Mutmaßungen über Google: Kartellamt lässt Madsack und VG Media blöd aussehen

FAZ.net berichtet, dass das Bundeskartellamt eine Beschwerde deutscher Zeitungsverlage gegen Google in Sachen Leistungsschutzrecht scharf zurückgewiesen gewiesen habe. In einem Brief der Behörde heiße es: „Die Anknüpfungspunkte für ein eventuell kartellrechtsrelevantes Verhalten von Google beruhen teilweise nur auf Mutmaßungen. Das eigentliche Beschwerdeziel bleibt unklar.“ Kartellamtspräsident Andreas Mundt sagte: „Erforderlich für die Einleitung eines Missbrauchsverfahrens ist stets ein hinreichender Anfangsverdacht. Die Beschwerde der VG Media konnte diesen nicht begründen.“ Die Vorwürfe der VG Media knüpften nicht an ein konkretes Verhalten von Google an.

Das erinnert mich daran, dass ich hier seit Wochen einen fertigen Eintrag zum Thema ungebloggt herumliegen habe. Es ist die Fortsetzung dieses Eintrags, in dem ich der VG Media vorgeworfen hatte, den Bundestag in eben dieser Sache zu desinformieren.

Das passt heute ganz gut:

Die Madsack-Mediengruppe macht Google öffentlich unhaltbare Vorwürfe, möchte Nachfragen dazu aber nicht beantworten.

Thomas Düffert, der Vorsitzende der Geschäftsführung, hatte im Juni begründet, warum sich sein Verlag („Hannoversche Allgemeine Zeitung“, „Leipziger Volkszeitung“, „Lübecker Nachrichten“) zusammen mit elf anderen und der Verwertungsgesellschaft VG Media beim Bundeskartellamt über den Suchmaschinenkonzern beschwert habe:

„Madsack hat im vergangenen Jahr von Google eine schriftliche Aufforderung erhalten, auf die Durchsetzung unseres soeben durch den deutschen Gesetzgeber gewährten Presseleistungsschutzrechtes ganz zu verzichten und zu erklären, keine Vergütungsansprüche gegen Google geltend zu machen. Andernfalls würde Google, als deutschland- und weltweit größter Betreiber von Suchmaschinen, unsere digitalen verlegerischen Angebote auslisten. Für uns ist diese Drohung eindeutig ein Marktmissbrauch, denn bei einem Fast-Monopolisten wie Google ausgelistet zu werden und damit nicht mehr sichtbar zu sein, hat weitreichende Folgen.

Ich habe der Madsack-Pressestelle dann folgende Fragen gestellt:

Können Sie mir sagen, wann und in welcher Form Google Madsack damit gedroht hat, die Angebote aus seiner Suchmaschine auszulisten?

Im Zusammenhang mit dem Leistungsschutzrecht hat Google im Sommer 2013 angekündigt, Angebote, die keine entsprechende Einverständniserklärung abgeben, aus „Google News“ herauszunehmen, nicht aber aus der Suchmaschine. Bezieht sich die Aussage von Herrn Düffert darauf? Oder gab es weitere „Drohungen“ von Google?

Hat „Google News“ nach Ansicht von Madsack eine marktbeherrschende Stellung im Bereich der Nachrichtenaggregatoren?

Die Pressesprecherin sagte mir zu, sich „schnellstmöglich“ zu melden, tat das dann aber gar nicht mehr. Auf Nachfrage erklärte sie, sie hätte meine Anfrage an die VG Media weitergegeben. Auf erneute Nachfrage sagte sie, Madsack werde sich nicht dazu äußern.

Einer der großen Regionalzeitungsverlage, „ein Garant der Meinungsbildung und damit für die Demokratie in Deutschland“ (O-Ton Düffert) behauptet lautstark, von Google quasi erpresst worden zu sein, möchte aber nicht sagen, wann und in welcher Form das geschah.

Es könnte natürlich damit zu tun haben, dass Google, wie gesagt, gar nicht mit einer solchen Auslistung aus der Suche gedroht habe, sondern es bei dem Vorgang im Sommer 2013 ausschließlich um den Nachrichtenaggregator „Google News“ ging.

