6,86 Millionen Menschen haben gestern bei der Bundestagswahl gültige Stimmen abgegeben, die nicht zählen.
In den Wochen zuvor waren wir ununterbrochen angeschrien worden, wir müssten wählen gehen. Nichtwählen bedrohe die Demokratie, wurde uns eingeredet. Prominente führten im Radio und auf YouTube erbärmliche Schwänke auf, um uns daran zu erinnern, wann der Wahltermin ist, und dass jede Wahl in Frage komme, nur nicht die Nichtwahl.
Der „Spiegel“, dessen Deutschland-Teil sonst daraus besteht, nacheinander jeder einzelnen Partei zu jedem einzelnen Thema zu attestieren, dass sie es nicht kann und womöglich nicht einmal will, behauptete nun, dass man diese Leute aber unbedingt wählen müsse. Er diffamierte Nichtwähler in einer hysterischen Titelgeschichte als „träge, frustriert und arrogant“ und bekam sich gar nicht wieder ein vor Fassungslosigkeit darüber, dass das Nichtwählen nicht einmal mehr ein Tabu sei und es sogar Leute gibt, die sich öffentlich dazu bekennen.
Im Namen des Kampfes gegen eine niedrige Wahlbeteiligung ließ sich noch der größte Unsinn als staatstragender Akt verbrämen. Edmund Stoiber schenkte ProSieben unter diesem Banner eine komplette Imagekampagne. Das ZDF machte mit Spitzenpolitikern Kinderspiele. RTL ließ seine Zuschauer von Daily-Soap-Darsteller ansingen: „Bewegt Euren Arsch“ („Und dann wählt, was ihr wollt, nur die Braunen bitte nicht, sowas hatten wir vor 80 Jahren schon einmal. Also bewegt euren Arsch ins nächste Wahllokal“). Und natürlich kamen auch die 41 Millionen Gratis-Ausgaben, mit denen die „Bild“-Zeitung die Republik zwangsbeglückte, als selbstloser Akt daher, „Lust auf Wählen“ zu machen. „Prost Wahlzeit“, stand auf der Titelseite, „Je mehr Prozent, desto besser!“, „Auf einem Kreuz kann man nicht stehen!“ und „Wer nicht wählt, wird Wirt.“ Das war in seiner Schlichtheit und Idiotie nicht untypisch für die Medienkampagne insgesamt.
Es schien in weiten Teilen nicht darum zu gehen, die Menschen für Politik zu interessieren, sondern bloß an die Wahlurne zu treiben. Demokratie wurde auf diesen einen Akt reduziert: alle vier Jahre sein Kreuz zu machen, egal auf welcher Grundlage, irgendwo (nur bei den Braunen bitte nicht). Dass Demokratie davon lebt, dass Bürger sich informieren und einmischen, spielte ebensowenig eine Rolle wie die Frage, ob die Menschen nicht die Möglichkeit haben sollten, über dieses Ritual hinaus über die Politik des Landes abstimmen zu können. Nein, zwei Kreuze alle vier Jahre, mehr muss nicht sein, aber das muss sein — weil sonst angeblich dem System die Legitimation fehlt.
Wie erklären wir jetzt den vielen Leuten, die das geglaubt haben, dass ihre Stimme trotzdem nicht zählt? 15 Prozent der gültigen Stimmen gestern wurden für Parteien abgegeben, die es nicht in den Bundestag geschafft haben. Fast eine Million Menschen haben die Piraten gewählt, die sich aber vom Außenminister der Axel-Springer-AG als irrelevante „Splitterpartei“ verhöhnen lassen mussten, denn die 2,2 Prozent werden von unserem parlamentarischen System automatisch genullt.
Es ist mir eine große Genugtuung, dass es die FDP nicht in den Bundestag geschafft hat, aber es geht hier ja nicht um persönliche Vorlieben, sondern um die Frage, ob es gerecht ist, dass ihre 2,1 Millionen Stimmen einfach verfallen, weil sie nicht dazu reichen, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. (Im übrigen würde der Wegfall der Sperrklausel dazu führen, dass nur Menschen die FDP wählen, die die FDP wählen wollen, was ihre Rolle eher relativiert hätte. Mit der Hürde wäre ein wesentliches Argument, die FDP zu wählen, weggefallen.)
Die Euro-Kritik und der Rechtspopulismus der AfD, wie immer man zu ihr stehen mag — hätten sie es angesichts von ebenfalls über zwei Millionen Wählern nicht verdient, im Parlament repräsentiert zu werden, und sei es nur mit einem kleinen Häufchen Abgeordneten?
Es braucht eine sehr gute Begründung, den Wählerwillen zu verzerren und mit einer Sperrklausel kleinere Parteien aus dem Parlament fernzuhalten. Nach dem zweiten Weltkrieg ließ sie sich leicht mit den Erfahrungen des zersplitterten Parlaments der Weimarer Republik rechtfertigen. Aber was ist die Legitimation heute? Ist unsere Demokratie wirklich davon bedroht, dass zuviele kleine Parteien im Bundestag sitzen und das Regieren schwer machen? Oder ist die größere Bedrohung aktuell nicht vielmehr, dass eine erhebliche Zahl von Menschen das Gefühl haben muss, dass ihre Interessen im Parlament gar nicht vertreten sind?
Wochenlang haben die Medien uns bis weit über die Schmerzgrenze hinaus eingetrichtert, dass unser Wahlrecht eine Wahlpflicht sei und dass jede Stimme zählt. Sollten wir nicht das Wahlergebnis von gestern zum Anlass für eine Diskussion darüber nehmen, ob es sich nicht lohnen könnte, dafür zu sorgen, dass das sogar stimmt?
Hallo Stefan,
ich sehe es insgesamt sehr ähnlich. Was die Zersplitterung angeht wird aber gerade die 5 %-Hürde den großen Parteien auch dahingehend nutzen, dass eine Absplittung von CDSU/SPD für deren Mitglieder durch die 5 %-Hürde deutlich unattraktiver ist. Da macht es mehr Sinn einige Kröten zu schlucken und zu versuchen die eigenen Themen im Kanzlerwahlverein zu stärken anstatt einfach auszutreten und eine neue Partei zu gründen. Ob es dazu schon empirische Daten aus anderen Ländern gibt, weiß ich leider nicht.
Ciao, Jan
Die Alternative dazu ist die Drittstimme. Also,“wenn meine Partei nicht in den Bundestag kommt, soll meine Stimme an die und die Partei gehen“. Aber ich finde auch, dass man darüber reden muss.
Ich glaube nicht, dass der Bundestag ganz ohne Sperrklausel langfristig funktionieren kann. Das geht maximal 2-3 Legislaturperioden gut, dann haben wir nicht 10 sondern 100 Fraktionen im Bundestag, viele davon mit einzelnen Abgeordneten.
Aber das die 5% vielleicht überholt sind, fürchte ich auch. Ein absoluter Schnellschuss, der mir gestern spontan (ca. 5 Minuten darüber nachgedacht, ich übernehme keine Haftung für major flaws) in den Sinn kam, wäre folgender: Jedes volle Prozent unter 5 bringt 3 Sitze im Bundestag. Ab 5 dann nach normalem Proporz. Die Piraten hätten also 6 Sitze bekommen, FDP und AFD jeweils 12. Das ist etwa die Hälfte dessen, was ihnen nach Proporz zustünde, Nachkommastellen nicht berücksichtigt. Sie wären nur als Minderheit vertreten, was gemessen an der Stimmenzahl wohl auch OK ist. Aber sie würden ihre Wähler dennoch im Parlament vertreten können.
Reden wir drüber. Wäre die Alternative zum Beispiel eine Drei-Prozent-Hürde hätten wir nun eine neue schwarz-gelbe Koalition mit marginalisierter FDP und eine AfD-Faktion, die sich in den kommenden Monaten halbieren würde, weil die politischen Unterschiede der Dagegen-Partei zu groß sind, wenn sie denn entscheiden soll, wofür sie denn eigentlich ist.
Keine Hürde: Ein paar Piraten, die in Ausschüssen auf Hinterbänken sitzen. Nazis. Und Martin Sonneborn im Bundestag.
Die 5% – Klausel wurde recht früh bei der Errichtung der Bundesrepublik eingeführt. Von einer streng Konservativen Regierung und unter Aufsicht einer kapitalistischer Befreiung-, Besatzungsmächte. Der Kalte Krieg lief gerade an.
Es ist bekannt das ‚linke Strömungen‘ dazu neigen sich zu Teilen und aufzuspalten um eingene Wege zu gehen und zu finden. Konservative dagegen sich eher unter einem Banner zusammenraufen. Das verhilft natürlich dem konservativen und kapitalistischen Kräften an der politischen Macht zu bleiben.
2 Lösungen von mir: weniger als 51% Wahlbeteiligung, ist die Wahl ungültig. 5%Hürde auf 3% senken.
Das ist der Dreh- und Angelpunkt – aber die Partei die am stärksten die Folgen der 5% Klausel zu spüren bekommen hat, war nie selbst bereit diese Klausel in Frage zu stellen. Die Klausel ist nicht mehr zeitgemäß, besonders wenn wir die Diversität in unserer Gesellschaft ernst meinen. Wir brauchen eine Wahlrechtsreform, dringender denn je! 18 Millionenwähler haben die Kanzlerin gewählt, wollen keine Experiment und gleichzeitig hat die Kanzlerin ihren natürl. Partner verloren – wie absurd ist das denn! Stillstand wird weiter fortbestehen.
Wir bekommen italienische Verhältnisse, denn eine Umsetzung der imaginären linken Mehrheit wird mit Hauen und Stechen verhindert werden – ganz wie in Italien.
Wie viele Blicke jetzt nach vorne geworfen werden, damit es weiter geht, es wird ein Stolperhaufen daraus werden und ich bin gespannt wer das alles strauchelt!
Das hätte ich mir jetzt etwas konkreter gewünscht. Dass „jede Stimme zählt“, wie soll das gehen? Einige werden halt immer wegfallen, weil man einen Parlamentssitz nicht für fünf Stimmen vergeben kann. Klar kann man die fünf Prozent durch drei oder zwei ersetzen, aber auch das schließt überhaupt nicht aus, dass am Ende Millionen Stimmen unberücksichtigt bleiben. Oder wollen Sie die Sperrklausel ganz abschaffen? Was wäre die Alternative?
Die althergebrachte parlamentarische Parteien-Proporz-Politik KANN in unserer modernen Welt einfach nicht mehr funktionieren.
Jeder Ausschuss muss nach irgendeinem Schlüssel unter den Parteien aufgeteilt werden, was faktisch dazu führt, dass sowieso immer nur die stärkste Partei den Ton angibt. Außer bei einigen wenigen Themen, wo dann mal ganz großmütig der Fraktionszwang aufgehoben wird, ist bei jeder Debatte und Abstimmung von vorne herein klar, wo hin die Reise geht. Dann werden noch ein paar mediokre Reden geschwurbelt, alle finden sich im Wesentlichen selber gut und die andern blöd – und fertig, nächstes Thema.
1949 war so eine Regelung vielleicht eine gute Idee, heutzutage gibt es aber ganz andere organisatorische und technische Möglichkeiten der Repräsentation. Dazu müsste man aber endlich mal diesen ganzen antiquierten Betonkopf-Apparat kernsanieren.
Blöd nur, dass im Bundestag quasi ausschließlich Leute sitzen, die sich überhaupt nicht im Entferntesten vorstellen können, dass Demokratie nicht notwendigerweise aus dem verzweifelten Klammern an die Parteiräson, billigen wahltaktischen Spielchen und ein bißchen Fassadenrhetorik bestehen könnte.
Und das Schlimmste: die Mehrheit der Deutschen kann sich das ganz offensichtlich auch nicht vorstellen.
Leider hat Karlsruhe die Hürde zementiert.
Hätten wir ein Mehrheitswahlrecht (siehe z.B. GB), dann würden noch viel mehr Stimmen „verlorgen“ gehen, da dann nur der Sieger des Wahlkreises gewinnt.
Mit dem Verhältniswahlrecht (übrigens 5 % der Stimmen oder 3 Direktmandate) sind viel mehr Parteien im Bundestag vertreten, als bei einem Mehrheitswahlhrecht.
Sperrklauseln gibt es in sehr vielen Staaten: http://de.wikipedia.org/wiki/Sperrklausel
Schlorb spricht den richtigen Punkt schon an. Irgend eine Untergrenze brauchen wir doch, oder sehen Sie das anders ?
Da sollte es konkreter werden. Sicher, Millionen Wählerstimmen haben nicht gezählt, das ist auch aus meiner Sicht bedauerlich.
Aber wo ist die Grenze ? Bei 1% ? Dann hätten wir jetzt die NPD im Bundestag.
Grundsätzlich stimme ich zu, jede Partei, die Wählerstimmen bekommen hat, sollte das Recht haben, dem entsprechend im Parlament repräsentiert zu werden.
Aber schauen Sie mal auf die Ergebnisse beim Bundeswahlleiter. Wenn ich richtig gezählt habe, haben 30 Parteien Zweitstimmen bekommen. Sollen die jetzt alle ins Parlament ?
Wo ist die Grenze für Repräsentation ? Oder sollte es keine geben ?
http://www.bundeswahlleiter.de/de/bundestagswahlen/BTW_BUND_13/ergebnisse/bundesergebnisse/
Über die Höhe einer Sperrklausel kann man trefflich streiten, aber dass sie durchaus sinnvoll ist, lässt sich wohl nicht bestreiten.
Worüber aber leider viel zu wenig geredet wird, ist Möglichkeit einer Alternativstimme, womit die Freiheit, kleine Parteien zu wählen, nicht mit dem völligen Verfall der eigenen Stimme bestraft wird.
Über die Ausgestaltung so einer Alternativstimme kann man wieder diskutieren. Am einfachsten wäre es wohl, dass die Erststimme als Alternativstimme gilt, falls die mit der Zweitstimme gewählte Partei unter 5% fällt.
@Schlorb:
eine Lösung könnte sein, das aktuelle Parteiensystem umzubauen. Mal im Ernst: wer braucht die Parteien in ihrer aktuellen Form? Niemand, außer den Parteien selbst natürlich. Wer braucht diesen lächerlichen Nicht-Wahlkampf in der aktuellen Form? Niemand, außer Angela Merkel.
Ich will damit natürlich nicht auf einen Personen-Wahlkampf (wie z.B. in den USA) hinaus. Man müsste einfach nur mal Mittel und Wege finden, wie politische Meinungsbildung und Repräsentation heutzutage funktionieren kann, ohne dass das komplette politische System im Sumpf der Parteitaktik und dem Pöstchen-hin-und-her-Schieben versinkt. Wieso nicht z.B. viele einzelne Stimmen für einzelne inhaltliche Themenfelder (Umwelt, Soziales, Bildung, Wirtschaft, Außenpolitik etc.) abgeben, die von Partei-unabhängigen Kandidaten repräsentiert werden, die also auch kein Interesse an irgendwelchen Partei-Karrieren und Koalitionsspielchen haben, sondern an der Sache interessiert sind?
[…] Stefan Niggemeier fordert eine Diskussion über die 5-Prozent-Hürde. […]
„ist unsere Demokratie wirklich davon bedroht, dass zu viele kleine Parteien im Bundestag sitzen und das Regieren schwer machen?“
Auch wenn diese Bedrohung zur Zeit nicht wahrnehmbar ist, sollte Regelung ist aus diesem Grund genauso bestehen bleiben. Denn der Wind kann sich sehr schnell drehen, vielleicht schon mit dem nächsten „Lehman“-Schock. Wir brauchen die 5% Regelung außerdem noch, weil Deutschland im Gegensatz zu seinem Gegenpart Japan einen guten Ruf zu verlieren hat. Dort kann es den Nationalisten nicht schnell genug gehen, die „böse Kriegsverfassung“ los zu werden, die „Japan an die Kette legt“.
Eine Forderung nach Abschaffung der 5%-Klausel ist ähnlich gelagert – und kann eigentlich nur national motiviert sein, nach dem Motto „uns Deutschen hat keiner was vorzuschreiben“.
@B.Schuss:
Die Untergrenze gibt es automatisch, wenn man mindestens einen Sitz will, braucht man mindestens 1/600 Stimmenanteil.
Und lass die 7 NPD-Hanseln doch einziehen, die demontieren sich im Bundestag nur selber. Beschwer dich außerdem lieber bei den Innenministern, die mit ihrem Verfassungsschutzfilz ein Verbotsverfahren unmöglich machen. Wahrscheinlich sind von den 7 Spitzenkandidaten auch 6 V-Männer.
„Aber wo ist die Grenze ? Bei 1% ? Dann hätten wir jetzt die NPD im Bundestag.“
Ja, weil Menschen diese Partei gewählt haben. Der mangelnde Wille der handelnden Personen, das Votum der Wähler zu respektieren, ist für mich das Übelste an solchen Wahlabenden.
Ich mag die AfD nicht, ich halte sie für rechtspopulistisch (und darüber hinaus für eine Eintagsfliege). Aber das eine Partei mit mehr als zwei Millionen Stimmen nicht im Bundestag repräsentiert ist, ist doch keine gute Sache für die Demokratie. Vor allem, weil es neuen Ideen den Weg verbaut, weil es die jetzigen Parteienlandschaft zementiert – und genau dazu ist die 5-%-Hürde ja auch da.
1 %, das sind ~ eine halbe Million Stimmen, das ist auf jeden Fall eine angemessenere „Relevanzschwelle“. Auch wenn dadurch mit FDP, AfD und NPD ein Haufen Spinner mehr im Bundestag sitzen. Es sitzen ja auch die entsprechenden Spinner in den Mietwohnungen, Reihenhäusern und Villen unseres Landes…
„Eine Forderung nach Abschaffung der 5%-Klausel ist ähnlich gelagert — und kann eigentlich nur national motiviert sein…“
Das ist eine unglaubliche rhetorische Widerwärtigkeit.
Ich finde auch, dass die Regelung so bleiben sollte, wie sie ist. Dass sie die Wahl verzerrt, ist klar.
@13:
Die Parteien haben mit ihrem Gezank, und den internen Querelen die Demokratie schwer beschädigt, wenn nicht gar zerstört. Und an die Stelle des politisch interessierten Bürgers sind Lobbyisten getreten.
Mein Ansatz daher: keine Landeslisten, keine Zweitstimmen. Nur Direktwahl des Abgeordneten im Wahlkreis, der dann auch unmittelbar seine Wähler im Parlament vertritt.
Kein Fraktionszwang, um jedes Thema wird im Plenum diskutiert, und man findet Mehrheiten unabhängig von Parteizugehörigkeiten. Sachorientiert, zum Wohl des Landes, nicht zum Wohle einer Partei.
Durch die direkte Bindung des Abgeordneten an „seine“ Wähler entstünde auch wieder ein echter politischer Dialog zwischen den beiden Seiten. Und das Parlament würde kleiner.
Unmöglich durchzusetzen natürlich.
@Ben Schliebs: Ausgerechnet Japan hier als Beispiel zu bringen, ist wohl verfehlt. Dort sitzen die Nationalisten in der bis auf wenige Jahre der letzten Zeit quasi „ewigen“ Regierungspartei LDP.
@eeeeee: Du vergisst, dass eigene Abgeordnete im Parlament einer Partei auch viel Geld einbringen. Dass stabilisiert diese Parteien, wie man an der NPD in Sachsen aber auch in Mecklenburg-Vorpommern sehen kann. Da habe ich schon Bauchschmerzen.
Übrigens liegt die natürliche Untergrenze deutlich unter dem Stimmanteil für einen ganzen Sitz, eher knapp über einem halben. Also für den Bundestag bei ca. einem Promille.
Naja, auf der anderen Seite ist das Parlament jetzt schon riesig. Ließe man die Hürde wegfallen, hätte de fakto jede Partei, die zur Wahl antritt, ihren Sitz sicher, da sie ja von den eigenen Mitgliedern gewählt wird. Also nicht nur Piraten und die Afd, sonder auch die NPD, die RECHTE, die FRAUEN, die MLPD, die Tierschutpartei, DIE PARTEI, selbst die NEIN!-Partei, welche damit wirbt jede Form parlamentarischen Arbeitens zu blockieren. Im Ergebnis gibt es einen Haufen Leute im Parlament, die nichts tun (können), zu Lasten der größeren Parteien oder eben mehr Sitze. Klingt nicht wünschenswert. Hinzu kommt, wie schon erwähnt, die Abspaltungsproblematik. Die großen Parteien würden kleiner weil sich jeder Vollidiot mit einer eigenen Partei in den Bundestag setzen kann. Dafür gäbe es mehr Splitterparteien. Fraglich aber, ob es zwingen 5 % sein müssen. An sich, bin ich diesmal glücklich mit den 5 %, weil die AfD draußen bleibt, aber man fragt sich schon, ob nicht 3 oder 4 reichen würden. Oder man setzt es auf 1 Million Stimmen fest oder so. Reform denkbar, Abschaffung eher nicht.
@eeeeeeee: nur, wenn man davon ausgeht, dass 600
Abgeordnete die richtige Anzahl. Wegen der Erst- und Zweitstimme, Überhang- und Ausgleichsmandaten ist die Anzhal ja nicht so in Stein gemeisselt, im Moment. Ich wäre eh dafür, nur noch Direktwahl im Wahlkreis, keine Landeslisten, keine Erst- und Zweitstimme. Direkte Repräsentation des Wählerwillens im Parlament. -> #18
Der neue Bundestag hat laut Bundeswahlleiter 630 Sitze. Wenn ich richtig rechne, dann benötigt man eigentlich 0,16 % um einen ganzen Sitz zu erreichen. Diese 0,16 % von 44.289.652 abgegeben Stimmen sind rechnerisch 70.863 Stimmen pro Sitz für ein Bundestagsmandat 2013. Das sind riesiger Splitter. Auch wenn dann die AfD das erste Mal und die FDP immer noch im Bundestag vertreten wäre, sollte man die 5 % Klause ersatzlos streichen. Selbst die NPD nähme ich hin.
Für die Arbeitsfähigkeit des Bundestages bräuchte man wahrscheinlich einen Fraktionsbildungszwang, um Arbeitsmittel, Redezeiten usw. angemessen zur Verfügung zu stellen. Aber auch das sollte nicht zu groß bemessen sein, vielleicht so in der Gegend von 10, 12 maximal 20 Abgeordneten.
@B.Schuss: In dieser Einfachheit läuft Dein Vorschlag auf ein reines Mehrheitswahlrecht hinaus. Also noch mehr STimmen für den Papierkorb.
Ein Wahlrecht mit offenen Listen, wo die Parteien nicht allein bestimmen können, wer ins Parlament kommt, wäre deutlich wirksamer.
