Wie ich Karl den Großen 1175 Jahre nach seinem Tod nochmal ganz klein herausbrachte

Ach, heute war ja Karlstag. Heute vor 1200 Jahren ist Karl der Große gestorben. Und heute vor 25 Jahren ist Karl der Große vor 1175 Jahren gestorben.

Damals war ich Schüler am Gymnasium Carolinum Osnabrück, einer Schule, die glaubt, von Karl dem Großen gegründet worden zu sein, und sich viel darauf einbildet. (Bei der Urkunde vom 19. Dezember 804, die das bezeugt, handelt es sich allerdings blöderweise um eine Fälschung.)

Es war ein furchtbar traditionsreicher Ort, der sich eng und unfrei anfühlte, verstockt, elitär und muffig; ein Ort, der nicht Eigenständigkeit förderte, sondern Anpassung. Es war, andererseits, ein guter Ort, um zu lernen, wie man sich dagegen auflehnt. (Es gab auch ein paar Lehrer, die halfen.)

Zum Karlstag 1989 hatte unsere Theater-Gruppe eine Aktion gemacht. Im „Hexengang“, einer schmalen Gasse, durch die der Weg vom Dom zurück ins Gymnasium führt, hatten sich Schüler Masken aufgesetzt und an die Wände gekettet. Von oben, aus dem Schulgebäude, winkten Olaf und ich, verkleidet als Kaiser und Bischof.

Durch diese Gasse mussten die Honoratioren nach der feierlichen Messe zu Ehren Karls des Großen ziehen. Das kam nicht gut an.

Es half natürlich nicht, dass andere Leute denselben Feiertag zum Anlass genommen hatten, die Karls-Statue im Schulhof mit Farbe zu beschmieren, womit wir nichts zu tun hatten, was uns die Schulleitung aber unterstellte.

Der Schulleiter zitierte zwei andere Mitwirkende und mich am nächsten Tag zu sich ins Büro — sicherheitshalber einzeln, um jedem von uns eine vorformulierte Anklage vorzulesen, die in dem Vorwurf gipfelte, unsere Aktion sei irgendwie „faschistoid“. Es war sehr aufregend und lehrreich.

Die Geschichte ist vor ein paar Jahren wohl schon einmal aufbereitet worden, für den Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten 2010/2011, der das Thema hatte: „Ärgernis, Aufsehen, Empörung: Skandale in der Geschichte“. Hannah Große Höötmann und Rukmane Kadrija befassten sich unter dem Titel „Karl der Große — Schulgründer und Reizfigur?“ mit unserer Aktion. Der Jahresbericht der Schule referierte danach:

Der Protest vom Karlstag 1989 löste viele Debatten und Auseinandersetzungen um die Frage nach der „Schulidentität“ sowie dem Umgang mit Traditionen und Werten an der Schule aus und blieb dabei nicht nur schulintern. Die Reaktionen auf den Schülerprotest fielen sehr unterschiedlich aus und sorgten sowohl zwischen damaliger Schulleitung und Schülerschaft, vor allem des 13. Jahrgangs, als auch innerhalb des Kollegiums für heftige Debatten und Diskussionen. Die Schülerinnen bewerteten die Ergebnisse ihrer Forschungen wie folgt: „Obwohl der Schülerprotest des Karlstages 1989 eine schulweite Beschäftigung mit der Schulidentität nach sich zog, lässt sich nicht sagen, ob er letztlich wirklich zu einer Ver- änderung der Mentalität der Schule führen konnte. Die Identifikation mit Karl als Schul- und Stadtgründer hat zweifellos nachgelassen, außerdem wird eine differenzierte Sicht auf das Leben und Wirken Karls im Unterricht vermittelt. (…) Es ist [festzustellen], dass Schülerinnen und Schüler sich in heutiger Zeit nicht mehr mit diesem Thema aus- einandersetzen, auch, weil die Politisierung der heutigen Schülerschaft unter den heutigen Bedingungen nicht mehr mit der damals zumindest bei einigen Schülern gegebenen vergleichbar ist.“

Heute war also wieder Karlstag. Zoff gab es diesmal keinen; ich weiß auch nicht, wieviel das Carolinum von heute noch mit dem Carolinum von vor 25 Jahren gemein hat. Aber es gibt anlässlich des 1200. Todestages eine kleine Sonderausstellung im Diözesanmuseum neben dem Dom. Und darin findet sich erstaunlicherweise auch unsere kleine Aktion wieder, mit ein paar Fotos und dem Pamphlet, das wir damals verteilt haben, verfasst wohl vor allem von Matthias Pees.

