Der aserbaidschanische Regierungssender TV.Berlin

Es tun sich so viele aufregende Dinge in der Hauptstadt, es gibt ambitionierte Bauvorhaben, Reformen in der Verwaltung, große internationale Veranstaltungen, die viele Besucher anziehen. Der lokale Fernsehsender TV.Berlin widmet sich ihnen beispiellos ausführlich – den aufregenden Dingen in der Hauptstadt Aserbaidschans.

Die Homepage von TV.Berlin sieht schon seit Wochen aus, als stünde die Umbenennung in TV.Baku unmittelbar bevor. Prominenter als jedes andere Format wird die vielteilige Reportagereihe beworben, in der der Sender vor den ersten Europäischen Spielen, die hier im Juni stattfinden werden, über Aserbaidschan berichtet.

Es ist, kurz gesagt, ein beneidenswertes Land, geführt von einer großartigen, modernen Regierung, die unter nicht immer ganz leichten Umständen viele gute Dinge tut und an deren Spitze ein weiser Präsident steht. Aber warum sollte man das kurz sagen, wenn es so viele beeindruckende Details gibt, die Freunde der Regierung gern in die Kamera von TV.Berlin sprechen! Und die Menschen auf der Straße in Baku, aber das ist ja letztlich kein Unterschied. Ein älterer Mann sagt gleich in der ersten Folge:

„Es war eine gute politische Entscheidung vom Präsidenten, dass Aserbaidschan die Spiele austrägt. Ich finde, Baku ist eine der schönsten Städte, und ich muss sagen, dass die Regierung in den vergangenen 20 Jahren viel für den Sport und das Land getan hat.“

Sicherheitshalber fragt Aileen Waurick, die junge TV.Berlin-Reporterin aber nochmal bei der Vize-Präsidentin des (angenehmerweise weitgehend oppositionsfreien) aserbaidschanischen Parlamentes nach. Die ist begeistert.

„Selbstverständlich ist Aserbaidschan in der Lage, dieses Sportereignis auszutragen. Nicht umsonst haben wir uns beworben und den Zuschlag erhalten. Und das war nicht unsere Entscheidung, sondern das Europäische Olympische Kommitte hat Aserbaidschan für würdig empfunden und bringt uns das Vertrauen entgegen, die Spiele auszurichten. Deswegen ist es ganz offensichtlich, dass das IOC weiß, wo die Stärken unseres Landes liegen.

Gut, da ließe sich jetzt einiges zu sagen. Andererseits, wenn man schon mal Gelegenheit hat, mit der Vizepräsidentin der aserbaidschanischen Nationalversammlung ein Interview zu führen, drängen sich natürlich andere Fragen auf. Konkret zum Beispiel diese:

Sind Sie denn selbst auch vor Ort und welche Sportarten finden Sie persönlich ganz spannend?

(Sie schaut mal, was ihr Terminkalender zulässt, ist jetzt nicht Fan irgendeiner bestimmten Sportart, hält sich aber selbst mit Fitnessübungen in Form.)

Die TV.Berlin-Reportagen aus Baku sind Werbefilme für das Land und seine Regierung. Mit der Ausrichtung der European Games will sich das neototalitäre Regime der Weltöffentlichkeit in bester Form präsentieren, und diese Filme wirken, als seien sie Teil der Kommunikationsstrategie. Gezeigt wird nicht nur, wie wunderbar das erstaunlich moderne Land die Ausrichtung eines solchen Großereignisses schultert. Eine ganze Folge lang werden die diese fantastischen neuen Bürgerzentren gerühmt, die es im ganzen Land gibt. Blenden wir uns ein in den faszinierenden Bericht über die Asan-Service-Zentren!

„Dieses mal führt uns uns unser Entdeckungsreise direkt in das Zentrum von Baku“, sagt die Sprecherin. „Genauer gesagt in die Heysan-Aliyew-Straße im Westen der Stadt. Unser Ziel: Eines von insgesamt acht Asan-Service-Zentren in Aserbaidschan. Fasst man es mit zwei Worten zusammen, dann trifft es die Bezeichnung ‚Innovatives Bürgerzentrum‘ wohl am besten.“

Früher habe es bei den Behörden im Land häufig Korruption gegeben. Dieser Willkür habe die aserbaidschanischen Regierung vor zwei Jahren ein Ende gesetzt.