Klar brauchen wir eine Wahlrechtsreform. Und zwar eine umfassende — die aber vermutlich nur über eine Total-Reform des Grundgesetzes möglich wäre. Der Weg dahin ist ist mit Art 146 GG im Prinzip noch offen — wird aber vermutlich nie beschritten werden.
Wünschenswert wäre dann nicht nur eine deutlich niedrigere Sperrklausel, sondern auch der Wegfall der Kanzlerwahl zugunsten eines Modells, wie es u.a. in den skandinavischen Ländern üblich ist: Die stärkste Fraktion erhält automatisch die Aufgabe der Regierungsbildung, der Regierungschef muss nicht gewählt werden, kann aber über eine qualifizierte Mehrheit abgewählt werden.
Hiermit würden Minderheitsregierungen möglich, die über wechselnde Bündnisse agieren können. Das wäre ein echter Schritt weg von der starren Welt der Koalitionsverträge und Oppostions-Rituale hin zu einem flexiblen System, in dem alle im Bundestag vertretenen Parteien die Möglichkeit haben, die Politik zu gestalten.
Ob dem Nichteinzugs der AfD muss ich mich hier mal für die 5% Hürde ausprechen – so wurde vielleicht – knapp wie es auch gewesen ist – verhindert, dass eine wirklich gruselige Partei eine internationale Plattform bekommt. So ist zu hoffen das sie sich selbst zerlegen in den nächsten Jahren oder man zumindest die Chance hat einen Scheinwerfer auf sie zu richten und ihre rechten Züge klar und deutlich offenzulegen. Ich glaube – so traurig das Endergebnis ist – es hätte mit einer mündigen AfD deutlich fürchterlicher für dieses Land ausgesehen.Und ja Piraten hätten 2 sitze gehabt um Bundestag und dann? Glaubt irgendwer im ernst das hätte auch nur irgendwas irgendwie gebracht ausser „da kommt doch eh nix von denen“ was sie sich schon jetzt gefallen lassen müssen (anecdotal) obwohl sie nirgends regieren.
Besonders auffällig fand ich bei dieser Wahl, wie stark die 5%-Hürde die Entscheidung der Wähler beeinflusst:
Beispielsweise haben die Piraten in den letzten Wochen vor der Wahl noch mehr als ein Prozent verloren, weil sich in den Umfragen abzeichnete, dass es für die 5% nicht reichen wird und insofern viele Leute entscheiden mussten, ob sie für einen möglichen Regierungswechsel (-> SPD, Grüne oder Linke) stimmen oder für die Partei, die sie eigentlich gerne im Bundestag sehen würden und somit ihre Stimme in Bezug auf die Parlamentszusammensetzung verschwenden…
(Auch meine Stimme ist aus diesem Grund von den Piraten zu den Linken gewandert.)
Vermutlich war auch das der Grund, warum die AfD vor der Wahl immer wieder behauptet hat, die Meinungsumfragen würden sie bewusst runterrechnen und realistisch betrachtet lägen sie im zweistelligen Prozentbereich.
Das war natürlich Blödsinn, aber es hat genug Menschen Vertrauen in die Stärker der Partei gegeben, um nur ganz knapp an der Hürde vorbeizuschlittern.
Ich denke ein System, in dem alle Partien, die genug Stimmen für mindestens einen Sitz erringen können, auch wirklich in den Bundestag einziehen, ist gar nicht mal so abwegig.
Die etablierten Parteien müssten sich dann halt von dem Gedanken verabschieden, dass eine Regierung zwangsläufig die absolute Mehrheit haben muss und somit dann für 4 Jahre mehr oder weniger uneingeschränkt über das Land verfügen darf.
Dann müssten halt Minderheitsregierungen gebildet werden, die nicht nur einmalig nach der Wahl eine Mehrheit im Parlament benötigen, sondern auch für jede Entscheidung, die sie treffen.
Was genau wäre daran schlecht? (für die Bevölkerung natürlich, nicht für die Politiker)
„Und Martin Sonneborn im Bundestag.“
Haben will! HABEN!!
Vielleicht rechnen wir FDP und AfD zu „Sonstigen“, die bekommen eine eigene Fraktion und verteilen die übrigen Sitze prozentual nach dem Ergebnis.
Jan (Kommentar #1) spricht einen interessanten Punkt an, der für die Hürde spricht und mir noch nicht so deutlich war: Die Hürder sichert den Zusammenhalt der größeren Parteien.
Ansonsten bin ich für Beibehaltung der 5% Hürde, aber eine Reform mit priorisierbarer Zweitstimme (am liebsten Liste1, aber wenn die es nicht schaffen, Liste2, und notfalls Liste 3), und darin ggf. eine Streichung/Umsortierung der einzelnen Kandidaten (Kumulieren).
“ So ist zu hoffen das sie sich selbst zerlegen in den nächsten Jahren oder man zumindest die Chance hat einen Scheinwerfer auf sie zu richten und ihre rechten Züge klar und deutlich offenzulegen. “
Und du glaubst, die Wähler dieser Partei würden sich dann mit den Worten „Pfui, da scheint ja rechtes Gedankengut durch!“ abwenden? Deinen Glauben in die Menschheit möcht ich haben…
Ich glaube, die AfD-Wähler wissen genau, was sie da gewählt haben, und die Partei hätte durch noch offensichtlicheres Fischen am rechten Rand die 5 % geknackt.
@malvar infected:
Daran wäre nichts schlecht — aber beim jetzigen Grundgesetz braucht ein Kanzler eine Mehrheit der Mitglieder des Bundestages („Kanzlermehrheit“). Wenn es einer Minderheitsregierung überhaupt gelingt, einen Kanzler zu wählen, steht sie immer auf dünnem Eis — so kann man keine Politik machen, weil man immer erpressbar ist.
Vgl. mein Posting weiter oben zu den skandinavischen Systemen: Dort braucht ein Regierungschef keine Mehrheit, es ist automatisch der Vertreter der größten Fraktion Regierungschef, der dann mit wechselnden Mehrheiten regieren kann.
Das widerspricht fundamental der deutschen Tradition, in der der Regierungschef immer eine starke Rolle spielt — in den genannten Systemen ist seine Rolle weniger stark und wird ja auch meistens durch ein monarchisches Staatsoberhaupt konterkariert. Es wäre also auch über die Rolle von Bundespräsident und Bundestagspräsident zu reden.
Ich fände so eine Konstruktion höchst wünschenswert, sie ist aber vermutlich im Rahmen des Grundgesetzes vermutlich nicht umsetzbar — ganz abgesehen davon, dass die regierenden Parteien kaum Interesse an dieser Änderung haben.
Eine Debatte über die Schaffung einer demokratischeren Verfassung über den Weg des Art. 146 GG (mit grundlegend renoviertem Wahlrecht, Einbeziehung direktdemokratischer Elemente etc. pp.) müsste von außerhalb des Politikbetriebes kommen. Ich sehe aber derzeit niemanden, der sie führen kann und will.
Stimmt Schon das es ein Problem ist das Stimmen durch die % Hürde einfach „wegfallen“ ich finde es schlimmer das sie nicht nur einfach wegfallen sondern quasi diese stimmen faktisch denÜberspringern der Hürde zugeschlagen werden CDU holt fast 42 % und hat damit fast die absolute Mehrheit? Hallo? also die Hälfte sind laut Adam Riese immer noch 50% und nicht 42 %. Aber wie lösen dieses Dilemma. Man kann ja an der 5 % Hürde festhalten aber die nicht vergebenen Sitz bleiben leer und wenn man Mehrheiten brauch immer die Mehrheit der Anzahl der „Stühle“ Damit wird eben nicht aus dann mal 43 % locker eine 50 % +X an Sitzen.
Ich weiss auch nicht das Gelbe vom Ei, aber so wie es jetzt läuft läuft es ungerecht und stellt euch doch mal vor die Grünen oder die Linken hätten vielleicht 4 % weniger bekommen was wären denn da? Dann hätten wir bald 20 % der Stimmen die „wegfallen“ und die anderen 80 % lachen sich ins Fäustchen weil sie die Mehrheiten ausknobeln. und wenn die fdp es geschafft hätte, wäre der Stimmenateil der cdu im Parlament natürlich automatisch kleiner. Also die CDU profitiert in absoluten Zahlen auch schon erheblich vom „Wegfall“ des Regierungspartners. MAn kann sich doch einfach mal hinsetzen und nimmt die 5 % Hürde weg und rechnet mal lustig die Sitze aus. Da kommt dann schon was anderes raus also eine Fast Mehrheit die „nur“ 42 % wollten…
Ich habe nichts gegen die Sperrklausel.
Ich finde aber, dass sich die nicht-zählenden Stimmen, also auch ungültige, auf die Anzahl der Sitze auswirken müßten. Also 15 % weniger Sitze in diesem Fall.
Das erspart den Steuerzahlern wieder so einiges an Diäten. Und der Wille des Wählers wird auch berücksichtigt.
@Thomas:
Wie soll das technisch bei der Auszählung realisiert werden?
Nee, nee, die einzige realistische (und sinnvolle) Option ist eine Absenkung der Sperrklausel auf irgendwas in der Gegend von 2%. Blöd nur, dass die Debatte darüber jetzt immer den „Aber dann hätten wir ja die Rechtspopulisten im Bundestag“-Dreh haben wird.
(Nicht dass das ein Problem wäre — die Demokratie hält das aus, das haben die Erfahrungen mit den Rechten in den Landesparlamenten ja gezeigt.)
Wie wäre es mit einer Mindestquote der berücksichtigten Stimmen? Und zwar wie folgt: Die 5%-Hürde bleibt zunächst einmal bestehen. Ergibt die Auszählung, dass weniger als – Beispiel – 90% der Stimmen zu berücksichtigen sind bzw. dass mehr als 10% der Stimmen durch die 5%-Hürde rausfallen, dann zieht die stärkste – nötigenfalls auch die zweitstärkste – der Parteien unter 5% dennoch ins Parlament ein.
Auf diese Weise hätten wir nach wie vor eine überschaubare Parteienzahl im Parlament, aber auch die Sicherheit, dass – im obigen Beispiel – maximal 10% der Stimmen Ausschuss sind.
Über die genaue Quote wäre zu reden, aber der Mechanismus als solcher wäre wohl zielführend.
[…] der Medien- und Eurovision-Blogger Stefan Niggemeier nach dem gestrigen Wahlergebnis, bei dem 15,7 Prozent der Zweitstimmen für Parteien abgegeben […]
Mal angenommen, die 5% Hürde wäre komplett entfallen, würden im neuen Bundestag 17 Parteien mit mindestens einem Sitz vertreten sein. Nimmt man nun mal die grundlegenden Parteiausrichtungen zur Hand, käme man in etwa auf folgende Stimmzahlen von Regierungsmehrheiten (ausgehend von 598 BT-Sitzen, Überhangmandate mal weggelassen):
CDU (204) + CSU (45) + FDP (29) = 278
SPD (154) + Linke (51) + Grüne (50) = 256
Piraten kämen auf 13 Sitze – könnten also für beide „Lager“ nicht eine kanzlerwahlfähige Mehrheit sicherstellen.
Müsste man sich also bei anderen, so halbwegs relevanten Parteien nach Stimmen umschauen:
NPD (8,0)
AfD (28)
FREIE WÄHLER (6,0)
Ich sähe, außer der Option, dass die Grünen mit CDU/CSU/FDP in die Regierung gingen, keine Alternative zur Großen Koalition.
Fazit: Eine Sperrklausel sorgt für eine regierungsfähige Mehrheit. Auch und grade weil Minderheiten durch sie keine Berücksichtigung im Bundestag finden.
Peter
Ich find sehr bedenklich, was manche hier von sich geben:
Sie wären schon für eine Senkung der 5%-Hürde, alleine aus demokratischen Gesichtspunkten sei dies angebracht, ABER diesmal sei sie ja ganz praktisch gewesen, man habe schließlich die FDP, die „gruslige“ AfD und vor allem die NPD verhindert.
Entweder Demokratie oder Willkür, entscheidet euch bitte! Ihr könnt nicht beides haben, ihr geilen Konsumisten!
@flueggus, #23:
Und ? In einer Demokratie, wo üblicherweise die Mehrheit entscheidet, muss man immer damit rechnen ( und leben ), mal zur Minderheit zu gehören. Zwischenlösung: wenn keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit der Stimmen erreicht, gibt es halt eine Stichwahl zwischen den ersten beiden.
Man wird nie ein System finden können, in dem alle Stimmen irgendwie immer zählen.
Und eine gewisse Ungerechtigkeit wird es auch immer geben. Entweder, man legt eine Sperrklausel fest, oder die Größe der Wahlkreise, oder die Anzahl der zu vergebenden Sitze im Parlament. Alles im Grunde willkürlich.
Ich finde, wir können drüber reden. Aber abschaffen sollten wir sie nicht. Sie schützt uns vor der NPD (und anderen Extremisten), sie korrigiert die Auswüchse der reinen Verhältniswahl und sie belohnt Volksparteien (genauso linke wie rechte).
Ausführlicher:
http://www.politikerklaert.de/finger-weg-von-der-funfprozenthurde-387/
@ ICh (#31):
Sie schreiben: Man kann ja an der 5 % Hürde festhalten aber die nicht vergebenen Sitz bleiben leer und wenn man Mehrheiten brauch immer die Mehrheit der Anzahl der »Stühle« Damit wird eben nicht aus dann mal 43 % locker eine 50 % +X an Sitzen.
Oh doch, das wird. Angenommen, es seien 100 Parlamentarier zu wählen. Partei A erhält 43% der Stimmen, Partei B 26%, Partei C 9%, Partei D 8%, und sonstige Parteien holen die restlichen 15% (Parteien E und F je ganz knapp unter 5%, Partei G 2%, der Rest verteilt sich auf die übrigen zwei Dutzend Parteien).
Es sind also 100 Sitze zu vergeben, Partei A erhält 43 Sitze, Partei B 26, Partei C 9, Partei D 8. Das sind Summa 85 Sitze. Die übrigen 15 Sitze bleiben nach Ihrem Vorschlag leer, weil die Parteien die 5%-Hürde nicht geschafft haben. Wir hätten also ein Parlament mit 85 Sitzen, von denen Partei A allein 43 hält. Und das sind 50,6%, die absolute Mehrheit.
[…] Botschaft dieser Wahl. Trotzdem schliesse ich mich der Meinung von Michael Schmalenstroer und Stefan Niggemeier an, dass es nun an der Zeit ist, über die Fünf-Prozent-Hürde nachzudenken (wenn einem der Sinn […]
@ B. Schuss
Herzlichen Glückwunsch, Herr Schuss.
Nach diesem Vorschlag bestünden die Grünen nur noch aus Christian Ströbele!
Ich würde erstmal damit anfangen, dass Parlament sitztechnisch umzubauen.
Jeder Wahlkreis bekommt einen festzuschriebenen Platz, egal wer drauf sitzt, auf der einen Seite des Parlaments.
Und auf der anderen dürfen sich die Listenfraktionen gerne gemäß ihrer Grüppchen hinsetzen.
Ein Direktkandidat sollte auch als solches erkennbar und verantwortlich gemacht werden.
Das würde dann auch evtl. das ganze Fraktionsgemauschel etwas aufbrechen und zurück zur Tradition des „Ein Abgeordneter ist nur seinem Gewissen verpflichtet“ gehen.
@39
nein eben nicht weil sie ja die mehrheit der stühe brauchen für entscheidungen also 51 Stimmen in ihrem Model der 100 Sitze.
das problem ist es wird nie das perfekte model geben es kann nur eins geben was nahe dran ist wo es aber auch immer ungerechtigkeiten geben wird, diese gilt es zu minimieren
Die Hürde von fünf Prozent ist genau richtig. Es hat sich gezeigt, dass Demokratien mit wenigen Parteien im Parlament besonders stabil sind. Beispielsweise seien hier die USA, GB und die BRD genannt. Als besonders negatives Beispiel die Weimarer Republik. Stabile Regierungen und die Fähigkeit eines Parlaments im Zweifel auch demokratische, aber (unpopuläre) Entscheidungen zu treffen, ist wichtiger als, dass jede kleinste Splitterpartei vertreten ist.
Es ist nun einmal so: Die Fünf-Prozent-Hürde hat einen stabilisierenden Effekt und bewirkt auch, dass es leichter ist Mehrheiten zu bekommen.
@Don: mag Ihnen seltsam erscheinen, aber das Schicksal politischer Parteien ist in dem von mir vorgeschlagenen System erst ein Mal zweitrangig. Mir geht es um eine direktere Repräsentation des Wählers im Parlament, und eine sachorientiertere Debatte, die eben nicht mehr von Parteipolitik und ggfs. Fraktionszwang bestimmt wird. Mehrheiten bilden sich in einem solchen Parlament idealerweise nicht mehr entlang von Parteilinien, sondern je nach Thema unterschiedlich. Die Abgeordneten debattieren, und am Ende entscheidet die Mehrheit.
Und am Ende kommt dann vielleicht die beste Entscheidung für das Land raus, und nicht die, die einem Parteibuch folgt.
Ich halte davon nichts, es würde Koalitionen ausserhalb der grossen Koalition quasi unmöglich machen.
Eine Regierung die auf solche Splitterparteien angewiesen ist wäre eine äusserst knappe Regierung.
wie sollte das mit dem Bundesrat abgepasst werden?
Man hätte eine Reihe von Abgeordneten mehr in der Opposition, mit dem oben genannten Effekt.
Ich sehe da keine Vorteile für Deutschland. Und darum geht es ja letztendlich.
@B.Schuss: Wie „gut“ die Wähler bei einem reinen Mehrheitswahlrecht im Parlament repräsentiert werden, kann man sehr schön in den USA und im Vereinigten Königreich betrachten. Da gehen weniger als die Hälfte der Leute zur Wahl, weil es in vielen Wahlkreisen einfach keine Chance gibt, gegen die dort vorherrschende Partei anzukommen. Außerdem ist das Mehrheitswahlrecht sehr anfällig für Manipulationen durch entsprechenden Wahlkreiszuschnitt (sog. „Gerrymandering“). Wenn dieser durch die gerade herrschende Partei vorgenommen werden kann, kann sie sich ihre Mehrheiten für die Zukunft fast beliebig organisieren.
Personalisierung kann man wesentlich besser erreichen durch offene Listen, wo der Wähler die Reihenfolge der Kandidaten selbst festlegt, wie in vielen Kommunalwahlen in Deutschland und auch bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg jetzt schon möglich.
Nein, das Infragestellen der 5%-Hürde enthüllt ein grassierendes Missverständnis die parlamentarische, repräsentative Demokratie betreffend:
Damit das Staatswesen demokratisch™ ist, braucht es /nicht/ 60 Mio Parteien für 60 Mio Meinungen und Steckenpferde für 60 Mio Wahlberechtigte. Die Menschen scheinen immer weniger zu verstehen, das Demokratie die Kunst des Kompromisses ist. Der beginnt dabei, dass man sich auf ein Kompromiss-/Parteiprogramm einlässt. Und endet bei Kompromissen in Koalitionen und Parlamenten.
Statt dessen dominiert die ewige Wut, wenn das eigene Lieblingsthema nicht so entschieden, wie das vielbemühte (1-Mann-)„Volk“ es gern zu haben geglaubt hätte (– und Häme über Kompromisse).
Wer nicht bemerkt, dass es der Demokratie nicht nützt, zahlreiche Ein-(Wut-)Themen-Parteien zu haben, der bemerkt vielleicht, dass seine Stimme für eine solche hinterher nicht direkt relevant – oder wahrscheinlich merkt er es unbelehrbar nicht, wie auch immer.
Jedenfalls kann ich so begründet am 5%-Hürdensystem keinen Mangel erkennen.
@Josefine
„2 Lösungen von mir: weniger als 51% Wahlbeteiligung, ist die Wahl ungültig. 5%Hürde auf 3% senken.“
Über eine 3% Hürde könnte ich sogar noch diskutieren aber ihre Aussage: weniger als 51% Wahlbeteiligung macht eine Wahl ungültig soll uns genau was bringen? Sollen wir in dem Fall die Demokratie abschaffen oder was?
@B.Schuss:
>>Mein Ansatz daher: keine Landeslisten, keine Zweitstimmen. Nur Direktwahl des Abgeordneten im Wahlkreis, der dann auch unmittelbar seine Wähler im Parlament vertritt.<<
Würde es nach diesem System laufen, bräuchte ich gar nicht mehr zur Wahl zu gehen. Ich lebe in einem tiefschwarzen Landstrich, da ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Abgeordnete des Wahlkreises von einer anderen Partei als der CDU gestellt wird so groß wie dass der Papst zum Islam konvertiert. Der Direktkandidat der CDU hat bei der Wahl in diesem Wahlkreis 54 % geholt, damit würden 46 % aller Stimmen unter den Tisch fallen. Da ist die 5%-Hürde noch das kleinere Übel.
Die Behauptung, dass Stimmen für eine Partei, die weniger als 5 Prozent erreicht, verloren ist, ist schon falsch. Auch sie haben Einfluss auf das Gesamtergebnis.
Jeder, der wählt, muss allerdings damit rechnen, dass seine Partei es nicht schafft.
Ich glaube auch nicht, dass die Wahlbeteiligung höher wird, bloß weil es keine Hürde mehr gibt, wenn die Argumente von Nichtwählern lauten „die machen sowieso, was sie wollen“ oder „keine Partei entspricht zu 100 Prozent meinen Interessen“.
Stimmen verfallen nicht, bloß weil eine Partei nicht ins Parlament einzieht.
Abgesehen davon bekommen alle Parteien, die bei Bundestagswahlen mehr als 0,5 Prozent der Zweitstimmen erreichen, staatliche Zuwendungen. Das hieß früher mal Wahlkampfkostenentschädigung. Das ist zwar kein Ersatz für ein Mandat, aber auch hier wird zumindest den weniger erfolgreichen Parteien eine gewisse Bedeutung beigemessen.
Es ist nicht notwendig, die 5-Prozent-Hürde zu ändern.
Wir müssen endlich aus dem Korsett der Parteipolitik ausbrechen.
Vielleicht bräuchten wir ja die Steuerpolitik der SPD, die Bildungspolitik der CDU, die Umweltpolitik der Grünen, die Außenpolitik der Linken und die Bürgerrechtspolitik der Piraten, egal, wieviele Prozente die jeweils global erreichen würden? (ich sage nicht, dass das notwendigerweiser der Fall ist, nur als Beispiel)
Das können wir aber nicht bekommen, weil wir „ganz oder gar nicht“ eine bestimmte Partei wählen müssen und sich dann nachfolgend automatisch alle weiteren politischen Entscheidungen nur bzw. sehr überwiegend aus dem Fundus der stärksten Partei oder maximal der beiden stärksten Parteien ergeben.
Wir müssen endlich ein System schaffen, in dem separat nach konkreten Inhalten abgestimmt wird und nicht über (von Werbeagenturen verfasste) globale, nichtssagende und spätestens nach den Koalititionsverhandlungen auch irrelevante Wahlprogramme.