Ich habe das heute nach 25 Jahren zum ersten Mal wieder gelesen und war, zugegeben, ein bisschen stolz, daran beteiligt gewesen zu sein. Und wenn das schon Geschichte ist, die im Museum ausgestellt wird, finde ich, soll sie auch hier ausgestellt sein:

Einige Gedanken zum Karlstag

Am heutigen Karlstag gedenkt das Gymnasium Carolinum dem 1175. Todestag seines Gründers, Karls des Großen. Die Geschichtsschreibung kennt ihn als Missionar mit dem Schwert, der die Menschen entweder bekehrte oder sie umbrachte.

Traditionell wird dieser Karlstag jedes Jahr gefeiert. Überhaupt wird an unserer Schule die Pflege von Traditionen großgeschrieben. Obwohl das Carolinum seit Jahrzehnten eine staatliche Schule ist, besteht noch immer eine bewußt enge Bindung an die katholische Kirche; wohl ein Grund mit für den ausgeprägt konservativen Ruf des Carolinums in der Öffentlichkeit, auf den so mancher auch noch stolz ist.

Aber was hat uns diese Tradition überhaupt noch zu sagen? Verständlich wäre sie doch nur dann, wenn sie zu der Bewältigung aktueller Probleme noch irgendetwas beitragen würde. Dazu wäre jedoch eine kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit Voraussetzung. Am Carolinum wirken die blind übernommenen Traditionen aber bremsend, sie behindern Kreativität und neue Ideen.

Beispielsweise nimmt sich das Carolinum als einzige staatliche Schule in Osnabrück heraus, den Religionsunterricht in der Oberstufe zur Verpflichtung zu machen, da vergleichbare Kurse wie „Werte und Normen“ gar nicht erst angeboten werden. In den Oberstufen-Informationsveranstaltungen wurde den Schülern angedroht: Wer den Religionsunterricht abwählen will, muß die Schule wechseln. In der Mittelstufe wird mit Druck und hohen Auflagen immer noch die Bildung von „Werte-und-Normen“-Kursen verhindert. Am Carolinum gibt es noch konfessionsgetrennte Schulgottesdienste.

Am heutigen Karlstag findet eine katholische Messe zum Gedenken an den Todestag des umstrittenen Schulgründers statt. Noch an keinem 8. Mai, dem Tag der Befreiung vom Faschismus, noch an keinem 1. September anläßlich des Jahrestages des Ausbruchs des 2. Weltkrieges, und noch an keinem 9. November, an dem sich die Reichspogromnacht von 1938 jährt, hat das Gymnasium Carolinum je einen Gedenkgottesdienst gefeiert.

Warum gibt es am Carolinum keine Schüler, die den in der Bundesrepublik sowieso schon diskriminierten Ausländergruppen (wie Türken) angehören? Warum keine Körperbehinderten? Warum kaum Arbeiterkinder? Die Antwort ist klar. Zumeist muß sich die Schulleitung nicht einmal die Mühe machen, unerwünschte Anmeldungen abzulehnen, da diese durch den elitären Ruf, den das Caro in der Öffentlichkeit genießt, bereits von vorne herein abgeschreckt werden.

Das Carolinum ist unserer Meinung nach eine Schule, die mehr als alle anderen zum Konformismus, zur Anpassung an die Normen erzieht. Ein wichtiger Grund dafür ist, daß wir Traditoinen übernehmen, anstatt eine kritische Auseinandersetzung mit Vergangenheit und Gegenwart zu führen. Der Erziehungsgrundsatz lautet zumeist, die Schüler dazu zu bringen, althergebrachte Denk- und Verhaltensformen hinzuehmen, und nicht, eben diese Traditionen und verkorksten Strukturen, in die sich die heutige träge und phantasielose Gesellschaft flüchtet, einmal grundsätzlich zu hinterfragen. Auseinandersetzung und Persönlichkeitsbildung soll nicht stattfinden.