TV.Berlin-Reporterin Waurick konfrontiert den Asan-Direktor Inam Kerimov mit der Feststellung, dass das Projekt ja noch neu, aber doch sehr erfolgreich sei. Er kann das sehr bestätigen, zeigt der jungen Reporterin und uns ausführlich alles und erzählt:

Das Asan-Projekt ist Teil eines umfassenden Modernisierungsprozesses, den unser Präsident ins Leben gerufen hat. Selbstverständlich ist ein Ziel, alle negativen Effekte zu eliminieren.

Die Sprecherin ergänzt:

Die Asan-Center in Aserbaidschan sind Bürgerzentren ganz besonderer Art. Zeitraubende Wege zu mehreren Behörden, wie es in Deutschland üblich ist, entfallen. Denn die Zentren bündeln jeweils 30 Dienstleistungen wie die Ausstellung von Dokumenten, Steuer- und Rentenbescheiden unter einem Dach.

Und die Menschen in Aserbaidschan, sind die dankbar für diese Einrichtungen? Und wie!

Wie groß der Zuspruch der Bürger ist, lässt sich an folgender Zahl erkennen: Allein innerhalb des ersten Jahres nahmen eine Million Männer und Frauen den Asan-Service in Anspruch.

Zu dem Erfolg haben auch maßgeblich die vielen ehrenamtlichen Helfer beigetragen. Von 2013 an bis heute unterstützen mehr als 2000 Freiwillige die Bürger in acht Service-Zentren. Eine von ihnen ist Müjgan Haciyeva. Die 23-jährige musste keine Sekunde nachdenken, als sich die Möglichkeit eines Ehrenamtes bot. Sie ergriff die Chance sofort.

Haciyeva sagt dann, wie glücklich sie ist, und dass sie im Anschluss an ihre ehrenamtliche Tätigkeit sehr gern dort …

(Neinnein, bleiben Sie dran, das kann jetzt wirklich nicht mehr lange gehen. Der Mann von der Verwaltung hat schon über elf Minuten am Stück gesprochen, was deutlich mehr ist als die Gesamtlänge der täglichen Nachrichtensendung auf TV.Berlin, jetzt sind wir sicher gleich durch.)

… weiterarbeiten würde. „Denn ich stehe voll hinter dem Asan-Projekt“, sagt sie. „Ja, deshalb wäre es eine Ehre für mich.“

Natürlich gibt es nicht in allen entlegenen Regionen des Landes solche tollen Zentren. Aber dorthin fahren dann Busse, in denen Bürger ebenfalls ihre staatlichen Angelegenheiten erledigen können. „Der mobile Service erfreut sich großer Beliebtheit“, weiß TV.Berlin. Kein Wunder:

Beamter: Hier ist der Vertrag für Sie.
Bürger: Damit ist alles erledigt, ja?
Beamter: Ja, alles fertig. Sie können gehen.

Geschafft.

Folge 4 widmet sich dem Konflikt mit dem Erzfeind Armenien um die umstrittene Region Berg-Karabach und die angrenzenden, von armenischen Truppen besetzten Gebiete Aserbaidschans. TV.Berlin schildert die langjährigen blutigen Auseinandersetzungen sowie die komplexen Hintergründe des verfahrenen Streits ganz aus aserbaidschanischer Sicht. Die Reporterin besucht eine vertriebene aserbaidschanische Familie, die ihr tragisches Schicksal beklagt, aber gleichzeitig auch die Regierung rühmt, sich so gut um sie zu kümmern. Der aserbaidschanische Parlamentsabgeordnete Azay Goliyew, dem TV.Berlin bescheinigt, „um eine friedliche Lösung (des Konfliktes) bemüht“ zu sein, schildert in langen Monologen die Regierungsposition, kritisiert Armenien und die sogenannte Minsk-Gruppe, die sich um eine Vermittlung zwischen den verfeindeten Ländern kümmert. Sicherheitshalber wiederholt auch die stellvertretende Parlamentspräsidentin noch einmal die Position des Regimes, wobei ihr die TV.Berlin-Reporterin zusieht. Andere Positionen und Haltungen zu dem Konflikt kommen nicht vor.