Im gegenwärtigen System findet auch keine wirkliche Kontrolle der Regierung statt, weil die Regierung automatisch quasi immer die Rückendeckung der Mehrheit des Parlaments hat (bis auf 2-3 historische Ausnahmesituationen)…eigentlich absurd.
Könnten wir bei der Gelegenheit auch über die Erststimme reden, die nach der Wahlreform so gut wie gar keinen Effekt hat und vorher wegen klassischem Mehrheitswahlrecht nur die zwei größten Parteien gestärkt hat (mit Ausnahme einiger Wahlkreise, die von der Linkspartei/PDS gewonnen wurden)?
Wenn die 5%-Hürde abgeschafft werden sollte, könnten zahlreiche Protestparteien einziehen, die nicht nur keine Regierungsverantwortung übernehmen wollen, sondern auch nicht gesprächsbereit sind. Ich bin daher für die Einführung eines Grabenwahlsystems: 50% der Sitze Direktwahl, 50% hürdenlose Verhältniswahl. Die Direktwahl als Vorzugswahl (der Wähler bildet eine Rangfolge der Personen), so haben alle Kandidaten die gleiche Chance unabhängig ihrer Parteizugehörigkeit. Damit wird die Kraft der Personenstimme gestärkt, trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass Protestparteien ein Direktmandat holen.
Klar sollte allerdings allen sein, dass die Rechten damit nicht mehr dem Parlament ferngehalten werden können. Das wäre eine schwere Belastungsprobe für die Demokratie.
Es gibt 299 Wahlkreise, das ist die kleinste mögliche Einheit. Auch daraus ergibt sich eine Untergrenze der Stimmen, die benötigt werden, um eines der Mandate zu erringen. Es können also theoritusch maximal 299 Parteien zum Zuge kommen. Was sicher nie passieren würde. Aber realistisch sind eventuell 10 bis 20.
Das würde die Grenze zu den scheinbar verlorenen Stimmen zwar nach unten verschieben, aber am Prinzip nichts ändern.
Letztlich müsste Herr Niggemeier dann auch gegen Mehrheitsentscheidungen sein, denn auch da werden die „unterlegenen“Stimmen nicht berücksichtigt. .
Es geht in der Demokratie nicht darum möglichst jede Meinung zu berücksichtigen, sondern darum Mehrheiten zu finden. Diesem Gedanken entspricht dann auch die 5% Hürde.
@ ICh (#43): Und was machen die 15 leeren Stühle? Auf denen sitzt niemand, da stimmt niemand ab. Die 43 Sitze sind die absolute Mehrheit der besetzten Stühle, also der in diesem Parlament erzielbaren Stimmen. Wie wollen Sie diese 15 nicht vergebenen Stühle behandeln, dass 43 Sitze nicht die absolute Mehrheit bilden?
@B.Schuss
flueggus ist mir zuvorgekommen, aber ein reines Direkt-Mandat-Wahlrecht gibt es in den USA und wie „toll“ das funktioniert sieht man ja dort zur Zeit. Es bilden sich 2 große Parteien, die alle kleinen unter sich begraben und die Gefahr, dass irgendwelche charismatischen Crackpots á la Vater und Sohn Paul gewählt werden steigt enorm.
@Robin: Das Grabenwahlsystem ist sowohl anfällig für das „Gerrymandering“ und ohne eine Sperrklausel auch noch für die Zersplitterung des Parteiensystems. Vereint also gerade die Nachteile beider Systeme. Richtig schön zu betrachten in Italien, wo es aber noch andere Gründe gibt für die Dysfunktion des politischen Systems.
[…] Was macht man mit so einem Bundestagswahlergebnis? 27% der Wahlberechtigten sind in diesem Jahr nicht zur Wahl gegangen. 31% der Wahlberechtigten haben schwarz gewählt. 2009 waren noch die Nichtwählerinnen und -wähler “stärkste Kraft”. Auf Twitter wurden diese Menschen heute und in den vergangenen Wochen von vielen Seiten beschimpft. Komischerweise hat sie das auch nicht an die Wahlurnen gebracht. Und 15% der Wählerinnen und Wähler haben Parteien gewählt, die jetzt nicht im Bundestag sitzen werden. 15%! Können wir jetzt bitte mal über die Fünf-Prozent-Hürde reden? […]
Ich finde: Wenn eine rechtspopulistische Partei es schafft, weit über eine Million Stimmen zu erzielen, spricht viel dafür, dass sie auch im Bundestag vertreten sein sollte, ob mir das jetzt gefällt oder nicht. Man muss sie dann eben politisch (sprich: mit Argumenten) bekämpfen oder aushalten.
Und wenn wir ausschließen wollen, dass bestimmte Parteien wie die NPD in den Bundestag einziehen können, müssen wir sie eben verbieten — und dafür ebenfalls entsprechende Argumente haben.
(Ich will gar nicht für das Wegfallen jeder Sperrklausel argumentieren, sondern erstmal die scheinbare Gottgegebenheit der Fünfprozent in Frage stellen und darauf hinweisen, wie problematisch sie ist, selbst wenn einem die konkreten Ergebnisse gerade gut in den Kram passen.)
Hallo Stefan,
auch ich bin kein Freund von FDP und ADF – aber das Legitimationsdefizit jeder möglichen neuen Bundesregierung ist angesichts von 28,5% Nichtwählern (Wieso wird die zweitniedrigste Wahlbeteiligung bei einer Bundestagswahl eigentlich als Erfolg gefeiert?) und 15% „Andere“ unter den abgegebenen Stimmen evident.
Ich habe mal die Zahlen vom Bundeswahlleiter umgerechnet: Eine „große“ Koalition von CDU/CSU und SPD käme noch nicht mal auf 50% der Stimmen aller Wahlberechtigten (47,5%); eine Schwarz-grüne Konstallation auf 35,3% und eine Rot/rot/grüne Koalition auf magere 30,2%.
Und hier nochmal in absoluten Zahlen:
1) Eine große Koalition hätte 29,4 Millionen Stimmen hinter sich – gegen 32,5 Millionen nicht-abgegebene, nicht im Parlament vertretene oder in der Opposition gelandete Stimmen.
2) Eine Schwarz/grüne Koalition hätte 21,8 Millionen Stimmen versus 40,0 Millionen Stimmen hinter sich.
3) Eine Rot/rot/grüne Koalition hätte 18,7 Millionen Stimmen versus 43,2 Millionen Stimmen hinter sich.
Hier wird es meiner Meinung nach sehr dünn mit der demokratischen Legitimierung. Weil selbst eine „große“ Koalition eben noch nicht mal die Hälfte der Wahlberechtigten hinter sich wissen könnte!
Wie gesagt: FDP und AFD trauere ich nicht nach, aber eine Absenkung/Abschaffung der 5%-Hürde gehört unbedingt auf die Tagesordnung. Danke für den Beitrag!
Fritz
mit meinem ungustl-system (
> http://derstandard.at/1358305815681/Mit-der-Ungustl-Stimme-das-Wahlsystem-reformieren
), primär entwickelt aufgrund der großen menge an parteiübergreifend agierenden ungustln
> http://www.ostarrichi.org/wort-127-at-Ungustl.html
im politsystem von Österreich, würde das ganze ein wenig anders aussehen. angepasst auf die größenverhältnisse von Deutschland würde der Bundestag aus maximal 800 statt 400 in Österreich personen bestehen. je 0,125 % der erreichten stimmen erhält eine partei einen sitz. die genaue aufteilung wäre hier
> http://www.bilder-upload.eu/upload/7b1168-1379929385.jpg
ersichtlich. da oben erwähnt: Martin Sonneborn wäre als einziger aus der PARTEI drin, außer jemand anders in der PARTEI würde mehr vorzugsstimmen bekommen. die piratenpartei (PPD [ernsthaft: es gibt piraten in Deutschland, Österreich, Südtirol und in der Schweiz; die derzeitige kurzbezeichnung strotzt nur so von arroganz, ändert das endlich!]) wäre mit 17 abgeordneten vertreten, wovon die zwei unbeliebtesten aller ihrer kandidaten wegfallen würden. die 34 unbeliebtesten kandidaten der CDU würden ebenfalls wegfallen, womit vermutlich weder Merkel noch Schäuble im Bundestag wären. listenplätze haben nur bei gleichstand der vorzugssstimmen bedeutung, die wahlkreise und bundesländerlisten würden komplett wegfallen. jeder kann überall gewählt werden, details sind in meinem gastkommentar beim Standard nachzulesen. fragen dazu einfach hier stellen.
CU TOM
Keine neuen Argumente, aber auch bei mir: Unbedingt für das Beibehalten der 5%-Hürde. „Ist unsere Demokratie wirklich davon bedroht, dass zuviele kleine Parteien im Bundestag sitzen und das Regieren schwer machen?“ Ich hoffe sehr, dass wir in vier Wochen nicht gelernt haben, dass schon 4½ Parteien im Parlament zu viele sind, um eine stabile Regierung zu bilden, weil SPD und Grüne den gar nicht so falschen Schluss aus den Wahlergebnissen ziehen, den Auftrag zur Nicht-Beteiligung an der Regierung erhalten zu haben.
Ich würde die Hürde an der Wahlbeteiligung festmachen.
Über 90% Wahlbeteiligung : 5%-Hürde
Über 80% Wahlbeteiligung : 4%-Hürde
Über 70% Wahlbeteiligung : 3%-Hürde
etc.
Man kann die Werte auch anders legen. Aber so werden viele Stimmen nicht gleich in den Orkus gejagt.
Aber ich habe mir schon vor der Wahl gedacht, dass eine Stimme für die Piratenpartei eine weggeworfene Stimme ist. Man muss doch nur die letzten Jahre Revue passieren lassen, dann sieht man doch, dass diese Partei keine Chance gehabt hat.
Ich hätte ja echt gewusst, was all die Nichtwähler denn gewählt hätten, würden sie ihren Arsch in die Wahlkabine bewegen.
Ich denke die 5% Hürde hat durchaus seinen Sinn, da es sonst über kurz oder lang zu einer Zersplitterung des Parlaments kommen würde. Das Argument, dass diese Gefahr nicht aktuell ist lasse ich nicht gelten. Denn wenn man die 5% Hürde abschafft und die Gefahr in ein paar Jahren real ist, dann wäre es zu spät und man könnte nicht mehr zurück rudern. Die Gefahr der Zersplitterung besteht meiner Meinung nach dabei nicht nur durch die vielen kleinen Parteien sondern auch durch die großen Parteien. Die Aussicht auch mit wenigen Stimmen in den Bundestag zu kommen erhöht den Reiz, dass verschiedene Flügel einer CDU, SPD, etc diese verlassen und ihre eigene Splitterpartei gründen anstatt in ihrer Partei für Mehrheiten zu kämpfen. Z.B. könnte sich dann auch eine CSU von der CDU lösen und versuchen über eine eigen Fraktion mehr Einfluss zu bekommen.
Dagegen finde ich die Idee mit der 3. Stimme interessant, zumindest als erstes Gedankenexperiment. Allerdings sehe ich hier auch die Gefahr, dass man das Wahlsystem (noch) komplizierter macht.
Was mich daher in letzter Zeit viel mehr umtreibt ist das Wahlsystem als solches. Für mich machen heute schon 1. und 2. Stimme wenig Sinn. Wenn man mal von ein paar Wahlkreisen mit schillernden Persönlichkeiten absieht, dann ist es doch in den meisten Kreisen relativ egal ob Frau Müller oder Frau Mayer für Partei X in den Bundestag kommt. Früher war die Erststimme durch die Überhangmandate noch interessant, da man dadurch über die Erststimme seine Partei noch zusätzlich etwas stärken konnte. Das fällt jetzt aber auch weg, nach der neuen Ausgleichsregelung. Was mache ich also mit der Erststimme, vor allem in den vielen Wahlkreisen wo eh klar ist wer die Erststimme gewinnt? Da ist es vollkommen egal wen ich mit der ersten Stimme wähle. Faktisch habe ich also in vielen Wahlkreisen genau eine Stimme bei der Bundestagswahl und das obwohl am Ende immer Koalitionen regieren.
Daher fände ich es interessant aus der Erststimme auch eine Parteistimme zu machen. Dies würde es einem sowohl ermöglichen eine Koalition zu wählen (z.B. SPD und Grüne, CDU und FDP, etc) oder eben gezielt mit einer Stimme eine „etablierte“ Partei zu unterstützen und mit der zweiten mal etwas neues auszuprobieren (z.B. mit der Kombination Grüne und Piraten).
Dieses System würde auch die Gefahr reduzieren, dass kleine nicht gewählt werden „weil sie es ja eh nicht schaffen“und würde gleichzeitig das Wahlsystem vereinfachen und nicht (noch) komplizierter machen.
@Niggemeier:
Natürlich kann man Parteien verbieten, aber es ist – zu Recht! – sehr schwer, weil es einen ungleich schärferen Eingriff darstellt als die Fünfprozenthürde.
Aber es geht ja nicht nur um die NPD. Ein NPD-Verbot würde dann eben mutmaßlich dazu führen, dass eine andere rechtsextreme Partei sich formieren würde, da hilft einem ein Verbot nur bedingt.
Ich habe meine Stimme bewusst einer Partei gegeben, von der ich wusste, dass diese nicht in den Bundestag kommen würde. Gäbe es keine 5% Hürde, wäre ich sehr wahrscheinlich nicht wählen gegangen.
Gegenvorschlag: Statt über 5% zu diskutieren, sollte man lieber eine Option einführen, eine Enthaltung/Protestwahl mit einer gültigen Stimme durchzuführen. Was meint Ihr wohl, wieviele so etwas ankreuzen würden? ;-)
Was mir mehr Sorgen macht, ist die Tatsache, dass in Deutschland offensichtlich fast ausschließlich nach der Person, die bei einer Partei in der ersten Reihe steht, gewählt wird und nicht nach den Inhalten, die diese Partei vertritt. Was den nächsten Wahlkampf für die „Verliererparteien“ allerdings vereinfachen könnte. Irgendjemand, der gut rüber kommt, muss doch zu finden sein…
Enthaltung. Es ist schon mehr als fragwürdig, dass diese Option das Wahlrecht ausschließt.Was für ein Demokratieverständnis spiegelt sich da wieder?
Wieso sind keine Enthaltungen möglich – wir müssen uns zu einer Partei bekennen, wie absurd!
@71 (Hanns-Lutz Opperman):
Für mich zum Verständnis: Wie sollte mit „Enthaltungen“ umgegangen werden?
Eine Option wäre, die Sitze im Parlament leer bleiben zu lassen und dann bei allen Entscheidungen auch als „Enthaltung“ zu werten.
Peter
Sind die Stimmen wirklich so egal und umsonst? Bedeutet nicht jede Stimme auch Geld für die Partei? Steht doch irgendwo…
Wer nicht abstimmt macht eben nicht mit, und entsprechend zählt die Stimme nicht. Daher finde ich das Aufrechnen mit Nichtwählerstimmen und „oh, die haben ja gar nicht die Mehrheit!“-Aussagen recht wenig zielführend. Wer sich nicht an der Wahl beteiligt wird eben nicht gezählt, egal ob er es macht weil er ungern am Sonntag aufsteht oder er vergessen hat die Briefwahl zu beantragen, ein System das ja nicht erst seit gestern oder nur in Deutschland so funktioniert. Wer nicht mitmacht hat auch wenig Recht sich über den Ausgang zu beschweren, weil ein Mangel an Alternativen gibt es nun wirklich nicht. Oder auch eine Wahrnehmung des passiven Wahlrechts, wenn sich unter den 30 oder so Parteien die angetreten sind gar nichts findet.
Und warum gehört die 5 %-Hürde unbedingt auf die Tagesordnung? Irgendwo muss die Grenze gezogen werden, ob sie nun bei 1 % oder 3 % oder 10 % wie in der Türkei liegt ist erstmal willkürlich – es wird aber immer ein signifikanter Teil der Stimmen rausfallen.
15 % nichtberücksichtigte Stimmen kann man auch bei einer 1-%-Hürde zusammenbringen, wenn nur genug Parteien antreten. In der Knesset sitzen 12 Parteien bei einer 2 %-Hürde – und trotzdem sind 8 % der Stimmen der letzten Wahl „wertlos“ weil diese Parteien es nicht geschafft haben, trotz einer extrem niedrigen Schwelle.
@Susanne
wie soll eine bestehende Regierungspartei in welcher Form auch immer einen Inhaltswahlkampf führen ohne sich dabei ständig dem Argument ausgesetzt zu finden „Warum habt ihr es noch nicht getan?“. Das Volk würde es nicht verstehen.
Nun, wenn ich das richtig verstehe, dann also gar keine Hürde oder sollte eine Partei dann mindestens 1% der Stimmen erhalten?
Nur wo würde da hinführen? 8-9 Parteien im Bundestag? Oder kommen dann auch die Grauen Panther in den Bundestag?
Die Erfahrungen der Vergangenheit der Weimarer Republik haben gezeigt, dass das Regieren so gut wie nicht möglich ist. Und die 5%-Klausel ist für mich keine historische Sache in Bezug auf die NS-Zeit, sondern die Konsequenz für die politische Handlungsfähigkeit eines Staates und nicht irgendeiner Partei!
Die Presse ist frei, meine ich mich zu erinnen. Genauso wie ich das Recht habe mich über alles zu informieren und meine Meinung frei äußern kann. Und wenn ein Pressebetrieb meint, dass Rechts oder besser gesagt die NPD und die AfD „doof und schlecht“ sind, dann ist das ihr gutes Recht! Und mal ganz ehrlich… wenn der Chef der AfD jetzt nach der Wahl was von „entarteter Demokratie“ rumkrakelt…. kommt mir bekannt vor.. und zeigt mir, was ich von so einer „Partei“halten soll. Aber… das ist meine persönliche Meinung!
Ob eine Aussetzung der Sperrklausel automatisch dazu führt, dass nur diejenigen die FDP wählen, die auch wirklich die FDP wählen wollen, wage ich mal ganz stark anzuzweifeln.
Jeder und Jede muss sich selber ein Bild davon machen, OB er/sie eine Partei wählt oder es einfach sein lässt. Und auch beim „sein lassen“ gibt es mehr Möglichkeiten, als nur „nicht wählen gehen“. Man kann einen Stimmzettel auch ungültig machen.
In der Bundesregierung geht es nicht um die Interessen des Einzelnen! Die Interessen des Einzelnen werden auf kommunaler Ebene vertreten.
Die Regierung hat die Aufgabe, zum Wohl des deutschen Volkes zu handeln. Auf den Einzelnen kann man keine Rücksicht nehmen. Also muss die Allgemeinheit handeln!
Was dabei rumkommen kann, haben wir nach den vom Volk gewollten Änderungen in den Sozielleistungen gesehen!
Aber ich schweife ab. So wie man erst mit 18 Volljährig ist ( und ja, ich weiß es war mal 21 vor vielen Jahren), man mit 14 erst strafmündig ist, man mit mehr als 2,6 Promille auf dem Fahrhrad den Führerschein verliert, so gibt es aus für mich bisher nachvollziehbaren Gründen die 5%-Hürde.
In diesem Sinne….
Bei einem Wegfall der 5% Hürde hätten nach dieser Wahl 15 Parteien Sitze im Bundestag, 209.394 statt 6.855.044 Wählerstimmen hätten keine Berücksichtigung gefunden und das macht schon einen Unterschied. Ca. 60.000 Stimmen wären für ein Mandat nötig. Klar ist das Regieren mit 15 Parteien schwieriger, aber wer bitteschön hat gesagt, dass Regieren einfach sein soll. Ein MdB erhält eine Abgeordnetenentschädigung von derzeit 8.252 € + Kostenpauschale von 4029 €. Ein bisschen Arbeit verlange ich schon dafür. Vielleicht würden sich die MdBs, bei einer solchen Parteivielfalt, dann doch mehr an Sachthemen als an Parteiproporz orientieren. Die Idee von Kinki (Beitrag 34) finde ich auch nicht schlecht, um die Nichtwähler noch einzuschließen würde ich allerdings die Anzahl der Mandate an der Wahlbeteiligung festmachen und die Stimmen die Aufgrund einer Hürde wegfallen, sollten ebenfalls die Anzahl der Mandate im deutschen Bundestag verringern. Auch die Wahlkampfkostenrückerstattung würde ich Anhand der Wahlbeteiligung runterrechnen. Außerdem bekäme jeder Wähler eine Wahlkostenrückerstattung von 5€ in Form eines Einkaufgutscheins bei MediaMarkt – Ich bin doch nicht blöd – Ich geh wählen. :-))) …. Nein, jetzt aber mal im Ernst, die Riege unserer Berufspolitiker wird immer dreister und ein wenig fühlen Sie sich einfach als die besseren Menschen, die dadurch natürlich auch mehr Rechte haben und es einfach besser wissen, wer brauch da noch das Wahlvolk. Die Grünen haben zu Anfang gute Idee gehabt und die Befürchtung, dass Sie durch den Marsch durch die Instanzen selbst so werden, – bis auf wenige Ausnahmen ist dies auch passiert. Ich wünschte mir ein Parlament in dem die MdBs einfach näher am Wahlvolk sind und sich entsprechend im Bundestag verhalten und abstimmen, ohne dabei Rücksicht auf die eigene Parteizugehörigkeit zu nehmen. Koalitionverträge und Fraktionszwang sollten abgeschafft werden und besonders der Lobbyismus sollten aufgedeckt werden. – aber OK, das führt zu weit…
Mmmm, die Sperrklausel – das fehlt mir hier – hat seit 1949 sehr gut funktioniert. Man kann auch mal vergessen, dass wir im ersten Deutschland leben, dass seit mehr als 50 Jahren stabil demokratisch ist. Das ist nicht selbstverständlich.
Zudem kommt – ja Stefan – die Diskussion darüber zwei Tage zu spät. Nach der Wahl zu mängeln, das Wahlsystem sei unfair ist schlechtes Verlieren. Egal, ob man die Gewinner gewählt hat. Das muss bei Dir nicht zutreffen, hat aber ein Geschmäckle.
Die Fünfprozenthürde hat neben dem genannten empirischen Argument (sie funkltioniert) auch andere Vorteile. Parteien müssen ein Mindestmaß an Geschlossenheit und Relevanz aufbringen. Nur leidlich unterschiedliche Gruppen müssen dann eben Kompromisse finden, um unter einer Parteifahne in den Bundestag einzuziehen.
Müssen das dann fünf Prozent sein? Nein, aber jeder andere Wert hätte die gleiche Diskussion zur Folge. Bei 3 Prozent wäre das nicht anders und bei 7 noch schlimmer. Irgendeine Grenze brauchts dann, so populistisch das klingt. Ich sehe nicht, dass 5 besonders schlecht wäre und es hat bisher ja ganz gut geklappt damit.