Wir feiern lieber den 1175. Todestag des Heidenschlächters, Karls des Großen. Bis wir untergehen.

46 Replies to “Wie ich Karl den Großen 1175 Jahre nach seinem Tod nochmal ganz klein herausbrachte”

  1. Wirklich einer toller Text und ein guter Denkanstoß!
    Ich bin froh, dass es mein Johanneum zu Lüneburg (bummelig 600 Jahre und alte Patronatsschule von der heute evangelischen Kirche St. Johannis) besser gemacht hat. Vieles, was ihr in dem Brief fordert, wurde im Jojo umgesetzt, seien es WeNo-Kurse oder eine heterogene Schülerschaft; was nicht zuletzt auch mit dem Umzug des Gymnasiums in den 70ern vom historischen Gebäude in der Innenstadt in einen Neubau nahe des Hochhausviertels zusammenhing, aber immerhin.
    Werde aus Interesse gleich mal nachgooglen, wie sich das Caro heute online präsentiert.

  2. Eindeutig eine Geschichte, auf die man Stolz sein kann. Mich befasst vor allem die „Faschistoid“-anschuldigung, die (sofern da kein Schüler angefangen hat, eine der üblichen faschistischen Maßnahmen durchzuführen, was vermutlich aufgefallen wäre) ja nunmal so sinnlos ist, dass das wie Projektion erscheint.

  3. Es braucht wohl schon besondere Geister, um an besagtem Osnabrücker Carolinum durch kritische Auseinandersetzung zum Querkopf und zum Aufrechten zu werden – unter den Voraussetzungen allerdings ist es offenbar eine gute Schule für Menschen, die sich nicht vor konstruktiver, offener Kritik am eigenen Berufsstand wider den Kad(av)ergehorsam scheuen.

    Jedoch gehört offenbar der Wikipedia-Artikel des Carolinum überarbeitet, wenn besagter Theaterkritiker (schon wieder ein Kritiker!) und -intendant Matthias Pees dort (trotz eigenem Wikipedia-Artikel) nicht unter den namhaften Carolingern geführt wird, wohl aber „der Niggemeier“. (Auf den die Carolinger definitiv präsenter stolz sein können sollten als etwa auf Rudolf Seiters und Volker Neumann… Just saying…)

  4. Selbstbeweihräucherung, Gefallsucht, Stutzerhaftigkeit, Eigenlob, mehr fällt mir dazu nicht ein.

  5. @jj preston

    In meiner Wikipedia Ausgabe wird Matthias Pees an vorletzter Stelle unter den namhaften Carolingern geführt, oder wurde das schon flugs ergänzt?
    Rudolf Seiters ist ein honoriger Mann. Nach dem verunglückten
    GSG9-Einsatz in Bad Kleinen hat er sofort und von sich aus die politische Verantwortung übernommen und ist gegen den Wunsch Kohls sofort als Innenminister zurückgetreten. Ein Verhalten, das sich einige seiner Nachfolger als Bundesminister leider nicht zum Vorbild genommen haben!

  6. Wer es kennt, findet den Artikel nicht laaaangweilig.
    Genauso war das „Caro“. Ich habe es dort nur bis zur 11. geschafft – oder ausgehalten, war wohl zu aufmüpfig (oder zu blöd) „Setzen 6!“

  7. Verpflichtender Religionsunterricht bis in die Oberstufe? Wow, und ich dachte immer, ich wäre an einem konservativen Gymnasium gewesen (bayerische Kleinstadt, ehemaliges Jesuitenkloster, gleicher Abi-Jahrgang).

  8. … gedenkt DES 1175. Todestages. Gleich im ersten Satz. Die Lehrleistung dort war (damals) offenbar doch nicht so gut.