Aber tatsächlich, immerhin, bekam ich dann doch noch eine Antwort von der VG Media, jener Organisation, die für Madsack, Springer und mehrere weitere Verlage versucht, aus dem neuen Leistungsschutzrecht Erlöse zu erzielen. Die VG Media hatte im Juli Bundestagsabgeordnete und Vertreter mehrerer Bundesministerien zu einer Informationsveranstaltung eingeladen und dabei ebenfalls behauptet, dass Google den Verlagen im vergangenen Jahr mit einer Auslistung aus der Suche gedroht habe. Auf meine Bitte um eine Erklärung antwortete die VG Media nach nur zwei Nachfragen:

Das Leistungsschutzrecht spricht von Suchmaschinen und anderen kommerziellen Diensten, die Inhalte entsprechend einer Suchmaschine aufbereiten. Im Gesetzestext ist der zentrale Satz so formuliert: „Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon, soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter von Suchmaschinen oder gewerbliche Anbieter von Diensten erfolgt, die Inhalte entsprechend aufbereiten.“ Deswegen ist keineswegs nur Google News betroffen, sondern auch Google Search, Google Bilder und jede andere Form von Suche und Aggregation, die mehr umfasst, als einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte.

Das mag sein. Die Einverständniserklärung, die Google im vergangenen Jahr forderte und die die VG Media für einen Missbrauch der Marktmacht Googles hält, bezog sich allerdings ausschließlich auf „Google News“.

Die VG Media weiter:

Außer Google weiß niemand, mit welchen Mechanismen die verschiedenen Google-Dienste miteinander verknüpft sind. Die VG Media hat deutliche Hinweise darauf, dass die Auslistung aus Google-News auch Auswirkungen auf die Auffindbarkeit in der Suchmaschine hat. Google verschweigt die Auswirkungen, die die angedrohte Auslistung von „Google News“ auf die anderen Google-Dienste hat, insbesondere auch auf die allgemeine Google-Suche.

Ich hatte im Juli, als ich die Antwort bekam, auch schon den Verdacht, dass es sich bei den „deutlichen Hinweisen“ um bloße Mutmaßungen handelt. Und selbst wenn nicht, hätte das nichts mit dem Vorwurf zu tun, den die VG Media und Verlage wie Madsack gegen Google erhoben haben, nämlich mit einer Auslistung aus der Suche zu drohen.

Irgendwie bin ich nicht überrascht über die Klatsche des Kartellamts für diesen Verein.

Nachtrag, 18:50 Uhr. Die VG Media bezeichnet die Meldung von FAZ.net sprachlich originell als „sachlich unzureichende Darstellung und Bewertung“ des Sachverhaltes.

iRights.info dokumentiert das Schreiben des Kartellamtes im Original und kommentiert es.

 

26 Replies to “Mutmaßungen über Google: Kartellamt lässt Madsack und VG Media blöd aussehen”

  1. Das nennt man dann wohl ein Eigentor! Schön ist auch die Bemerkung das vielleicht auch die VG Media kartellrechtlich untersucht wird.

    Bin gespannt, wie Kesse und Co. versuchen diese Klatsche schönzureden. Popcorn steht bereit :-)

  2. Ich warte seit Jahren auf den geheimen Trick, die überraschende Wendung, die uns zeigt dass wir ein Detail übersehen haben, dass das LSR nicht kompletter Unsinn ist.

  3. …mal ’ne Frage? Jemand(e) ’ne Ahnung, was mit dem Blog „Wir in NRW“ los ist?
    Ist ein bischen OT, interessiert mich dennoch. Danke für’s Feedback und ein angenehmes WE…
    Grüsse

  4. Die VG Media bezeichnet nicht die Darstellung des gesamtes Sachverhaltes als „sachlich unzureichend“, sondern die Bewertung der Antwort des Bundeskartellamtes durch faz.net (Oder ist mit Sachverhalt die Korrespondenz gemeint?). Auf irights.info gibt es das Schreiben im Original.

    Irgendwie beeindruckend wie die VG Media diese absolute Klatsche als Erfolg darzustellen versucht.

  5. Sehr lustig. In der VG media PM steht dick und fett als Überschrift:

    „Das Bundeskartellamt prüft die Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen gegen
    Google „,

    aber natürlich kein Wort zur Überprüfung der VG Media, dem wichtigeren Punkt in der Entscheidung des Kartellamts. Gruseliger Verein.