Nun könnte man den Gedanken abwegig finden, dass sich ein Land, das hinter dem Kaukasus liegt, ausgerechnet den Kleinsender TV.Berlin für solche PR-Aktionen aussucht. Andererseits ist Aserbaidschan bekannt dafür, auf vielfältigen Wegen in ganz besonderer Weise in Deutschland und Europa sein Image zu polieren, auch mit Hilfe von PR-Agenturen wie der Berliner Firma Consultum. Und die freundliche Berichterstattung von TV.Berlin ist wiederum Thema in den aserbaidschanischen Medien.

Der Sender interessiert sich auch sonst auffallend für Aserbaidschan. Also, jetzt weniger für das Schicksal von Bürgerrechtlern, die dort eingeschüchtert, verfolgt, verhaftet und verurteilt werden. Sondern eher für die Bodenschätze und die rasant wachsende Wirtschaft. Als im Januar der aserbaidschanische Präsident Ilham Alijew zum Staatsbesuch in der Stadt war und Bundeskanzlerin Angela Merkel traf, war das für TV.Berlin die Aufmachermeldung in den Nachrichten, mit der aufregenden Information:

Beide sprachen über die bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Aserbaidschan. Das Gespräch und das gemeinsame Mittagessen verliefen harmonisch.

(Die dpa-Meldung über das Treffen begann mit den Worten: „Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat von Aserbaidschan die Einhaltung der Menschenrechte verlangt. Bei einem Treffen in Berlin erinnerte sie Staatspräsident Ilham Aliyev am Mittwoch daran, dass sich die ehemalige Sowjetrepublik als Mitglied des Europarats auch zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet habe. Zudem müssten deutsche Stiftungen und andere Organisationen die Gewissheit haben, dass sie ‚auf sicherem rechtlichen Grund‘ arbeiten können.“)

Im März zeigte TV.Berlin in einem zweiteiligen „Spezial“ lange Ausschnitte aus einem „Symposium“ über „Perspektiven Deutsch-Aserbaidschanischer Zusammenarbeit“, zu dem der aserbaidschanische Botschafter Freunde des Landes geladen hatte.

Mehrere Anfragen bei der Redaktion von TV.Berlin, wer die Filme produziert und finanziert hat und ob es eine Unterstützung zum Beispiel durch die aserbaidschanische Regierung gab, blieben unbeantwortet. Die Sendungen haben keinen Abspann. Der Vorspann besteht aus Bildern, die bereits in einem früheren Dokumentarfilm verwendet wurden. TV.Berlin wird nach diversen Insolvenzen seit 2013 von der Firma Godd Media Broadcast von Seyhan Yigit betrieben.

34 Replies to “Der aserbaidschanische Regierungssender TV.Berlin”

  1. Wenn die Medienanstalt als Kontrollaufsichtsbehörde von diesem Verdachtsfall erfährt, dann kann sich TV Berlin … äh … ach, nichts.

  2. Wenn ich mir deren Logo anschaue, ist wohl ein bekannter Nuss-Nugat-Creme-Hersteller ein Finanzier.

  3. Das Land scheint eine Sport-Offensive qua Propaganda vom Zaun gebrochen zu haben. Wo man auch hinsieht, schiessen Sportereignisse in und um Baku aus dem Boden, von Radrennen über Europaspiele bis Formel 1. Ist auch leichter, denn kritische Berichterstattung ist von Sportjournalisten (und Sport-„Journalisten“) nicht zu erwarten. Wo zu Zeiten des ESC noch begleitende Kritik ob der kritikwürdigen Situationen und Umstände üblich war, verliert im Rahmen der Sportberichterstattung kaum eine Sau ein ähnlich gelagertes Wort. Stattdessen herrscht allgemeines Abfeiern vor.

  4. Aserbaidschan hat ja auch ESC-Punkte gekauft, die wollen sich unbedingt Europa präsentieren. Während der Snooker-WM hat mich die ständige Werbung für ein anstehendes Sportevent in Baku genervt. TV.Berlin ist chronisch pleite, die nehmen das Geld gerne an.

  5. @Stefan: Der zweite Link ganz am Ende des Textes scheint leer zu sein (Amnesty International: Europaspiele 2015 im Klima der Unterdrückung). Er verweist auf die Seite, auf der man gerade schon ist.

