegen auch ein Zeitungsverlag hat nicht die Möglichkeit, flächendeckend zu zensieren, wie es der Staat könnte.
    Insofern muss man an Blog-Kommentar-Moderatoren weniger strenge Maßstäbe anlegen als an staatliche Stellen.

  79. @99 Mina
    Sorry, das sollte nicht erbittert ankommen, sondern eher als sportliche Aufforderung.
    Das es sich bei Zensur um staatliche Kontrolle handelt steht im Duden. Bei Wikipedia gleich im zweiten Satz, nach dem von Ihnen zitierten, steht das auch.
    Es gefällt mir übrigens auch, dass Sie auf sich selbst bezogen, anhand Ihres Beispiels von berechtigter Zensur sprechen, während Sie auch auf Art. 5 GG verweisen, nach dessen Intention Zensur nicht berechtigt sein kann. In dem Moment, wo die Einschränkung rechtlich legitimiert ist, ist es keine Zensur im eigentlichen Sinne.
    Aber ungeachtet dessen:
    Wenn Sie Kommentarrestriktion als Zensur bezeichnen wollen, kann Sie letztlich keiner daran hindern.
    Im Kern der Sache geht unsere Meinung ja auch gar nicht auseinander, sondern nur in der Frage, wie man es nennt. In diesem Detail können wir uns offensichtlich nicht einigen. That’s life.

  80. Im Kern der Sache geht unsere Meinung ja auch gar nicht auseinander, sondern nur in der Frage, wie man es nennt.
    Das sehe ich ähnlich. Und ich wäre auch dafür, den Zensurbegriff staatlichen, insbesondere zentral gesteuerten Restriktionsmaßnahmen vorzubehalten.
    Bei den aufgezeigten Problematiken rund um Reglementiereung von Kommentarspalten u. ä. dürfte der juristische dogmatische Anknüpfungspunkt auch weniger direkt bei der Meinungsfreiheit liegen. Es geht dabei eher um Gleichheitsrechte (Art. 3 GG), sprich Diskiminierungsfreiheit. Daraus könnte man ableiten, dass wer der (Netz-)Öffentlichkeit ein Forum zur Diskussion eröffnet, nicht willkürlich Teilnehmer und Beiträge aussieben dürfen soll. Beim Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (das man insofern auch sehr kritisch sehen kann) läuft die Argumentation ja auch für Privatpersonen ähnlich. Man müsste hier allerdings deutlich großzügigere Maßstäbe anlegen und auch eine Beschränkung auf bestimmte Fallgruppen verbotener Diskriminuerungsgründe dürfte bei unliebsamen Meinungen nicht möglich sein. Die Meinungsfreiheit würde dann mittelbar wirken, aber (wie bei Freiheitsgrundrechten üblich) nur unter Gleichheitsgesichtspunkten einen positiven Zulassungsanspruch begründen können.

    Eine (weitere Schranke) könnte/müsste dort gezogen werden, wo der Öffentlichkeit ein massiv verzerrtes Meinungsbild als repräsentativ verkauft wird. Hier dürfte das Eis allerdings schnell ziemlich dünn werden, wann so eine gezielte Irreführung der Öffentlichkeit tatsächlich vorliegt. Mir schwebt eine Analogie zu den Situationen vor, in denen nach Wettbewerbs- und Presse-/Medienrecht auch nicht irreführend mit angeblich repräsentativen Umfragen, Studien u. ä. hantiert werden dürfte. Es ist ja nicht so, als wären Presse- und Meinungsfreiheit (für Zeitungen, Websites etc.) hier schrankenlos gegeben. Wie schon geschrieben wurde, dabei geht es schlicht um Transparenz, dass jeder auf Anhieb erkennen kann, unter welchen Bedingungen ein öffentliches „Meinungsbild“, wie es Kommentarspalten suggerieren, zustande gekommen ist.

  81. @JUB & Pepito

    Okay, JUB, hab ich mir eh gedacht;-)

    Ich habe inzwischen ein wenig geschmökert und bin noch auf etwas Interessantes gestoßen, das die Diskussion nochmal in ein neues Licht taucht.