  9. Lustig, denn erst vor wenigen Tagen fiel mir beim Aufräumen ein altes Programm-Heft der Theater-AG des Carolinums in die Hände. Erinnern Sie sich noch an diese „deutsche Revue“, der Titel war etwas wie „Schade…“?
    Oder standen Sie damals gar selbst auf der Bühne? Ich kann mich als Zuschauer (und externer Gast) nur noch an den gezeigten Olaf und Herrn Pees erinnern.

  10. @McDuck
    Wenn wir schon dabei sind: „(…) unerwünschte Anmeldungen abzulehnen, da diese durch den elitären Ruf, den das Caro in der Öffentlichkeit genießt, bereits von vorne herein abgeschreckt werden.“
    Die Anmeldungen wurden abgelehnt?!
    Gemeint sind doch wohl die Anmelder, oder?

  11. Die Ausstellung im Diözesanmuseum wollte ich mir sowieso ansehen. Ich wusste gar nicht, dass der Karl heilig gesprochen wurde. :-)

    Da Stefan Niggemeier in Rulle aufgewachsen ist, hat er vermutlich eher was Aufmüpfiges vom Sachsenherzog Widukind (Wittekind), der ja in diesem Wallenhorster Ortsteil eine Burg hatte.

    Volker Neumann (aus Bramsche), der nicht katholisch ist, hat mal erwähnt, dass seine Eltern ihn aufs Caro geschickt haben, damit er Toleranz im Zusammenleben der unterschiedlichen Religionen und Konfessionen lernen kann.

  12. Mal etwas gegen die nächstbeste Autorität anzurennen tut Halbwüchsigen gut, aber wer als Erwachsener noch denselben historisch unhaltbaren Mumpitz von damals undifferenziert reproduziert, hat die Zwischenzeit nicht sinnvoll genutzt.

  13. Angesichts der dargestellten Verhältnisse am Carolinum hab ich mir die Frage gestellt, ob Du, Namensvetter, damals schon wusstest, dass Du schwul bist und wenn ja, wie belastend das an dieser Schule war…

    Aber da das eine sehr private Frage ist, erwarte ich keine Antwort im Rahmen des Blogs.

  14. Doch, dieser Text war fällig – überraschend eigentlich, daß es bis 1989 gedauert hat, daß dergleichen geschrieben wurde. Und das Gymnasium sollte eigentlich stolz darauf sein, daß es Schüler mit kritischem Bewußtsein gerade gegenüber verstaubten (und sogar falschen!) Traditionen herangezogen hat. Also kann es mit der Repression gegenüber Aufmüpfigen an der eigenen „Anstalt“ nicht so weit hergewesen sein. Im übrigen – ich habe Abitur 1964 am Bielefelder Ratsgymnasium gemacht – und hatte noch einen ehemaligen stellvertretenden Napola-Leiter als Fachlehrer, gegen den müpfig zu sein damals noch richtig gefährlich war (bis zur Herunterstufung von guten Leistungen wg. charakterlicher Mängel und angedrohtem consilium abeundi).
    Aber ach, den Widerstand gg. den „Schulgründer“ sollte man heute historisch richtig einschätzen. KdGr war nicht Gründer, sondern der friesische(!) Bischof von Osnabrück. Eigentlich müßte die Schule Petrinum heißen – Carolinum ist schlicht Hochstapelei. Karl war auch kein „Heidenschlächter“ – das ist Nazi-Sprache, historisch falsch. Und der gute Widukind war zum Schluß begeisterter Kollaborateur – ändert doch mal endlich die Niedersachsen-Hymne – sie stimmt hinten und vorne nicht.

  15. Übrigens ist die historische Forschung mit der Einschätzung des Charakters Karls erheblich weiter gekommen. „Pluralität und Toleranz“ – das war der Karlshof. Karls Ältester war bekennend schwul – und wäre dennoch König geworden (ob Kaiser, weiß man nicht; das hätte der Papst entscheiden müssen). Der mächtigste Kultusminister Europas, der Angelsachse Alkuin, war zumindest latent schwul und pädophil (er liebte seine pueri Benedicti ein bißchen zu offenkundig). Doch, darüber durften einflußreiche Berater Karls witzige Gedichte verfassen: Wie war der Spitzname Karls des Jüngeren?! Mochanaz – arabisch muhannat heißt „Lustknabe“. Karl hatte überhaupt nichts dagegen, daß sich seine Töchter reihenwiese ihre Liebhaber suchten und ihn mit schöner Regelmäßigkeit zum Opa machten. Karl ein Brutalo?! Stimmt auch nicht: Verurteilte Hoch- und Familienverräter wurden begnadigt – zu Wasser, Brot und lebenslangem Gebet im Kloster. Dahin kamen allerdings auch Kinder, die Anspruch auf die gute fränkische Realteilung gehabt hätten. Die durften dann Karriere in der Geistlichkeit machen …

