Max
Der Stratege. Vor neun Monaten übernahm er das Ruder bei RTL. Seither hat
Gerhard Zeiler viele unpopuläre Entscheidungen getroffen. Notfalls gegen
die eigene Mannschaft. Gibt der Erfolg ihm recht?
Notfalls reicht ihm eine Tischdecke, um seine Qualifikation nachzuweisen. Er räumt das Geschirr ganz an den Rand, greift sich einen Löffel und malt damit ein Diagramm seiner Erfahrungen auf das weiße Linnen. Oben steht ein Kasten für den Aufsichtsratsposten beim ORF. Darunter zwei weitere – einer für die Zeit, als er rechte Hand des Intendanten war, und einer für die Zeit als Chef selbst. Und dann noch je ein Kasten für die komplette Umwandlung von Tele 5 und den Aufbau von RTL 2.
Das, sagt Gerhard Zeiler und umkastet seinen unsichtbaren Karriereturm, das sei das Know-how, das er sich erarbeitet habe.
Fast beiläufig beweist er mit dem Teelöffel, daß er für seinen neuen Job als Geschäftsführer von RTL geeignet ist wie kein zweiter. Mit der Ausstrahlung von einem, der meint, daß die Fakten für sich sprechen. Was ist das Geheimnis seines Erfolgs? Zeiler fällt sofort eine Antwort ein. Aber er ziert sich. Er weiß, diesen Satz würde ihm die Presse ewig anhängen. Schließlich sagt er ihn, aber er sagt ihn nur in der Vergangenheitsform. Früher, da hätte er geantwortet: „Ich bin einfach gut.“ Heute klingt das so: „Eine Mischung aus Erfahrung, Instinkt und Managerial Abilities.“
Von seinen Manager-Qualitäten sind nicht alle so überzeugt wie er. Im November vergangenen Jahres wurde Zeiler, 44, RTL-Chef. Seit dem Frühjahr weht ihm der Wind voll ins Gesicht. Mitarbeiter erzählen genüßlich, daß ihnen ein paar Fehler nie passiert wären. Zum Beispiel „Veronas Welt“ auf den Samstag legen? Ha! Das hätte man wissen müssen, daß die gegen die „Wochenshow“ nicht ankommen kann! Dann ist da noch sein Vorgänger Helmut Thoma. Eine Legende, bei RTL und im deutschen Fernsehen überhaupt. Wurde aber mit sanfter Gewalt von seinem Stuhl entfernt. Den Verlust kompensiert er mit regelmäßigen Interviews, in denen ergebetsmühlenartig wiederholt, daß sein Nachfolger sich überschätze: „ein Abteilungsleiter“.
Hat Zeiler mit soviel Gegenwind gerechnet? Ja, sagt er. Ärgert es ihn? Ja. Trotzdem.
Gesprächstermin im „Peninsula“, einem noblen Hotel an der Fifth Avenue in New York. Zeiler kommt gerade aus Hollywood, wo er auf einer großen TV-Messe, den May Screenings, nach neuen Programmen Ausschau gehalten hat. Auf dem Rückweg macht er in New York Halt für ein paar Geschäftstreffen. Jetzt sitzt er vor seinem Bircher-Müesli (testweise, um zu sehen, ob die Amis das hinkriegen), malt mit einem Teelöffel auf der Tischdecke herum und versucht, trotz Rückflugtermins im Nacken, den Eindruck zu vermeiden, er sei einer dieser Menschen, die ihre Zeit nicht in den Griff bekommen. So viel wie jetzt wolle er nur im ersten RTL-Jahr arbeiten. „So ein Pensum jahrelang zu leisten scheint mir etwas übertrieben zu sein“, formuliert er vorsichtig. Zwei Abende in der Woche und einen Tag am Wochenende, das hat er seiner Frau versprochen, will er für die Familie reservieren. Meist klappt das, sagt er. Muß auch. „Wenn einer keine Zeit für sich und seine Familie aufbringt, organisiert er sich falsch und ist nicht geeignet für seinen Job.“
Aber das erste Jahr ist hart. Er muß den Laden und seine Leute kennenlernen. „Wenn man sich in kürzester Zeit ein perfektes Gesamtbild des Unternehmens machen will, muß man sehr tief rein“, sagt Zeiler. Deshalb beschäftigt er sich nicht nur mit den großen Strategien, sondern auch mit dem Tagesgeschäft. Das bringt Detailkenntnisse. Und die spielen eine große Rolle im System Zeiler. Sie helfen ihm, die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber sie helfen vor allem auch, sie durchzusetzen. Detailkenntnisse bedeuten Macht.
