Süddeutsche Zeitung
Verstoßen die „Glücksritter“ gegen die Menschenrechte?
„Ordentlich fest“ soll sie werfen, ermahnt Ulla Kock am Brink die Kandidatin, die Zielscheibe ist der Rücken des Mannes vor ihr. Wenn die Dart-Pfeile richtig in seiner Haut sitzen, hat sie gewonnen. Diese Szene aus der neuen RTL-Show Glücksritter hat die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM) auf den Plan gerufen. In einem Brief unter anderem an den Ausschuß für Menschenrechte im Bundestag fordert sie die Absetzung, denn: „Die Bereitstellung eines Menschen zum Zwecke der Bewerfung mit Pfeilen ist ein Anschlag auf die Menschenwürde.“ Ein Gespräch mit dem Chef Karl Hafen.
SZ: Die IGfM sorgt sich um Menschenrechte. Gehört für Sie in Zukunft neben sozialistischen und islamischen Staaten auch das Privatfernsehen zu den Brutstätten von Unterdrückung und Gewalt?
Hafen: Menschenrechtsverletzungen gehen in der Regel vom Staat aus. Aber in der Sendung Glücksritter ist das Pfeilewerfen Gegenstand eines Massenspektakels, und die natürliche Hemmung vor Gewaltanwendung wird abgebaut. Die Zuschauer wurden gezwungen, zuzusehen, und das ist eine Erniedrigung. Das geht an die Menschenwürde, ist nahe an der Menschenrechtsverletzung.
Gezwungen, zuzusehen? Aber es muß doch niemand RTL einschalten …
Der Zuschauer zu Hause kann natürlich ausschalten. Aber der, der live in der Halle sitzt, kann nicht einfach weggehen.
Was hatten Sie denn erwartet, als Sie die Glücksritter eingeschaltet haben?
Ich habe die Sendung nur zufällig gesehen. Mein Sohn ist zehn und war fürchterlich erschrocken. Er guckte weg, meine Frau auch, die wollten das nicht anschauen. Ich aber war so schockiert, ich mußte das sehen. Ich habe meinen Sohn gefragt, was er meint, wenn diese Frau Kock am Brink sagt: „Bitte nicht nachmachen, dazu gehört jahrelanges Training.“ Seine Reaktion: „Ja, warum soll ich jetzt nicht damit anfangen?“ Wenn man sich vorstellt, daß Kinder auf dem Schulhof mit Dart-Pfeilen auf andere werfen …
Sie meinen, die Sendung verrohe die Jugend. Dann müssen Sie ja dauernd protestieren: Haben Sie mal Explosiv gesehen? Oder Bärbel Schäfer?
Im Wettstreit um Quoten werden immer spektakulärere Szenen eingesetzt, und das ist häufig mit Gewalt verbunden. Und Glückritter war ein ganz konkretes Beispiel, wo ein lebender Mensch als Zielscheibe eingesetzt wird. So etwas in einer Samstagabendsendung – das kann man doch überhaupt nicht entschuldigen. Das ist Gewaltbefürwortung!
Gibt es außer der Dart-Szene Kritik?
Frau Kock am Brink bietet Leuten Tausender an, wenn sie sich spontan für eine Sache entscheiden. Wenn sie das nicht können, wird es ihnen wieder aus den Händen genommen. Da wird die Gier nach schneller Befriedigung gefördert. Das ist für Kinder nicht geeignet, das sollen sie am späten Abend bringen. Auch die Sache mit den Dart-Pfeilen. Wenn der Mann Fakir ist, soll er das in geschlossenen Klubs machen. Oder sie sollen es wie Sex-Filme nach zwölf Uhr zeigen.