Steinmeier beklagt „erstaunliche Homogenität“ und „Konformitätsdruck“ in Medien

Frank-Walter Steinmeier hat auf den Lead-Awards gestern in Hamburg eine Rede über den Zustand des Journalismus in Deutschland und die Glaubwürdigkeitskrise deutscher Medien gehalten, die ich für außerordentlich hellsichtig halte. Der deutsche Außenminister sagte:

(…) Medienbashing ist in diesen Tagen zu einer Art Trendsportart geworden. Wer über verlogene, korrupte oder gemeine Journalisten schimpft, verkauft viele Bücher. Wenn dagegen ein Korrespondent in Krisengebieten falsch recherchiert oder ein Kommentator eine unpopuläre These zuspitzt, kann er sich auf Beschimpfungen und Verschwörungstheorien in den sozialen Medien gefasst machen. (…)

Was sind die Ursachen der Glaubwürdigkeitskrise? Die einfachste Erklärung wäre: Der Leser ist schuld, der ist halt dumm und frech. Der kapiert nicht, wie gut die Zeitungen sind. Aber mit dem Leser ist es wie mit dem Wähler. Man kann sich über ihn ärgern, aber man sollte ihn nicht ignorieren und am besten sehr ernst nehmen.

Die zweite Möglichkeit: Die Umstände sind schuld. Das wäre in diesem Fall mal wieder das Internet. Es hat der Individualisierung unserer Gesellschaft einen zusätzlichen Schub gegeben. Engagierte Leser finden im Netz persönliche Informationskanäle, und sie können selbst Informationen und Meinungen produzieren, ohne Redaktion und Druckerpresse, einfach zu Hause per Computer und W-Lan. Damit hätte das Internet das Entstehen einer „fünften Gewalt“ begünstigt: des Publikums. (…) Die Leser schauen der vierten Gewalt der Medien bei der Arbeit über die Schulter und klopfen ihr manchmal feste auf die Finger.

Es gibt aber auch eine dritte mögliche Ursache für das Misstrauen: Vielleicht waren sich die Journalisten einfach ihres Deutungsmonopols zu sicher. Vielleicht haben sie ihr Herrschaftswissen zu lange vor sich her getragen und nicht gemerkt, welche neue Form von Öffentlichkeit das Internet entstehen ließ. Vielleicht aber auch haben die täglichen Abrechnungen mit dummen, ignoranten Politikern in den Zeitungen das Interesse der Leser an Politik beeinflusst — und am politischen Journalismus. (…)

Vielfalt ist einer der Schlüssel für die Akzeptanz von Medien. Die Leser müssen das Gefühl haben, dass sie nicht einer einzelnen Meinung ausgesetzt sind. Reicht die Vielfalt in Deutschland aus? Wenn ich morgens manchmal durch den Pressespiegel meines Hauses blättere, habe ich das Gefühl: Der Meinungskorridor war schon mal breiter. Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen. Der Konformitätsdruck in den Köpfen der Journalisten scheint mir ziemlich hoch.

Das Meinungsspektrum draußen im Lande ist oft erheblich breiter. Wie viele Redakteure wollen Steuersenkungen, Auslandseinsätze, Sanktionen? Und wie viele Leser? Journalisten müssen nicht dem Leser nach dem Munde schreiben, genauso wenig, wie wir Politiker nur auf Umfragen starren sollten. Aber Politiker und Journalisten gleichermaßen sollten die Bedürfnisse ihrer Leser und Wähler nicht dauerhaft außer Acht lassen. (…)

Die „FAZ“ dokumentiert die Rede heute in ihrer gedruckten Ausgabe und im E-Paper.

Nachtrag, 15:30 Uhr. Die vollständige Rede kann man jetzt auch auf der Seite des Auswärtigen Amts nachlesen.

72 Replies to “Steinmeier beklagt „erstaunliche Homogenität“ und „Konformitätsdruck“ in Medien”

  1. Genau die letzten zwei Sätze bringen doch das ganze Dilemma auf den Punkt. Journalisten wie Politiker haben den Bogen überspannt. Die Journalisten auf der einen Seite mit einer ‚durchgeknallten‘ Anti-Russland-Kampagne, die Politiker auf der anderen Seite mit einer Anti-Russland-Politik basierend auf Meinungsumfragen (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/umfragen-von-angela-merkels-regierung-a-990296.html) … Ich bin kein Akademiker, aber selbst als einer aus der Mittelschicht fühle ich mich geistig unterfordert von dem medialen wie politischen Dünnschiss der letzten paar Monate ( was nicht heißt, dass es nicht auch schon vorher ein Einheitsbrei war, nur in dieser EU/USA/RUS/UKR – Geschichte konnte man es erstmals mit einer starken Gegenbewegung erleben) .

    Das Internet eröffnet der Unter-/ Mittelschicht ungeahnte Informationsvielfalt, was dazu führt, dass man das Käseblatt Nr.1 nicht mehr kauft, was dazu führt, dass der Pöbel endlich eine differenzierte Sichtweise sucht.

    Du niggi hast dir ja nen Spaß daraus gemacht, diese Mainstream-Sichtweise zu überführen. Deswegen Glückwunsch, du hast nen neuen Leserabonennten gewonnen.

    So läuft das heutzutage, wer nicht vertrauenswürdig klingt, fliegt raus!

    Ach ja, ich habe jetzt schon sehr oft von Propaganda der Russischen Staatssender gehört, ab wann darf man denn offiziell von deutscher Staatspropaganda reden? Ich meine, wenn schon FW-Steinmeier von einer Gleichschaltung spricht…?

  2. In der Tat sehr hellsichtig und sehr schön strukturiert, dass nämlich das, was viele zurecht den großen Tieren in den Medien vorwerfen, ihre Selbstgerechtigkeit, am Schluss kommt. Schön auch die Analogie mit Wähler und Leser…

  3. @Linus
    „eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen“ würde ich als eine Gleichschaltung sehen. Man kann mir auch gerne den Begriff näher erklären, sollte ich ihn Falsch verstanden haben.

  4. @Harris:

    Gleichschaltung ist etwas von außen verordnetes. Etwas das aktive getan wurde (es wurde „geschaltet“).

    Manchmal kann Konformität aber auch einfach aus sich selbst heraus entstehen. In einem Fluss fließt so ziemlich alles Wasser stromabwärts, ohn dass dies irgendjemand so befohlen hätte.

  5. Interessant, was bei einem Artikel auf SPON über die Lead-Awards von der Rede Steinmeiers übrig blieb:

    „Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der als Festredner auf der Veranstaltung war, betonte, wie wichtig die Arbeit der Journalisten sei: „Wir brauchen sie, die kritischen, fundierten, relevanten Berichte“. Zudem forderte er zum Engagement auf: „Tun Sie alles, damit Journalisten weiterhin gute Arbeit leisten können. Die Medienwirtschaft ist keine Branche wie jede andere.“

    Sagenhaft!

  6. @Frank Reichelt: Die einzige Zeitung die Steinmeiers Rede nicht vollständig verkürzt und zu eigenen Gunsten darstellt ist bisher die FAZ. Alle anderen, besonders die BILD, zitieren so als ob Steinmeier eine Lobeshymne über die deutsche Medienlandschaft gehalten hätte. Das zeigt mir, das DIE es nie lernen werden.

  7. Ein bekanntes, sich beinahe täglich wiederholendes Dilemma: Die meisten Volksvertreter lesen morgens erstmal die Zeitung. Und dann geht es für viele, gerade der im Rampenlicht stehenden Politiker, den ganzen Tag überwiegend darum, nicht versehentlich „das Falsche“ zu den Leitthemen zu sagen oder sich irgendwie fehlerhaft zu verhalten. Denn wer wegen (evtl. auch nur unterstelltem) „Fehlverhalten“, medial unter die Räder kommt, kann seine Politikerkarriere wohl meist vergessen.
    Und, wenn z.B. beinahe alle Medien meinen: „Putin, nein danke!“ Na, dann trauen sich nur noch wenige „unabhängige“ oder gut versorgte Politiker, dem „Mainstream“ öffentlich zu Widersprechen! Eine scheidende Bundestagsabgeordnete meinte unter vier Augen: „Die meiste Politik wird doch heutzutage von den Medien gemacht….“

    (Widersprüche oder Gegenargumente werden „bei Nichtgefallen“, gern auch mal umgehend journalistisch aussortiert.)
    Aber, all das wissen wir ja eigentlich schon seit Langem…

  8. @DJ Doena:
    Der Befehl an das Wasser kommt vom Gnadenlosesten, das im Universum überhaupt existiert – Gravitation. Also ist das Wasser sehr wohl abgrundtief passiv.