    Es haben sich eine Menge Leute, darunter Bourdieu und Habermas, schon mit dem Thema Zensur auseinandergesetzt, dargestellt in einem Sammelband, den der Germanist und Kunstwissenschaftler York-Gothart Mix herausgegeben hat. Er unterscheidet formelle und informelle Zensur und meint, den Zensurbegriff auf staatliche Eingriffe zu beschränken sei schon im 20. Jahrhundert überholt gewesen. Er bringt Beispiele, die zeigen, dass das Phänomen äußerst facettenreich ist. Informelle Zensur spiele gegenwärtig die bedeutendste Rolle und werde mit Hilfe psychologischen, ökonomischen, politischen oder sonstigen sozialen Druckes geltend gemacht.

    „Zensurähnliche Eingriffe verlagern sich in Redaktionen, Lektorate oder in Gremien unterschiedlichster gesellschaftlicher Institutionen. Verantwortlich für diese Entwicklung sind vielfältige Phänomene.“

    Das eigentlich Interessante ist sein Hinweis darauf, dass die Geschichte der Zensur der BRD nie geschrieben worden sei und hier ein blinder Fleck konstatiert werden müsse. Als Beispiel bringt er unglaubliche Begebenheiten wie die Bücherverbrennung von 1965, durchgeführt am Düsseldorfer Rheinufer mit behördlicher Genehmigung und ausdrücklich geäußertem Wohlwollen von Seiten der EKD.
    Weiß keiner, ich hatte auch nie davon gehört.

    Also ein brisantes diskussionswürdiges Thema, das man im Auge behalten sollte.

  82. @104
    „Weiß keiner, ich hatte auch nie davon gehört“.
    Was nicht besagt, dass die Geschichte verborgen wurde. Eine ziemlich restriktiv ausgerichtete evangelische Jugendgruppe verbrennt im Jahre 1965 Bücher mit entsprechender behördlicher Genehmigung. Das wurde nicht unter den Tisch gekehrt.
    Das hat damals Staub aufgewirbelt.

  83. Das wäre ja auch noch schöner, wenn es unter den Tisch gekehrt worden wäre. Aber im kollektiven Gedächtnis ist es nicht vorhanden, weil es keine Aufarbeitung der Geschichte der Zensur in der BRD gegeben hat, so wie es sie nach dem Ende der DDR gab. So nach dem Motto, das gibt es in der Demokratie nicht. Gibt es natürlich sehr wohl in sehr vielen Spielarten, denn Macht übt man natürlich am besten im Verborgenen aus. Deshalb ist es kein Wunder, wie die Diskussion hier gelaufen ist, es gibt kein Bewusstsein für diese maskierten Erscheinungsformen. Wer genau hinsieht wird feststellen, dass es auch nicht wirklich gut aussieht mit der Meinungsfreiheit in Deutschland. Nach dem Krieg war man sich einig, Demokratie muss täglich erkämpft werden, diese an den gerade überlebten Schrecken geschulte Wahrnehmung ist dann schnell verloren gegangen.

  84. „Deshalb ist es kein Wunder, wie die Diskussion hier gelaufen ist, es gibt kein Bewusstsein für diese maskierten Erscheinungsformen.“

    Ich glaube eher, diese Diskussion wird sich immer in diesem witzlosen Kreis drehen, solange manche darauf beharren, ihn begrifflich nach dem Motto „Was nicht passt, wird passend gemacht“ zu führen. Da fehlt esin dieser Diskussion vielleicht nicht an Bewusstsein, sondern an Sorgfalt oder rhetorischer Selbstkontrolle..

    „Wer genau hinsieht wird feststellen, dass es auch nicht wirklich gut aussieht mit der Meinungsfreiheit in Deutschland.“

    Man kann alle in den Formen „unliebsamen“ (aber nicht kriminell verhetzenden) Meinungen jederzeit und unbehindert mit den eigenen Mitteln und auf anderen Plattformen verbreiten. Ich sehe die Forumspolitik einiger Verlage, als Ausdruck ihres Selbstverständnisses, ziemlich kritisch, aber:

    Das hat keinen Einfluss auf „Die Meinungsfreiheit in Deutschland“.

    Meinungsfreiheit entsteht nicht dadurch, dass jedes private Medienunternehmen zwangsweise jede Meinung über die eigene Plattform multipliziert.