Die Hürde an die Wahlbeteiligung zu koppeln ist gefährlich. Ich würde nicht wollen, dass Parteien versuchen, die Wahlbeteiligung zu drücken um bessere Chancen zu haben, ins Parlament zu kommen.
Und ein Punkt noch zu den Nichtwählern: Die sind am besten abgebildet im Bundestag. Wer sich enthält, wird nicht gezählt. Es macht keinen Unterschied, ob man die Parlamentssitze dann noch mit Hanseln besetzt. Sollen sich die Nichtwähler einfach vorstellen, vor jeder Abstimmung kommen ihre Enthaltungspolitiker kurz in den Raum, rufen „mir alles egal“ und gehen dann wieder. Der Rest mach Demokratie.
@flueggus, #51:
hm, aber das ist doch ein seltsames Argument. Wenn die anderen 50% auch zur Wahl gehen würden, hätten sie denn dann nicht die realistische Chance, genau diese vermeintlich unveränderbaren Machtverhältnisse zu ändern ? Das ist so ähnlich wie die Argumentation der Leute, die keine vermeintlich „kleinen“ Parteien wählen, weil die es eh nicht über die 5%-Hürde schaffen würden. Wenn alle, die das sagen, trotzdem diese Partei wählen würden, gäbe es eine realistische Chance, dass die 5%-Hürde genommen wird.
Weil eben letzten Endes doch die Wähler entscheiden. So sie denn auch zur Wahl gehen, und nicht taktisch, sondern gemäß ihrer politischen Überzeugung wählen.
@#54, Thorsten:
aus meiner Sicht das ähnlich absurde Argument.
Erstens bestünde, je nach Wahlbeteiligung, eben doch eine realistische Chance, die 54% absolute Mehrheit des „schwarzen“ Kandidaten zu brechen, sofern die Nichtwähler zur Wahl gehen, und jemand anderen wählen. Wenn 50% der Leute nicht zur Wahl gehen, weil sie davon ausgehen, dass sie gegen die vermeintliche Mehrheit eh nicht ankommen, dann ist das eine selbsterfüllende Prophezeiung. Sie ändern nichts, eben WEIL sie NICHT zur Wahl gehen.
Und zweitens, auch wenn das jetzt etwas zu simpel klingen mag, so ist halt Demokratie. Nehmen wir an, es hätte in Ihrem Wahlkreis 100% Wahlbeteiligung gegeben, und ein Kandidat hätte diese 54% erhalten. Dann mag Ihnen persönlich das Ergebnis vielleicht nicht gefallen, aber verloren ist Ihre Stimme doch dadurch nicht. Wer sagt denn, dass eine Stimme, die nicht dem siegreichen Kandidaten gegeben wurde, „verloren“ ist ?
Gezählt werden schließlich alle Stimmen. Aber gewinnen muss halt einer, selbst wenn es einer ist, den sie nicht gewählt haben.
Ihre Stimme ist nur dann verloren, wenn Sie sie nicht abgeben.
@Rtavi, #60:
Was Sie beschreiben, sind Probleme, die aus der Parteipolitik kommen, die sowohl in den USA als auch bei uns in vielen Bereichen eine sinnvolle Politik verhindert, weil die Parteifronten zu verhärtet sind, und niemand bei Sachentscheidungen zu Kompromissen bereit ist. Das ist aber kein Problem des Wahlrechts.
Nochmal: es geht mir nicht um Parteien. Parteien behindern aus meiner Sicht den politischen Entscheidungsprozess im aktuellen System eher, als das sie ihn befördern.
Worum es mir geht, ist eine direktere Anbindung des Abgeordneten an die Menschen seines Wahlkreises. Denen soll er verantwortlich sein, und sie sollen wissen, dass er ihre Ansichten im Parlament vertritt, und ihre Probleme, Sorgen und Nöte dort vorträgt. Und er muss wissen, dass sie es sind, die ihn dorthin entstandt haben, und er dieses Privileg nur ihnen verdankt, und nicht der Loyalität zu einem Parteibuch ( die dann im Zweifelsfall vielleicht auch wichtiger ist, als Sachthemen ).
Aus meiner Sicht kann nur so die Lücke, die sich zwischen der politischen Klasse und den Wählern in den letzten Jahren aufgetan hat, wieder geschlossen werden.
[…] nationalen Blogs eifrig über die 5 % Hürde diskutiert und mit treffenden Analysen aufgewartet (Stefan Niggemeier und JennyGER). Was wird aus den 2 Millionen Wählern? Die Kanzlerin kann sie ignorieren, aber die […]
Die 5 Prozent Hürde stammt aus der Zeit eines 3 Parteien Systems… da gab es neben Union, SPD und FDP nur Splittergruppen… das war wenig problematisch… die Welt und unsere Gesellschaft hat sich Aber seither massiv in kleinere Gruppen zersplittert. Dem muss auch politisch Rechnung getragen werden. Auch in Bayern wurden die Woche zuvor 16 Prozent der Stimmen nicht gewertet, obwohl die AfD dort gar nicht antreten durfte… Es ist also ein Trend, der nicht nur entstanden ist, weil nun 2 Parteien knapp an der Hürde gescheitert sind… eine 2 Prozent Hürde würde ich noch verstehen, 3 Prozent (wie auf Europaebene) ist schon fragwürdig… übrigens: In den deutschen Kommunalparlamenten gibt es keine 5 Prozent Hürde, klappt aber Bestens…
@lord:
Eine Regierungspartei kann ganz einfach einen Wahlkampf mit Inhalten machen. Sie muss nur sagen: „In den letzten vier Jahren haben wir wie versprochen A, B und C umgesetzt. D war ein größeres Projekt das wir nicht vollständig abschließen konnten, dieses würden wir gerne in den nächsten vier Jahren zu Ende bringen. Darüber hinaus würden wir in den nächsten Jahren gerne noch E und F umsetzen“
Wieso sollte das Volk das nicht verstehen. Voraussetzung ist natürlich das man in den vergangenen vier Jahren das in Angriff genommen hat was man davor versprochen hat.
Ich teile jedenfalls die Sorgen von Susanne, das Themen und reelle Politik immer weniger eine Rolle spielen.
@J.S.
Ich möchte auch noch mal eine Lanze für die Nichtwähler brechen. Nicht alle von denen gehen nicht wählen weil sie zu faul sind. Manche finden sich einfach von keiner der angebotenen Alternativen vertreten. Auch ich war schwer versucht nicht wählen zu gehen, nicht weil mir die 3 Minuten Weg zum Wahllokal zu weit waren, sondern weil ich nicht immer nur für das kleinere von 2 Übeln stimmen will.
[…] Stefan Niggemeier: Können wir jetzt bitte mal über die Fünf-Prozent-Hürde reden? […]
Volle Zustimmung von mir an dieser Stelle, habe vor wenigen Stunden dasselbe geschrieben: https://www.freitag.de/autoren/steve-koenig/das-fehlerhafte-system
Dieses System ist einfach nur von Grund auf kaputt. Der Bürger wird entmündigt, der Einfluss der Wirtschaft wird immer größer. Wenn es so weiter geht (und das wird es, wenn wir uns nicht wehren), dann werden wir bald sehr große Probleme haben. Das Wort sozial, sofern es den heute noch Bedeutung besitzt, wird dann bald komplett ausgehöhlt worden sein.
@B.Schuss
Sicherlich ist Parteienpolitik, wie sie heute gemacht wird, in vielerlei Hinsicht problematisch. Allerdings bezweifle ich, dass die sehr feste Anbindung eines Abgeordneten an seinen Wahlkreis das Prolem löst. Gruppen von Menschen, die gemeinsam versuchen Ihre Ziele durchzusetzen, werden sich immer bilden, ob die nun Parteien heißen, Fraktionen oder Herden. Gemeinsam ist man stärker, dass liegt nun mal in der Natur der Sache.
Ein anderes Problem, was bei der direkten Anbindung des Kandidaten auftritt und was man in den USA auch sehr gut sehen kann, ist die sogenannte pork-barrel-Politik, wo Stimmen gehandelt werden nach dem Motto: Ich stimme nur für den Bundeshaushalt, wenn im Gegenzug für meinen Wahlkreis Föderungen für eine bestimmte Industrie gegeben werden oder der geplante Flughafen abgewürgt wird. Im ersten Augenblick ist das eventuell für den entsprechenden Wahlkreis ganz nett, aber langfristig zu planende Projekte, wo vielleicht auch die ein oder andere Region zurückstecken muss, damit das große Ganze profitiert, werden auf die Art sehr viel schwieriger zu realisieren.
Ich denke nicht, das man die Erfahrungen aus der Weimarer Republik so einfach über Bord werfen sollte. Aber wie wäre es denn mit folgenden Kompromiss: Es gibt im Parlament das Recht der Opposition, Anfragen an die Regierung zu stellen, und diese damit zu zwingen, über Themen Auskunft zu erteilen, die sie vielleicht doch lieber unter den Tisch kehren würde.
Wie wäre es denn, so etwas für die APO Parteien Einzuführen. Jeder Zehntel Prozentpunkt bringt die Befugnis zwei kleine Anfrage in der Legislaturperiode stellen zu dürfen – für die Piraten mit ihren 2,2% hieße dass dann 44 Kleine APO Anfragen, also alle 4 Wochen eine. Kleine APO Anfragen sind wie Kleine Anfragen schriftlich mit der gleichen Frist zu beantworten. Damit würde dem Wählerwillen zumindest in der Hinsicht Respekt gezollt, das die jeweilige Gruppierung ihr Thema in die Parlamentarische Kontrolle einbringen kann. Das denke ich, könnte man auch beim Bindeverfassungsgericht einfordern.
Niggemeier: »Oder ist die größere Bedrohung aktuell nicht vielmehr, dass eine erhebliche Zahl von Menschen das Gefühl haben muss, dass ihre Interessen im Parlament gar nicht vertreten sind?«
Was soll daran bedrohlich sein? Parteien vertreten nicht Interessen oder Meinungen, sondern Kompromisse. Kompromissfähigkeit ist Politikfähigkeit. Mit den Interessen und Meinungen von Splitterparteien kann man sich auch außerhalb des Parlaments befassen, Politik beginnt und endet nicht im Parlamentsgebäude.
Man könnte die Forderung ja noch weiter treiben, um sie ad absurdum zu führen: Jede gewählte Partei hätte das Recht, an der Regierung beteiligt zu werden. Oder ist es nicht bedrohlich, dass eine erhebliche Anzahl von Menschen das Gefühl haben muss, in Opposition zur Regierung zu stehen?
Das eigentliche Problem ist ein anderes: Immer mehr Menschen haben das Gefühl, verarscht zu werden. Im Wahlkampf werden Versprechungen gemacht und Forderungen aufgestellt, die dann später nicht eingelöst werden können, weil Politik eben nur mit Kompromissen funktioniert. RTL und BILD stilisieren Politik zu etwas, was sie nicht ist: „Deine Meinung, deine Stimme, deine Interessen sollten im Parlament vertreten sein!“. Dass die Fähigkeit zum Kompromiss etwas Gutes und Notwendiges ist, kommt in diesem verkürztem Verständnis nicht vor.
@Björn
wenn das so wäre, würden es die Regierungsparteien doch auch tun, blöd sind sie ja nicht. Klar können deren Wahlkampfstrategen dahingehend komplett falsch liegen, Wahrscheinlich ist es aber nicht.
@B.Schuss, #80:
Äh… was? Natürlich wären die Stimmen verloren, denn wenn sie nicht zählen, dann… zählen Sie nicht. So als gäbe es sie nicht.
Nach Ihrem System würde aus der ganzen Menge von Kandidaten EINER gewinnen und alle anderen verlieren. Das heißt, die (in meinem Beispiel genannten) 46% werden gar nicht repräsentiert.
Bei der Wahl gestern habe ich aber für eine Partei gestimmt, die letztlich tatsächlich im Bundestag ist. Das heißt, immerhin werden die „Gegenstimmen“ repräsentiert und im Bundestag wird abgebildet, dass nicht alle Einwohner meines Wahlkreises mit der „Siegerpartei“ einverstanden sind. Würde Ihr Wahlsystem gelten, würde meine Stimme unter den Tisch fallen.
Schauen Sie sich mal diese Karte an, das sind die Sieger der Wahlkreise in Deutschland: http://wahl.tagesschau.de/wahlen/2013-09-22-BT-DE/charts/index/chart_2470990.png
Ich mache mir jetzt nicht die Mühe, das nachzuzählen, aber vom Überblick her möchte ich behaupten, dass das ein Ergebnis von vielleicht 75 % CDU und 20 % SPD sind, die restlichen 5 % teilen sich die Linke und ein Grüner, wenn ich das richtig sehe. Wir wissen aber von der Bundestagswahl her, dass KEINE 75 % für die CDU gestimmt haben. Diese 75 % kommen nur zustande, weil jeder Kandidat in seinem Wahlkreis nur eine einfache Mehrheit erringen muss.
Deswegen halte ich dieses System für unbrauchbar, denn es wählt EINEN Sieger aus und berücksichtigt die Menschen, die anderer Meinung waren, nicht. Und deswegen verzerrt es in hohem Maße das Stimmungsbild in Deutschland.
@88, Hans Carlos Hofmann:
Im Grunde gibt es ja so ein Verfahren schon, sogar für jeden Bürger: Das Petitionsverfahren. Nur sind dafür die Hürden relativ hoch (50.000 Unterstützer erforderlich). Kleine Parteien müssten ihre Anhänger dann natürlich stark mobilisieren.
Petitionen (oder auch „kleine Anfragen“) laufen aber in der Regel immer außerhalb der öffentlichen Wahrnehmung statt, deshalb müsste man dieses Verfahren mehr in die Öffentlichkeit bringen, logisch.
Aber wie gesagt: Grundsätzlich gibt es das von Ihnen gewünschte Verfahren schon. Die Hürde der erforderlichen Unterstützer runtersetzen und die Verpflichtung, die Ergebnisse/Antworten etc. zu veröffentlichen, das wäre ein guter Fortschritt. Für jeden Bürger, nicht nur für Parteien.
Wie wärs denn damit, dass die Parteien vor der Wahl(!) eine andere Partei angeben können, denen ihre Stimmen zufallen, falls sie die 5% nicht schaffen?
Natürlich würden einige Leute dann sagen „Ich wähle Partei x nicht, weil ich damit im Falle des Scheiterns Partei y unterstützen würde.“, aber andererseits ist es ja auch heute schon so, dass man bei der Wahl nicht nur auf die Partei, der man seine Stimme gibt achtet, sondern auch auf deren mögliche Koalitionspartner. (Ich zum Beispiel finde die FDP gar nicht so schlecht, würde sie aber niemals wählen, weil sie nur mit der Union koalieren…)
Also ich fände es gut, wenn ich z.B. den Piraten meine Stimme geben könnte, im Wissen, dass bei Nichterreichen der 5% die Linke (meines Wissens politisch am Nächsten, vielleicht wären es aber auch die Grünen) meine Stimme kriegt.
Auf diese Weise könnte ich die Partei wählen, die ich am liebsten mag und müsste mir dabei keine Sorgen machen, dass wegen der 5% Hürde letztendlich die Partei, die ich auf keinen Fall in der Regierung sehen möchte (in meinem Fall wäre das die CDU) von meiner Entscheidung profitiert.
(Das ganze würde natürlich auch für Leute, die ganz andere Meinungen als ich vertreten, funktionieren. Beispielsweise könnte die FDP die CDU als Ausweichmöglichkeit angeben und diese hätte dann beim jetzigen Ergebnis vermutlich eine absolute Mehrheit, da ähnliches wohl auch die rechten Parteien tun würden.
Wäre in diesem Fall natürlich nicht das, was ich persönlich mir wünsche, aber das Prinzip fände ich trotzdem gut, zumal es in der Realität dann wohl eher darauf hinauslaufen würde, dass mehr Parteien die 5% schaffen, weil ihre Wähler nicht Angst haben müssen, ihre Stimme zu verschenken!)
[…] (also rund 2 Millionen!) in Deutschland einer rechts-populistischen Partei ihre Stimme geben. Ähnlich wie Stefan Niggemeier sehe ich es mit einer gewissen Genugtuung, dass es die FDP nicht geschafft Was mir besonders […]
Nachtrag: Man sollte den Parteien dabei die Möglichkeit lassen, zu entscheiden, dass ihre Stimmen verfallen, falls sie die 5% nicht schaffen.
Reden kann man über Vieles, aber die 5%-Hürde hat sich bewährt, und das sollte man nicht leichtfertig in Frage stellen, bloß weil dadurch gerade mal ein paar spannende Parteien (und ein paar unsägliche) draußen bleiben müssen.
Ich glaube nicht, dass die Politik im Bundestag konstruktiver würde, wenn mehr Parteien mit jeweils weniger Vertretern drinsäßen; ich glaube, das Gegenteil wäre der Fall. Die 5%-Hürde schützt vor Unfug, und sie schutzt davor, dass ein Wust aus kleinen, nicht ernsthaft an der politischen Gestaltung des Landes interessierten Parteien die politische Kultur blockieren oder gar zerfasern lassen.
Es war Ihnen zu viel hirnloses Halligalli im Wahlkampf 2013, Herr Niggemeier? Ich stimme Ihnen zu. Und jetzt stellen wir uns mal vor, jede Partei — oder auch nur jede Partei über 1% — hätte eine realistische Chance gehabt, in den Bundestag einzuziehen. Wer heute schon über den Einfluss der Lobbys stöhnt, der sollte sich im Klaren sein, dass ohne die 5%-Hürde tatsächlich jeder Privatmann mit entsprechenden Mitteln Sitze im Parlament würde „kaufen“ können, und diese Aussicht wiederum würde die Anzahl solcher Eitelkeits- und Partikulär-Parteien vermutlich massiv in die Höhe treiben.
„Jede Stimme zählt“ schon jetzt, auch wenn man sie für die FDP oder die AfD abgegeben hat.
Erstens, weil die Strategie des Wählers ebenfalls Teil der Wahl ist und sie nicht unspannender macht; man muss sich halt gut überlegen, ob die Wunschpartei auch realistische Chancen hat, und dieser Pragmatismus schadet dem Land und der politischen Kompetenz seiner Bürger sicher nicht.
Zweitens, weil auch die Ergebnisse der FDP und die AfD mittel- und langfristig große Auswirkungen haben werden, auch wenn sie nicht im Parlament sitzen. Glauben Sie mir, diese Signale sind bei den anderen Parteien angekommen.
Das Argument der (tendenziell) sinkenden Wahlbeteiligung kann ich nachvollziehen, aber ich denke nicht, dass das in erster oder bedeutender Instanz an der 5%-Hürde liegt. Da gibt es zu viele andere Potenziale der Wählermobilisierung, die von Politik und Medien noch nicht ansatzweise ausgeschöpft sind.
@strawberry:
Ich halte es für ein Märchen, dass (demokratische) Politik in konkreten Sachfragen zwangsweise aus Kompromissen bestehen muss. Das mag global (über alle Themen gerechnet) der Fall sein, in Einzelfragen gibt es aber oft eine Mehrheitsmeinung, die nicht lediglich einen Minimalkonsens, sondern eine relativ klare Haltung darstellt.
Das Problem ist aber, dass in unserem Parteiensystem ständig Zugeständnisse gegeneinander verrechnet und Kuhhändel durchgedrückt werden müssen, so a la „wenn ihr uns ein bißchen mehr CO2-Ausstoß erlaubt und die Netzsperren mitverantwortet, dann geben wir euch dafür die Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab 2016“. Im Ergebnis führt das keineswegs automatisch zum bestmöglichen Kompromiss für die Bevölkerung, es führt höchstens zum unter den gegebenen Umständen bestmöglichen Kompromiss für die Parteien. Außerdem führt das ganze dazu, dass systematisch durchdachte politische Programme nahezu unmöglich werden, weil dauernd irgendwo jemandem irgendwelche Bauernopfer gemacht werden müssen, im Endeffekt konzentrieren sie die Parteien also langfristig nur auf ihre 2-3 wichtigsten Prestigeprojekte, der Rest ist verhandelbar und wird im politischen Prozess verhackstückt – und das macht unsere Demokratie zunehmend zur Farce.
@lord: Deine Aussage war ja sehr allgemein „Das Volk würde es nicht verstehen.“ und darauf bezieht sich meine Antwort. Das Volk würde es durchaus verstehen.
Die Frage, warum machen Sie es nicht ist eine andere. Meiner Meinung nach liegt es daran, dass für ein Themenwahlkampf ein paar Voraussetzungen gegeben sein müssen die so nicht da waren:
1. Genau die Sorge die Susanne geäußert hat. Sehr viel Wähler schauen nicht auf die Themen sondern darauf ob ihnen ein Kandidat „sympathisch“ ist. Deswegen gewinnt eine Merkel ohne Themen haushoch gegen einen Steinbrück der konkrete Politik angeboten hat (sehr verkürzt und es gibt sicher auch andere Gründe). Das ist eine beängstigende Entwicklung, sie erlaubt aber nicht den Umkehrschluss „Das Volk versteht keinen Themenwahlkampf“
2. Um als Regierungspartei einen Themenwahlkampf zu machen muss sie sich an ihrer bisherigen Arbeit und ihren bisherigen Versprechen messen lassen. Das ist aber schwer wenn sie Steuerentlastung für alle versprochen hat und am Ende nur die „Hotelsteuer“ dabei rum kommt (FDP) oder wenn sie längere AKW Laufzeiten versprochen hat weil dass das angeblich einzig Vernünftige ist und sie dann am Ende doch den Atomausstieg von Rot/Grün wieder in Kraft setzt (CDU). Das nur mal als zwei Beispiel, klar kann man vielleicht auch argumentieren warum es gut und richtig war seine Meinung hier in so kurzer Zeit zu ändern, aber das macht einen Themenwahlkampf nicht einfacher und eine von mir skizzierte Argumentationskette um einiges schwieriger.
3. Wenn wie in dem aktuellen Fall die Zustimmung zu einer Person und zur dahinstehenden Partei so weit auseinanderklafft wie bei Frau Merkel und der CDU ist es natürlich verlockend als Partei einen Personenwahlkampf mit leeren Worthülsen zu machen. Was uns natürlich auch wieder ein Stück weit zurück zu Punkt 1 und der Sorge von Susanne, die ich teile, führt.
Also wer ein System mit Drittstimmen möchte, bzw. einem umlegen der Erststimmen auf Zweitstimmen etc, der sollte man als Wahlhelfer tätig werden – das auszählen ist jetzt schon schwierig genug, wenn es komplizierter wird müsste man alle Wahlzettel einzeln erfassen, was zeitaufwändig ist, aber mit der heutigen Technik evtl. sogar machbar. Ansonsten wäre ich für eine Regelung, die sich nicht an den abgegebenen Stimmen, sondern an den Wahlberechtigten festmacht: Wenn 1% der Wahlberechtigten (das wären in diesem Fall 1% von 62 Mio, oder?) eine Partei wählt, sollten diese Bürger auch im Bundestag vertreten sein.