  6. …vielleicht irre ich, aber nach meiner Wahrnehmung ist das alles von schräg nach quer, von rechts bis oben durchdekliniert. Genauso, wie es „Bild“; „Focus“ und/oder andere interessiert, was H.Schönauer; H.Niggemeier in ihren Blogs an lesenswertem Gedankengut veröffentlichen.
    Es interessiert niemande(n). Im Gegenteil, es macht sie nur noch eifriger in ihrer Skrupellosigkeit und dem vielen Geld und ihren Verbindungen und teuren Anwaltskanzleien usw. So ist jedenfalls mein Eindruck.
    Eigentlich sollte ich einen Blog aufmachen, weil, ich bin ziemlich wütend…
    Ausserdem regnet es…

  7. @#2 Torsten:

    Wenn wir lange genug warten, kommt vielleicht ein Mann in einem alten Trenchcoat zur Tür rein und meint: „Ach übrigens, ich hätt da noch ne Frage…“

  8. Was besseres konnten den Presseverlegern ja gar nicht passieren.

    Nun können wieder die Lobbyisten nach Berlin geschickt werden, die mit szenenreicher Inszenierung und zahlreichen Tränen ihr Leid schildern können. Die bisherige gesetzliche Grundlage reicht nicht aus und wird vom bösen Google ausgenutzt, so dass die Verlage ihre imaginären Ansprüche nicht vergütet bekommen.

    Es braucht griffigere Gesetze. Am besten eine Googlesteuer wo Google einfach anlasslos den Presseverlagen Milliarden abdrücken muss.

  9. Der Abnahmezwang wird sich nicht durchsetzen lassen. Das hat es im Kartellrecht noch nie gegeben und wird auch durch die Lobby-Tricksereien mit dem LSR nicht erreicht werden. Am Ende würde der EGH so ein Gesetz kassieren. Google würde bestenfalls dazu gezwungen sein, von anderen(!) betriebene Suchergebnis einzublenden(!) – aber dazu müsste die dt. Presse eigene Serverparks betreiben, damit Google was zum einblenden hat.

    Da dies aber nicht passieren wird, ist das alles eine absolut frustierende Show von Leuten die irgendwie noch 30 Jahre zur Rente haben und sich nicht vorstellen können, im Supermarkt Dosen einzufüllen. So haben sich wohl die Mitarbeiter in Videotheken und Leute am Bankschalter vor 10 Jahren auch gefühlt.

  10. @ FreundFreierPresse, #10
    Es gibt im Kartellrecht durchaus Vertrags- und damit Abnahmezwang, wenn auch bisher nicht unter solchen Bedingungen wie dem LSR. Nach deutchem Kartellrecht ist auch nicht unbedingt eine marktbeherrschende Stellung (§ 19 GWB) erforderlich, es kann schon sog. relative Marktmacht gegenüber kleinen und mittleren Unternehmen genügen (§ 20 Abs. 1 GWB). Ich wüsste auch nicht, auf welcher Grundlage der EuGH dieses Gesetz kassieren sollte. Und warum sollte Google bestenfalls dazu gezwungen sein, von anderen, bzw. der deutschen Presse betriebene Suchergebnisse einzublenden?

    Das ändert natürlich im Kern nichts daran, dass das LSR völliger Unsinn und die Beschwerde der VG Media auf sehr schwachem Fundament gebaut ist.
    Häme über die Zukunftsängste kriselnder Branchen ist aber auch ziemlich unangebracht.

  11. So als Laie frage ich mich:
    Hat google überhaupt eine marktbeherrschende Stellung:
    Also wenn z.B. in einer Stadt von 15 Supermärkten 14 von der XY-Kette betrieben werden, ist das offensichtlich.
    Aber es gibt neben google ja noch viele andere. Aber wenn die große Mehrheit lieber mit google sucht….
    Vergleichbar wäre es, wenn in D 99% aller Autokäufer nur noch VW-Modelle kaufen, freiwillig. Alle anderen Marken gibt es noch, auch deren Autohäuser stehen überall herum, aber die Kunden gehen lieber zum VW-Dealer. Kann man da von „Marktbeherrschung“ reden?

  12. @ Sigmund, #12:

    Statt ‚marktbeherrschend‘ sollte man lieber ‚marktführend‘ oder ‚-vereinahmend‘ benutzen, ein Unternehmen muss ja nicht zwingend den Markt „regieren“ um eine Monopolstellung zu erlangen. Wenn tatsächlich plötzlich alle Deutschen nur noch VW kaufen würden, wäre VW Monopolist – auch wenn der Konzern das eventuell gar nicht beabsichtigt hatte (die anderen Autohäuser würden dann allerdings nicht sehr lange überall herumstehen). VW würde dann den deutschen Automarkt beherrschen, wie Bäume den Wald beherrschen: durch seine Repräsentierung. Jede Veränderung/Entscheidung, die VW beträfe, beträfe dann den deutschen Automarkt. Würde VW nur grüne Modelle ausliefern, würden grüne Autos den deutschen Automarkt beherrschen – auch wenn das gar nicht von VW gewollt, sondern nur für die eigene Produktpalette gedacht war.