  6. Guckt man auf die TV.Berlin-Seite bei der MABB, dann findet man die Beschreibung:

    Die Veranstalterin wird speziell für Berlin entwickelte Formate selbst oder in Koproduktion veranstalten sowie diese fortentwickeln und um Themen für die türkisch- und russischstämmigen Mitbürger erweitern.

    http://www.mabb.de/regulierung/veranstalter/tv-sender/details/item/tvberlin.html

    Türkisch und russisch. Sind damit die beiden Pole, zwischen denen Aserbaidschan sich bewegt – das eine kulturell, das andere politisch? Eine Familie mit russischem Namen regiert ein Land, in dem die Amtssprache eine Turksprache ist…

    Reicht das dann nicht als Erklärung aus?

  7. „Sind damit die beiden Pole, zwischen denen Aserbaidschan sich bewegt — das eine kulturell, das andere politisch – NICHT GENANNT?“, sollte das heißen…

  8. Da wird ein Mal nicht von dpa ungeprüft übernommen, sondern direkt vor Ort recherchiert, es wird mit den einfachen Menschen auf der Straße und hochrangigen Vertretern des eigenen Parlaments gesprochen, ein breites Spektrum fürwahr. Es wird abgewichen von synchroner prowestlicher Berichterstattung. Endlich wird mal ein anderer Blickwinkel eingenommen und nicht das ständige Gejammer formatierter Menschenrechtler wiederholt, nur weil ein paar Andersdenkende ein wenig kaltgestellt werden. Herr Niggemeier allerdings hat dafür nur bissige, vernichtende Kritik übrig!
    Und dafür muss man ihm wirklich dankbar sein.

  9. Fehlt nur noch Borat… Womit dieses Ereignis bei mir schon alleine unten durch ist, sind die extrem aufdringlichen Werbeschaltungen: Auf manchen Seiten öffnet sich automatisch ein Video, das man weder anhalten noch per Adblocker blockieren kann – sehr nervig.
    Ach ja, einen Fehler habe ich auch noch: „Das Gespräch und das gemeinsame Mittagessen verlieren harmonisch“ ist sicher kein beabsichtigter Gag. ;)

  10. Kann man in solch einem Fall als Zuschauer wenigstens eine Beschwerde an die MABB schicken, weil die „Reportagen“ nicht als Dauerwerbesendung gekennzeichnet waren?

  11. #13: Eine Beschwerde können Sie schicken. Die wird allerdings umgehend als unbegründet verworfen, weil, …
    Brauchen Sie dafür wirklich einen Grund?

  12. Wahnsinn, warum denkt heute keiner mehr darüber nach, was er da veröffentlicht, wenn er was veröffentlicht. Na gut, FAST keiner. Und falls hier darüber nachgedacht wurde, ist alles noch schlimmer als ich dachte.

  13. „Konfrontiert … mit ..“ – Typisches Medien-Sprech, scheint gerade sehr modern zu sein. Sachlich zu schreiben „fragt/erkundigt sich nach …“ ist offenbar derzeit nicht angesagt.

    TV Berlin ist doch ein Sender, über den man kein Wort verlieren muß, ich habe ihn, da er ein einzigartiges Marketing/Produkt-TV der versteckten Art ist (jede Sendung ist eine Dauerwerbesendung), aus meiner Sendeliste gelöscht.

  14. Lieber Herr Niggemeier,
    mit diesem Blogeintrag haben Sie auf den Artikel von Jens Weinreich bei Krautreporter verwiesen, der wiederum auf einen Beitrag von Ihnen zum Thema verweist. Sie sind ja offenbar nicht der einzige, den das Thema umtreibt. Die Grünen haben, so war zu lesen, eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung gestellt, die sich mit der konkreten Entwicklung der Menschenrechte in Aserbaidschan befasst. Die Bundesregierung will eine Beantwortungsfrist bis zum 30. Juni (wenn die Europaspiele in Baku vorbei sind).
    Sie selbst haben sich durch Ihre Beiträge zum ESC schon als „Sehender“ erwiesen (ohne in den aktuelleren Beiträgen darauf herumzureiten). Letztlich haben Sie aber 2012 schon prophezeit, dass eine große Kulturveranstaltung von europäischen Interesse dennoch keine Änderung bewirken wird. Tatsächlich ist es dort schlimmer geworden. Womit ein gewichtiges Argument für die Vergabe einer derartigen Veranstaltung an Länder wie Aserbaidschan entkräftet wird.
    Nun wird aber, das zeigt nicht nur die Parlamentsanfrage, das zeigen auch öffentliche Äußerungen der EU Abgeordneten an die verantwortlichen Organisatoren auch aktuell wieder auf die Problematik hingewiesen. Dabei werden auch die Einzelschicksale der nahezu erstickten Opposition in den Focus der Öffentlichkeit gerückt.
    Was ohne die Vergabe der Sportveranstaltung nach Baku nicht in dem Umfang passiert wäre.
    Offen bleibt, wie viel Nutzen das bringt.
    Wäre es denn aus Ihrer Sicht jetzt sinnvoller gewesen, Aserbaidschan diese Veranstaltung nicht zu geben?