  9. dass es mit der vielfalt in medien hierzulande schlecht bestellt ist, ist auch gut untersucht. bei einem vergleich der sozialen herkunft von menschen im journalistischen mediengewerbe fällt auf wie bestimmte soziale gruppen stark unterrepräsentiert sind wie z. b. ‚menschen mit migrationshintergrund‘ oder arbeiterkinder. gab da mal einen schönen artikel über die soziale homogenität bzw. die mangelnde soziale vielfalt in den klassen der großen journalistenschulen.

  10. Herrn Steinmeier scheint es unter Mühen zu gelingen, ein paar bedeutsame Pünktchen der grassierenden Medienskepsis anzusprechen.
    Allerdings bleibt seine Analyse in meinen Augen unfassbar oberflächlich. Er formuliert im Wesentlichen das Offenkundige. Er formuliert jenes, was kaum noch geleugnet werden kann. Er kritisiert gerade so viel, dass er nicht zu leicht als Teil des vielfach gegeißelten Systems auffällt.
    Zudem unterlässt er jegliche Selbstkritik.
    Er thematisiert keine krassen Beispiele journalistischer Fehlleistungen.
    Vor allen Dingen bemängelt er nicht die massive inhaltliche Kommentarzensur, die Beschneidung der Meinungsfreiheit, welche aus der Perspektive eines jeden überzeugten Demokraten angeprangert werden sollte.

    Immerhin wagt er es, dem System der Mainstream-Medien einige Mängel(chen) vorzuhalten. Dabei gelingt es ihm nicht befriedigend, der Komplexität der Situation gerecht zu werden, wenn er in Journalisten, Medien, Umstände, Publikum unterteilt.
    Des Weiteren ist es in meinen Augen entlarvend, wenn er das Publikum als 5. Gewalt bezeichnet.
    Das Publikum ist das Volk, Herr Steinmeier.
    Das Volk ist nicht die 5. Gewalt sondern Ihr Boss.
    Wir leben in einer Demokratie!
    Ich bitte, dies endlich zur Kenntnis zu nehmen.

    Relativ zu Beginn identifiziert er das Internet als Auslöser für manch skeptische Meinung. Das Internet ist aber sehr viel mehr als das. Tatsächlich verlangt das Internet innovative gesellschaftliche Organisationsformen und eine Neuverteilung der Macht. Das war bei der Einführung jeder neuen Kommunikationstechnologie die wesentliche Konsequenz – beispielsweise bei der Verbreitung von Schrift und Buchdruck.
    So erfordern die neuen Medien mehr Demokratie und mehr Möglichkeiten zur politischen Partizipation der Bürger, mehr politische Freiheit.
    Sofern befriedigende Möglichkeiten der Teilhabe fehlen, sind die Leute unzufrieden und die Medienskepsis wird zunehmen.

    Allerdings ist Herr Steinmeier nicht auffällig geworden als Förderer direkter Demokratie.
    Herr Steinmeier ist lediglich ein Dinosaurier, welcher bemerkt, dass die Luft ein wenig dünn geworden ist.

  11. Für ’nen Politiker, nun ja: es geht. Es gibt viel schlimmeres. Und man freut cih schon, wnen einer mal nicht totalen Kokolores erzählt.
    Nix Neues, nix Bewegendes, nichts, was wir hier draußen in der Wirklichkeit nicht schon längst bemerkt haben und wissen.
    Dass er wirklich Ahnung hat, wage ich zu bezweifeln. Kleiner Hinweis: sein „…einfach zu Hause per Computer und W-Lan“.
    Wie viele nutzten, wenn sie „zu Hause“ sind, „W-lan“?

  12. Eine Anmerkung zu den Ausführung von Herrn Dr. Steinmeier zu der 4. und 5. Gewalt.

    Klassisch werden nach Montesquieu DREI Gewalten anerkannt. Diese Gewalten leiten ihre Macht von dem eigentlichen Souverän, dem Volk, ab, das in den 3. Gewalten eigene Repräsentant zur Organisation des Zusammenlebens bestimmt. Die „4. Gewalt“ (Medien) war im Grunde nur die Artikulation der Stimme des Souveräns, insofern keine eigene Gewalt. Die „5. Gewalt“ wiederum ist der Souverän selbst, der wegen der einfacheren Kommunikation durch das Internet seine ureigene Aufgabe umfassender wahrnehmen kann. Konnte er früher nur durch Wahlen Einfluss auf die drei Gewalten nehmen, vollzieht es sich nun permanent. Dies zugrunde gelegt, sind die Medien als 4. Gewalt im Kontext der Überwachung der drei Gewalten überflüssig geworden, sodass ich einen steten Niedergang vorhersehe.

  13. @Auceza

    Sie verkennen den Sinn einer Festrede bei so einer Veranstaltung. Der Redner soll möglichst einen launige, mit Anekdoten angereichertn kleine Vortrag halten, die die gute Laune der Zuhörer nicht stört und zum allgemeinen Wohlgefühl beiträgt.
    Dafür hat Steinmeier schon bemerkenswert deutliche Worte gefunden. Als Außenminister kann es nicht seine Aufgabe sein, bei einer Medienpreisverleihung die Medienkrise erschöpfend zu analysieren oder gar die Lösung parat zu haben. In seinem Amt hat er im Moment wirklich andere Sorgen, denen er sich mit aller Kraft widmen sollte.
    Kritik um der Kritik willen fällt irgendwann auf den Kritiker zurück, Sie sollten daher nicht zu dick auftragen.

  14. @12 Auceza
    Steinmeier ist der Außenminister. Natürlich liefert er keine detaillierte Medienkritik, das ist nicht seine Aufgabe.

  15. Wenn man an seinen Formulierungen herumschraubt, sollte man sich das Ergebnis ruhig nochmal durchlesen, daher hier der erste Absatz in verständlichem Deutsch:

    @Auceza

    Sie verkennen den Sinn einer Festrede bei so einer Veranstaltung. Der Redner soll möglichst einen launigen, mit Anekdoten angereicherten kleinen Vortrag halten, der die gute Laune der Zuhörer nicht stört und zum allgemeinen Wohlgefühl beiträgt.
    Dafür hat Steinmeier schon bemerkenswert deutliche Worte gefunden. Als Außenminister kann es nicht seine Aufgabe sein, bei einer Medienpreisverleihung die Medienkrise erschöpfend zu analysieren oder gar die Lösung parat zu haben. In seinem Amt hat er im Moment wirklich andere Sorgen, denen er sich mit aller Kraft widmen sollte.
    Kritik um der Kritik willen fällt irgendwann auf den Kritiker zurück, Sie sollten daher nicht zu dick auftragen.

  16. Man lese die ganze Rede. Steinmeier führt im Fortlauf einen (Haupt)Grund der gefühlten Homogenität aus: Spatzwang. Keine eigenen Korrespondenten mehr, Zeitdruck auf Journalisten, keine Zeit für Recherche usw.
    Also alles keine „Gleichschaltung“. Sagt er nirgends.
    GS

  17. @ 17 …Frank Reichelt…
    Die Gefahr ist natürlich vorhanden, wenn ich jemanden zu Unrecht kritisiere, dass es so aussieht, es ginge überhaupt nicht um die Sache sondern um die Person.

    Um da gleich eindeutig zu werden: Herr Steinmeier ist mir unsympathisch.
    Das war er schon bevor er sich abmühte, etwas Sinnvolles zur Medienskepsis zu formulieren. Meine Ablehnung Steinmeiers als Außenminister bestand bereits, bevor er sich mit den Faschisten in der Ukraine verbrüdert hat. Meine kritische Haltung bezüglich dieses SPD-Poiitikers bestand sogar, bevor er einen Neomilitarismus befürwortete und militärische Aufrüstung beschönigte als notwendige Maßnahme, um der internationalen Verantwortung gerecht zu werden.
    Und ja, ich bin keine SPD-Wählerin.

    Es ist hier nur eine Festtagsrede und da kann nicht mehr verlangt werden als eine Art von Sonntagsrede. Es geht darum, dem Auditorium zu gefallen und das nette Beisammensein zu genießen. Soso.
    Das ist angesichts der dramatischen Verhältnisse innerhalb von Deutschland jedoch relativ unangemessen und bestätigt, dass sich eine bestimmte gesellschaftliche Gruppe in beängstigender Weise abkoppelt von der Realität des Volkes.