@00010111
sehr schöne knackige Analyse
– danke –
Aber es ist natürlich klar, dass das Aufheben der 5% Hürde daran nichts ändern würde.
Die Grenzen des Wachstums sind erreicht, so dass es nun nur noch ein Umverteilen gibt, und wer an den Trögen sitzt wird weiter meinen, dass das was er an Mehr hat, Wachstum ist. Was im gewissen Sinne ja auch so ist, denn durch unser indirektes Leben können wir ja gar nicht mehr erkennen, wem wir es wegnehmen.
Ein Ausschließlich auf Wachstum ausgerichtetes System ist zum Scheitern verurteilt und hinterlässt am Ende nur Verlierer. Dies ist leider in den Köpfen der Entscheider noch nicht angekommen. Als unwohles Gefühl geistert es aber schon in den Köpfen eniger Wissender, die allerdings noch immer kein gehör finden, weil was zählt ist immer noch Konsum. Ein Sozialdemokratischer Bundeskanzler (den Namen habe ich vergessen, es soll sich dabei um den Freund eines lupenreinen Demokraten aus dem Ostblock handeln, auch dieser Name ist mir leider enfallen) hat mal gesagt Geiz ist Geil… nee – Konsum ist Bürgerpflicht … Zum Glück sind beide abgewählt – oder nur einer – habe ich auch vergessen – oder es geht mir am Dingens vorbei :-)))9
Es arbeiten nicht nur die 600+ Personen im Parlament, sondern auch noch eine ganze Reihe Mitarbeiter der Fraktion, Referenten, etc. dahinter.
Eine Partei mit drei Sitzen kann sich inhaltlich gar nicht mit allen Themen und den Argumenten der verschiedenen Positionen befassen. Dafür werden ja Entscheidungsgrundlagen in der Fraktion vorbereitet und aus genau dieser Konstellation ergibt sich dann der von alternativen Kreisen so verhasste Fraktionszwang.
Ein Sonneborn wäre noch in der Lage den Politikbetrieb durch Einzelanträge und Anfragen vorzuführen. Der Rest der Splitterparteien wären wenig mehr als manipulierbares, gut bezahltes Stimmvieh.
Nein, @97, ’strawberry‘ @89 hat Recht (wie auch ich in @53 ähnlich argumentiert).
»Ich halte es für ein Märchen, dass (demokratische) Politik in konkreten Sachfragen zwangsweise aus Kompromissen bestehen muss.«
Das führt zu einem Wettlauf des Populismus im schlechtesten Sinne: Eine Ringen nach einfacheren Parolen (nein, es gibt Zusammenhänge die komplizierter sind, als einfache Menschen es gerne wahr hätten), eine Konkurrenz der Kurzsichtigkeit, zum Agitieren des Mob (und einem immer größeren Einfluss der Massenmedien, die keine demokratische Legitimation dazu haben), zum ultimativen Hedonismus, keine Kompromisse zulassen zu wollen.
Das ist nicht die politische Kultur der Bundesrepublik und das wird sie hoffentlich nie werden.
Die 5%-Hürde ist einer der Großen Lehren aus der Weimarer Republik; als jede Partei rein durfte, man sich den Tag über vollgelabert hat mit Scheiß, den die anderen halblinken oder halbrechten Parteien eigentlich auch schon zweimal gefordert haben. Bis dann einer mal aufgeräumt hat und die Leute sogar erleichtert waren. Nee, für die 5%-Hürde würde ich sogar auf die Straße gehen, genau wie gegen Notstandsgesetze oder mehr Macht für den Bundespräsidenten.
@Patrick: Was sollte an der Auszählerei schwierig werden? Die Zettel mit den Zweitstimmen für Parteien unter 5% werden nochmal nach ihren Erststimmen ausgewertet und gut. Klar, das ist ein zusätzlicher Auszählvorgang, aber bei Kommunalwahlen oder einigen Landtagswahlen wie in Bayern oder Hamburg müssen die Stimmzettel auch mehrfach nach unterschiedlichen Stimmen und Kandidaten gezählt werden. Die dadurch hergestellte bessere Repräsentanz der Wähler kleiner Parteien ist diesen Aufwand allemal wert.
[…] http://www.stefan-niggemeier.de/blog/koennen-wir-jetzt-bitte-mal-ueber-die-fuenf-prozent-huerde-rede… […]
@97: „Außerdem führt das ganze dazu, dass systematisch durchdachte politische Programme nahezu unmöglich werden, weil dauernd irgendwo jemandem irgendwelche Bauernopfer gemacht werden müssen, im Endeffekt konzentrieren sie die Parteien also langfristig nur auf ihre 2–3 wichtigsten Prestigeprojekte, der Rest ist verhandelbar und wird im politischen Prozess verhackstückt — und das macht unsere Demokratie zunehmend zur Farce.“
Aber was ist denn die Alternative: „Ab sofort wird durchregiert!”? Nur weil das eine Programm einmal eine Mehrheit bekommen hat, soll jeder Punkt, Komma und Tippfehler, der da drin steht 1-zu-1 umgesetzt werden, selbst wenn in der Zwischenzeit Fukushima explodiert und sich Voraussetzungen, die dem Programm zu Grunde lagen, längst als falsch erwiesen haben? „Bankenliberalisierung ist für alle gut“ …
Und auf der anderen Seite ist es ja im Prinzip auch eine Möglichkeit, sich der eigenen Kernthemen anzunehmen, und was man als weniger wichtig erachtet, dem Koalitionspartner überlässt. „Wenn ihr die Umwelt beackern wollt, dann kümmern wir uns halt volle Kraft um die Arbeitnehmerrechte, das ist für unsere Wähler eh’ das wichtigere Thema.“
Was für ein furchtbarer Artikel!
Natürlich gelten die Lektionen vom zersplitterten Parlament auch heute noch. Wir dürfen die Geschichte nicht einfach vergessen!
Zum Glück gibt es einen einfachen Weg, trotzdem dafür zu sorgen, dass Stimmen nicht verloren gehen – und zwar mit einem Präferenzwahlsystem. Anstatt nur eine Partei anzukreuzen, würde man in Zukunft Präferenzzahlen in die Kreise schreiben: dies ist meine 1. Wahl, dies ist meine 2. Wahl, und so weiter.
Das ist für jeden leicht verständlich, und auf diese Weise kann man die Vorteile der 5%-Hürde problemlos mitnehmen, ohne Stimmen zu verlieren.
Aber die Hürde selbst sollten wir nicht antasten, das hat uns die Geschichte gezeigt.
Übrigens ist es ein Mythos, dass die Weimarer Republik an einer fehlenden 5%-Hürde gescheitert wäre. Es war in der Endphase vielmehr die gegenseitige Blockade mehrerer relativ großer, aber politisch unvereinbarer Blöcke, nämlich der extremen Rechten (DNVP, NSDAP etc.), der extremen Linken (KPD ) und den gemäßigten, die in sich zwar auch sehr unterschiedlich waren (das Spektrum reichte von der SPD über DDP und Zentrum bis zur DVP), aber zumindest in der zweiten Hälfte der zwanziger Jahre relativ gut zusammengearbeitet haben. Dazu der fehlende Zwang mit dem Sturz eines Reichskanzlers gleichzeitig einen neuen zu wählen (destruktives statt konstruktives Misstrauensvotum). Dies waren die Schwachstellen des Weimarer Systems, dazu die starke Stellung des Reichspräsidenten, der in der Person Hindenburg nicht gerade dazu beitrug, die Republik zu stärken, zumal er in den letzten Jahren immer stärker unter dem Einfluss einer konservativ-antirepublikanischen Gruppe stand, die aktiv den Weg zur Kanzlerschaft Hitlers bereitete und sich damit in ihrer Machtposition gnadenlos überschätzte.
@Thorsten, #91:
ich weiss, was Sie meinen, aber Ihnen ist doch klar, dass auch ( und gerade ) in einer Demokratie mit einer Vielzahl an Meinungen am Ende die Mehrheit eine Entscheidung treffen wird, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eben nicht die Unterstützung aller politischen Kräfte finden wird.
Und das ist auch in Ordnung so.
Wenn im Bundestag die Opposition in einer Abstimmung unterliegt, stellt man sich dort ja auch nicht hin, und fordert, dass auch ihre Stimmen bei der Entscheidung berücksichtigt werden sollen. Nein, man akzeptiert ( wenn auch widerwillig ) die Tatsache, dass man bei einer fairen Abstimmung der Mehrheit unterlegen war. Funktioniert so nicht Demokratie ? Mehrheitsentscheidungen ?
Die Frage ist, an welchem Punkt des Entscheidungsfindungsprozesses man selektiert. Ich hätte im Grunde auch nichts dagegen, die 5%-Hürde zu kippen ( bzw. zu modifizieren ), und eine größere Anzahl an Parteien ins Parlament zu lassen. Einfach, weil man so besser die Meinungsvielfalt in der Gesellschaft wider spiegelt.
Aber das würde eben auch nichts an der Tatsache ändern, dass spätestens dort, im Parlament nur noch der Wille der Mehrheit zählt, wenn abgestimmt wird.
Mein Ansatz ist einfach ein anderer, weil ich der Ansicht bin, dass Parteien im Moment eher Teil des Problems, und nicht Teil der Lösung sind.
Ich bin mehr für direkte Repräsentation, ohne den „Umweg“ über Parteien. Es mag sein, dass momentan ein großer Teil der Direktmandate von Vertretern der beiden großen Volksparteien errungen wird. Aber das muss ja nicht so bleiben, wenn es keine Zweitstimme mehr gibt.
@102:
Klare Haltungen sind nicht das gleiche wie Populismus und faule, in Hinterzimmern ausgehandelte Kompromisse sind nicht das Gegenteil von Populismus und erst Recht keine Demokratie.
Nur als Beispiel: wenn eine Mehrheit der Deutschen dafür ist, den Umweltschutz endlich mal ernst zu nehmen, dann sollte genau das auch gefälligst mal irgendwann passieren – stattdessen bekommen wir jahrzehntelanges wirkungsloses Herumgeschwafel samt undurchsichtiger Verhandlungen mit allen 285.000 Lobby-Verbänden, bevor mal irgendjemand auch nur die kleinste Initiative unternimmt.
Klare Positionen (sofern sie denn vorhanden sind) haben per se nichts mit Populismus zu tun.
@106:
nein, es geht nicht um „durchregieren“. Gerade das ist ja aktuell das Problem: letztlich wird momentan die politische Realität durch Frau Merkels Meinung (weil sie institutionell Chef der Regierung ist, und alle Minister von ihr abhängig sind) und Merkels Partei inklusive deren Koalitionsstrategie (weil die Bundestagsmehrheit den Regierungschef deckt) festgelegt. Das führt dazu, dass wir alle jetzt mit allen Facetten von Merkels Politik leben müssen, egal ob sie mehrheitlich gewählt wurde, weil sie persönlich beliebt ist. Genausowenig bildet das aktuelle System ab, dass man z.B. die Wirtschaftspolitik der CDU toll, den Rest aber furchtbar finden kann – es geht immer nur ganz oder gar nicht, der Wähler wird gezwungen, seine komplette politische Meinung auf 1 oder 2 Themen einzudampfen (Themen, die übrigens auch noch die Parteien selbst auswählen) und dazu dann auch noch wahltaktisch so zu wählen, dass die eigene Stimme letztlich überhaupt noch irgendeine Wirkung hat.
Was ich vorschlage, wäre folgendes: es gibt keine flächendeckende Festlegung der Politik anhand einzelner Parteien oder Personen mehr. Stattdessen werden Stimmen thematisch verteilt, d.h. man gibt eine Stimme für die Außenpolitik seiner Wahl, eine für die Umweltpolitik seiner Wahl etc etc pp ab. Die jeweiligen „Minister“ würden also quasi direkt gewählt und wären nicht mehr ihren Parteikollegen, irgendwelchen Koalitions-Kompromissen oder ihrer Chefin im Kanzleramt verpflichtet, sondern könnten tatsächlich die Politik machen, die sie für sinnvoll halten und für die sie ja dann auch gewählt wurden. Dann sitzt in der Regierung eben ein CDU-Wirtschaftsminister neben einer grünen Umweltministerin neben einem Piraten-Justizminister. So what? Der Kanzler/die Kanzlerin müsste dann natürlich eher die Aufgabe einer Moderation übernehmen und hätte eher den Job, für die Koordination der verschiedenen Politik-Bereiche zu sorgen (das müsste man halt institutionell entsprechend ändern) statt einfach im Zweifelsfall immer das letzte Wort (und dazu Partei und Parlament im Rücken) zu haben. Das heißt:
– Minister direkt wählen (anhand öffentlich diskutierter konkreter programmatischer Vorschläge zu den verschiedenen Themen >> HIER sollte der Wahlkampf stattfinden!)
– Kanzler-Posten umgestalten (Koordinator statt „Chef“) und ebenfalls direkt wählen
– Bundestag zu tatsächlich effektiver Kontrollinstanz der Regierung umbauen (personelle Trennung) und unabhängig von dieser wählen (evtl. sogar in anderem Rhythmus)
– Bundespräsidenten direkt wählen oder (wäre mir lieber) gleich abschaffen (auf Clowns wie Wulff etc können wir ohne Frage verzichten und die Prüfung von Gesetzen auf Verfassungskonformität kann Karlsruhe sowieso besser)
Dann müssen wir halt alle 4 Jahre nicht mehr nur 2, sondern 10-15 Kreuze machen. Ich glaube, das wäre die Sache wert.
@110: Doch, wird es. Ein reines Mehrheitswahlrecht hat eine starke Tendenz, fast eine Gesetzmäßigkeit, hin zu einem Zweiparteiensystem: http://www.youtube.com/watch?annotation_id=annotation_373274&feature=iv&index=2&list=PLqs5ohhass_TF9mg-mqLie7Fqq1-FzOQc&src_vid=QT0I-sdoSXU&v=s7tWHJfhiyo.
@110:
es gibt dann ja gerade keine „Parteien“ (im klassischen Sinn) mehr. Es gibt dann nur noch inhaltliche Vorschläge zum Thema X, Y und Z.
Die Tendenz zum Zweiparteiensystem ergibt sich aus wahltaktischen Zwängen, die in einem solchen System nicht mehr bestehen, da ja auch Splitterparteien mit eng gefassten Programmen (z.B. die Piraten) eine Chance auf Berücksichtigung haben, dann aber eben nur in dem Bereich, in dem sie programmatisch überzeugen können. In anderen Politikfeldern regieren dann eben andere. Wie man das technisch-institutionell umsetzt, kann man ja immer noch diskutieren, es geht erstmal nur um den Grundgedanken: Warum sollte man nur eine einzige Stimme für das Gesamtprogramm einer einzigen Mammutorganisation abgeben dürfen statt seine politische Meinung konkret und differenziert zu vertreten?
Die Kampagnen der Medienhäuser waren gut und richtig. Wer wählen geht muss sich quasi zwangsläufig informieren. Das eine bedingt das andere
Wozu Fünf-Prozent-Hürde?
Warum mir da als erster Gedanke miese Erpressung im Machtpoker in den Sinn kommt, sei jetzt mal dahingestellt, aber Gedankenspiel:
Der Union fehlen nur wenige Zehntelprozent zur absoluten Mehrheit. Sondierungen mit der SPD sind, nehmen wir mal an, im Sande verlaufen. Also, Schwarz-Grün! Der Juniorpartner kann selbst mit etwa acht Prozent, etwa einem Fünftel der Union, aufwarten. Die grünen Bonusprozente möchte die Union natürlich gerne mitnehmen, bei der Vergabe von Kompetenzen in der entstehenden Regierung bietet man dafür aber gerade mal etwas an, was eher dem einem, der eigenen absoluten Mehrheit fehlendem Prozent entspräche. Also, „Eure acht Prozent zum Preis von einem, oder …“
… oder die Union sucht sich einen Koalitionsparter, der zahlenmäßig gerade ausreichend zweckdienlich ist, dabei in der Regierungsbildung aber mehr Platz für die eigenen Schwippschw… das eigene Spitzenpersonal lässt und sich in der Ausrichtung womöglich weniger von der eigenen Linie unterscheidet, als es die anderen, großen „Ströhmungen“ im Bundestag tun.
Kurzum, gäbe es mangels fehlender Sperrklausel (notgedrungen) willfährige Splitterparteien im Bundestag, würden regierende Koalitionen tendenziell wohl eher aus Interessensvertretungen der Verhältnisgegebenheiten ~9:1 statt ~7:3 bestehen.
In mindest einem kleinen Land gibt es sogar 10%,
manche Menschen sagen über dieses Land “ Bananen Staat.
Eine Diskussion demokratischer Grundsätze ist immer hilfreich. Insofern kann und muss man auch über die 5%-Hürde diskutieren. Ich merke, dass ich diese bislang auch immer dogmatisch verteidigt habe. Wie andere auch, habe ich mal versucht, die Sitzverteilung ohne 5%-Hürde zu überschlagen: ich komme auf 16 Parteien, davon die Hälfte mit Sitzen im einstelligen Bereich. Auf die Problematik, eine stabile Koalition zu bilden, wurde schon vielfach hingewiesen. Unmöglich ist es nicht, aber es ist deutlich schwieriger.
Unser Parlament nennt sich Arbeitsparlament. Sehr vieles findet arbeitsteilig in Ausschüssen und kleineren Kreisen statt. Das ermöglicht den Fraktionen der Parteien – als den vom Grundgesetz vorgesehenen Institutionen der politischen Willensbildung – die Bearbeitung möglichst aller Themenfelder des Parlamentes. Damit tun sich schon kleine Fraktionen und erst recht die sporadisch auftretenden Parlamentariergruppen ohne Fraktionsstatus schwer. Tatsächlich sieht unsere Form der repräsentativen Demokratie nicht den politischen Einzelkämpfer, sondern den Zusammenschluss in Parteien vor. Ohne 5%-Hürde erhalten wir ein Parlament mit einer zwangsläufig anderen Arbeitsweise. Dabei stellt sich mir die Frage: erleichtert oder erschwert dies dem Parlament die Erfüllung der von der Verfassung definierten Aufgaben? Werden dadurch Gesetzgebungsverfahren einfacher oder komplizierter? Erleichtert oder erschwert das die Kontrolle der Exekutive?
Eine andere, auch bereits ansprochene Frage: erhöht der Wegfall der 5%-Hürde mit den beschriebenen Konsequenzen die Zufriedenheit der Wähler kleiner Parteien? Bleibt die Arbeit der von ihnen gewählten Parlamentarier nicht zwangsläufig appellativ, da sie gegenüber größeren Fraktionen funktional im Nachteil sind?
Positiv könnte sein, dass man sich über die Anforderungen an Parteien, an Wahlen teilzunehmen, anders verständigen müsste. Bislang kann man über die bibeltreuen Christen und andere Exoten lachen, weil keine Gefahr besteht, sie ernst nehmen zu müssen. Aber wenn beispielsweise die Patrioten/EAP/BüSO_LaRouch-Sekte morgen in einem Parlament säße, hörte für mich der Spaß auf.
Zwischen 0 und 5 % liegt immer noch ein weites Feld. Ich stimme Stefan Niggemeier zu, dass einiges dafür spricht, die jeweils 4,8 % und über 2 Mio Wählerstimmen für AfD und FDP mandativ zu berücksichtigen – aber: nach dem gegenwärtigen Stand erhalten Gruppierungen mit weniger als 5% der Abgeordnetensitze keinen Fraktionsstatus. Das hat seine Gründe wiederum darin, wie der Bundestag seine Arbeit organisiert. Und damit sind wir in der nächsten, für eine Entscheidung für oder wider die 5%-Hürde notwendigen Diskussion. Die Frage nach der 5%-Hürde ist die Frage nach der Aufgabe und Arbeitsweise des Parlaments.
[…] Können wir jetzt bitte mal über die Fünf-Prozent-Hürde reden? « Stefan Niggemeier 6,86 Millionen Menschen haben gestern bei der Bundestagswahl gültige Stimmen abgegeben, die nicht zählen. In den Wochen zuvor waren wir ununterbrochen angeschrien worden, wir müssten wählen gehen. Nichtwählen bedrohe die Demokrat… […]
#116: Es bleibt auch einzelnen Abgeordneten unbenommen, sich mit anderen zu einer Fraktion zusammenzuschließen.
Ich halte eine explizite Sperrklausel zwar für sinnvoll, stimme Herrn Schmalenstroer jedoch zu: 15,7 % verfallene (Zweit-) Stimmen sind unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten untragbar.
Doch was wären die Alternativen?
Ein Abschaffung der Klausel, halte ich für falsch. Nicht so sehr, weil ich eine Zersplitterung unseres Parlaments befürchte, sondern weil ich denke, dass eine Sperrklausel darüber hinaus auch sicherstellt, dass im Parlament vertretene Parteien ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Relevanz besitzen.
Dieses Relevanzargument ist es jedoch auch, was mich den hohen Anteil an verfallenen Stimmen, mit anderen Augen sehen lässt.
Kurz gesagt: Läge dieser bei, oder noch besser: unter 5 %, könnte ich gut damit leben. Die Zahl der Stimmen, die sich nicht direkt auf die Zusammensetzung unseres Parlamentes auswirkt, wäre eher marginal und zu vernachlässigen.
15,7 % sind jedoch einfach zu viel. Was also tun?
Ich wäre für eine dynamische Sperrklausel, die sich am Prozentsatz der unberücksichtigten Stimmen orientiert. Dieser dürfte seinerseits nicht größer als 4,99 % aller abgegeben Stimmen sein.
Bei Überschreiten dieser Grenze würde die Sperrklausel für den Einzug ins Parlament für diese Wahl in 0.5 % – Schritten solange nach unten korrigiert, bis der Anteil der unberücksichtigten Stimmen unter 5,0 % fiele.
Das würde im Falle der #BTW13 bedeuten, dass bei einer Absenkung der Sperrklausel um 0.5% die FDP und AFD doch noch im Bundestag vertreten wären und damit nur noch 4% aller abgegebenen Stimmen verfallen würden.
Das wäre ein Fortschritt- zumindest in demokratietheoretischer Hinsicht.
[…] einem meines Erachtens sehr guten Blogbeitrag stellt Stefan Niggemeier die Existenzberechtigung der 5%-Hürde nach der gestrigen Bundestagswahl in Frage. In der Tat ist diese Hürde, die nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen wurde um die Teilnahme von […]
Huch. Bitte um Verzeihung, mein Kommentar 111 bezog sich auf 109, nicht auf 110. Mein Fehler.