  15. @JUB 68: Ich bin kein „Sehender“, das ist Unsinn. Ich habe auch nicht gewusst, dass es so kommen wird.

    Ja, ich glaube, es wäre sinnvoller, solche Veranstaltungen nicht in Ländern wie Aserbaidschan auszutragen. Was bringt der Opposition und den Bürgerrechtlern die internationale Aufmerksamkeit, die sie jetzt vielleicht bekommen? Das Regime scheint das realistisch einzuschätzen: Diese Aufmerksamkeit ist folgenlos, das bisschen schlechte Publicity halten sie locker aus. Sonst hätte man ja mit einigen drastischen Urteilen zum Beispiel bis nach den Spielen gewartet. Der Werbeeffekt für das Land und das Regime ist jedenfalls ungleich größer.

  16. „Die umfangreiche Berichterstattung aus Anlass des Grand-Prix über die wahre Natur des Regimes hat sicher dazu beigetragen, dass die Arbeit der PR-Agenturen und Lobbyisten, die international für die aserbaidschanische Regierung arbeiten, eher schwerer geworden ist. Andererseits sieht es nicht so aus, als ob der Grand-Prix den Anstoß für irgendwelche demokratischen Fortschritte im Land geben würde. Vielleicht wäre es ein erster Schritt, sich von dieser Illusion zu verabschieden.“

    Stefan Niggemeier, „Mein Mulm in Baku“ vom 17.05.2012

    Ich meinte mit „Sehenden“ nichts Esoterisches, sondern eher den Vertreter einer Minderheit unter Blinden ;-)

  17. @Stefan (#19)

    Das stößt mir so ein bißchen auf, überall die selben Wendungen, die von Zeit zu Zeit variieren.
    Vor 10 Jahren „fühlte sich alles an“, im Augenblick werden die Bösewichte „mit Vorwürfen konfrontiert“ (man kann ja nach einer Stellungnahme fragen bzw. sie bitten, sich zu dem Thema zu äußern etc.), anstatt Beruf- oder Tätigkeitsbezeichnungen wimmelt es von abstrusesten Experten (das Magazin „mex“ machte mal einen Chirurgen zu einem Knochenexperten)…

    Es gibt vieles, was in allen Medien gleich gesagt wird und wo man sich fragt, wird das jährlich neu festgelegt?

  18. @Thomas: Und die Ironie in der Formulierung, weil Politiker normalerweise ja von Journalisten mit Vorwürfen konfrontiert werden, hier aber mit der Feststellung, wie erfolgreich doch alles sei, überträgt sich gar nicht?

  19. Worin unterscheidet sich eigentlich ein „neototalitäres Regime“ von einem „totalitären Regime“?

  20. @JUB68 #10: Das war hoffentlich Zynismus?

    Ansonsten könnte man auf entsprechende Kooperationen mit solchen Staaten besser verzichten. In einer idealen Welt. Falls die irgendwo existiert, bitte ich darum, darauf aufmerksam gemacht zu werden.

    Aber solange IOC und „westliche“ Politik u.v.m. gerne ihren moralischen Führungsanspruch postulieren UND gerne mit den übelsten Menschenschindern zusammenarbeiten, solange sie nur „unsere Drecksäcke“ sind und mit Geldsäcken werfen können, ist sowas wie TV Berlin zwar peinlich, aber auch nur ein Nachahmer im Kleinen.

  21. @26
    Ja, das war Spott. Nach diesem Kommemtar habe ich dann aber mit den weiteren verlinkten Artikeln beschäftigt und anderen Medienbeiträgen zum Thema (vgl. #20).
    Das ist in vielerlei Hinsicht verstörend, da kriegt die oben beschriebene Berichterstattung von tv.berlin eine noch deutlichere Schieflage.
    Was ich nicht einschätzen kann, wie meinungsbildend dieser Sender wirkt. Ich weiß, dass diese regionalen Kleinsender immer von wesentlich mehr Leuten wahrgenommen werden, als man eigentlich denkt. Nach meiner Erfahrung interessieren sich die Zuschauer dort aber für regionales Zeug, dass für bundesweite Meldungen zu banal ist, vor Ort aber für Brisanz sorgt. Inwieweit sich Leute dort über die „große weite Welt“ informieren, kann ich nicht beurteilen.
    Die hier regelmäßig mit lesen und mit diskutieren, werden das wohl eher nicht tun.