    Steinmeier ist Außenpolitiker und von daher ist die grassierende Medienskepsis für ihn nur eine Randnotiz?
    Es geht aktuell in der Außenpolitik um einen sich ausweitenden Konflikt mit Russland wegen der Ukraine-Problematik. Die Situation droht zu eskalieren und die Eskalation wird andauernd medial befeuert. Es droht am Ende sogar eine militärische Auseinandersetzung zwischen NATO und Russland.
    Das ist nicht unwesentlich für Herrn Steinmeier.
    Was jedoch noch viel wichtiger ist: das deutsche Volk will das alles nicht!
    Und die vom Volk vielfach gezeigte und nicht zur Kenntnis genommene Ablehnung des drohenden militärischen Konflikts äußert sich in wachsender Medienskepsis.

    In diesem Zusammenhang mag Herr Steinmeier sich jedoch nicht so gerne in seiner „feingeistigen“ Ansprache äußern, weshalb ich bemängele, dass er zu den krassen Fehlleistungen der Mainststream-Medien keine Aussagen getroffen hat.
    Es wäre seine Aufgabe gewesen. Es wäre seine Pflicht als Demokrat gewesen!

  18. Die Leser müssen das Gefühl haben, dass sie nicht einer einzelnen Meinung ausgesetzt sind.

    Ein großer Klassiker der Volksparteiredenschreiber. Die objektive Hermeneutik würde einen Sachzwang vermuten.

    @Jodocus Quak #14
    Richtige Einteilung: Demnach müsste die fünfte eigentlich die nullte Gewalt heißen. Den Niedergang kann ich allerdings nicht erkennen. Es ändern sich nur die Geschäftsmodelle, die dann oft nicht mehr das beinhalten, was sich Nutzer wie ich wünschen, eher also eine Entfremdung.

  19. Eigentlich spricht Steinmeier doch ganz wunderbare Entwicklungen an: „Herrschaftswissen“, „Deutungsmonopol“, „Konformitätsdruck“, das sind alles Begriffe die schwimmen, sich auflösen, verloren gehen. Toll.
    Beim ersten Lesen dachte ich, die alten Strukturen und Institutionen sollten sich möglichst durch Anpassung (Make-up) retten. Das Make-up ist in der Rede mit Worthülsen umschrieben: „Vielfalt“ und die „Bedürfnisse“ der Leser zu beachten ist sicher etwas, was die Redaktionen verstehen und von sich behaupten, alles dafür zu tun. Es gehört aber natürlich mehr dazu und das wird nicht vielen Redakteure und Journalisten gefallen und drücken dann lieber auf die Entwicklungsbremse.

  20. @ … Stefan Pannor…
    Es gab Umfragen zu diesem Thema mit eindeutigen Ergebnissen, welche jedoch auch zu Recht angezweifelt werden können. Umfragen können eine echte demokratische Partizipation des Volkes nicht ersetzen.
    Angesichts der großen Bedeutung und der massiven Konsequenzen, welche sich aus dem Ukraine-Konflikt ergeben könnten, wäre eine Form von direkter Demokratie äußerst wünschenswert gewesen.
    Wollt ihr den totalen Krieg? – Nein! Wir wollen den totalen Krieg nicht!

    Es gab sehr viele kritische Stimmen zum Ukraine-Konflikt… bemerkenswerter Weise waren diese kaum in den Mainstream-Medien zu hören. Für nicht wenige Beobachter wäre dies ein wichtiger Anlass gewesen, den Ursachen dieser Verzerrung von Realität nachzugehen.

    Wir wissen aktuell nicht, was die deutschen Staatsbürger genau wollen.
    Wir müssen es herausfinden.
    Und dieser Versuch wird nicht unternommen.

    Hingegen wird offenkundig der Versuch unternommen, durch ständige Wiederholung und überzogene Betonung manch antirussischer Position die Meinungsbildung im Volk einseitig zu manipulieren.
    Es wirkt beinahe so, als solle das Volk zur „richtigen“ Meinung erzogen werden.
    Das hat mit Aufklärung und unabhängigen, überparteilichem und neutralem Journalismus nicht mehr viel gemeinsam.

    Dies alles sollte skeptisch machen und lässt erheblich mehr demokratiefördernde Bemühungen von den Volksvertretern erwarten als es aktuell zu bemerken ist.
    Wer schweigt, wird Mittäter. Mitläufer sind nicht unschuldig.

    Nun mag vielen ein Vergleich mit der nationalsozialistischen Forderung nach einem totalen Krieg überzogen erscheinen. Da stimme ich zu.
    Der direkte Vergleich ist überzogen.
    Es geht mir auch nicht um einen direkten Vergleich, sondern es geht darum, dafür zu sensibilisieren, welche gewaltigen Konsequenzen ein Krieg der NATO mit Russland und China für alle Menschen dieser Erde haben könnte.

    In keinem einzigen Mainstream-Medium werden die Konsequenzen eines Krieges mit Russland auch nur im Ansatz aufgezeigt, dennoch wird der Konflikt andauernd geschürt.
    Deshalb verlinke ich nun zur Erinnerung:
    https://www.youtube.com/watch?v=pJUOu63KLpA

  21. @Auceza

    Wir wissen aktuell nicht, was die deutschen Staatsbürger genau wollen.
    Wir müssen es herausfinden.
    Und dieser Versuch wird nicht unternommen.

    Ich dachte, der Ausdruck des Bürgerwillens seien Wahlen. 40 % Merkel. 20% Wir wissen nicht, ob wir Wirtschaft oder Arbeiter vertreten. 10 % AfD. 10% Irgendwas Progressives Bürgerliches. 10% Ichwilldasnichtundbinirgendwiewohllinks. Der Rest hat keine Meinung oder ist genervt. Und jetzt?

    Kann das außerdem sein, dass sich Steinmeier deswegen nicht weiter „vorwagt“, weil er das gar nicht will? Warum muss jeder, der nicht Ihrer Meinung ist, entweder manipuliert, ahnungslos oder berechnend sein?

    Und zum Thema Kommentarspalten und Meinungsfreiheit (wollt ich schon immer mal loswerden): Sie wollen doch nicht ernsthaft argumentieren, dass Wohl und Wehe der Demokratie davon abhängen, ob die FAZ oder SPON Kommentare zulassen? Und überhaupt, ich finde es etwas unhöflich, von mir als Medium zu verlangen, meine Wohnungstür zu öffnen, damit Sie mir reinkotzen können, weil Sie überzeugt sind, Sie hätten das Recht dazu. Sie haben es nicht. Kotzen Sie auf die Strasse oder sonstwo hin.

  22. „Es gab Umfragen zu diesem Thema mit eindeutigen Ergebnissen, welche jedoch auch zu Recht angezweifelt werden können. Umfragen können eine echte demokratische Partizipation des Volkes nicht ersetzen.“

    Also kurz: die Umfragen sind womöglich unglaubwürdig (sagen Sie) und der Volksaufstand bleibt aus. Woher Sie nun Ihr Wissen haben, bleibt unbeantwortet. Das sollte Ihnen zu denken geben.

  23. @Auceza: Können Sie einfach mal zwei, drei Gänge runterschalten?

    Der Begriff von der „fünften Gewalt“ kommt übrigens von Pörksen, auf den er sich ausdrücklich bezieht — ich hab die Quelle aus dem Zitat hinausgekürzt.

  24. Zitat: Vielleicht aber auch haben die täglichen Abrechnungen mit dummen, ignoranten Politikern in den Zeitungen das Interesse der Leser an Politik beeinflusst — und am politischen Journalismus. (…)

    Genau dies wollte ich hier zum Thema vor paar tagen auch schreiben. Es steckt ein Vertrauensverlust in die Eliten dahinter. Zu recht!

  25. at Gertrud
    Und keine Zeit mehr zum Nachdenken und Hinterfragen.
    Ein anderes Problem ist der Trend zur Personifizierungen, Niggemeier macht sich da meiner Meinung auch schuldig, es werden weniger gesellschaftliche Systeme mit Verstand und Wissen abgeklopft. Themen wie die Vergreisung der Dörfer und ihre Probleme sind eben nicht knackig mit einer Person auf den Punkt zu bringen, zudem ist es nicht tagesaktuell, so dass solche Geschichten etwas vom Radar verschwinden, aber diese Themen sind wichtig. Manchmal unterschätzen wir diese Wichtigkeit.

    Zudem vergammeln die interessanten Geschichten im Fernsehen in den Nischensendern oder im Nachtprogramm, wo sie fast niemand mitbekommt. Es gibt durchaus gute und interessante Recherchen und Reportagen. Ich fand die Geschichte über die Verkehrsbetriebe im Ruhrgebiet im WDR sehr interessant und lehrreich, auch wenn ich da nicht lebe.
    Durch die Programmierung in der Nacht verkommen solche Reportagen zum Nischenprogramm.
    Statt Markencheck oder Freitagsfilmchen sollte die ARD beispielsweise die Story und 45 min mal um 20 Uhr 15 zeigen, so dass es mehr Leute mitbekommen, auch wenn die Einschaltquoten erst mal absacken. Die schöne Meinungsvielfalt nützt nichts, wenn sie niemand mitbekommt.