Das wußte er schon mit 30, als er Generalsekretär des ORF wurde – engster Mitarbeiter des Generalintendanten, zuständig für Personal, Organisation, Marketing, innere Revision und vieles mehr. Drei Wochen nahm sich Zeiler, um Aktenberge aus acht Jahren durchzuarbeiten, die sein Vorgänger hinterlassen hatte. „Danach wußte ich mehr als der größte Teil des Managements. Das war eine notwendige Voraussetzung, um Dinge umzusetzen.“ Zeiler verläßt sich gern auf sich selbst.
So erledigt er, bis das erste RTL-Jahr rum ist, auch den zweitwichtigsten Job im Haus: den des Programmdirektors. Das ist gewagt. Seine Vorgänger Thoma und Mark Conrad waren ausgelastet. Und ausgerechnet Programmkenntnisse gelten als Zeilers schwacher Punkt. Doch seine Möglichkeiten, selbst zu gestalten, sind zur Zeit ohnehin begrenzt: Die Puzzlestücke, aus denen er das RTL-Programm baut, hat Thoma noch angeschafft. Zeiler kann sie höchstens neu zusammensetzen. Bis die eigenen Stücke fertig sind, vergehen bis zu eineinhalb Jahre. Im Herbst gibt es eine andere Verpackung für das Puzzle: neue Werbeagentur, neue Kampagnen.
Vor Mitte 2000 könne eigentlich niemand beurteilen, was Zeiler bringe, sagt sein Gegenüber von Sat. 1, Fred Kogel. Fernsehen ist ein langfristiges Geschäft. Zeiler erzählt, was ihm ein guter Freund sagte: „Den Titel hast du am ersten Tag. Daß die Außenwelt weiß, daß du ihn hast, kannst du in einem halben Jahr schaffen. Daß jeder Mitarbeiter dich als Geschäftsführer akzeptiert, dauert mindestens ein Jahr. Bis du selber weißt, du hast alles unter Kontrolle, vergehen vielleicht eineinhalb.“
Zur Zeit ist der Neue in der Phase, in der er im Haus noch um Vertrauen buhlen muß. Auf der oberen und mittleren Ebene ist die Stimmung nicht besonders. Teils, weil die Mitarbeiter gerne genauer wüßten, wohin die Reise geht. Teils, weil sie nicht sicher sind, ob sie mitreisen dürfen.
Zeiler erzählt gerne, er habe nur einen Mitarbeiter zu RTL mitgebracht und sei nicht „mit einer ganzen Truppe einmarschiert“. Er habe jedem einzelnen eine Chance geben wollen, seine Kreativität unter Beweis zu stellen. Ein hehrer Anspruch. Aber die Realität? Praktisch hat er die komplette obere Führungsebene ausgetauscht, darunter die Verantwortlichen für Marketing, Kommunikation, Einkauf und strategische Entwicklung. Der Chef eines anderen Privatsenders gibt ihm recht: Ohne solche Entlassungen ginge es gar nicht – sonst wären alte Loyalitäten zu mächtig. Aber im Haus sorgen sie für Unruhe.
Besser ist die Stimmung beim Fußvolk. Bei einer Betriebsversammlung Ende April stellte sich Zeiler erstmals den Mitarbeitern – und machte eine gute Figur. Die Leute waren zwar distanziert und skeptisch. Aber viele wollten Zeiler nicht vorverurteilen, sondern ihm eine Chance geben. Zeiler, der Psychologie studiert hat und einmal Therapeut werden wollte (heute würde er Jura und BWL belegen, sagt er), steht im Formel-l-Studio von RTL auf der Bühne. Er referiert, hört zu, sieht den Leuten in die Augen und wirkt verblüffend gelassen. Bei der offenen Fragerunde umkreist sein Zeigefinger unablässig das Kinn – ein Zeichen dafür, daß jemand unbewußt seine Sinne schärft, sich wappnet für unangenehme Fragen. Zum Beispiel die, wann er nun endlich, wie versprochen, alle Redaktionen besucht haben wird.