  22. Wenn hier ein kleiner Regio-Sender (zu recht) kritisiert wird, dann möchte ich anregen, sich mal wieder den Großen zu widmen. Zum Beispiel der WELT und deren „Journalismus“:
    http://m.welt.de/politik/ausland/article140750237/Es-wird-keinen-unblutigen-Regimewechsel-geben.html
    Nicht nur, dass Chodorkowski dort unwidersprochen den Kaffeesatz zur russischen Zukunft befragen darf, die Welt-„Journalisten“ Jörg Eigendorf und Boris Reitschuster wissen überdies, dass an Chodorkowskis Haft ein anderer die Schuld trägt: „… Igor Setschin, der einen großen Teil der Schuld für Ihre Haft trägt?“ Sag dem Schäuble mal, er trüge einen großen Teil der Schuld an Höneß‘ Haft.

  23. Nochmal zu den Journalistenphrasen: belastbare Fakten war auch eine Weile in Mode.

    Und neben Andreas Hirsch (#29) habe ich auch eine Anregung: Bitte mal die Sender frage, warum sie für Dokumentationen, Reportagen und Berichte alle die selbe, oft nervende, musikalische Struktur wählen:

    – Jede Sequenz muß musikalisch untermalt werden, einzige Ausnahme ist, wenn ein Interviewpartner spricht.
    – warum wird Musik im Hintergrund (bzw. speziell beim ZDF nicht wesentlich leiser als der Sprecher) verwendet, wenn der Sprecher etwas erzählt?
    – wieso benötigt jede Sequenz einen musikalischen Hintergrund
    – wieso sind das die immer selben Schemen der Emotionalisierung von Bildern (Sport = Action = Musik mit Gitarren, Trauer = Klavier etc..), wieso kommt besonders das ZDF schon in 5 Minuten Beiträgen mal locker auf 20 verschiedene Musikeinspielungen?

    Wer hat denen beigebracht, daß der Zuschauer es wünscht, dermaßen musikalisch reizüberflutet zu werden und durch die Musikschleife ohne Pausen Emotionen, die der Zuschauer zu empfinden hat, vorgegeben werden?

    Das Anschauen von Dokumentationen, insbesondere denen des ZDF (die zumindest bei Zuarbeiten zu arte inhaltlich interessant wären), die jedes Bild überemotionalisieren und durch die Musik den Zuschauer ziemlich deutlich vorgeben, was er zu emfpinden hat, wird damit oft nervend – man muß die Musik zum Teil im Kopf rausfiltern, um dem Sprecher folgen zu können und man muß die Musik rausfiltern, um sich auf Wort und Bild einlassen zu können.

  24. #25: Um sich die Frage selbst zu beantworten, vergleichen Sie am besten mal Nordkorea oder Saudi Arabien mit Aserbaidschan.

  25. @Thomas, #30, zu Musik als Stimmungsteppich:

    Danke, dass es mal jemand thematisiert. Das bedürfte mal einer systematischen Untersuchung und v.a. einer öffentlichen Debatte.

  26. #32: Es ist ein herrlicher Widerspruch: auf der einen Seite berichten die ÖR gerne ganz betroffen, daß Lärm krank macht und kaum noch jemand Stille kennt, auf der anderen Seite werden Beiträge und Reportagen bis in Nachrichtensendungen rein oft nahezu bis zu 100% von mehr oder weniger Musik und insbesondere beim ZDF mit zu hoher Lautstärke überflutet.

  27. Aserbaidschan bezahlt sich schon eine Weile lang ein sehr hübsch angelegtes Zeitschrift „Baku“ in GB. Das ist in den Bahnhöfen usw zu finden. (ich möchte nicht den Eindruck erwecken, es verkauft sich. Es wird doch zum Verkauf angeboten.) Die Produktion ist sehr teuer, nach Broschure oder 80/90er Stylemag-Standard. Was für Inhalte es mag geben kann ich mich nicht vorstellen…

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