  26. Preisfrage: Wenn Steinmeier eine „russlandkritische“ und keine „medienkritische“ Rede gehalten hätte, und russische Medien hätten so gekürzt, das nur ein Lob auf Putin übrigbleibt, wie würde man das wohl nennen?

  27. @33 Sigmund

    Na, die eine Seite verteidigt selbstverständlich nur ihre Werte und die andere Seite macht gezielte oder unterschwellige Propaganda – eventuell auch mal umgekehrt…
    ;-)

  28. Die FAZ ist die einzige Zeitung, welche nicht einer reichen Familie gehört sondern Produkt einer unabhängigen Stiftung ist.

    Erklärt doch alles.

  29. Ich kann ein Beispiel nennen, bei dem Steinmeier selbst Opfer dieses Konformitätsdrucks wurde:

    Steinmeier hatte im September bei seiner Rede vor der UN gesagt, dass dank Diplomatie vor wenigen Wochen (d.h. im August) ein Konflikt zwischen Russland und der Ukraine abgewendet werden konnte, dass Russland also auch nicht in die Ukraine einmarschiert ist (vgl. meinen Artikel dazu: http://blauerbote.com/2014/09/27/steinmeier-vor-un-keine-russischen-truppen-in-ukraine/).

    Es dürfte klar sein, dass er diese diplomatischen Lorbeeren auch selbst ernten wollte. Unter anderem „seine“ Diplomatie hatte quasi so etwas wie den Beginn eines dritten Weltkriegs verhindert, zumindest aber eine russische Invasion in der Ukraine, einen „richtigen“ Krieg. Wie verwundert muss Steinmeier gewesen sein, dass dieser Teil seiner Rede in „der Presse“ offenbar niemanden interessierte und in fast allen Medien nahezu seine komplette Rede außer eben dieser kleine, wichtige Abschnitt thematisiert wurde?

    In den Wochen zuvor – im August – hatten „die Medien“ auf breiter Front von einer russischen Invasion in der Ukraine berichtet, mit „hunderten Panzern“. An der Geschichte war offensichtlich nichts dran, es wurde aber später auch nie dementiert. Stattdessen herrscht(e) eine Art Denk- und Sprechverbot dazu. Steinmeiers Einordnung („diplomatische Lösung“) wenige Wochen später (eigentlich eine „Bombenstory“) wurde einfach ignoriert.

    Ob es dieser Zeitpunkt war, als Steinmeier dieser Konformitätsdruck, von dem er spricht, das erste Mal so wirklich richtig bewußt wurde? Da schlägt er am nächsten Tag die Zeitung auf und seine Heldentat fehlt, weil die Presse … ja, weil … wegen dem „Konformitätsdruck“, der lieber um jeden Preis eine hirnrissige und auch in sich völlig unlogische Invasionslüge aufrecht erhalten will.

    An seiner Stelle hätte ich mich böse verarscht gefühlt.

    Hier die Rede Steinmeiers vor der UN in voller Länge: http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2014/140927_69_Generalversammlung_VN.html

  30. Da hat Steinmeier den Nagel schon übel auf den Kopf getroffen, Nase gebrochen, Kopfweh und vorrübergehend verstärkte Selbstgefälligkeits-Erschütterung… aber ist das schon ein Grund zum Hoffen? Wird es jemanden wirklich interessieren was er sagt? Nachdem man, blind vor Stolz und Machtfantasien, das Leistungsschutzrecht durchgelobbyt hat, um’s eigene Genick auch wirklich nachhaltig zu brechen? Nachdem man selbst bei hochpolitischen Themen polarisierenden Unsinn verbreitet für Auflage oder warum auch immer…?

    Die Bild und co. werden weiter fröhlich alles was nicht Markt-, Leistungs- und vor allem nicht Bild-konform ist über kognitive Schleichwege durch den Dreck ziehen. Und ein Großteil der anderen, wird sich angeekelt abwenden, um dann mit Fremdwortgarnitur das Selbe zu schreiben. Denn man sieht sich ja als Leistender.
    Und manche wähnen sich ungebrochen, unverwundbar, als die meinungsbildende Elite, die eigentlich schon recht hat, bevor sie weiß was sie sagen will. In Bedrohung durch das Internet beginnt die Angst und die innere Flucht nach vorne —> man sieht erst recht nur noch sich selbst.

    Differenzierung, Perspektiven-wechsel sieht dann manchmal so aus: A ist gut, aber B hat auch vielleicht irgendwo schon irgendwie gute Seiten. Aber nur weil es was von A hat. Erweiternd ist A² bedingungslos toll, und wahr, mit vollen Herzblut. C gibt es nicht.
    „Warum XY besonders toll/doof ist!“

  31. @Linus, Harris, DJ Doena: „eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen“
    Angenommen es handelt sich, wie von DJ Doena ausgeführt, um keine von außen verordnete Gleichschaltung, sollten da nicht Zweifel an der „professionellen unabhängigen Ausbildung“ der Journalisten aufkommen, da die Fehler ja sichtbar sind – soll heißen das „aktiv von außen“, sprich „oben“ in einer „Art“ Ausbildung (Volontariat), erfolgte, also bereits in der Sensibilisierungsphase der Neueinsteiger? Oder wird Komissar Zufall bemüht? In solch großer Anzahl – eine Hundertschaft Komissare? Oder machts die Presseagentur?

    @Frank Reichelt: Danke – haarsträubend, wenn bereits so mit ganz offiziellen Worten umgegangen wird – wie läuft es da erst, wenn es um mehr geht, als eine Rede?

    @meykosoft: Der letze Satz sollte bitte immer gelten – nur so können wir vorankommen. Ein fruchtbarer Diskurs erfüllt jeden Tag mit Sinn.

    @Auceza: ! Des Volk ist die 0.Gewalt – die Root. Wird nur leider von ihm selbst vergessen und von den anderen Instanzen verschleiert und klein geredet. Schöne exemplarische Frage an einen Mitmenschen: Mit wessen Arbeitskraft und Geld arbeiten Politik, Industrie und Medien?
    Wenn Geld in dieser Zeit Liebe bedeutet, dann ist es nun bedeutend Zeit die aktuell geltende Liebe zu entziehen.
    Bei der 5. Gewalt im dem Sinne, handelt es sich um eine kontrollierende mehrstimmige in Form der Individuen, besser deren Meinung. Zu viele Branchen haben diese bislang unterschätzt und momentan reibt die 5. die 4. auf dem Weg nach oben auf. Wenn nicht Gesetzte oder anderer Popanz diese Entwicklung temporär aufhält, wird dieser Prozess unaufhaltbar fortschreiten. Er stoppt nur wenn die anderen Gewalten diese anerkennen und damit eine neue Legitimierung erreichen können.

    @Stefan Pannor: Haarspalterei. Nur die digitale Unmündigkeit der Bürger hält den Sturm augenblicklich noch zurück seine persönliche Medienkompetenz zu schulen. Mal 5-10 Jahre abwarten, bis die 20er in die 30er kommen und die politischen und wirtschaftlichen Zusammenhänge feedbacktechnisch wirken. Immer unter dem Hinblick, dass hier nicht regulierend (gegen die Agenda des tollen freien feinen Marktes) eingegriffen wird mit Netzsperren und Maulkörben. Momentan können Gleichdenkende problemlos kommunizieren, sich austauschen und Ansporn mit Bestätigung finden. Das gefällt aber nicht denen, die dies bislang für sich proklamierten…
    Welcher logische Punkt spricht überhaupt für eine so selektive Auswahl Steinmeiers Rede und entweder nicht den kompletten Auszug oder in Zeiten von WWW der Linksetzung zur offiziellen Veröffentlichung? Haben die Medien Angst, dass sich Bürger immer direkt bei der Politik informieren?

    @Linus: Diese Kartographierung in politische oder ideologische Spektren ist in Web überholt. Gestern.
    Das Internet ist im Gegensatz zu anderen menschlich statischen geschaffenen Gebilden lebendig. Und diese Lebendigkeit bedingt die Möglichkeit der Kommunikation – sonst werden viele der kleinen Zellen in diesem Netz ganz schnell absterben, wenn sie nicht den großen Rest im Sinne der sinnvollen Information dienen. Das Internet hat sich nur aus dem Grund des Informationsbeschaffungsdrangs und -austauschs so rasant entwickelt. Es ist nicht unidirektional (oder bestenfalls gefiltert) wie die alten Medien und genau deswegen so rasant in seiner Größe gewachsen. Es geht darin um Kommunikation und Information und beides sollte IMMER in beide Richtungen stattfinden, sonst erspart sich die Evolution die Arbeit der Weiterentwicklung in diesem Zweig.