Das ist eine häufige Kritik am neuen Chef: mangelnde Kommunikation. Zeiler empfindet es allerdings schon als Zumutung, darüber öffentlich diskutieren zu sollen – und nährt damit den Vorwurf noch. Nach einigen Monaten macht er den murrenden Mitarbeitern einen Vorschlag: Sie könnten ihre Anliegen ja perE-Mail an ihn richten; er werde dann in der Mitarbeiterzeitschrift antworten. Das war nicht gerade das, was die Leute wollten. Nicht das, was sie von Thoma gewohnt waren. Und auch nicht das, was Zeiler ihnen bei seinem Amtsantritt versprochen hatte, als er versicherte: „Ich bin ein Teamplayer.“
An vielen Punkten tun sich erstaunliche Widersprüche zwischen der Selbstdarstellung Zeilers und der Wahrnehmung durch andere auf. Er selbst sagt: „Ich liebe es zu kommunizieren.“ Doch dann fällt ihm auf die Beschwerde von Kollegen, man treffe ihn nie in der Kantine, nur ein, daß er halt mittags nie warm esse – und verkennt, daß die Kantine nur ein Symbol ist. Zeiler ist niemand, der schulterklopfend und small-talkend durchs Haus geht. Muß er auch nicht. Aber auch von seinem Referenten sagen Mitarbeiter, nicht einmal grüßen täte der. Wenn Zeilers engster Mitarbeiter sein Draht zur Außenwelt ist, läßt sich nachvollziehen, daß die Außenwelt einen Draht zu Zeiler vermißt.
Im Gespräch ist er dann aber angenehm direkt, schnörkellos, verbindlich. Denkpausen füllt er mit sehr österreichischen, stimmhaften Ohms, die seine Sätze unendlich weich klingen lassen. Doch der altmodische Charme des Wieners ist ihm fremd. Das heißt: Dem Geschäftsmann Zeiler ist er fremd. Der Privatmann soll ganz anders sein. Doch die beiden leben völlig getrennt voneinander. In seinem Büro lebt ausschließlich der Geschäftsmann Zeiler: Es ist so unpersönlich, daß jedes Zimmer bei Ikea individueller und bewohnter wirkt. Das einzige Bild an der Wand ist ein RTL-Werbeposter. Helmut Thomas Büro war voll von Andenken, Spielzeug, Preisen – buntem Gedöns aller Art.
Immer wieder der ungeliebte Vergleich. Thoma verpackte seine Schmähungen anderer in charmanten Anekdoten. Zeiler ist auch in der Kritik direkt. Als eine seiner Tugenden nennt er, anderen ehrlich ins Gesicht nein sagen zu können. Wenn er sich ärgert, spricht er mit purem, humorlosen Zynismus. Der Neue hat mit dem Alten nichts gemein. Das war Einstellungsvoraussetzung. Der Bertelsmann-Konzern, der hinter RTL steht, meint, daß einer wie Thoma nicht der richtige Typ ist für die harten Zeiten, die der Branche bevorstehen. Statt mit zweistelligen Wachstumsraten wie in den vergangenen Jahren rechnen die großen Privatsender künftig mit einem geringeren jährlichen Einnahmenplus. Als Werbeträger verliert das Fernsehen an Bedeutung.
In solchen Zeiten braucht es – nicht nur nach Ansicht der gewinnfixierten Bertelsmänner – andere Manager. Thoma entschied aus dem Bauch. Er hätte die Champions League gekauft, um sie zu haben. Er führte RTL, wie er selbst sagte, „als ob der Sender mir gehört“. Zeiler entscheidet rational, läßt die Champions League sausen, wenn die Zahlen gegen den Kauf sprechen. Er stellt sich und RTL in den Dienst des Gesamtkonzerns. 15 Prozent Rendite hat er ihm versprochen, in diesem Jahr sollen es noch weit mehr werden.
Auch unter Thoma hat RTL guten Gewinn gemacht, aber im Zweifel war das nicht das Wichtigste. Und weil manchmal im Leben einfach alles zusammenpaßt, mußte Zeiler in den ersten Monaten seiner Amtszeit in ein Nachbargebäude umziehen, das RTL übernommen hat, eine ehemalige Bank. Alte Mitarbeiter lästern öffentlich, dies sei genau der Ort, wo einer wie Zeiler hingehöre: in eine Sparkasse.