  16. @kampfstrampler: Ach, ich weiß gar nicht, ob es bis 1989 gedauert hat, bis dergleichen geschrieben wurde. Ich würde doch vermuten, dass sich auch frühere Schüler-Generationen schon an Karl und dem besonderen Traditionsverständnis des Carolinums abgearbeitet haben.

    Und das „Heidenschlächter“ im letzten Absatz würde ich heute auch als trotzige, womöglich pubertäre Provokation gegen die Heiligenverehrung deuten.

  17. „Karl der Sachsenschlächter!“, so mein Schwiegervater. Eine wirklich lesenswerte Replik auf „Karl den Großen“! Der wurde ja erst wirklich groß durch die Rezensionen der Nachwelt und dann ist es schon auch völlig in Ordnung, wenn da jemand herkommt und ih kürzt! „Kürzen“ ist in der Mathematik eine schöne Übung. Auch Helden dürfen gekürzt werden. Den Artikel merke ich mir!

  18. @26 Die Nazi-Propaganda „Sachsenschlächter“ ist offenbar nicht auszurotten. Na denn – mal ein bißchen die Widukind-Legende zerrupfen: Wie der Name schon sagt, war W. ursprünglich ein schamanistischer Opferpriester, dessen westfälische Familie im Kernland Westfalens, als Onabrücker und Meller Land, die Stammgüter hatte – und beste Kontakte nach Dänemark. Provokant gesagt: W. war der Meisner des praktizierten Polytheismus, bei dem rituell Menschen geschlachtet und in die heiligen Bäume (Widu…!) gehängt wurden. Schon Expeditionen merowingischer Könige zielten auf die Iburg – dort hat sich sogar ein Kölner Erzbischof den Hals gebrochen. Warum W. Widerstandskämpfer wurde, hatte auch religiöse Gründe: Zum Stammkapital für den Eintritt eines Kriegers nach Walhalla gehörte, möglichst viele Feinde umzubringen (vorzugsweise Altfranken in Twente oder zwischen Beckum und Soest) und möglichst große Schätze anzuhäufen. Das heißt: Kapital für das Seelenheil nach dem Tode. Ein solcher Reaktionär kapierte erst nach dem Guerillakrieg im eigenen Lande, daß die Franken die bessere Kampftechnologie hatten (Schlachtrösser mit Steigbügel – die fehlten den Westfalen) – und dann, mit durchgerittenem Beckenboden kapitulierte Widukind, zog den fränkischen Kampfanzug an und gleich wieder aus und retierierte auf sein Altenteil. Also Widukind-Gymnasium statt Carolinum?! Ich weiß nicht, ich weiß nicht. Wie wäre es mit Erich Maria Remarque?? Justus Möser war ja auch ein Osnabrücker Karls-Fanatiker.

  19. An dem Pamphlet und auch an diesem Blog sieht man mal wieder, dass extrem konservative Erziehung progressive Gedanken nicht unbedingt hemmen muss, sondern auch fördern kann. Vielleicht sollten wir dahin wieder zurück, um endlich wieder ein paar Freigeister zu züchten…

  20. @30 Nein, sie meinte nicht „züchtigen“. Übrigens – das OS hinter dem Zyklopen-Namen heißt vermutlich „Ordo Saxaiaculatorum“ – der Orden der Steinewerfer (der sich hinter Wittekindsburgen verstecken muß).

  21. Ich frage mich gerade, wie man an diesem Pamphlet sehen kann, dass „extrem konservative Erziehung“ progressive Gedanken fördern könne. Das muss wohl analog zu dem Phänomen funktionieren, wie die ganzen Diktaturen im nahen Osten die Demokratisierung fördern…das verstehe ich nämlich auch nicht.