  13. Leider haben die relevanten Verlage viele Freunde in relevanten Parteien. Es wird noch viel legislativer Unsinn zu ihren Gunsten geschehen, bis sie pleite sind.

  14. In ihrer Pressemitteilung redet die VG Media von der Web-Suche. Die Auslistung betrifft doch nur GoogleNews, oder? So habe ich es hier im Blog glaube ich irgendwo gelesen. Das Kartellamt schreibt nach drei Seiten Watsche dann, dass man es als kartellrechtliches Problem sähe, wenn die Auslistung die allgemeine Suche von Google beträfe (Konjunktiv!!). Ich glaube, es ist wichtig den Unterschied zwischen der Web-Suche und GoogleNews noch stärker geltend zu machen. Denn offenbar stützt sich die Argumentation der VG Media weiterhin auf die Vorstellung, dass Auslistung absolut gemeint ist, die Verlage also überhaupt nicht mehr auftauchen würden.
    Auch das Kartellamt spricht in ihrer Ankündigung einer Prüfung davon, dass es sich um eine vollständige Auslistung handelt, die ein Problem darstellen würde, nicht eine partielle. Leider fällt der Name GoogleNews nicht. Dann hätte VG Media vielleicht begriffen, dass deutsche Beamten doch nicht so leicht zu bequatschen sind, wie sie gehofft hatten.

  15. Tja, da ist die Angst bei den Verlagen so groß, dass man schnell mal eine nicht näher bestimmte Verbindung zwischen Web-Suche und GoogleNews in den Raum stellt, um das eigene Vorgehen zu legitimieren. Leider etwas durchschaubar, wenn man keine konkreten Anhaltspunkte liefern kann. Für eine Gesellschaft dieser Größenordnung auf jeden Fall ziemlich peinlich…

  16. Das Kartellamt wird auch die Prüfung „von Amts wegen“ ad Acta legen.

    Der VG Media wird das egal sein, sie wissen ja jetzt schon, dass dort keine Unterstützung zu finden ist.
    Bei der Politik auch nicht mehr so richtig. Die wenigen Befürworter werden mehr und mehr isoliert sich langsam oder wenden sich dann doch ab.
    Von der Regierung kann auch nichts erwartet werden, trotz Koalitionsvertrag, die werden sich fünfmal überlegen, wie sie es nun am Besten abwickeln wollen oder es wird merkelmässig abgesessen, das hat ja immer geklappt.

  17. @Sigmund: Der marktbeherrschende Charakter von Google liegt in der sozialen Bindungsfunktion des Produkts begründet. Ein Zeitungsverlag, der von seinem Publikum gefunden werden will, muss sich zwangsläufig um eine entsprechende Präsenz beim verbreitetsten Suchmaschinenanbieter bemühen – ein Ausweichen auf kaum frequentierte Alternativen lohnt sich nicht. Dadurch wird die ohnehin schon marktbeherrschende Funktion weiter bestärkt: ein Mechanismus der Monopolbildung, der sich auch bei anderen Bereichen des Netzes wie etwa Videoplattformen (Youtube), sozialen Netzwerken (Facebook) oder Auktionsportalen (Ebay) beobachten lässt. Der digitale Markt lässt sich deshalb mit dem Automarkt nicht vergleichen. Allenfalls vielleicht mit dem Verlegen von Telefonbüchern. Auch hier gibt es zwar Konkurrenz, allerdings nur in bescheidenem, regionalen Rahmen.

  18. Weiß denn irgend jemand näheres über die Marktmacht von Google-News? Oder kann jemand beurteilen, wie realistisch die Einschätzung bestimmter Zeitungen ist, auf eine Listung dort nicht verzichten zu können?
    Interessant wäre in dem Zusammenhang auch zu wissen, wie es andere Nachrichtenaggregatoren handhaben (genauer: die Verlage mit anderen Nachrichtenaggregatoren). Wenn nur Google-News sich herausnehmen kann, von den Verlagen einen Verzicht auf die LSR-Vergütung zu verlangen, wäre das schonmal ein starkes Indiz für eine überlegene Marktmacht, bzw. dann würde diese gesetzlich vermutet werden (vgl. § 20 Absatz 1 Satz 2 GWB).

  19. Auch ganz wunderbar ist der Wortlaut der Beschwerde durch die VG Medien. Zitat:

    • Eine unterlassene Bestätigungserklärung wirke sich massiv in allen ( … ) Bestandteilen
    der Google Suchmaschine aus.
    • Die Verleger müssten unterstellen, dass ein fehlender Opt-ln Auswirkungen auf die Positionierung
    bei der Google Web/News-Suche und den Google News OneBoxen habe.
    • Zudem ändere Google die Suchmaschine ständig. Die Verleger( … ) könnten daher die
    Konsequenzen eines verweigerten Opt-ln nicht vorhersehen.“

    Dafür, dass man die Konsequenzen nicht vorhersehen kann, kann man sie aber ziemlich gut beschreiben und bewerten.