@UJahr 15,7% hört sich in der Tat viel an und ist auch viel. Man darf aber auch nicht vergessen, dass es sich um ein Sonderfall handelt. Die FDP ist gerade so raus gefallen und die AfD, eine neue Protestpartei, hat es gerade so nicht geschafft. Wenn man sich zurückliegende Wahlen ansieht dann liegen alle die es nicht geschafft haben zusammen meistens bei um die 5% oft darunter, siehe: http://www.wahlrecht.de/ergebnisse/bundestag.htm
Klar, der Grund für die 5 % Klausel ist die Erfahrung der Weimarer Republik. Aber nur weil diese Zeit so lange zurück liegt heißt es nicht, dass diese Erfahrungen nicht mehr relevant sind. Der Bundestag würde vielleicht nicht in den nächsten ein, zwei Legislaturperioden zersplittert sein, aber wie sähe es aus, wenn Deutschland wirklich einmal in eine wirtschaftliche Krise geräte? Gerade in solchen Zeiten hätten radikale Kräfte links und rechts Aufwind, ohne 5% Hürde würde der Bundestag genau dann zersplittern und die Bildung einer stabilen Regierung wäre unmöglich, wenn die Not möglicherweise am Größten wäre. Es war richtig aus den Fehlern der Weimarer Verfassung zu lernen, das war 1949 richtig und es bleibt auch 2013 richtig.
Auch andere Demokratien haben Mechanismen um sicherzustellen,dass eine gewählte Regierung stabil ist und wirklich regieren kann. In Ländern mit Wahlrechten wie in England und den USA fallen nach Ihrer Sichtweise ja noch viel mehr Stimmen durch die Wahl weg. Was hat sich denn seit dem 2. Weltkrieg so sehr geändert, dass nun die Hürde nicht mehr nötig wäre? Was würde es bringen, wenn im Bundestag nicht 4 oder 5 Parteien sitzen, sondern 10 oder 20? Außerdem sind die Stimmen nicht verschwendet oder verloren. Wenn ein Partei an der Hürde scheitert profitiert sie von einer hohen Stimmenanzahl bei der Erstattung der Wahlkampfkosten.
Wenn diese Wahl doch eines gezeigt hat, dann gerade wie wichtig das Wählen ist. Durch die Wahl wurde eine Partei die seit Jahrzehnten im Bundestag war hinweggefegt. Was für ein gewaltiger Umbruch! Wie sehr ändert sich jetzt durch die Wahl die Zusammensetzung des Bundestages! So viele neue und andere Abgeordnete, die nun in den nächsten vier Jahren in den Ausschüssen unser Land gestalten werden. In Essen hat der CDU Bewerber mit nur drei Stimmen Vorsprung gewonnen! Jede Stimme zählt! Es gibt viele Lektionen und Diskussionen die man nach dieser Wahl führen kann, eine Diskussion um die 5 % Hürde dagegen ist völlig überflüssig.
Alle Stimmen der Nichtwähler und verloren gegangene Stimmen werden prozentual auf die Gesamtzahl der Sitze addiert, die nicht besetzt werden. Mehrheitsentscheidungen hängen dann von diesen virtuellen Sitzen ab. Die Stimmen dieser virtuellen Sitze werden per Internet-Abstimmungen ermittelt. Das wäre direkte Demokratie und würde die vielen Nichtwähler ebenfalls einbeziehen können. Wenn Parteien merken, dass sie die Politikverdrossenen wieder zurück gewinnen müssen, dann wird sich was bewegen. Aber die 5% Hürde hat ihren Sinn. Bitte keine italienischen Verhältnisse.
Die Fünf-Prozent-Hürde wurde eingeführt, um ein Debakel wie in der Weimarer Republik zu verhindern. Angesichts des Erfolgs der Rechtspopulisten aus der AfD klingt das fast verständlich.
Dennoch bin ich derselben Meinung wie Du: Wenn Meinungen weggeschwiegen werden, werden sie sich nicht auflösen. Es braucht den öffentlichen Diskurs!
#124: So ein Unsinn. Dann brauchen Sie gar keine Abgeordneten mehr. Sie könnten über alles direkt abstimmen lassen. Aber nicht jeder Wähler kann sich mit allem befassen.
Die im Bundestag (großen) vertretenen Parteien werden das Wahlgesetz von
alleine nicht ändern. Dafür profitieren sie davon zu stark.
Allerdings gibt es ja jetzt ein Potenzial von
ungefähr 45 Prozent der Wähler (15 Prozent + 30 Prozent Nichtwähler) und es würde ja reichen einen Teil davon zu mobilisieren.
Wäre gut sich vorher auf einen Vorschlag für ein neues Wahlgesetz zu einigen. Ideen sind
hier in den Kommentaren ja reichlich vorhanden.
Ich bin für die Anhebung der Sperrklausel auf 50 Prozent.
Nichtwähler erhöhen das Stimmgewicht von Extremisten.
Deine sechs Millionen Menschen, die jetzt nicht zählen, kommen daher, dass der Rest der Wähler dafür gesorgt haben. Wären 2 Millionen nicht zur Wahl gegangen, wären AfD und FDP jetzt drin.
Sprich Du beschwerst Dich gerade, dass 36 Millionen Menschen abgestimmt haben dafür, dass 6 Millionen Stimmen nicht zählen.
Das Verhältnis ist ok, sechs zu eins. Wir sind hier nicht bei den Mini-Kickern wo am Ende alle gewinnen. Nicht jede politische Strömung darf wenn sie erwachsen wird alles werden. Manche werden eben Hausmeister. Und das ist gut so.
Zum hier mehrfach angeklungenen Fraktionszwang.
Man kann mittlerweile sehr schön und mit wenigen Klicks überprüfen, welcher Abgeordnete, bei welcher Entscheidung, wie abgestimmt hat:
http://parlameter.zdf.de/indexc.shtml?abstID=459
(Gilt zumindest bei einer namentlichen Abstimmung)
@82: „Die 5 Prozent Hürde stammt aus der Zeit eines 3 Parteien Systems… “
Nö. Im ersten Bundestag 1949 saßen Vertreter von 11 Parteien (5 über der 5%-Hürde, 6 plus einige Parteilose über Direktmandate): 1953 Vertreter von 7 Parteien (5 über der 5%-Hürde, 3 über Direktmandate). [Die CSU jeweils als eigene Partei gezählt, nicht als Teil der Union]
[…] Können wir jetzt bitte mal über die 5%-Hürde reden? – Stefan Niggemeier […]
Die Geschichte sollte uns lehren, jedoch vergisst der Mensch ganz schnell wieder. Die 5% Hürte hat ihren Sinn, denn so schnell wie die AfD auftauchte und fast die 5% Hürte meisterte, gelang es nicht einmal den Piraten. Diese deutsche Demokratie steht auf sehr schwachen Beinen, denn noch sind wir in einer gewissen Abhängigkeit der politischen USA. Umdenken und mehr Demokratie wagen, wie es einst W. Brandt äußerte ist in dem Jetzt Bundestag nicht möglich – der Volksvertreter ist nicht dem Wähler verpflichtet sonderm seinem Gewissen. Solange dies seine Gültigkeit behält, solange sehe ich die 5% Hürte als Argument an, um aus den Fehlern der Vergangenheit halbwegs zu lernen.
@112:
»es gibt dann ja gerade keine »Parteien« (im klassischen Sinn) mehr.«
Das klingt nach Gaddafis „Grünem Buch“. ;)
Die Welt ist komplexer als Sie es wahrhaben wollen: Will man eines, dann muss man womöglich erst eine Reihe von Vorarbeiten leisten in ganz anderen Gebieten – beispielsweise, um Finanzierung zu ermöglichen. Wie soll so ein komplexerer Plan durchführbar werden in einem Umfeld, wo jede Einzelmaßnahme nach „Meinungslage“ (oder Propagandaerfolg) entschieden wird?
ich möchte mal die frage aufwerfen, ob eine stimme, die man einer unter-5%-partei gegeben hat denn wirklich eine verlorenene sein soll, nur weil diejenige partei es nicht in den bundestag schafft. ich sehe schon einen nutzen darin, seine gültige stimme den etablierten parteien vorzuenthalten, was durch nichtwählen oder ungültigwählen leider nicht funktioniert.
Ich lese hier so viel vernichtende Kritik an unserem Parteiensystem. Und ich will mich auch gar nicht dazu aufschwingen das alles für Quatsch zu erklären bzw zu bestreiten dass man an unserer Verfasstheit Dinge auch ändern könnte/sollte/müßte. Allerdings muss ich doch mal einwerfen: im Prinzip kann man den Parteien beitreten. An der Basis dieser Parteien arbeiten ziemlich viele Leute für lau am Funktionieren unserer Demokratie während andere sich hinstellen und ausrufen – „das ist alles Kappes und fürn Arsch und eine Partei kommt für mich nicht in Frage, weil das am Ende nur faule Kompromisse produziert…“. Ich muss schon sagen, dass mein Respekt am Ende eher den Leuten gilt, die sich die Mühe machen (und das IST Mühe nach allem was ich von Leuten höre die sich dergestalt engagieren) das was wir als politisches System haben von innen und das heißt eben aus den Parteien heraus zu gestalten. Ich meine man muss wirklich nicht jeden politischen Kuhhandel toll finden – aber am Ende ist es das was Politik ausmacht. Der Ausgleich zwischen widerstrebenden Interessen und Ansichten. Das ist eigentlich immer besser als schießen.
Also die WR ist ja nun nicht einzig am Fehlen einer Sperrklausel gescheitert und die 5%-Hürde ist nicht das einzige was uns heute vor einem ähnlichen Schicksal bewahrt, insofern ist sie im Grunde überflüssig.
Eine größere Parteienvielfalt im Parlament fände ich allein deshalb schon erstrebenswert weil es Lobbyismus erschwert.
@134:
»ich sehe schon einen nutzen darin, seine gültige stimme den etablierten parteien vorzuenthalten«
Super Strategie – und wen kümmert das, solange dadurch nicht Extremisten gestärkt werden und gar Einfluss gewinnen, was eine gar nicht kleine Gefahr ist?
Ich will nicht beinahe jedes Jahr eine neue Regierungskoalition wie in Italien. Vielfalt ist gut, aber stabile Mehrheiten für 4 Jahre um längerfristige und dringliche Projekte anpacken zu können auch.
Juhu, das lädt zur Zahlenspielerei ein! ;D
Schauen wir also mal:
Es gab 43.702.474 gültige Stimmen und 36.847.430 davon führten zu sitzen im Parlament, d.h. 84,3% der Wähler sind mit ihrer Stimme im Parlament vertreten. Klingt von der Zahl her ja eigentlich gar nicht soooo schlecht, bis auf den Fakt, dass es eben ausschließlich die Wähler von CDU, CSU, SPD, Linke, Grüne sind.
Wenn wir die 5%-Hürde vollständig fallen lassen würden und unter Nichtberücksichtigung der Erststimme ein Parlament mit 299 zu besetzenden Sitzen haben, liegt die natürliche Hürde bei 1/299, also 0,33%. Was würde das bedeuten?
Über der Hürde liegen nach dem vorläufigen Endergebnis folgende Parteien:
CDU/CSU mit 41,5%,
SPD mit 25,7%,
LINKE mit 8,6%,
GRÜNE mit 8,4%,
FDP mit 4,8%,
AfD mit 4,7%,
PIRATEN mit 2,2%,
NPD mit 1,3%
FW mit 1,0%.
Das wars. Die Tierschutzpartei (0,32%) hätte die natürliche Hürde verfehlt.
Wieviele Sitze wären das von den 299? Dazu wenden wir das Sainte-Laguë-Verfahren an und erhalten:
126 Sitze für CDU/CSU,
78 Sitze für die SPD,
26 Sitze für DIE LINKE,
26 Sitze für GRÜNE,
15 Sitze für die FDP,
14 Sitze für die AfD,
7 Sitze für PIRATEN,
4 Sitze für die NPD
3 Sitze für FREIE WÄHLER.
Dazu kommen jetzt noch die Sitze aus den Erststimmen und die Ausgleichsmandate. Das führt hier aber zu weit, ich will ja nur zeigen, welche Parteien drin säßen.
Das Sainte-Laguë-Verfahren selbst könnte man auch zur Hürdenbildung nutzen. Hier vergessen wir die „natürliche“ 0,33%-Hürde und wenden das Verfahren direkt auf das rohe Wahlergebnis an. Damit:
CDU/CSU: 124 Sitze,
SPD: 77 Sitze
DIE LINKE: 26 Sitze
GRÜNE: 25 Sitze
FDP: 14 Sitze
AfD: 14 Sitze
PIRATEN: 7 Sitze
NPD: 4 Sitze
FREIE WÄHLER: 3 Sitze
Tierschutzpartei, ÖDP, REP, DIE PARTEI, Pro Deutschland: jeweils 1 Sitz
Dies würde also tatsächlich zu einer stärkeren Zersplitterung führen, während die „natürliche“ Hürde da etwas schützt.
In meiner letzten Rechnung ohne natürlicher Hürde wären übrigens 99,4% aller Stimmen berücksichtigt. In der Rechnung mit 0,33%-Hürde sind es 98,2%. Beides ist eine enorme Verbesserung im Vergleich zu den anfänglichen 84,3%.
Diesbezüglich habe ich jetzt auch noch einen Beitrag zum Brainstorming: eine etwas andere 5%-Hürde. :-) Statt zu fordern, dass eine Partei 5% aller Stimmen erhalten muss, könnte man fordern, dass mind. 95% der Stimmen im Parlament berücksichtigt sein müssen. Hierzu sortiert man die Parteien nach Ergebnis und nimmt solange eine Partei hinzu, bis mindestens 95% erreicht sind – und verteilt die dann wieder nach Sainte-Laguë. Das Ergebnis in Sitzen wäre:
CDU/CSU: 129 Sitze
SPD: 80 Sitze
DIE LINKE: 27 Sitze
GRÜNE: 26 Sitze
AfD: 15 Sitze
FDP: 15 Sitze
PIRATEN: 7 Sitze
und damit wären 95,97% aller Stimmen im Parlament vertreten.
Man sollte bei der Zahlenspielerei beachten, dass der Wegfall einer Hürde auch zu einem anderen Wahlverhalten führt (z.B. hätte dies bei dieser Wahl dazu führen können, dass die FDP („CDU-Leihstimmen“) weniger und die Piraten („verschenkte Stimmen“) mehr Stimmen erhalten).
Nun mal wertend: Ich finde das Anwenden der natürlichen Hürde nicht schlecht. Die Argumente hier pro 5%-Hürde kann ich auch nachvollziehen; gerade den Aspekt, dass die 5%-Hürde auch Parteien vor Abspaltungen bewahrt. Das Bundesverfassungsgericht hat die 5%-Hürde meines Wissens nach nicht für alle Ewigkeiten festgeschrieben, sondern zugebilligt, dass sich Zeiten ändern können. 15,7% „verlorene“ Stimmen (wie zu dieser Bundestagswahl) könnten so ein Indiz sein. Zu entscheiden hat das aber letztendlich das Bundesverfassungsgericht; der Gesetzgeber wird vermutlich nicht von alleine aktiv werden.
Besten Gruß,
Stephan Beyer
Ja, Herr @Niggemeier: „das Wahlergebnis von gestern zum Anlass für eine Diskussion nehmen“. Es gibt für diese öffentliche Debatte seit heute mittag auch eine gute Diskussionsvgrundlage: http://blog.nassrasur.com/2013-09-23/mehrheitslegenden-formanalyse-der-bundestagswahl-hauptergebnisse-vom-22-september-2013/
Die 5-Prozent-Hürde ist „undemokratisch“, denn eigentlich müßten alle Gewählten ihr Parteibuch mit Einzug in den BT abgeben, wenn man Art. 38(1) GG ernst nehmen wollte. Dort heißt es nämlich: „Sie [die gewählten Abgeordneten] sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.“
@138
ich bin mir nicht sicher, ob ich den einwand richtig verstehe, aber die unter-5%-parteien sind keineswegs alles extremisten. zum anderen stärkt nichtwählen oder die ungültige stimmabgabe (fatalerweise sind diese beiden mögichkeiten in ihrer auswirkung identisch) gerade die kleinen parteien in gänze, da weniger stimmen erforderlich sind, um auf eine entsprechend hohe prozentzahl zu kommen. bei geringerer wahlbeteiligung währen also fdp und afd beispielsweise im bundestag vertreten. selbst eine stimme für eine spasspartei hätte zu so einem effekt nicht beigetragen.
Es wurde zwar schon ein paar mal angeschnitten, ich möchte es aber mal betonen:
Ist Italien wirklich das Vorbild?
@143: Wenn alle gut 2 Mio. AFD-Wähler zu Hause geblieben wären bzw. ungültige Stimmen abgegeben hätten, dann hätte es die FDP aufgrund der entsprechend geringeren Wähler-Grundgesamtheit wohl gerade eben in den Bundestag geschafft (mit 5,0%, wenn ich micht nicht verrechnet habe). Für die AFD hätte es – ohne die FDP – dagegen wohl auch nicht geklappt mit nur ca. 4,9% (glücklicherweise).
Skurril ist so etwas schon und war vermutlich von den meisten Wählern nicht so beabsichtigt.
Nur um es angemerkt zu haben: Ich habe das Problem der neuen Regierung gelöst:
– Die SPD will nicht mit der Union.
– Die SPD will nicht mit den Linken.
– Die Grünen wollen nicht mit der Union.
– Die Union will nicht mit der Linken.
– Es reicht nicht für SPD und Grüne.
– Es reicht nicht für die Union alleine.
Ausweg:Grüne Regierung unter Duldung von SPD und Linke.
– Die SPD unterstützt die Grünen und nicht die Linke.
– Die Grünen und nicht die SPD nehmen Unterstützung der Linken an.
– Grüne, geduldet von Linke und SPD haben eine Mehrheit.
@146: Das wäre mal originell, wenn die „Ausschließeritis“ dazu führen würde, dass die kleinste im Bundestag vertretene Partei an die Regierung käme (wenn man die CSU zur CDU rechnet). Ich bin mir aber nicht sicher, ob „der Wähler“ (die Wählerin?) das so gewollt hätte.
@147
Man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Die 5 %-Hürde hat Deutschland ein Parlament mit linker Mehrheit (SPD, Grüne, Linke) „geschenkt“, die nicht bestehen würde, wenn AfD und FDP auch hineingekommen wären. Auch wenn der Wähler nicht links gewählt hat, hat er ein linkes Parlament gewählt, so dass er eine linke Regierung verdient^^.
@148: Persönlich habe ich ja nichts gegen eine linke Mehrheit (wobei ich die SPD schon eher der „Mitte“ zuordnen würde) . Meine Kritik bezog sich auf die „Ausschließeritis“ und deren seltsame Auswüchse. Naheliegend wäre ja – nach dem Votum der Wähler zu urteilen – eine SPD-geführte Regierung mit der Unterstützung von Grünen und Linken.
Aber es stimmt natürlich auch, ohne die 5-Prozent-Hürde hätten wir eine Mitte-Rechts-liberale Mehrheit (bzw. ganz ohne die AFD vermutlich eine schwarz-gelbe).
Dank einer fehlenden Hürde im Kommunalwahlrecht haben wir hier zwei Lager und einen Platz für „Die Partei“, die plötzlich Zünglein an der Waage ist, ein Platz für einem Menschen, der politische Entscheidungen nicht so richtig ernst nimmt,damit aber eine ganze Stadtpolitik entscheiden kann.
Ich bin ein Anhänger der 5 %.
kann mir mal bitte einer erklären, was er meint, der hier schreibt: „bei wegfall der hürde oder absenkung auf 1/2% wäre eine regierungsbildung nicht möglich!“?
das ist doch unfug. dann gäbe es die gleichen koalitionen wie jetzt, die ganzen splitterparteien (sonneborn+1, 3 piraten, 10 AfD-spinner, 9 gelackte FDPler und 7 typen in braunen reithosen von mir aus) wären doch ohne jeden zweifel immer nur in der opposition.
aber der punkt ist doch: auch die 1.500.000 wähler, die diese 31 repräsentanten gewählt hätten, dürften sich repräsentiert fühlen, und die 31 hätten wenigstens auch mal das wort.
@151, Völlig korrekt, Politikverdrossenheit entsteht dadurch, dass der Wähler sich nicht repräsentiert fühlt. Dabei spielt die 5% Hürde nur eine untergeordnete Rolle und es wird nur diesesmal besonders deutlich, das selbst ein großer Teil derjenigen die Wählen gehen nicht berücksichtigt werden.
Eine aus dem jetzigen Wahlergebnis gebildete Regierungskoalition ist vieleicht von etwas mehr als einem Drittel der Wahlberechtigten gewählt.
Das gesamte Parlament ist von ca. 59% der Wahlberechtigten legitimiert.
Bei GG – Änderungen braucht es eine 2/3 Mehrheit des Parlaments.
Nach dem jetzigen Wahlergebnis sind das auf Wahlberechtigte umgerechnet ca. 39,7 %.
Und das stimmt mich mindestens ein bisschen nachdenklich.
Eine große Koalition, hätte 503 Sitze und damit die Möglichkeit selbst noch bei 82 Abweichlern das GG nach belieben zu verändern.Selbst ohne die CSU hätte eine Koalition aus CDU und SPD noch eine komfortable Mehrheit für GG – Änderungen.
Ohne mindesten 43 Stimmen aus der großen Koalition könnten Linke und Grüne nicht einmal ein Untersuchungsausschuss einberufen……
Ich hoffe aber, dass ist alles nur schwarzmalerei …
Und das alles trotz 5% Hürde.
Ich frage mich die ganze Zeit, warum die Nichtwähler immer mitgezählt werden. Wer nicht gewählt hat, wird trotzdem repräsentiert; er/sie hat nur klargemacht, dass es ihm/ihr egal ist, von wem – aus welchen Gründen auch immer. Damit ist der 18. Deutsche Bundestag von 84,3 % der Wähler gewählt. Wahlberechtigte aber nicht Wahlwillige interessieren hier nicht, sie hatten ja die Wahl, nicht zuhause zu bleiben. Legitimiert ist er übrigens von allen Wahlberechtigten.
15,7 % unter den Tisch fallende Stimmen sind trotzdem irgendwie viel. (Nur das hatte Stefan Niggemeier im Übrigen auch geschrieben.) Die Frage, ob das ein Ausreißer war oder Trend wird, werden wir in vier und acht Jahren beantworten können.