Zeiler hat den Ruf eines kaltherzigen Erbsenzählers. Er hält das für ein Produkt von Journalisten, die ihn nicht kennen. Und einige seiner Ziele sind tatsächlich ganz und gar nicht buchhalterischer Natur: „Ich hoffe, daß ich in vier Jahren sagen kann, RTL ist meine zweite Familie.“ Und daß auch die Mitarbeiter dieses so empfänden – eine „gewisse Geborgenheit“, die man brauche, um motiviert arbeiten zu können. Das klingt ehrlich und kein bißchen nach vorbereiteten Image-Phrasen.
Dazu ist zumindest dem Geschäftsmann Zeiler sein Image zu egal. Wie könnte er es auch ändern, ohne Gefühle und Persönliches öffentlich zu machen. Und das will er nicht. Als Zeilers Abschied beim ORF vergleichsweise emotional ausfällt, entdeckt eine Zeitung überrascht, er habe ja eine „zarte Seele“. Zeiler sagt, selbstverständlich habe er die: „Sie war immer da und wird immer da sein. Aber das muß man mit sich selbst ausmachen.“
Beim Abschied von Tele 5 hatte er Tränen in den Augen. Heute zeigt Zeiler als einer, der unbeirrt Widerstände überwindet, keine Verletzungen mehr. „Das kann und soll man nicht. Da braucht man Familie und gute Freunde, denen man sich öffnen kann.“ Brauchte er die im vergangenen halben Jahr besonders oft? Zeilers erste Reaktion – ein Abwehrreflex: „Warum fragen Sie?“ Erst nach ein paar Sekunden entspannt er sich und sagt: „Ja, klar.“
Überhaupt hat Zeiler oft zwei Antworten parat: eine offizielle, manchmal pampige; und eine, die ahnen läßt, daß sich dahinter ein sensibler Mensch versteckt. Warum übernimmt jemand eine Aufgabe wie die Gewinnmaximierung von RTL, bei der er sich nur unbeliebt machen kann? „Meine Existenz ist nicht auf das Wohlwollen der Journalisten angewiesen“, antwortet er barsch. Erst dann sagt er, daß die jetzigen Verrisse ja kein Dauerzustand sein werden. „Fred Kogel wurde ganz anders vorgeführt. Er hat’s überlebt, und plötzlich hat man Respekt vor ihm. Glauben Sie mir: Ich werde diese Phase auch überleben.“
Zeilers Laufbahn ist bemerkenswert. Immer war er entweder „Kofferträger“, die rechte Hand der Chefs, oder selbst Chef. Er erklomm nicht die Karriere-, sondern die Unternehmensleiter: Die Firmen wurden wichtiger, nicht die Positionen, die er bekleidete. 24 Jahre war er, als er Pressesprecher von Fred Sinowatz wurde – der erst Unterrichtsminister, später Bundeskanzler war. 24! „In einem kleinen Land wie Österreich sind die Möglichkeiten leichter“, sagt Zeiler. Als erklärte das irgendwas.
Eine andere mögliche Erklärung wischt er vom Tisch, noch bevor sie geäußert wurde: daß sein Aufstieg irgend etwas mit der Mitgliedschaft in der Sozialdemokratischen Partei zu tun haben könnte. Glück habe er gehabt. Etwa, daß ihm sein Chef als ORF-Generalsekretär viele seiner Aufgaben übertrug. ORF- Übervater Gerd Bacher sagt, Zeiler habe sich nie als „Durchführungsorgan“ verstanden, sondern als „autonomer Machthaber“.
Eines haben alle seine Stationen gemeinsam: Wenn er ging, war das Unternehmen nicht wiederzuerkennen. Tele 5 wandelte er vom Musik- in ein Vollprogramm um, RTL 2 schuf er gleich ganz aus dem Nichts. Den ORF machte er fit für die Zukunft, aber er orientierte ihn an einem einzigen Maßstab: der Quote. Österreichische Kommentatoren sagten damals das gleiche wie heute die Leute bei RTL: „Ein Kulturschock“.