  20. @Pepito: Es beantwortet Ihre Frage zwar nicht direkt, aber trägt vielleicht ein wenig dazu bei: Die Klage der VG Media richtete sich auch gegen Yahoo und 1&1. Yahoo hatte daraufhin Verfassungsbeschwerde gegen das LSR erhoben.

  21. @ Blunt, #22
    Danke für den Hinweis. Das macht die Sache noch etwas komplizierter. Es sieht also nicht so aus, als würde ein Unternehmen (Google) seine Marktmacht missbrauchen, sondern die Marktbedingungen sind eben so, dass sich das LSR faktisch nicht umsetzen lässt. Man könnte auch sagen, es gibt überhaupt keinen „Markt“ für die kurzen Textauszüge der Verlagsbranche, wenn niemand bereit dafür zu zahlen. Andererseits gibt es eine Nachfrage ja prinzipiell schon, denn darauf basiert ja das System der Aggregatoren. Um im Sinne der Verlage zu wirken, müsste das LSR also eher so ausgestaltet sein, dass nicht die Stärke der Nachfrage über eine Vergütung entscheidet, sondern die Tatsache einer Nachfrage als solche, ähnlich einem gesetzlichen Mindestpreis. Mit der Begründung könnte man aber Mindestpreise in allen möglichen Branchen einführen.
    Die Politik hat aber ja bereits Hilfsbereitschaft signalisiert: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Bundesjustizminister-stellt-Leistungsschutzrecht-Anpassung-in-Aussicht-2238231.html
    Das von SJ (#9) prognostizierte weitere Vorgehen ist also schon längst im Gange.

  22. @Pepito: Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es diesen Markt nicht gibt. Auf Yahoo beispielsweise kann ich zurzeit nur noch Agenturmaterial (vor allem afp) und eigene Artikel finden. Es scheint mir so zu sein, dass Yahoo anders als Google wegen des LSR gegenwärtig auf Presseinhalte verzichtet. Entsprechend unattraktiver mutet das Angebot allerdings auch an (keine Auswahl mehrerer Quellen, rein nachrichtliche Texte, etc.). Müsste Google den gleichen Weg gehen, würden sie vielleicht Gefahr laufen, von einem LSR-zahlungswilligen Anbieter überholt zu werden: erst bei der Nachrichtenaggregation, später vielleicht dann auch bei der Suchfunktion. Und wenngleich das Internet strukturbedingt Monopole fördert, so hat doch die Geschichte gezeigt, dass solche Monopolisten innerhalb kürzester Zeit abstürzen und andere an ihre Stelle treten können.

  23. @ Blunt
    Aber Google(-News) verzichtet doch ebenfalls auf Presseinhalte, für die es LSR-Lizenzgebühr bezahlen müsste? So verstehe ich jedenfalls das ominöse „erpresserische“ Rundschreiben. Solange Google & Co. für die Textausschnitte nichts bezahlen, an niemanden, sei es, weil sie sie auch gratis bekommen, sie (deswegen) ausreichend kostenfreie Alternativinhalte bekommen, oder sei es weil sie aus sonstigen Gründen finden, dass sich das Geschäftsmodell nicht lohnt, wenn LSR-Gebühren anfallen, gibt es zwar eine Nachfrage, aber keinen Markt, wo Leistung gegen (finanzielle) Gegenleistung nachgefragt wird. Vereinfacht gesagt: solange kein Konkurrent von Google tatsächlich (und nicht nur potenziell) bereit ist, für die LSR-Inhalte zu zahlen, verhält sich Google auch als unterstellter Marktführer nicht schlechter als alle anderen. Das wäre aber Voraussetzung, um Google einen Missbrauch seiner Marktstellung vorzuwerfen.
    Für die Verlage heißt das: wenn sie an Google herankommen wollen, sollten sie vielleicht Googles Wettbewerber mit günstigen Konditionen dazu bewegen, ihre Inhalte kostenpflichtig abzunehmen, damit sich überhaupt erstmal ein tatsächlicher Marktpreis über 0 EUR in der Branche etablieren kann. Danach sieht es aber ja gerade nicht aus. Wie man es also auch dreht und wendet: das LSR ist ohne weitere gesetzliche Maßnahmen, die eine Art kostenpflichtigen Abnahmezwang festschreiben, tot.

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