Nachtrag: Hürdenkritiker bekamen gerade Rückendeckung von Prof. Battis (HU Berlin), der sich für tendenziell 3 % ausspricht: http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/09/24/drk_20130924_0840_7877402c.mp3
Was genau sollen die ganzen Berechnungen, von wieviel Prozent der Wahlberechtigten eine Regierung legitimiert ist? Interessant ist – wenn überhaupt – von wieviel Prozent der Wähler eine Regierung legitimiert ist. Dass etliche Wahlberechtigte zu Hause bleiben finde ich weder bedenklich noch wirklich schade: Es gibt ein Wahlrecht, keine Wahlpflicht, und wer das nicht wahrnehmen will, der soll es lassen. Ich bin mir sicher, dass es bei vielen Nichtwählern besser war, dass sie nicht gewählt haben.
@153
Genau Olive
– Nichtwählen ist stille Zustimmung.
– Wer nicht arbeitet, ist selbst Schuld.
– Wer Dumm ist, ist selbst Schuld
– Wer arm geboren ist, ist selbst Schuld
– Wer Jude ist, ist selbst Schuld
– Wer nicht in die Partei eintritt, ist selbst Schuld….
– Danke, endlich – so einfach kann die Welt sein…
@Björn
Es stimmt: Die diesjährige Bundestagswahl ist mit 15,7 % verfallener Zweitstimmen ein Extrem. Deshalb bin ich ja dafür, die 5%-Hürde beizubehalten und und nur dann nach unten anzupassen, wenn zu viele der abgegebenen Stimmen nicht berücksichtigt werden.
Warum also nicht sagen, dass mindestens 95% der abgegebenen Stimmen sich in der Sitzverteilung des Bundestags niederschlagen müssen, damit die 5%-Hürde unverändert gilt?
Dieses Prinzip würde unser Wahlverfahren nur marginal ändern, gleichzeitig aber sicherstellen, dass die Bürger, die zur Wahl gegangen sind, es nicht umsonst getan haben.
@Stimmverlust: Bitte mäßigen Sie sich. Abgesehen davon, dass Ihre Vergleiche absurd sind, hatte Olive gar nicht geschrieben, dass Nichtwählen stille Zustimmung ist. Sondern dass Nichtwählern offensichtlich egal ist, wer sie repräsentiert.
(Ich finde diese ganzen Diskussionen, dass man Nichtwähler irgendwie mitzählen müsste, auch absurd. Ein großer Teil der Nichtwähler interessiert sich einfach nicht für Politik; der andere hat sich bewusst entschieden, dass er keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestages nehmen will, und muss dann damit leben, dass er keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Bundestag nimmt.)
Die Abschaffung einer 5%-Hürde soll nun also auch noch die Lust- und Interessenlosigkeit des Wahlvolkes, Medien und vielen mehr an dieser Demokratie legitimieren? Ich bin gegen eine Abschaffung oder Verringerung der Einstiegshürde von 5%.
Vielmehr sollte man dem Volk und zum Beispiel auch den Medien ihre eigene Lethargie vor Augen führen, die dazu führt, daß die ihnen in dieser Demokratie zugedachten Aufgaben und Mitgestaltungsmöglichkeiten garnicht mehr genutzt werden oder gar überhaupt (nicht mehr) bekannt sind. Man sollte sie zur Einmischung und Mitgestaltung nutzen und nicht warten, bis sie klamheimlich und unbemerkt immer weiter abgebaut werden („sie werden ja eh nicht genutzt“). Sich immer nur alle vier Jahre an Wahlen und an den nicht passenden Ergebnissen „auszukotzen“ ist einfach langweilig und durchschaubar.
„Sondern dass Nichtwählern offensichtlich egal ist, wer sie repräsentiert.“
Offenbar. Um offensichtlich zu sein, müßte es erstmal wahr sein, was ich stark bezweifle.
@Niggemeyer @Olive
Ok, Ok, tut mir Leid
Absurd ist aber auch die Aussage, dass es Nichtwählern egal ist, wer sie regiert!
Denn ich habe nicht nur im Laufe der letzten Wochen viele Menschen kennengelernt, die folgende Aussage gemacht haben:
„Ob ich nun wählen gehe oder nicht, die da oben machen ohnehin was sie wollen“ – leider waren insbesondere viele Menschen zwischen 20 u. 30Jahren darunter.
Ich habe sicherlich in einigen Fällen dafür gesorgt, dass diese Menschen trotzdem zur Wahl gehen, ohne dabei eine Empfehlung für eine Partei abzugeben.
Mindestens diesen Menschen fehlte einfach eine Alternative bzw. sicherlich auch ein wenig Demokratieverständnis.
Und ich halte es auch für die Aufgabe des Parlamente / der Regierung / des Staates, dass Demokratie auch entsprechend gelehrt wird.
28,5 % Nichtwähler sprechen einfach nicht dafür, dass dafür alles getan wird. Statt Aufklärung zu betreiben, wird u.a. mittlerweile auch in öffentlichen Medienanstalten genau das Gegenteil betrieben.
Im übrigen – Keinem der potentielen Nichtwähler mit denen ich gesprochen habe war es egal wer oder besser was da regiert wird.
Sicher ist das nur Subjektiv und eine Umfrage habe ich nicht gestartet.
Im übrigen bin ich in keiner Partei mehr und dennoch politisch aktiv. Die Partei wurde immer mehr zu Selbstzweck und das war mir irgendwann zu wieder und das Pöstchengeschwiebe war gelinde gesagt z.K. .
Also nichts für Ungut, nur weil jemand nicht wählen geht ist ihm das politische Geschehen nicht egal.
Die Parteien, insbesondere die Volksparteien sollten zur Besinnung kommen und endlich sachorientierte Politik machen, statt Kleintel oder Lobbypolitik.
@Olive:
Irgendwie stimmt es, dass die Nichtwähler wegen ihres Nichtwählens die Zusammensetzung des Bundestages passiv akzeptiert haben. (Und die Wähler einer < 5 % Partei haben das nicht, aber die 5 % Hürde war allen Beteiligten vorher klar.)
Aber es sollte doch irgendwie einen Einfluss auf die repräsentierenden Parteien geben. Es ist einfach nicht in Ordnung, dass die massiv von den nicht repräsentierten Wählern profitieren. Deswegen wäre ich dafür, die Mandate an eine Anzahl von Wahlstimmen der Wahlberechtigten zu binden. Und nur die, die diese Anzahl erreichen, sollten dann ein Mandat erhalten. Das würde den Bundestag verkleinern, viel Geld sparen und die Mandatsträger an ihre Verantwortlichkeit bei den Wählern und Nichtwählern erinnern. Übrigens, sehr viele Nichtwähler sind einkommensschwach. Da könnte gut eine sozialere Politik herauskommen.
@161
man mag sich darüber streiten, wie gross der anteil sein mag, aber es dürfte doch unbestreitbar sein, dass es unter den nichtwählern auch solche gibt, denen es tatsächlich gleichgültig ist, von wem sie regiert werden. ohne zahlen zu kennen, würde ich persönlich davon ausgehen, dass es sich um einen erheblichen bis überwiegenden teil handelt. leuten, denen der ausgang der wahl nicht gleichgültig ist und sich dennoch bewusst der wahl verweigert haben, ist m.e. ein denkfehler unterlaufen. als bewusstes statement taugt nichtwählen einfach nicht, leider nichteinmal die ungültige stimmabgabe.
So isses! Scheiss Nichtwählerbashing: http://kiezneurotiker.blogspot.de/2013/09/liebe-nichtwahlerinnen-und-nichtwahler.html
Bei aller berechtigten Kritik am derzeitigen politischen System gibt es beim mündigen Wahlbürger auch sowas wie eine Hohlschuld. Diese „Entertain me!“-Haltung mag zwar dem Zeitgeist entsprechend, aber darauf zu warten, dass einem Mutti die Demokratie erklärt, zeugt nicht gerade von besonders ausgeprägter Hirntätigkeit.
Wie man bei den Piraten sozusagen live und unter der Lupe beobachten kann, existiert eine absolute Zersplitterung persönlicher politischer Interessen, die sich auch bei vielen absichtlichen (neben den absolut uninteressierten Deppen) Nichtwählern manifestiert. Wenn da nicht hundertprozentige Zustimmung zu allen, aber auch wirklich allen Punkten eines Programms gegeben ist (oder, siehe oben, gegeben wird), ist der Wähler schnell ungehalten und mault darüber, dass ja seine Meinung von keiner Partei wirklich repräsentiert wird.
Ansonsten würde ich gerne weniger über die 5%-Hürde debattieren wollen, als über eine grundlegende Reform der politischen Willensbildung, zu der die Parteien laut Grundgesetz lediglich „beitragen“ sollen, die aber in Wirklichkeit die politische Willensbildung fast komplett monopolisiert haben.
[…] Meinungen zu beschäftigen und dass dann die Wählerinnen und Wähler ihrerseits gezwungen sind, Kompromisse bei der Wahl zu […]
Hier werden einfach zu viele Punkte miteinander vermischt und viele einfach überlesen. Die eigentliche Diskussion dreht sich um die 15,7 % Stimmen, die jetzt unberücksichtigt bleiben – ergo Überdenken der 5 %-Hürde (was ja auch in einer Beibehaltung resultieren kann).
Die niedrige Wahlbeteiligung ist eine andere Sache. Und wenn ich schreibe „Wer nicht gewählt hat, wird trotzdem repräsentiert; er/sie hat nur klargemacht, dass es ihm/ihr egal ist, von wem – aus welchen Gründen auch immer“, dann beinhaltet das auch, dass viele sich verarscht fühlen oder keine Übereinstimmung mit den Parteien finden usw. Es war ihnen dann aber egal, wer sie regiert.
Ich wäre im Übrigen auch für die Auswahlmöglichkeit „Niemand von denen“.
Ich habe übrigens meine Stimme bewusst an eine Partei verzockt, die keine Chance hatte; und wenn es nur darum geht, Erststimmenkosmetik zu betreiben und 0,70 € für fünf Flyer mehr zu verschenken.
Dass der derzeitige Politikbetrieb samt Medienschoßhündchen mittlerweile unerträglich ist, darüber können wir an anderer Stelle gerne weiterdiskutieren.
Nichtwählen ist klar die rationalere Alternative: Die Wahrscheinlichkeit, dass man auf dem Weg zur Wahl von einem Auto überfahren wird, ist größer, als die Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Stimmabgabe das Ergebnis der Wahl signifikant beeinflusst. Daher ist es rational, nicht zur Wahl zu gehen. Da allerdings natürlich das politische System nur so lange funktioniert, so lange genügend Leute zur Wahl gehen (und etwas anderes als Extremisten wählen), handelt es sich um ein klassisches soziales Dilemma: Es ist für jeden einzelnen von Vorteil, sich den Aufwand der Wahl zu ersparen, man profitiert aber davon, dass andere wählen gehen und damit das demokratische System, das für die meisten von Vorteil ist, erhalten. Das erklärt ganz gut die moralische Empörung, die mitschwingt, wenn Wähler über Nichtwähler urteilen. Ich persönlich aber finde: Wer keine klare politische Präferenz hat, sollte auch das Recht haben, sich zu enthalten. Daraus eine politische Aussage der Nichtwähler konstruieren zu wollen (Unzufriedenheit mit dem politischen System oder Zufriedenheit mit dem politischen System), halte ich für hoch problematisch. Der Nichtwähler äußert seine politische Meinung ja gerade nicht.
Zur 5%-Klausel: Wie oben bereits ausgeführt, würde eine Absenkung der 5%-Hürde uns eine große Koalition auf unabsehbare Zeit garantieren. Die Funktion der 5%-Hürde ist es, eine Zersplitterung des Parlaments in viele kleine Parteien, die eine Koalitionsbildung und Regierungsarbeit drastisch erschweren würde, zu verhindern. Insofern ist es schon einigermaßen ironisch, dass sie genau dann in Frage gestellt wird, wenn sich die politische Landschaft in zunehmend kleinere und wenig kompromissbereite politische Strömungen unterteilt. Meine persönliche Meinung dazu: 5%-Hürde beibehalten, aber dafür direktere Mitsprachemöglichkeiten ermöglichen. Dass man das Gefühl hat, durch eine bestimmte Partei nicht optimal repräsentiert zu werden, lässt sich (bei dem Wegfall klassischer politischer Millieus) nur bedingt durch mehr Parteien lösen, wozu noch zusätzlich das Problem kommt, dass diese in Koalitionen ihr Programm ohnehin nur bedingt vertreten könnten. Das Problem würde sich allerdings leicht lösen lassen, indem man die Bürger zu konkreten, drängenden Problemen direkt nach ihrer Meinung fragt.
@157 Ujar:
Lies dir mal meinen Kommentar 140 ab „Diesbezüglich habe ich jetzt auch noch einen Beitrag zum Brainstorming“ durch. Da habe ich das mit den 95% mal gerechnet.
Ich hab da noch einen Vorschlag: Zweiklassenparlament. 5 %-Hürde für Parteien/Abgeordnete mit Stimmrecht, natürliche Hürde (siehe Kommentar #140, Stephan Beyer) für P/A mit Rederecht. Hatten wir so ähnlich schon bis 1990 für Abgeordnete aus West-Berlin. Sie durften reden, aber nur in puncto BT-Geschäftsordnung abstimmen.
Und den Sonneborn oder einen Loriot könnte der Bundestag wirklich gebrauchen. ;-)
Warum kleine Parteien – allen Problemen zum Trotz – wichtig sind, kann man meiner Meinung nach gut in den USA sehen. Dort gibt es aufgrund des Mehrheitswahlrechts ein klassisches Zweiparteiensystem, und wenn, wie es nach meinem Eindruck dort der Fall ist, beide Parteien einen ziemlich krassen Wirtschaftsliberalismus unterstützen, dann sind die Möglichkeiten der Basis, etwas daran zu ändern, stark begrenzt.
Eine Parteigründung (bzw. -abspaltung) scheint mir hierzulande dagegen eine recht praktikable Methode zu sein, mit kritischen Positionen Gehör zu finden. Die Erfolge der Linken, zeitweise der (von den Medien inzwischen weitgehend ignorierten und deswegen angeblich „irrelevanten“ gewordenen) Piraten sowie leider auch der AFD zeigen ja, dass viele Deutsche mit den etablierten Parteien nicht mehr zufrieden sind.
Die 5-%-Hürde ganz abzuschaffen, fände ich auch übertrieben. Eine Senkung wäre vielleicht nicht verkehrt – auch wenn ich persönlich nicht allzu begeistert wäre, wenn ausgerechnet FDP und AFD davon profitierten.
Eine Wahloption „gegen alle“ bzw. „keinen von denen“ ist untrennbar mit einer Wahlpflicht verbunden. Auch darüber müsste man reden, wenn denn Nichtwählen demokratietheoretisch problematisch wäre.
@168
wie sie von der (vermeintlichen) rationalität des nichtwählens zu den vorzügen der direkten demokratie kommen, entbehrt nicht einer gewissen ironie. sowohl bei der repräsentativen, als auch bei der direkten demokratie ist die beteiligung der wahlberechtigten absolute vorraussetzung
@172
„Eine Wahloption »gegen alle« bzw. »keinen von denen« ist untrennbar mit einer Wahlpflicht verbunden.“
warum?
@174
Das ist Alternativlos, aber nicht mein Duktus.
[…] eine Reform des Wahlrechts plädieren u. a. Stefan Niggemeier, Michael Schmalenstroer (sein Text auch auf Carta) und Andreas Grieß, weil sie eine große Zahl […]
Wer nicht wählen geht, der entscheidet sich bewusst dagegen, an der Zusammensetzung des Parlaments mitzuwirken. Daran sehe ich weder etwas Frevel- noch etwas Heldenhaftes.
Die Gründe sind mannigfaltig: Unzufriedenheit mit dem gesamten System mag einer davon sein. Ehrlich gesagt bietet das Parteienspektrum aber nun wirklich genug Möglichkeiten, Unzufriedenheit auszudrücken: Von extrem links (MLPD) bis extrem rechts (NPD) und völlig neben der Spur (Die Violetten) ist alles dabei. Gar nicht zu wählen taugt da als Meinungsäußerung am allerwenigsten.
Nicht wählen kann man aber auch, weil man glaubt, dass das Wahlergebnis keinen systematischen Einfluss auf die eigene Lebenssituation hat (was keine so falsche Einschätzung sein muss…), oder weil man in der Fülle der Sachthemen keine klare Präferenz herausbildet. Oder aber, weil einen – und das sehe ich bei der Mehrheit der Nicht-Wähler so, die Sache einfach nicht interessiert oder man sie intellektuell nicht bewältigen kann.
Ich seh keinen Schaden der Demokratie, wenn Menschen freiwillig nicht wählen gehen.
Die Nichtwähler haben meiner Meinung nach Ihre Legitimation gegeben, alle die jetzt ausrechnen, dass selbst die große Koalition keine Mehrheit der Wahlberechtigten repräsentiert, versteht das Statement eines Nichtwählers in meinen Augen falsch. Er sagt nämlich nicht „nicht mit mir“, sondern „mir egal“.
Ich finde aber die 5% Klausel gut, weil das Land sonst unregierbar wird, was man ja manchmal schon in Italien gesehen hat.
@ Olive 154
Ob Herr Battis als Sozi-Ideologe rechnen kann oder nicht weiss ich nicht. Berechnet auf dieser Formalanalyse zur BT-Wahl am letzten Sonntag http://blog.nassrasur.com/2013-09-23/mehrheitslegenden-formanalyse-der-bundestagswahl-hauptergebnisse-vom-22-september-2013/ und unterstellt, es gäb nächst bei Bund(estags)wahlen 2017 bei geschrumpften etwa 60 Millionen Wahlberechtigten etwa 40 Millionen gültige Zweitstimmen und die Optionen einer milden Sperrklausel von 1 bis 2 Prozent, dann wären jeweils nötig, um ins Hohe Haus genannten Bundestag zu kommen a) bei 1 % ~ 400.000, b) bei 1,5 % ~ 600.000, c) bei 2 % ~ 800.000 Zweitstimmen. Alles was drüberläge wie Battis´ 3-Prozentotion und der BVerfG-Spruch für 3 % bei der EU-Parlamentswahl 2014 sind im Grunde 5-%-Sperrklausel en miniature und damit Augenwischerei …
Über Attacken auf die Nichtwähler kann ich nur noch den Kopf schütteln – kommen sie doch meist von Medien, die uns gleichzeitig einreden wollen, dass wir nur die vier „etablierten“ Parteien (wobei mit der vierten etablierten Partei meist die FDP gemeint ist und nicht etwa die Linke) wählen „dürfen“ und nicht die „Extremen“. Das heißt, wir sollen zwar wählen gehen, aber wir sollen auch nicht so wählen, dass sich irgend etwas ändert. Wenn wir doch die „Falschen“ wählen, zählen wir genauso zu den „Schmuddelkindern“ wie die Nichtwähler. Na super.
Die Möglichkeit, kleinere Parteien zu wählen, ist mir übrigens deutlich lieber als eine Ausweitung der direkten Demokratie. Bei letzterer Option wäre die Gefahr von interessengeleiteter Manipulation durch (kapitalkräftige) Medien glaube ich viel, viel größer.
Das Sulen im Selbstmitleid und Elend über die eigene bequeme Politikverdrossenheit, Interessenlosigkeit an Poltik scheint höheres Gut, der turnusmäßige Aufschrei über die ach so schlimme Demokratie alle vier Jahre scheint mindestens ebenso alternativlos zu sein, wie die (auch oft zu Recht gescholtene) Arbeit der Regierung, des Parlamentes und der Parteien.
Wie oben (159) schon erwähnt, ich bin gegen die Legitimierung der Bequemlichkeit und Lethargie und finde die 5% Hürde muß beibehalten werden. Es sind hier auch weitere sehr eindringliche und nachvollziehbare Gründe genannt worden, warum es diese Einstiegshürde gibt und warum sie wichtig bleibt. Als weiteren Gedanken würde ich evtl. die Abschaffung von dauerhaften Koalitionen und Verbot von Fraktionszwängen ins Spiel bringen (das widerspricht der Verantwortung vor dem eigenen Gewissen eines jeden Abgeordneten), so könnte eventuell wieder eine ehrliche und förderliche Auseinandersetzung und Debatte innerhalb der Parteien und im Bundestag gefördert werden.
Des weiteren sollte der Sachverstand wieder in die Ministerien zurückkehren, damit die elende und ausufernde Lobbyarbeit endlich ein Ende findet und eben dem mit eigenem Sachverstand begegnet werden kann.
Es ließe sich sehr viel in diesem Land und mit der bestehenden, nicht gegen sie, Demokratie optimieren und verändern. Aber dies muß eben auch entsprechend mit zur verfügung stehenden demokratischen Mitteln bei Politikern und Parteien eingefordert werden. das geht eben nicht, wenn man sich nur bei einer Wahl alle vier Jahre für Politik interessiert.
Zitat: „Die Nichtwähler haben meiner Meinung nach Ihre Legitimation gegeben, alle die jetzt ausrechnen, dass selbst die große Koalition keine Mehrheit der Wahlberechtigten repräsentiert, versteht das Statement eines Nichtwählers in meinen Augen falsch. Er sagt nämlich nicht »nicht mit mir«, sondern »mir egal«.“
Nur deine Meinung.
Andere denken genau andersrum.
Und möglichweise ist an beidem was dran :-)))
[…] 3. Aus der Fünfprozenthürde muss eine Zweiprozenthürde werden. Sowohl bei der Bayernwahl als auch eine Woche später im Bund fielen rund 15 Prozent der Wähler raus. Stefan Niggemeier bringt es auf den Punkt: […]
Was der Albert sagt (#177).
@zwiesel #173: Ich persönlich mache natürlich selbstverständlich von meinem Wahlrecht gebrauch. Ich wende mich in meinem Kommentar lediglich dagegen, das Nichtwählen in irgendeiner Art als politische Aussage (gegen oder für ein Einverständnis mit dem politischen System) zu interpretieren. Das mag zwar im Einzelfall eine Rolle spielen, aber gegen eine solche Interpretation spricht, dass es ganz rationale Gründe gegen das Wählen gibt, nämlich das bei 60 Millionen Wahlberechtigten die Wahrscheinlichkeit, dass die eigene Stimme einen Einfluss hat, bei 0,0000002 liegt. Dass man trotzdem wählen sollte, habe ich oben ausgeführt. Allerdings kann man nicht erwarten, dass die 0,0000002 jedem genügen. Das sollte man dann aber nicht unbedingt als politische Aussage werten.
Direkte Demokratie hat durchaus dasselbe Problem. Würde man zu bestimmten Themen direkte Entscheidungen der Bürger zulassen, müsste man selbstverständlich aushalten, dass sich eine große Anzahl davon der Stimme enthält. Ich persönlich bin aber der Meinung, diese Aussage sollte als das interpretiert werden, was sie ist, eine Enthaltung (aus welchen Gründen auch immer). Daraus entweder ein Einverständnis oder eine Ablehnung des Ergebnisses oder des Abstimmungsvorgangs abzuleiten, ist meiner Meinung nach unzulässig. Ich würde daher auch nicht der These zustimmen, dass damit die Wahl nicht legitimiert ist. Die repräsentative Demokratie lebt ja gerade davon, dass die Bürger bestimmte Entscheidungen (an die Politiker) delegieren. Die Nichtwähler sind da bereits eine Stufe weiter und delegieren (freiwillig) bereits die Frage, wer sie repräsentieren soll, an andere Personen (die Wähler).