  22. @Alberto: Welcher von den beiden Olaf ist kann man doch wohl erkennen! Steht doch sogar im Text.

    (Hint: es ist der, der nicht aussieht wie Stefan, und nicht wie ein Bischof)

  23. @Kampfstrampler:
    Ich könnte ja grundsätzlich als polyphemos oder polyphemus zeichnen. Aber ich lass es mal beim Gewohnten. Den Suffix „.OS“ verwende ich gelegentlich und Anlass-bezogen, wenn es um die Stadt meiner Jugend geht. Und weil es dann, so wie hier, so schön passt.

  24. Caros gabs überall.
    Ich bin in den 60igern im Ruhrgebiet auf eine Jungen-Realschule gegangen. Wir hatten einen gemeinsamen Schulhof mit der Mädchen-Realschule. Es war bei Strafe verboten, den jeweils anderen Schulhof zu betreten . Als schärfster Wächter der „Geschlechtertrennung“ tat sich ein als Religonlehrer tätiger Monsignore hervor.
    Aber wie schon einige Male hier gepostet: Es kommt immer drauf an, ob man sich verbiegen lässt.
    Ich hoffe nur, der Rest von Osnabrück und die Uni sind nicht so stockkonservativ wie das Gymnasium. Töchterchen will da ab WS 2014 hin.

  25. Als promovierter Küchenpsychologe der Universität Prag (sogenannter kleiner Doktor) konstatiere ich:
    Niggemeier ist im Grunde seines Herzens ein römisch-katholischer Bischof, der vom Adolf-Grimme-Institut zum Kardinal ernannt wurde.
    Mit akademischen Grüßen
    für Berlin und Bayern:
    Dr. Peter von Kahn,
    für alle anderen Bundesländer:
    Peter von Kahn (PhDr. – Doktor der Philosophie [cs, sk: doktor filozofie, la: philosophiae doctor])

  26. Noch eine neugierige Frage: ich habe irgendwie dunkel in Erinnerung, dass auch die oben schon angesprochene Theater-Aufführung „Schade eigentlich“ nicht gänzlich frei von Skandalen war, kann das sein? Oder war das durch die hier beschriebene Aktion verursacht? Ich meine, mich erinnern zu können, dass der Direktor des Caros mitten im Stück angeblich die Premiere verlassen haben soll?!

  27. Zum Thema Heidenschlächter fallen mir noch zwei Dinge ein.

    Zum einen ist es der Beiname von Jakobus dem Älteren, der allerdings nur auf Deutungen zurückgeht und nicht etwa auf Handlungen des Apostels, weil er ja schon im 1. Jhd. n. Chr. starb:
    „Einer späten, aus dem 12. Jahrhundert stammenden Legende zufolge griff Jakobus schon im Jahre 844 in der Schlacht von Clavijo auf der Seite der Christen gegen die Mauren ein und führte den Sieg herbei, wobei er als Ritter auf einem Schimmel erschien.[3] In den Chroniken finden sich viele Berichte solcher Art. Jakobus erhielt den Beinamen Matamoros (Maurentöter). “
    de.wikipedia.org/wiki/Jakobus_der_Ältere

    Dabei gibt es historisch laut Wikipedia keinen Beweis für die Existenz Jakobus des Älteren ausserhalb des Neuen Testamentes, d.h. erst recht keinen für seine Anwesenheit in Spanien. Sein Grab, d.h. seine Gebeine sollen sich in Santiago de Compostela befinden, auch das sei umstritten.
    OT noch ein kurzer Hinweis: Am 24. Juli 2013 geschah das katastrophale Zugunglück (mit fast 80 Toten) nahe Santiago de Compostela in Spanien, einen Tag vor dem Namenstag von Jakobus dem Älteren (aus obigem Wikipedia-Artikel: „In der evangelischen und katholischen Kirche ist sein Gedenktag der 25. Juli, an dem im Mittelalter in vielen Gegenden Europas Erntefeste oder Kirmes gefeiert wurde, „). Der amtierende spanische Ministerpräsident Mariano Rajoy stammt aus Santiago de Compostela. Der Schnellzug vom Typ Talgo besitzt zudem in seiner Fahrgestellskonstruktion eine sogenannte Jakobsachse.