    @Käfer: Nach Meinung der Presse und Politik benötigt das Volk Satisfaktion – keine nachdenklich stimmenden Berichte, die eventuell Uninteressierte zu Abschalten verleiten würden. Interessant in dem Zusammenhang auch die Entwicklung der Zeugungen und parallel dazu der Fernsehunterhaltungsart in Zusammenwirken mit dem Faktor des Zwangszweiverdienerhaushalts und Erfolgdrucks mit der westlich verordneten neoliberalen Überzeugung…

    @Jens Bernert: Die Presse (TV, Radi, Print und Webanhänsel) will nicht anerkennen, das nun auch die Politik direkt zu ihren Bürgen via Web sprechen kann. Jederzeit – ohne den Pressewimpel am Revers.

    **
    „…Wenn ich morgens manchmal durch den Pressespiegel meines Hauses blättere…“
    Pressespiegel. Jeder Filter filtert – so what? Ein Filtern von Intensität macht Sinn, Nuancen proportional zu filtern oder gar wegzulassen, führt zu Fehleinschätzungen und -entscheidungen. Der Pressespiegel der Kanzlerin wäre mal Gold wert, bevor sie vors Mikro tritt. Jeden Selbstrechercheur macht es halb verrückt, wenn er nicht vor einer Aussage die Quelle kennt – Politiker brauchen anscheinend einen starken Glauben an die Rechtschaffenheit ihrer Untergebenen, des wissenschaftlichen Dienstes, Kollegen oder auch Sekretäre die ihnen Pressespiegel oder auch Reden vorgekaut vorbereiten. Was bleibt da noch von der eigenen Meinung, Überlegungen, Entscheidungen und unterscheidet vom Sprachrohr? Hierbei sollte noch bemerkt werden, dass die Zuarbeiter Wissenschaftler [Koryphäen in ihrem Metier, aber nicht im Ausdruck, Übersetzung und Verständlichkeit], die Presse oder schlimmstenfalls die paranoiden Geheimdienste als Grundlage verwenden…
    Durch die fortlaufende Arbeitsteilung, sprich globalen Arbeitsteilung, Neoliberalismus at its best, wird hier Stille Post gespielt – was dabei rauskommt überrascht damit niemanden mehr, der sich hinter die Gardine denkt.

    „Vielleicht aber auch haben die täglichen Abrechnungen mit dummen, ignoranten Politikern in den Zeitungen das Interesse der Leser an Politik beeinflusst — und am politischen Journalismus.“
    Das hat was – doppeldeutig in jedem Satzteil? Sollte mit Politikern gar nicht abgerechnet werden – oder versucht Frank-Walter Steinmeier hier gleich mal der Presse die Gelbe zu zeigen und vorab mit der Latte zu winken, eine Art Seitenhieb oder Abrechnung?
    Die Begrifflichkeit der „fünften Gewalt“ mag von Pörksen in der Zeit aufgegriffen worden sein, stammt großformatig aber von Wikileaks und wurde bereits die letzen Jahre (>5 Jahre) immer wieder im Zusammenhang des Internets (oder konträr für Lobbyismus verwendet) und seinen Möglichkeiten benutzt.

    Erziehung durch Informationsentzug stellt in digitaler Zeit Diktatur dar.

  32. Das eigentlich Bemerkenswerte ist doch, dass das ausgerechnet vom Steinmeier kommt – wiederkehrender Redner bei der Sicherheitskonferenz (auch außerhalb von Ämtern), auch bekannt als einer der „transatlantischen Swingerclubs“, in deren Kreisen man sich als Journalist nur bewegen darf, wenn man nicht allzu konträre Positionen argumentiert (Fachbegriff: „embedded journalism“).

    2010 schrieb David Ignatius in der Washington Post:

    When you watch a report on Fox News or on MSNBC, you get a sense that the reporters know who the „good guys“ are. I felt that acutely as I watched the two networks‘ coverage of the Massachusetts Senate special election, won by Republican Scott Brown in January. I feel it in the coverage of Wall Street and its congressional critics; one side or the other is implicitly the home team, depending on what you watch or read. There’s a larger narrative, beyond the facts, that is conditioning how a story is covered.

    Und nicht zu vergessen, dass besagter Steinmeier den Konflikt mit Russland durch seine Verhandlungen mit Georgien für den Beitritt zur North Atlantic Treaty Organization mit anheizt. Kennt jemand eigentlich ein gutes Urlaubshotel an der georgischen Atlantikküste? Wer das nicht einzuordnen weiß: Man stelle sich bewaffnete Stellungen eines Ostblockbündnisses vor der US-Haustür vor. Auf Kuba, zum Beispiel…

  33. Es wurde jeztzt mehrfach angemerkt, es sei ja schon seltsam, dass „ausgerechnet“ Frank-Walter Steinmeier solche Aussagen trifft.
    Ich habe aber doch eigentlich hier gelernt: Namen sind Schall und Rauch und es kommt nicht darauf an, wer etwas sagt, sondern was er sagt, egal ob mit Klarnamen oder ano- und pseudonym.
    Also, ob Frank-Walter Steinmeier oder Walter-Frank Meierstein, der Befund ist richtig, darauf kommt es an!

  34. Ich habe mich schon immer über die Medien geärgert, doch ich habe ihre Wichtigkeit und Integrität nie in Frage gestellt. Das habe ich zum ersten Mal getan als es mit diesem idiotischen #Aufschrei losging. Da wurde mir klar wie viele radikale Feministen in etlichen Medien arbeiten und wie unverschämt sie Propaganda betreiben. Ab da schaute ich mir die ganze Sache etwas näher an und je mehr ich mir das anschaue, desto weniger Respekt habe ich vor Journalisten. Und mittlerweile weigere ich mich diese Schreiberlinge als Journalisten zu bezeichnen, denn dieser Begriff war mir schon immer heilig. Es gibt manche die diese Bezeichnung verdienen und andere eben nicht.

    Die ganze Sache mit der Ukraine-Krise. die so oft erwähnt wird, ist dabei gar nicht mal so schlimm gewesen. Da gibt es andere Sachen und Konflikte bei denen man nur Kopfschütteln übrig hat, angesichts der ganzen Propaganda. Die Kritik der Leser beim Ukraine-Konflikt kam vor allem von Russendeutschen und sentimentalen DDR-Bürgern. Das habe ich gar nciht so ernst genommen.
    Die Propaganda hielt sich in Maßen.

  35. Was muss man heutzutage alles sehen, wenn man in die Zeitung schaut. BILD und FOCUS verbreiten Bilder aus Russland vom angeblichen Abschuss der MH17 durch die Ukraine, machen aber aufklärend auf die zweifelhafte Beweiskraft solcher Bilder in der heutigen Zeit aufmerksam und schulen damit die Medienkompetenz und den kritischen Blick ihrer Leser:

    http://www.focus.de/politik/ausland/russischer-fernsehsender-enthuellt-diese-satellitenbilder-sollen-den-abschuss-von-flug-mh17-zeigen_id_4276006.html

    Die FAZ stellt die für die heutige Zeit gewagte These auf, dass Frauen nicht die besseren Menschen sind, während die BILD titelt „Frauen sind häufig die besseren Männer“:

    http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/menschen-wirtschaft/sind-frauen-die-besseren-menschen-13266736.html

    Und ausgerechnet Steinmeier wünscht sich einen weniger homogenen, kritischeren Journalismus.

    Können wir so viel Vielfalt als Leser überhaupt ertragen? Oder wünschen wir uns nicht auch, dass Medien und Menschen vorhersehbar sind?

  36. Obwohl ich gemeinsam mit Herrn Steinmeier und Herrn Niggemeier die Medienkritik teile und mir besseren und ausgewogeneren Journalismus wünsche, bin ich auch durch die radikalisierte Sprache (»Mitläufer sind nicht unschuldig«) und Maßlosigkeit der Kritik ebenso besorgt. Auch ist es immer leicht sich über Medien und Politik zu erheben, allerdings zeigen die Kommentare, dass es die Kritiker mit kommentarlosen Verweisen auf dubiose Quellen nicht besser machen würden, was an der Redlichkeit ihrer Medienkritik zweifeln lässt. Niggemeier und viele Kommentierende hier sind ehrlich daran interessiert, dass die Medien ihrer Funktion im Sinne der Aufklärung nachkommen. Ein Teil der Kommentierenden scheint aber die Medienkritik nur Vorwand, um die Diskrepanz zwischen ihrer eigenen Weltsicht und der publizierten Meinung durch verschwörungstheoretische Konstruktionen selbstwertdienlich aufzulösen. Dabei setzen sie unbegründet ihre eigene Weltsicht mit einer imaginierten unterdrückten Mehrheitsmeinung gleich. Die Medienkritik dient hier lediglich als Vorwand, um Informationen bequem ignorieren zu können, die der eigenen Realitätskonstruktion widersprechen.