    Ob nun Zufall, Übereifer oder mit System:

    Genau solche überstiegenen Schlussfolgerungen auf Basis von irreführenden Benennungen vorhandener Phänomene sind üblicherweise Start-Plattform für den Einstieg in die Agitation weitergehender VT-Theorien. Auch und gerade in Foren bekannter Medien.
    Ist das erstmal gefressen, kann man sich gemeinsam über die in Deutschland durch Zensur eingeschränkte Meinungsfreiheit unterhalten.

    Ich möchte Ihnen ja nicht zu nahetreten, aber die Frage interessiert mich schon:

    Was ist es denn hier: Zufall, Übereifer oder Intention?

  85. Es ist urlaubsbedingt spät geworden, aber das will noch beantwortet werden.

    Die Diskussion dreht sich nur dann im Kreis, wenn Sie eherne Diskursregeln verletzen, Symboltroll. Ich darf an Robert Alexy erinnern, das Stichwort Diskursethik ist ja bereits gefallen:

    • Rhetorische Regeln zu Sicherung einer gewaltfreien und chancengleichen Teilnahme am Diskurs:
    3.1. Jedes sprach- und handlungsfähige Subjekt darf an Diskursen teilnehmen.
    3.2. (a) Jeder darf jede Behauptung problematisieren.
    (b) Jeder darf jede Behauptung in den Diskurs einführen.
    (c) Jeder darf seine Einstellungen, Bedürfnisse und Wünsche äußern.
    3.3. Kein Sprecher darf durch innerhalb oder außerhalb des Diskurses herrschenden Zwang daran gehindert werden, seine in 3.1 und 3.2 festgelegten Rechte wahrzunehmen.

    Sie können natürlich einige meiner wesentlichen Argumente ignorieren und den Diskurs über Zensur autoritär unterbinden, das ist aber unseriös und damit stellen Sie sich außerhalb.
    Wer argumentiert, agitiert nicht. Unterdrückung von Meinungsäußerung ist Zensur. Diese kann gerechtfertigt sein, so lässt sich auch den Pegida-Leuten gegenüber sauber argumentieren, während Sie entweder verdruckst sein müssen oder autoritär, beides ist unsouverän und wird die eventuell im Dunstkreis Unentschlossenen nicht beeindrucken.

    Gibt es für Ihre Agitations-These irgendwelche Belege? Nachgewiesen ist hingegen, dass die meisten Menschen dazu tendieren, sich einer vermeintlichen Mehrheitsmeinung anzuschließen, das wissen Sie auch, es ist also von erheblicher Bedeutung, ob unliebsame Kommentare aussortiert werden oder nicht. Für alles was ich gesagt habe, gibt es das eindrucksvolle Beispiel der Masche Berlusconi, ähnliche Entwicklungen gibt es bei uns auch, wie man an den prominentesten Beispielen der Griechenland-Berichterstattung und an der über die NSU-Morde ganz klar ablesen kann. Freie Meinungsäußerung hängt ab von freier Meinungsbildung und letztgenannte Beispiele zeigen deutlich, wie es um die Meinungsfreiheit bestellt ist, 70-80 % der Bundesbürger glauben, Merkel und Schäuble haben alles richtig gemacht Griechenland gegenüber.
    Der Hintergrund, dass es nicht egal ist, _wo_ eine Meinung geäußert wird, kennen wir von der Gegendarstellung. Ein Blog von noch so guter Reichweite kommt nicht an gegen riesige Medienkonzerne. Der Medienwissenschaftler Matthias Thiele wurde gefragt, warum er Talkshows zur Griechenland-Berichterstattung untersucht habe… selber Gedanke und das Bundesverfassungsgericht sieht das genauso und es gilt eben sehr wohl für Private, wenn sie eine Schlüsselstellung einnehmen.

    In diesem Sinn widmet Mix sich den ganz subtilen Formen informeller Zensur, der Besetzung von Aufmerksamkeitsressourcen. Das, was im Zentrum steht, den großen Medienhäusern und der Prime-Time wird automatisch Autorität zugemessen vom Publikum und Deutungsmacht verliehen und wenn es da nicht funktioniert -und es funktioniert ja nicht- dann sieht es düster aus für die Meinungsfreiheit und die Demokratie.

    Tun wir doch darüber hinaus nicht so, als sei der Kommentarteil ein selbstloser Service. Der ist zur Generierung von Klicks gut und weil sich auch Anzeigenkunden für gewisse Meinungen interessieren, zahlt sich also auch aus.

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