    Die andere Information zum Thema Heidenschlächter bzw. zur „Christianisierung“ Mitteleuropas:
    Ein Artikel von der Seite Gralsmacht.com über die „Schlacht“ in Bad Cannstatt im Jahr 746 n. Chr., vor allem mit Zitaten aus dem Buch „Rom mordet! Mordet Seelen, Menschen, Völker“ (Nachdruck 1935) von A. W. Rose:

    „Viele, viele tausend Alemannen, viele Bayern, fast die gesamte Macht, die dem Ansturm Roms (bzw. der Rom-hörigen Franken) durch all die vielen Jahre hindurch nicht nur getrotzt, sondern ihn zurückgeschlagen hatte, marschierten nunmehr hin zum Thingplatz (nach Cannstatt).

    Es war ein fürchterliches Massenschlachten durch blutgierige Söldnertruppen Roms, das erst dann ein Ende fand, als kein einziger Alemanne, keiner ihrer Waffenbrüder mehr lebte.

    Nach diesen Ausführungen wurden die Alemannen im Jahre 746 von den Rom-hörigen Franken durch ein entsetzliches Massaker „besiegt“ – und nicht schon, wie offiziel beschrieben, zwischen den Jahren 506 und 537 von den Franken „vereinnahmt“.
    http://www.gralsmacht.com/wp-content/uploads/2012/05/880-artikel.pdf

  28. Können wir jetzt bitte einen meiner Sechsundreissigmalurgroßväter in Ruhe lassen? Für die Schule kann er ja nichts.

  29. Einige Worte zur Ehrenrettung Widukind:

    Der Sachsenherzog Widukind war nicht aufmüpfig; er hat gegen den Einfall der Franken ins Sachsenland lange Zeit erfolgreich Widerstand geleistet.

    Der Begriff des Sachsenschlächters (oder Heidenschlächters) hat mit den Nationalsozialisten nichts zu tun. Er geht auf den Ausdruck „Karl mit dem blutigen Schwert“ zurück, der schon im elften Jahrhundert auftauchte. Im achtzehnten Jahrhundert ist daraus der Sachsenschlächter geworden. Dem Ganzen liegt die geschichtlich erwiesene Tatsache zugrunde, daß Karl der Große bei Verden eine sehr große Anzahl von sächsischen Gefangenen hat hinrichten lassen.

    Widukind war zum Schluß kein begeisterter Kollaborateur, sondern schloß mit Karl dem Großen Frieden. Da Widukind vom Stamm der Sachsen war, besteht keine Veranlassung die Niedersachsen-Hymne zu ändern..