Zwei Eigenschaften attestieren Zeiler Freunde wie Feinde. Erstens: Zuverlässigkeit – selbst Konkurrenten loben ihn als direkt und ehrlich; und zweitens: Konsequenz. Zeiler steckt sich große Ziele – und setzt sie gegen alle Widerstände durch. „Ich bin jemand, der, wenn er eine Aufgabe übernimmt, sie zu Ende bringt. Mit jedem Einsatz.“ Wie das geht, zeigte er als Generalintendant des ORF: Er wußte, daß sich gegen seine Radikalkur Widerstand regen würde. Deshalb setzte er sie in Rekordzeit um. Nach sechs Monaten war er bereits mit dem Austausch von Personal und Sendungen fertig. Bevor seine Kritiker überhaupt zur Besinnung gekommen waren.
Soviel Durchsetzungsvermögen und Berechnung mag bewunderswert sein. Zeiler sagt allerdings sogar selbst, ihm sei erst rückblickend der Gedanke gekommen, daß er eigentlich Zweifel hätte haben müssen. Er hatte sie nicht. „Es war mir immer klar, daß wir das jetzt machen müssen“, sagt er. Diskussionen über das Ziel hält Zeiler für unnötig. Das Zielgibt er vor. Allenfalls über den Weg dahin redet er, in kleinen Gruppen.
In der Zeit als ORF-General muß Zeiler seinen Führungsstil verändert haben. Ulrich Krenn, unter Zeiler Nachrichtenchef bei Tele 5, sagt, damals sei er noch „sehr umgänglich“ gewesen. „Genau das Gegenteil von dem, wie ihn heute seine Kritiker bei RTL beschreiben: Er hat sich nicht abgeschottet. Man konnte in sein Büro kommen, und in fünf Minuten hatte man eine Entscheidung.“
Einer, der ihn seit Jahren kennt, sagt, Zeiler sei „im zwischenmenschlichen Bereich absolut okay“. Aber: „Er ist auch ein Karrierist, ein knallharter Geschäftsmann. Er ist in der Lage, Leute gegeneinander auszuspielen, wenn es ihm hilft, seine Interessen durchzusetzen.“ Der das sagt, bezeichnet sich übrigens als Freund Zeilers.
RTL geht es gut. Gerade das ist ein Problem für den Reformer. Beim ORF traf er auf eine Mannschaft, die nach Veränderungen dürstete. Anders bei RTL. Hier fehlt der Leidensdruck. Zeiler sagt, es gehe darum zu vermitteln“, daß wir dennoch eine Kurskorrektur vornehmen müssen“. Es sei der Versuch, ein Unternehmen zu übernehmen, bevor es in den Sinkflug gehe. Weil RTL praktisch nur für 14bis 49jährige Zuschauer Werbegeld bekommt, wird er das Programm weiter verjüngen. Kaltgestellte „Alte“.“ wie Ilona Christen und Geert Müller-Gerbes haben sich schon lautstark beschwert. Aber Zeiler hat ein dickes Fell. Zu ORF-Zeiten ließ er sich die heftigen Schlagzeilen über sich gar nicht erst zeigen.
RTL wird unter ihm wieder provokanter werden. Für den Samstagabend ist eine Stuntshow mit Amateuren geplant, die selbst hausintern als im Wortsinn mörderisch gilt. Allerdings gibt es Grenzen: Eine Prügel-Talkshow wie „Jerry Springer“ in den USA wird es nicht geben. „Da ist unter uns noch eine Qualitätsstufe, die wir nicht mehr bedienen.“
Zeiler akzeptiert dennoch keine anderen Qualitätsmaßstäbe als die Quote. Mit Boulevard, Trash und billigen US-Importen hat er kein Problem. Ein Problem hat er mit Leuten, die darin ein Problem sehen. Um so erstaunlicher, daß er im Fragebogen des FAZ-Magazins auf die Frage nach seiner Heldin in der Literatur Heinrich Bölls Katharina Blum angegeben hat: eine Frau, deren Leben durch Sensationsreporter einer Boulevardzeitung zerstört wird. „An ihr hat mich der Kampf fasziniert“, sagt Zeiler. „Daß es auch noch um eine gerechte Sache ging, ist schön, aber das stand für mich nicht im Vordergrund.“ Die Blum hat ihren Gegner am Ende erschossen. Zeilers Gegnern sei es eine Warnung.