  37. Womöglich sollten Sie sich erstmal bewusst machen, was Propaganda bedeutet, ehe Sie den Begriff benutzen.

    Schon durch die erforderliche Systematik, die Propaganda kennzeichnet, wird jede dieser Behauptungen schlicht zur Verschwörungstheorie. Propaganda muss gesteuert sein, sonst ist sie keine. Ein zufälliger Gleich- oder Ähnlichklang vieler Medien (nicht: aller) kann daher keine Propaganda sein.

    Ich gebe offen zu, dass mich diese permanente Propagandabehauptung vieler mehr oder minder medienkritischer Menschen auch deshalb nervt, weil ich Propaganda tatsächlich noch direkt erlebt habe. Und den Unterschied kenne. Ich möchte jeden, der mir was von aktueller Propaganda in deutschen Medien erzählt, im ersten Reflex am liebsten anschreien und mit Wattebällen bewerfen, bis er blutet.

  38. Man achte mal auf den nachträglichen „Löschwahn“ der NOZ bei den Kommentaren zu den „Hassprediger-Vorwürfen“ gegen Nuhr.
    Im wesentlichen wurden Tonka-kritische Beiträge gelöscht unter der Flagge von „Verstoßen gegen die AGB und Netiquette auf noz.de“ – ich würde es eher Zensur nennen.
    Wenn die Zeitungen also nachträglich unliebsame Kommentare löschen, wozu an der Debatte noch teilnehmen?
    Und warum sollte ich dann für diese Zeitung ein Abo abschließen oder es behalten?

  39. Um sie zu lesen?

    Was eine Zeitung in ihrem Kommentarbereich macht, ist erstmal Hausrecht und keine Zensur. Darüber hinaus stelle ich zumindest fest, dass viele Kommenteure tatsächlich nicht zwischen sachlich und persönlich, friedlich und aggressiv, legal und illegal etc. unterscheiden können. Und eben für sich das Recht fordern, dass man sie, egal, was sie sagen und wie, gefälligst unwidersprochen durchzuwinken habe.

    Und zunehmend habe ich auch den Eindruck, dass eh kommentiert wird, ohne den Artikel darüber zu lesen. Es genügt, wenn ein Schlagwort auftaucht, das eine Auslassung triggert. Vor allem User, die eh schon wissen, dass „die Presse lügt“, geben sich eher ungern mit dem Artikel ab, unter dem sie kommentieren.

  40. @Andreas Kuhn

    Ohne die entsprechenden Kommentare gelesen zu haben (ich habe dafür genügend andere unter entsprechenden Artikeln gelesen), kann ich mir kaum vorstellen, dass solcherlei gelöschte Beiträge lediglich „Tonka-kritisch“ gewesen sind.

    Auch Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass Meinungsfreiheit eben nicht heißt, dass jedwede Äußerung ein Recht darauf hat, überall stehen zu bleiben. Ich kacke Ihnen in die Wohnung und schreie „Zensur“, wenn Sie’s wegwischen. Das geht nicht, auch wenn ich und ein paar andere glauben, das sei doch aber ein wertvoller Beitrag zur Inneneinrichtung.

  41. @28
    Mich würde mal interessieren, was Sie sich genau unter demokratischer Partizipation des Volkes vorstellen.
    Bislang klingt das so, als wären für Sie freie Kommentarspalten überall (ohne jedwede Kontrolle) das Mittel der Wahl.
    Mal abgesehen, dass das Recht auf Meinungsfreiheit nicht mit dem Recht einhergeht, dass Privatunternehmen Ihnen dafür eine Plattform schaffen müssen, was bei der gesamten Diskussion hier und anderswo schon mehrfach wiederholt wurde, mal abgesehen davon:
    Glauben Sie, dass uneingeschränkte Recht, in diversen Kommentarspalten seine wie auch immer formulierte Kritik anzubringen, ist eine demokratische Teilhabe des Volkes? Und, falls ja, was würde das ändern?

    @51
    Um bei Ihrer (wieder einmal) poetischen Metapher zu bleiben:
    Wenn dann noch eine beträchtliche Anzahl von Freunden mitgebracht wird, die Ihnen die Bude vollsauen, müssen Sie sich nicht nur für’s „Wegwischen“ beschimpfen lassen sondern womöglich noch dafür bezahlen, weil Sie’s allein gar nicht schaffen.

  42. @ KMMTRX:

    „Ein Teil der Kommentierenden scheint aber die Medienkritik nur Vorwand, um die Diskrepanz zwischen ihrer eigenen Weltsicht und der publizierten Meinung durch verschwörungstheoretische Konstruktionen selbstwertdienlich aufzulösen. Dabei setzen sie unbegründet ihre eigene Weltsicht mit einer imaginierten unterdrückten Mehrheitsmeinung gleich. Die Medienkritik dient hier lediglich als Vorwand, um Informationen bequem ignorieren zu können, die der eigenen Realitätskonstruktion widersprechen.“

    Sehr richtig auf den Punkt gebracht, danke! Deshalb habe ich ein Problem mit Begriffen wie „Mainstreammedien“. Ich kritisiere zwar deutsche Medien (nicht „die deutschen Medien“), aber möchte auf gar keinen Fall mit irgendwelchen obskuren Wahrheitlern in Verbindung gebracht werden, die sich für ganz besonders intelligent und kritisch halten, weil sie immer das Gegenteil von dem behaupten, was in der Zeitung steht. Und die dann völlig unkritisch und unhinterfragt z.B. die Russia-Today-Sichtweise übernehmen.

    Leider führen Diskussionen oft nicht weit, weil beide Seiten mit (vermeintlichen) Fakten ihr Weltbild zu belegen versuchen, was in Internetforen oft in einem Link-Ping-Pong endet, obwohl man eigentlich nicht über Fakten, sondern über Werte diskutiert. Anstatt für seine Werte zu werben, werden sie als allgemeingültige Wahrheit vorausgesetzt und die gegnerische Seite danach beurteilt. Im Grunde läuft es auf folgende Aussage hinaus: „Du bist dumm, weil Du nicht meiner Meinung bist.“ Nur – wer lässt sich davon überzeugen? Welche Antwort erwartet der Streitende: „Eigentlich hast Du Recht – mit allem!“

    Stattdessen sollte man doch versuchen, sein Gegenüber von den eigenen Werten zu überzeugen. Zum Beispiel beim Thema „Umgang mit Homosexuellen in Russland“ also nicht sagen „Ihr seid schlecht, weil ihr Schwule nicht achtet“, sondern: „Homosexualität ist weder ansteckend noch eine bewusste Entscheidung. Niemand wird hetero, wenn man ihn/sie wegen seiner Homosexualität unterdrückt. Ich möchte einfach, dass jede/r in Ruhe sein Leben leben kann, egal ob er/sie auf Männer, Frauen oder beides steht. “

    Genau das werfe ich auch vielen Journalisten vor: ein praktische nicht vorhandene Selbstreflektion der eigenen Arbeit, die Erkenntnis, dass auch sie eine subjektive Sicht auf die Welt haben – und jene, dass sie natürlich nicht alles wissen können. Deshalb setzen viele zu schnell ihre Welterklärungsbrille auf, statt sich mit dem konkreten Thema auseinanderzusetzen. In der Ukraine-Krise wird das besonders deutlich; mich würde mal interessieren, wieviele der ihre Erklärung der aktuellen Lage hinausposaunenden Journalisten wenigstens kyrillische Schrift lesen und wieviele gar Russisch oder Ukrainisch zumindest verstehen, wieviele die drei größten Städte des Landes aufzählen und die Währung und einige Parteien benennen können. Denn: wie soll mir jemand, der noch nicht mal dieses Grundwissen hat, komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge eines mir fremden Landes erklären?

    So, tut mir Leid, wenn der Beitrag etwas wirr wirkt, meine Gedanken kreisen dazu noch etwas um verschiedene Schlagworte…

  43. @Frank Reichelt (#43)
    Das Problem dabei ist: Steinmeier ist nicht irgendwer, der damit thematisch befasst ist und aus einer tiefen Überzeugung heraus argumentiert. Er ist ein Opportunist, der merkt, dass es seinem Ruf (und nur der zählt) schadet, wenn Journalisten und Politiker als eine Mischpoke wahrgenommen werden. Überhaupt: Steinmeier und Überzeugungen – der Mann ist Sozialdemokrat! Nur weil er einmal Medienkritik äußert, macht ihn das noch lange nicht zum Niggemeier… da besteht ein himmelweiter Unterschied – ungefähr so wie zwischen sozialer Demokratie und Sozialdemokratie.