    Die Nationalsozialisten haben den Begriff des Sachsenschlächters übernommen und ihn in den ersten Jahren ihrer Herrschaft in Deutschland verwendet. Der Begriff an sich ist weltanschaulich nicht zu beanstanden. Widukind war ein Heerführer der Sachsen, kein Gottesdiener; die Sachsen hatten auch weder Schamanen noch Opferpriester. Der Name Widukind besagt, daß er der Sohn eine Mannes Namens Widu oder Wido (lat. Guido) war; sofern er nicht schon einen Eigennamen trug. Widukind stammte aus Wildeshausen, die Güter im Onabrücker und Meller Land sind später hinzu gekommen. Für Menschenopfer gibt es zur Zeit Widukinds bei den Sachsen keine Belege; das sind Berichte, die über die Wikinger verbreitet wurden. Der Kölner Erzbischof wurde von den Sachsen erschlagen, weil er als Heerführer gegen sie antrat; ein Mainzer Bischof hatte einst einen sächsischen Großen hinterhältig erschlagen; daran erinnerten sich die Sachsen. Die Iburg der Quellen jener Zeit lag bei Bad Driburg. Karl der Große hat den Sachsen einen Glaubenskrieg aufgezwungen. Nach Walhall kam wer sich im Krieg bewährte. Die Einherier sollten in der Zeit des Weltuntergangs den Göttern zur Seite stehen im Gefecht mit den Riesen. Von Utrecht ging die Bekehrung der Sachsen aus; es kann daher nicht verwundern, daß Verwüstungen in den Gegenden der Altfranken in Twente vorkamen. Beckum und Soest lagen auf sächsischem Gebiet. Karl der Große hat in Sachsen nach den Schätzen der Heiden gesucht. Die Irminsul wurde geplündert; mit der dort gefundenen Beute sollen Gotteshäuser zum Seelenhei Karls gebaut worden sein. Widukind war kein Reaktionär; denn er veranlaßte Karl den Großen immer wieder nach Sachsen ziehen zu müssen.. Die Franken konnten mir ihren Schlachtrössern im Wald wenig anfangen; in Detmold zwang Widukind Karl den Großen zum Rückzug. Karl verdankte es nur einem glücklichen Zufall, daß er an der Hase Sieger blieb. Am Süntel schlug Widukinds Heer jedenfalls ein Heer der höchsten Heerführer der Franken. Widukind kapitulierte nicht, sondern Karl der Große bat Widukind um Frieden. Da Widukind keine Verqanlassung mehr hatte, gegen Karl Krieg zu führen, konnte er sich auf sein „Altenteil“ zurückziehen. Die Franken hatten jedenfalls keinen Grund zur Klage.

    Mehr dazu: Widukind – Sagen und Erzählungen, Berlin 2013 vgl. http//www.widukind.jimdo.com

  30. Ich hab den Artikel unlängst empfohlen bekommen. Wusste gar nicht, dass Du auf dem Caro warst, geschweige denn bei Gabi in der Theater-AG. Also kannte ich bislang auch nicht Deinen Blog. Lese mich da jetzt mal rein. Mal sehen, ob Du diesen Kommentar überhaupt wahrnimmst, da der Artikel ja schon im Januar online war. Das unerhörte Ereignis gleich vorab. Ich habe damals mit einem Schulfreund den Karl Rot angemalt. Zudem stand damals an der Turnhalle in riesigen Lettern ‚Karl-Arsch – Sachsenschlächter‘. Dass Ihr diese Aktion im Hexengang gemacht habt, hat uns damals möglicherweise unseren ‚Arsch‘ gerettet. Wir wussten allerdings nichts davon, da ich ein halbes Jahr zuvor aus der AG ausgetreten war. Wir konnten uns nicht outen, obwohl wir wussten, dass die Schule einigen Druck auf euch ausgeübt hatte. Unsere Angst vor den Konsequenzen war relativ Hoch. Die Aktion war Ausdruck unseres Gefühles von Hilflosigkeit gegenüber der Haltung der Schule zum Umgang mit Geschichte. Wir mussten damals den Karlstag begehen, ob wir wollten oder nicht. Ihm zu Ehren eine Messe abzuhalten, erschien uns damals schon absurd.
    Das die Schule noch immer an diesem Namen festhält, erscheint mir, ohne genau zu wissen, wie der Schulalltag dort heute aussieht, als ganz befremdlich. So als würde man sich daran klammern, da man ohne ihn der Bedeutungslosigkeit anheimfallen würde. Als würde man nicht auf die Lehrinhalte vertrauen, die dort vermittelt werden. Wer von uns ehemaligen Carolingern empfindet denn eine besondere Verbindung zu Larl dem Großen? Geschweige denn eine Art Dankbarkeit, dass er möglicherweise sein Reich mit Bildung ausgestattet hat? Das ist doch Polemik.
    Liebe Grüße,
    Jassel

  31. Wenn ich das alles lese, dann bereue ich es um so mehr, dass ich noch so lange auf der Schule geblieben bin. Die Erfahrung habe ich auch leider machen müssen, dass das Carolinum mit Vielfalt nicht umgehen kann und sehr konservativ ist. Ja, es sucht sich die Bewerber aus, weil es keinen interkulturellen Ruf möchte. Echt schade, dass es solche Schulen heute noch gibt und bestimmte Menschen somit produzieren, die wiederum Menschen mit konservativem Gedankengut produzieren.

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