    Und nein, es zählt auch nicht das, was er sagt. Denn es kommt darauf an, WIE er es sagt und mit welcher INTENTION. Würde Holger Apfel plötzlich Ausländer in Deutschland willkommen heißen, würden Sie sich dann nicht fragen, wieso?

  44. Wirklich gute Rede von Herrn Steinmeier. Sie bringt es auf den Punkt: „Vielleicht waren sich die Journalisten einfach ihres Deutungsmonopols zu sicher. Vielleicht haben sie ihr Herrschaftswissen zu lange vor sich her getragen und nicht gemerkt, welche neue Form von Öffentlichkeit das Internet entstehen ließ. „

    M.E. erkennt man das sehr schön an der Sprache von Frau Netz:
    http://www.wdr5.de/av/podcast/audiosendungvom10038-audioplayer.html

    Man arbeitet offensichtlich noch dran. Zurzeit sehe ich jedoch nicht, dass man bereits verstanden hätte. Alleine schon der Hinweis von Frau Netz (ganz zu Beginn der Sendung) zeigt auf, wie sie noch inmitten dieser Deutungshoheit gefangen ist: „Einschaltquoten … die Programme des WDR werden täglich von mehr als Hälfte der Menschen in NRW … eine Art Grundvertauen ist da“

    Sie verwechselt Angebotsinanspruchnahme mit Grundvertrauen. Was bitteschön hat es mit Grundvertrauen zu tun, wenn man zwischen Mainstream-Medium und Mainstream-Medium wählen kann? Welche Sender soll man sich in diesem Pool als Alternaive aussuchen? Wo sind sie denn alle?
    Es ist ein FAKT (kein Gerücht oder gar eine Verschwörungstheorie), dass die Nachrichten alle ähnlich gestaltet sind. Es ist völlig einerlei wohin man schaltet (manchmal kann man dabei sogar zappen und nahtlos anknüpfen lassen, als hätte man gar nicht geschaltet), Ein kompletter Verzicht kommt (aus sicherlich nachvollziehbaren Gründen)nicht erst infrage. Der Medienkonsument kann nur aus dem Portfolio wählen, welches ihm angeboten wird. Quote misst lediglich, wie sich die Zuhörer verteilen.

    Sicher, in Dokumentationen oder in der Nacharbeitung (z.B. nach militärischen Auseinandersetzungen für die man vorher Stimmung gemacht hat) übt man sich in kritischer Berichterstattung/hin und wieder leiser Aufarbeitung, doch dann ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen (d.h., für eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Nachrichten ist es zu solchen Zeitpunkten bereits zu spät. Vorher ist sinnvoll, nicht nachher).

    Und obwohl man es nicht tun soll (wie sie selbst bemerkt), rechnet Frau Netz doch die erhaltene Kritik mit den Quoten auf. M.E. ein eklatant logischer Fehler (klingt schon fast nach kognitiver Dissonanz). Einerseits ist unvorstellbar, alle kritischen Medien-Konsumenten würden in Blogs und Foren tätig werden (das sind doch nur ein paar, von denen man die meisten immer wieder irgendwo sieht) oder gar Beschwerde-Emails an diverse Redaktionen schreiben. Die meisten ärgern sich einfach und belassen es dabei. Und es wird nur ein winziger Teil aus der Zuhörerschaft sein, welcher direkten Kontakt mit den Redaktionen aufnimmt (es zumindest versucht!).

    Andererseits, wer als Kritiker damit Erfahrungen gemacht hat, weiß es längst. Er erhält auf seine Anregung/Beschwerde lediglich eine Standardantwort. Einen solchen Textbaustein, der überwiegend nicht einmal etwas mit der Kritik oder der Fragestellung zu tun hat. Für solche Ergebnisse könnte man glatt eine Batch laufen lassen. Hauptsache, die Emailadresse stimmt und im Betreff steht zumindest die richtige Sendung (so zumindest sehen solche Antworten inhaltlich aus).

    Das ist ebenso ein FAKT über den man schnell stolpert, wenn z.B. im Internet solche Redaktionsreaktionen miteinander abgestimmt werden. Das ist vermutlich mit ein Grund, warum sich die Kritik an Medien doch etwas vermehrt ins Internet verlagert. Und dies hat Frau Netz schon richtig bemerkt, damit haben die Medien nicht gerechnet. Mein Fazit, nein, sie wissen nicht recht damit umzugehen. kreisen immer noch in ihren alten Denkmustern.

    DaW hat das schön auf den Punkt gebracht: „Leider führen Diskussionen oft nicht weit, weil beide Seiten mit (vermeintlichen) Fakten ihr Weltbild zu belegen versuchen … Genau das werfe ich auch vielen Journalisten vor: ein praktische nicht vorhandene Selbstreflektion der eigenen Arbeit, die Erkenntnis, dass auch sie eine subjektive Sicht auf die Welt haben — und jene, dass sie natürlich nicht alles wissen können.“ Dabei spielt nicht einmal eine Rolle, ob beidseitig mit vermeintlichen Fakten gearbeitet wird, es reicht völlig aus, wenn eine Seite das tut. Es gibt genug Fakten (und Erfahrungen), die anschaulich darstellen, dass es berechtigte Kritiken an den Mainstream-Medien gibt. Und dennoch diffamierte man jede Kritik (überdeutlich bei der Ukraine-Krise) an den Medien unter Trollerei, Bezahltschreiberei, Verschwörungstheorie. Wenn Kritiker nicht gleich alle zu Hooligans (öffentlich für jeden Konsumenten nachlesbar) erklärt wurden, dann doch zu Säuen, vor denen man die Perlen werfe. (Letztlich, davon gehe ich aus, meint Frau Netz mit „mehr Transparenz“ doch eigentlich nur, dem Kunden den Produktionsprozess zu veranschaulichen, damit er sie besser zu schätzen lernt.

    Anders ist es für mich nicht zu erklären, dass der Volksmund schon seit einer Ewigkeit (weit, weit, weit vor den Zeiten des www) titelt: „Du kannst nicht alles glauben, was in XYZ gesagt wird/geschrieben steht“, bei den Medien dagegen solche ein Umstand erst im Jahre 2014 (unglaublich eigentlich) zur Kenntnis genommen wird, man es offensichtlich sogar schafft, seiner Verwunderung sowie seinem Unglauben Ausdruck zu verleihen und seinen einzigen Fehler in mangelnder Transparenz erkennt.

    Verdammt noch eins: Transparenz (hat danach überhaupt ein Kritiker gefragt?) wäre nur das Problem, wenn die Konsumenten zu dumm seien, die Perlen als solche zu erkennen. D.h. für mich, man ist gar nicht bereit, sich irgendwelche Fehler einzugestehen (und faselt deswegen dauernd von Transparenz, die den Fehler doch nur wieder dem Zuschauer zuweist).

    Dabei liegen die Fehler für mich klar auf der Hand: Niemanden nutzt eine kritische Aufarbeitung hinterher (man stelle sich das für eine militärische Auseinandersetzung mit dem Osten mal vor. Ob es überhaupt ein Hinterher noch geben könnte?). Was haben Medien im Jahre 2014 denn noch zu lernen (als gäbe es sie erst seit gestern), wie lange lernen sie schon und wie viel Jahrhunderte werden sie dafür noch brauchen?

    Gruss
    Rosi

    PS: http://propagandaschau.wordpress.com/2014/11/15/samstag-920-uhr-wdr5-mochte-uber-eine-verschworungstheorie-reden/

  45. „Es ist ein FAKT (kein Gerücht oder gar eine Verschwörungstheorie), dass die Nachrichten alle ähnlich gestaltet sind. “

    Es ist ein Fakt, dass alle Tische ähnlich gestaltet sind. Das ist keine Verschwörungstheorie, tischlern ist ein Handwerk – so wie das Verfassen von Nachrichten.

    Beschweren Sie sich auch über Mainstreamtische und fordern mehr alternativere Tische?

  46. @ Rosi:

    „Dabei spielt nicht einmal eine Rolle, ob beidseitig mit vermeintlichen Fakten gearbeitet wird, es reicht völlig aus, wenn eine Seite das tut.“

    Ich lege – wenn Sie mich zitieren – schon Wert auf die Feststellung, dass gerade zwischen westlichen und russischen Medien beiderseits mit vermeintlichen Fakten gearbeitet wird.

  47. @Linus und Stefan:
    Da Sie wahrscheinlich nicht an den Kommentaren bei der NOZ beteiligt waren (ich aber schon), haben Sie jetzt schon etwas ins Blaue geschrieben.
    Und JA, wenn man deutlich bemerkt, welche Kommentare unter einem Vorwand gelöscht werden (nämlich die, die nicht der Meinung der Redaktion entsprechen), dann zensiert die Redaktion schon.
    Da wurden nämlich nicht nur Kommentare gelöscht, die gegen die Netiquette verstoßen hätten,sondern durchaus auch sachliche. Da wird also ein guter Teil der Rückmeldung der Leser unterdrückt, weggegeigt, verbrannt, vernichtet – wenn ich also der Zeitung nichts wert bin, warum also dann kaufen?
    Und wenn dies bei einer Zeitung passiert, die sich ja gerne anderswo zitiert sieht
    Und wenn mir Linus in die Wohnung kackt, wischt er es selber weg, dafür sorge ich dann schon :-)

  48. Gäbe es in Deutschland (noch oder wieder) den Journalismus, wie ihn Frank-Walter Steinmeier jetzt in seiner Rede bei der Verleihung der Lead Awards in Hamburg beschworen hat – unabhängig und kritisch, mit breitem Meinungskorridor -, dann würde er selbst (Steinmeier) als krass gescheiterter Kanzlerkandidat, Co-Architekt von Hartz-IV, Ukraine-Verhandlungsversager und als Deutschland-muss-mehr-Verantwortung-in-der-Welt übernehmen-Apologet längst keine Rolle mehr in der deutschen Politik spielen.

  49. @DaW: „Ich lege — wenn Sie mich zitieren — schon Wert auf die Feststellung, dass gerade zwischen westlichen und russischen Medien beiderseits mit vermeintlichen Fakten gearbeitet wird.“

    Ich lege – wenn sie mir antworten – schon Wert auf die Feststellung, dass meine Ausführungen sich nirgendwo auf einen vermeintlichen Fakten-Liefer-Vergleich zwischen westlichen und russischen Medien beziehen, sondern (ausschließlich) auf das Verhältnis Anbieter (Medien) zu Konsument (Leser/Zuhörer oder: »der nachsehende Dritte mit der Arxxxkarte«) ausgerichtet sind.

  50. @Stefan Panor: „Es ist ein Fakt, dass alle Tische ähnlich gestaltet sind. Das ist keine Verschwörungstheorie, tischlern ist ein Handwerk — so wie das Verfassen von Nachrichten.

    Beschweren Sie sich auch über Mainstreamtische und fordern mehr alternativere Tische?“

    Es ist ein Fakt, dass Vergleiche mit aus Zusammenhängen gerissenen Satz-Zitaten oft hinken. Das haben sie i.Ü. mit handwerklich schlecht verarbeiteten Tischbeinen oft gemeinsam.

  51. Auch sehr interessant: Zitat aus dem Handelsblatt Artikel zur heutigen Reisen von Steinmeier nach Kiew und Moskau:“Davon will man in seiner Umgebung aber nichts wissen. Alles, was Merkel in Sydney von sich gab, sei so oder so ähnlich auch schon gesagt worden. Die Mahnung des Ministers für eine vorsichtigere Wortwahl sei gegen die zunehmende „Kriegsrhetorik“ in einigen Medien gerichtet gewesen.“ Link:http://www.handelsblatt.com/politik/international/wege-aus-der-ukraine-krise-versoehnlichere-toene-und-abgrenzung-von-merkel/10998438-2.html

  52. Tja, das Problem an besonders hellsichtigen Äußerungen ist vermutlich hauptsächlich, dass die wenigsten sie richtig verstehen. Womit die Inhalte der Rede dann auch sofort bestätigt werden. Schade nur, dass das alles ziemlich bedenklich ist…

  53. Schönes Beispiel für die „Homogenität“ der Presse: die Schlagzeile, dass das EU-Parlament die Zerschlagung Googles beschließen will. Alle Medien titeln und berichten dasselbe, keines hinterfragt, obwohl es doch irgendwie komisch ist, weil es so aus heiterem Himmel kommt und man vorher so rein gar nichts über irgendwelche konkret anstehenden Beschlüsse zu einer derart brisanten Causa gehört hatte. Wäre doch spannend gewesen, mehr zu dieser plötzlichen Volte herauszufinden, vor allem darüber, wie man es auf EU-Ebene anstellen will, einen internationalen Großkonzern zu spalten. Aber wen interessiert’s – Hauptsache Schlagzeile.

    Die Wahrheit bzw. den Hintergrund findet man … beim Googeln. Und graust sich.

    http://www.reimon.net/2014/11/22/europaparlament-google/

  54. […] Steinmeier beklagt „erstaunliche Homogenität“ und „Konformitätsdruck“ in Medien Frank-Walter Steinmeier hat auf den Lead-Awards gestern in Hamburg eine Rede über den Zustand des Journalismus in Deutschland und die Glaubwürdigkeitskrise deutscher Medien gehalten, die ich für außerordentlich hellsichtig halte. Der deutsche Außenminister sagte: „Medienbashing ist in diesen Tagen zu einer Art Trendsportart geworden. Wer über verlogene, korrupte oder gemeine Journalisten schimpft, verkauft viele Bücher. Wenn dagegen ein Korrespondent in Krisengebieten falsch recherchiert oder ein Kommentator eine unpopuläre These zuspitzt, kann er sich auf Beschimpfungen und Verschwörungstheorien in den sozialen Medien gefasst machen.“ Quelle: Stefan Niggemeier […]

  55. Personalauswahl!
    Ich war zwar noch nie bei einer Redaktionssitzung dabei, aber mir scheint das Hauptproblem die Personalauswahl.
    Im Grunde müsste man schon in der Redaktion eine Meinungsvielfalt mit möglichst breitem Spektrum schaffen. Das würde jedoch bedeuten, dass man nicht nur erzkonservative Leute darin sitzen hat, sondern im besten Fall ehemalige HartzIV Bezieher und ultralinke.
    Ein Qualitätsmerkmal für so eine Redaktion bestünde dann darin, dass sich mind. einmal die Woche heftigst „gefetzt“ wird, wie man den einen oder anderen Artikel gewichtet…
    Ich habe nicht den Eindruck, dass sich in den Redaktionen „gefetzt“ wird. Auch kann ich mir nur schwer vorstellen, das bspw. ein Diekmann oder Blome sowas überhaupt erstrebenswert fände.

  56. „Konformitätsdruck“, wie Steinmeier ihn beklagt, kann viele Ursachen haben.
    Pressefreiheit war nämlich schon vor 100 Jahren auch in damals fortschrittlichen Demokratien mehr die Freiheit der Pressezaren als die der von ihnen beschäftigten Journalisten.

    Wichtig wäre es daher, die Besonderheiten des aktuellen Konformitätsdrucks zu betonen:
    Seine plötzliche und einseitige Heftigkeit, die an die kriegslüsternen Phrasen vor genau 100 Jahren erinnert und im schlimmsten Fall wie 1914-18 in einem großen sinnlosen Krieg enden kann.

    Und seine Herkunft beim Namen zu nennen: Atlantikbrücke.
    Klingt zwar nach europäisch-amerikanischer Eintracht zu beiderseitigem Vorteil, bedeutet aber derzeit leider, dass das Imperium seine Quasi-Vassallen in Übersee gegen deren unmittelbaren Nachbarn aufhetzt, um beide klein und sich selber groß zu halten.

    Da Steinmeier keinesfalls abseits, sondern „auf der Atlantikbrücke“ steht, sollte er – zur Verdeutlichung seiner neuen Sensibilität – unbedingt verraten, wie er denn selber mit diesem spezifischen, auch ihn persönlich treffenden Konformitätsdruck umgeht.

  57. Es gibt auch noch eine 4. Möglichkeit für die Glaubwürdigkeitskrise:

    Die Meidien lügen und manipulieren und man hat sie dabei mehrfach erwischt und wie bei jedem anderen Lügner glaubt man diesem halt irgendwann nicht mehr…..so einfach ist das.

  58. Hallo Stefan,

    hab eine kurze OT-Frage.
    Ich suche seit Wochen nach einem Text, in dem jemand sinngemäß über die Bild gesagt hat „die rufen dich an und fragen ‚Wir wollen xyz drucken, dürfen wir Sie damit zitieren?'“
    Bin mir fast sicher, das in deinem Blog gelesen zu haben. Suche mich hier noch blöd, finde es aber einfach nicht.

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