@Nev #179: Bei einer repräsentativen Demokratie ist die interessengeleitete Manipulation natürlich wesentlich einfacher, weil sie nur eine kleine Minderheit (die Mehrheit im Parlament, also rund 300 Personen) überzeugen müssen, was leichter zu bewerkstelligen ist als mehrere Millionen Wahlbeteiligte von der eigenen Position zu überzeugen. Natürlich können Sie argumentieren, dass die Bevölkerung zu dumm ist, um ihre eigenen Interessen zu kennen und daher leicht durch Medien zu beeinflussen ist. Das könnte aber als überhebliche und im Kern undemokratische Position angesehen werden. Zumindest wäre es doch ein interessantes Experiment, wenn die politikverdrossenen Wähler plötzlich die Konsequenzen ihrer eigenen Entscheidungen tragen müssten.
[…] Die FDP ist eine reine Westpartei, ohne nennenswerte Stammwähler -, der Liberalismus ist out. Die Linke ist eine reine Ostpartei, ohne nennenswerte Verankerung im Westen -, der Sozialismus ist out. Die Grünen sind eine Westpartei, der die alternativen Themen ausgegangen sind, sie brillieren im wertkonservativen Öko-Bürgertum. Ihr Markenkern “Grün” ist zum beliebigen Werbeslogan verkommen. Die Ideen der Nachhaltigkeit sind von der Industrie gekapert, um Gewinne zu maximieren und Unternehmenswerte aufzupolieren. Der Strom, die Bahncard sind grün. Die Grünen sind als politische Alternative out. Die Grünen und die FDP meinten die Wahlen werden in der Mitte gewonnen und haben übersehen, dass sie hier auch verloren werden. Beide Parteien haben nicht verstanden Teile der 6,86 Millionen(15%) von 44 Millionen Wählern, die der Sperrminorität zum Opfer gefallen sind zu integrieren. Wähler die jetzt “ignorabel” sind. Mit diesem Ergebnis ist jetzt auch eine rege Diskussion über die Sinnhaftigkeit der 5 % Sperrminorität entstanden. […]
@Stefan, Albert (#177)
Alles Richtig
aber:
Deutschland, Land der Aufklärung.
Bitte – wenn wir uns keine Gedanken mehr darüber machen, wie wir die 30 % der Nichtwähler mitnehmen und auch die 15,7 % der Wähler deren Stimmen nicht im Bt repräsentiert werden, dann machen wir uns demnächst auch keine Gedanken mehr über die Änderungen und fummeleien am GG.
Demokratie funktioniert eben nur, wenn möglichst alle mitmachen.
Aber um nochmal zur 5% Hürde zu kommen, den Vorschlag, dass solange Parteien Sitze erhalten bis eben mindestens 95 % der Wähler repräsentiert sind präferiere ich bis jetzt.
Aber auch wenn das funktionieren sollte und eingeführt wird, was ich am Handeln der momentanen machtpolitischen Klasse bezweifle, sollten wir dennoch versuchen die Nichtwähler weiter aufzuklären und zu motivieren Ihr Wahlrecht wahrzunehmen.
Auch solange sie nur die Wahl zwischen den kleineren Übeln haben.
Denn klar ist, wer nicht wählt gibt den Regierenden immer die Möglichkeit zu Aussagen wie in #178 von Dombrero geäußert, ob nun korrekt oder nicht.
@Wahlzwurgel, #181:
was heisst denn, “ Legitimierung der Bequemlichkeit und Lethargie“ ?
7 Millionen Wähler waren am Sonntag eben nicht bequem und/oder lethargisch, sondern haben sich ( unabhängig von der gewählten Partei ) für die Teilnahme an der Wahl entschieden, und damit den Wunsch demonstriert, die politische Zukunft dieses Landes mitgestalten zu wollen. Dass ihre Stimmen aber nun gar keine Rolle spielen, halte ich für ausserordentlich problematisch.
Ich sage ja nicht, dass es überhaupt gar keine Einstiegshürde geben darf, aber die in #140 von Stephan Beyer skizzierten Vorschläge halte ich durchaus für sinnvoll.
Ich finde ja, in letzter Zeit verhebt sich Herr Niggemeier ein bißchen an seinen Themen, aber gut; es ist ja sein privater Blog.
Die Diskussion um die Berechtigung der 5%-Klausel ist uralt und wird seit Jahrzehnten immer wieder geführt. Es gibt gute Gründe für die 5%-Klausel und (mE) weniger gute Gründe dagegen. Dass Herr Niggemeier so tut, als müsse man endlich mal über die 5%-Klausel sprechen, ist daher absurd.
Zur Sache: Natürlich bestünde auch heute noch die Gefahr einer Zersplitterung des Parlaments. Wo heute nur vier oder fünf Fraktionen sitzen, hätten wir noch zig weitere, klitzekleine Parteichen sitzen, die ohnehin kaum etwas bewirken könnten, die aber die Sitzungsabläufe erheblich stören würden. Und die jede kleine Möglichkeit zur Profilierung nutzen würden.
Dass Stimmen im Ergebnis für die Sitzverteilung nicht berücksichtigt werden, wie Herr Niggemeier beklagt, ist richtig. Man muss aber mal feststellen: Hätten wir, wie in anderen Staaten, ein reines Mehrheitswahlrecht, wie es hier auch schon gefordert wurde – mehrere Kandidaten, derjenige mit den meisten Stimmen gewinnt -, dann würden alle Stimmen für die Verlierer „verfallen“. Bei der Erststimme ist das so: Wenn Sie den SPD-Mann wählen und der CDU-Mann gewinnt, war Ihre Stimme für den Mülleimer, Sie hätten auch gleich ganz zu Hause bleiben können.
Wir haben aber eine Kombination von Mehrheitswahlrecht und Verhältniswahl, wobei bei der Zweitstimme durch die 5%-Hürde quasi nochmal eine Kombination beider Verfahren erfolgt: grundsätzlich ist nur das Verhältnis aller Stimmen zueinander maßgeblich, aber letztlich „gewinnen“ trotzdem nur die Parteien mit den meisten Stimmen (alle über 5%). Ich finde das in Ordnung.
Bei einem reinen Mehrheitswahlrecht, wenn wir also quasi alle nur die Erststimme hätten, säßen übrigens im Parlament nahezu ausschließlich CDU-Leute und ein paar SPD-Leute, kaum wahrnehmbar ein-zwei-drei Linke und ein einsamer Grüner (Ströbele). Alle anderen Stimmen wären „verloren“.
@Stanz: Ich habe gar kein Mehrheitswahlrecht gefordert, im Gegenteil. Und andere Leute finden es angesichts des Wahlergebnisses gar nicht so „absurd“, endlich einmal ernsthaft über die Fünf-Prozent-Hürde zu reden, über ihre Senkung oder Abschaffung oder Alternativen: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/parlament-ohne-kleinparteien-von-arnim-fordert-neue-wahlzettel-a-923993.html
Es gab hier im Forum mittlerweile einige Vorschläge zur Veränderung oder vermeintlichen Verbesserung des Wahlrechts, so dass mehr Wählerstimmen sich im Parlament repräsentiert würden.
Der Initiator des Blogs könnte ja vielleicht mal eine Zusammenfassung liefern und wir könnten eine kleine Abstimmung initiieren.
Vielleicht anschließend eine Petition einreichen?!
@185: „Natürlich können Sie argumentieren, dass die Bevölkerung zu dumm ist, um ihre eigenen Interessen zu kennen und daher leicht durch Medien zu beeinflussen ist. Das könnte aber als überhebliche und im Kern undemokratische Position angesehen werden“
Da ist zwar was dran, allerdings würde ich nicht behaupten, die Bevölkerung sei dumm. Sie wird allerdings durch ein einseitig ausgerichtetes Mediensystem und geschickte PR beeinflusst, und diese Einflüsse nehmen nach meinem Eindruck durchaus zu (in den USA noch mehr als hierzulande). Jemand, der gezielt manipuliert wurde, ist deswegen noch lange nicht dumm, auch wenn das hartnäckig behauptet wird (z.B. wenn mal wieder viele Anleger mit einem heftig beworbenen und aggressiv vermarkteten Finanzprodukt Geld verlieren, weil sie gezielt falsch informiert wurden – dann heißt es hinterher auch immer: „Aber die Kunden wollten dieses Produkt doch unbedingt, und sie hätten sich ja besser informieren und die 100 Seiten Kleingedrucktes lesen können“). Nahezu jeder ist manipulierbar, wenn er/sie mit einseitigen Informationen bomardiert wird – vor allem, wenn dann auch noch ein geschickt geschürter Gruppendruck dazu kommt.
Von Politikern kann man zumindest erwarten, dass sie Zeit und Gelegenheit dazu haben, die krasseren Manipulationen durch Interessengruppen zu hinterfragen. Ob sie das immer tun, ist natürlich die andere Frage. Meiner Meinung nach sollte es allerdings die Aufgabe kleinerer Parteien sein, hier Druck auf die großen auszuüben.
Noch lieber wäre mir allerdings, wenn es keine ständige (und zunehmende) Manipulation/Desinformation durch PR mehr gäbe. Dann könnte man auch eher über direkte Demokratie reden.
Was wir jetzt haben zeigt schon sehr deutlich, wie wenig der „wirkliche“ Wählerwille aufgrund der 5-%-Hürde im Parlament abgebildet wurde. Z.B. wurden vom Wähler nicht mehrheitlich Linke Parteien (SPD,Grüne,Linke,Piraten) gewählt, sondern es gibt eine bürgerlich-liberale Mehrheit (Union,FDP,AfD). Sollte es jetzt auch noch dazu kommen, dass wir am Ende rot-rot-grün regiert werden (wünschen sich so wie ich das in den Umfragen mitbekommen habe unter 20 % der Wähler), dann kann doch von einem vom Wähler gewollten Wahlergebnis keine Rede mehr sein.
Drei Parteien (FDP,AfD,Piraten), die von Millionen Menschen gewählt wurden, die auch gerade keine Volksparteien für die breite Masse sind und sich eher durch speziellere, aber deshalb für den politischen Diskurs nicht minder wichtigere und bereichernde Themen auszeichnen sind im aktuellen Bundestag nicht vertreten. Das empfinde ich als krasse Übervereinfachung der politischen Landschaft.
Eine Beibehaltung der Hürde ist zwar schon sinnvoll, um eine Atomisierung des Palaments zu unterbinden, aber die Hürde ist doch relativ plump, weil sie der Pluralisierung der Gesellschaft nicht Rechnung trägt.
Ich finde den Vorschlag in Nr. 140 sehr sehr interessant und diskussionswürdig. Man bräuchte im Grunde nichts weiter am Stimmensystem usw. ändern und hätte doch auch eine Quasi-5-%-Hürde. Nur eben von oben nach unten also inkludierend nicht ausschließend gedacht. Sehr viel cleverer und realitätsabbildender. Bitte unbedingt weiter verfolgen.
Bei 71.5% Wahlbeteiligung, ist die 5% Hürde, selbst über mehrere Parteien kumuliert nicht wirklich relevant.
ICH hätte gerne eine wortwörtliche Alternative zur „alternativlosen“ EU-Politik von Merkel gehabt. Jetzt können Union und SPD weiter fröhlich unser Geld verbrennen und unsere Zukunft ruinieren. Super.
Und was Ihr immer mit „rechtes Gedankengut“ habt: Die AFD ist rechtskonservativ und das ist auch gut so! Im Grunde steht die AFD dort, wo die Union inhaltlich vor 20-30 Jahren stand, bevor es einen Linksruck gab. Im übrigen, Bernd Lucke hat sich mehrfach deutlich von Rechtsradikalen abgegrenzt. „Rechts“ist politisch völlig legitim, sofern keine extremistische und demokratiefeindliche Absichten dahinter stehen (vergl. NPD).
@ 169 Stephan Beyer
Interessante Rechnung in deinem Beitrag. Es wäre auch mal spannend zu schauen, zu welcher Sitzverteilung es in den vergangenen Bundestagswahlen gekommen wäre, wenn das Prinzip: Schrittweise Absenkung der 5%-Hürde, bis 95% der abgegebenen Zweitstimmen im Parlament repräsentiert sind, damals schon gegriffen hätte. Auf den ersten Blick, denke ich, wären die Unterschiede nicht so groß. 1994 und 2005 gäbe es sogar gar keine Abweichungen.
Könnte mir bitte mal jemand erklären was an der 5% Hürde so toll und wichtig ist, dass sie bestehen bleiben muss? Ich habe hier noch nicht einen guten Grund gelesen der für die 5% spricht, aber jede Menge dagegen.
@151: „das ist doch unfug. dann gäbe es die gleichen koalitionen wie jetzt, die ganzen splitterparteien […] wären doch ohne jeden zweifel immer nur in der opposition.“
Ganz entschiedener Widerspruch: Die „kleinen Koalitionen“, also z.B. Rot-Grün aber auch Schwarz-Gelb, würden viel häufiger nicht die Mehrheit der Stimmen haben, wenn noch viel mehr „Sonstige“ im Parlament wären. Also entweder eine ewige große Koalition – oder israelische Verhältnisse: Eine kleine Gruppe (dort meistens die ultraorthodoxen Siedler vertretend) kann in ein, zwei Punkten, die ihr wichtigen Anliegen durchsetzen, weil in den anderen Politikfeldern das Regieren mit ihr leichter ist, als mit dem politischen Gegner. (Aber lasst uns bitte bei den deutschen Verhältnissen bleiben, und in diesem Zusammenhang nicht auch noch die israelische Politik diskutieren)
[…] Quelle: http://www.stefan-niggemeier.de/blog/koennen-wir-jetzt-bitte-mal-ueber-die-fuenf-prozent-huerde-rede… […]
Ich finde nicht, dass der Wählerwillen falsch repräsentiert wird, weil etwa die AfD jetzt nicht im Parlament ist. Die CDU/CSU bzw. die auch die FDP haben schon mitbekommen, dass sie einen großen Bereich im Meinungsspektrum übersehen haben. Wenn beide Parteien darauf reagieren sollten, würden einige Themen der AfD eben auf diesem Wege Gehör finden.
Zudem – wären die AfD oder wegen mir auch die Piraten im Bundestag, wären sie mit Sicherheit in der Opposition und hätten damit kaum Einfluss auf die Gesetzgebung. Ist also kein so großer Unterschied zur jetzigen Situation.
@198 o aus h: Ist das ein Grund, warum Israel partout seine Haltungen nicht ändern kann? ;)
Rücksichtnahme in allen Belangen auf alle möglichen Strömungen führt immer weiter zur Verwässerung, das Beharren auf dem Status quo wäre noch größer. In D ist es so schon schwer genug, ein Gesetz durch Bundestag und Bundesrat zu bringen. Viele Gesetze sind ohne Zustimmung der SPD schon jetzt nicht möglich, egal wie die Regierung aussieht. Ich finde eher, die Regierung sollte mehr Möglichkeiten haben, ihren Willen durchzubringen. Unklare Mehrheiten würden aber alles noch weiter verzögern.
@200 Natürlich wäre das ein Unterschied. Vom Rederecht mal ganz zu schweigen, gibt es Instrumente, die die Opposition einsetzen kann: Anfragen, Untersuchungsausschüsse, Mitwirkung in Ausschüssen, Normenkontrollklagen. Das ginge bei einer großen Koalition momentan nicht: Grün-Links hätte keine 25%!
Ergänzend bleibt aber die Frage, wieviel sich wirklich an Stimmen dahinter in Relation zu allen Wahlbeteiligten verbergen. Und das ist dann deutlich geringer.
Aktuell sind das 41,5 % von 71,5 % von 100 % bleiben eben nur gut knapp 29 % aller Stimmen. Das heisst, 29 % der Wahlberechtigten dominieren 71 %. Dabei hochlobende Prädikate zu benutzen, entbehrt jeder Grundlage. Erst recht, davon zu sprechen, der fast überwiegende Teil der Bevölkerung wolle die CDU.
Noch geringer ist die Zahl der Menschen, die sich in Parteien engagiert und die Kandidaten aufstellt. Das gehört unweigerlich zu diesem Thema dazu. Letzlich überlassen wir weniger als 1 % der Wahlberechtigten die Auwahl. Da liegt ein Teil des Skandals unserer Demokratie. Solange wir es auf das Kreuzchen machen beschränken, ist das zu wenig. Die Teilnahme an der Wahl sollte den Grundstock legen, sich aktiv am politischen Geschehen IN DEN VORHANDENEN PARTEIEN zu beteiligen. Das kostet aber Zeit und Kraft, die interessanterweise die wenigsten bereit sind, aufzubringen. Schade …
Die 5 % Hürde hat ihre Berechtigung. Damit soll es ein Spektrum an Parteien geben, das auch die Möglichkeit hat, zu regieren. Rein theoretisch könnte der Bundestag mit dieser Hürde aus 20 (!) Parteien bestehen.
Einige der Kleinstparteien sind doch letztlich nur Splitter der großen Parteien. Sie werden zu persönlichen One-Man-Shows und dienen an einigen Stellen nur der Befriedigung der Mediengeilheit der Führungskräfte, die sich anderwo nicht unterordnen wollen.
Aber ein System, bei dem die Hürde dynamisch nach unten angepasst wird, widerspricht doch dem Grundgedanken der Hürde. Denn dadurch wird einer Zersplitterung des BT in kleinere Fraktionen nicht mehr vorgebeugt. Je mehr Kleinparteien es geben sollte, desto mehr würden dann auch in den BT einziehen. Da könnte man sich die Hürde auch ganz sparen.
Hat es jetzt wirklich bis zu Kommentar #195 gedauert, bis ein AfD-Anhänger hier aufgetaucht ist, um Werbung für seinen Verein zu machen? Das ist ja schon fast enttäuschend.
Das mit der Erfahrung von Weimar ist Blödsinn, der auch durch dauerndes Wiederholen nicht richtiger wird. Weimar ist nicht an ein paar exotischen Abgeordneten zugrunde gegangen, sondern an einer antidemokratischen Mehrheit. Und deren rechter Flügel hatte die Unterstützung der Grossteils der Eliten in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft und konnte daher der Demokratie den Garaus machen.
Der Parlamentarische Rat hat daher die Idee einer Sperrklausel bei der Beratung des Grundgesetzes und des ersten Wahlgesetzes auch verworfen. Allerdings waren die Alliierten mit dem Wahlgesetz nicht zufrieden und haben entgegen der Bestimmungen des GG die Ministerpräsidenten der Länder mit der Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes beauftragt welches dann eine 5% Hürde auf Länderebene enthielt. Von den schrecklichen Weimarer Verhältnissen war da aber auch noch nicht die Rede, keine Ahnung wann der Mythos erfunden worden ist.
Ich glaube nicht, dass die Demokratie kaputt geht, wenn man die 5-Prozent-Hürde senkt oder abschafft. Im Gegenteil. Natürlich setzt dies aber grundlegende Änderungen am bisherigen System voraus. Denn bequeme Zwei-Parteien-Koalitionen für die Kanzlermehrheit gibt es dann nicht mehr – aber die werden ja auch bei Beibehaltung der 5%-Klausel augenscheinlich immer schwieriger.
Wir müssten uns von dem Gedanken stabiler Regierungskoalitionen verabschieden und auf eine sachorientierte Parlamentsmehrheit mit – je nach verhandeltem Thema – stetig wechselnden Mehrheiten umsteigen. Das empfände ich sogar als einen Zugewinn der Demokratie, denn dann fielen die Sachentscheidungen endlich nicht mehr nach Koalitionszwängen, sondern nach Wählermehrheit.
Das setzt natürlich voraus, dass man die zu vergebenden Regierungsposten (Kanzler, Minister etc.) von – dann nicht mehr zu erzielenden – dauerhaften parlamentarischen Mehrheiten entkoppelt. Dies ginge entweder durch Direktwahl oder indem diese Positionen nicht mehr als politische Ämter vergeben werden, sondern als rein administrative Positionen, deren Inhaber an die Parlamentsbeschlüsse gebunden sind und deren Aufgabe darin besteht, diese exakt so umzusetzen, wie sie von der jeweiligen Beschlussmehrheit gefasst wurden.
Da eine solche Veränderung hierzulande natürlich nicht durchsetzbar ist, begrüße ich allerdings auch die Idee sehr stark, auf dem Wahlzettel eine Alternativstimme abgeben zu können, für den Fall, dass die von mir gewählte Partei an der 5%-Hürde scheitert. Ich würde nämlich meinen Arsch darauf verwetten, dass beispielsweise die Piraten (die ich gewählt habe) reingekommen wären, wenn es diese Option bereits gegeben hätte und nicht so viele Leute befürchtet hätten, dass ihre Stimme (so wie meine jetzt) unter den Tisch fällt. Oder aber der Verlust der Grünen und der Linken wäre weniger stark ausgefallen.
Ergebnis des jetzigen Verfahrens ist jedenfalls, dass ich mich von diesem Parlament nicht repräsentiert fühle. Was ich schade finde, denn ich fühle mich als überzeugter Demokrat. Ein Wahlverfahren jedoch, das 15% der Wählerstimmen nicht berücksichtigt, ist kein demokratisches.
„Ein Wahlverfahren jedoch, das 15% der Wählerstimmen nicht berücksichtigt, ist kein demokratisches.“
Blödsinn, der voller Überzeugung geäußert wird, ist trotzdem noch Blödsinn.
zum Nichtwählen: ich persönlich finde es gut, dass wir in diesem Land keine Wahlpflicht haben, sondern es dem wahlberechtigten Menschen selbst überlassen ist, von seinem Recht Gebrauch zu machen. Dazu gehört auch zu akzeptieren, dass jemand, der sich von diesem politischen System nicht berücksichtigt sieht, der Veranstaltung fern bleiben darf.
Aus eigener Beobachtung möchte ich jedoch darauf hinweisen, dass wir in unserer älter werdenden Gesellschaft eine nicht ganz so kleine und größer werdende Gruppe von Menschen haben, für die sich das Thema krankheitsbedingt erledigt hat, ohne dass sich damit ihre Rechtsfähigkeit und damit ihr Wahlrecht formal mit erledigt.
@206
Danke, das sehe ich genauso, dachte aber, das gehöre hier nicht her. Weg mit Koalitionen, her mit der sachlichen Diskussion. Es kann ja nicht sein, dass Opposition immer nur ein Dagegen ist.
Auch dürfen Minister kein BT-Mandat haben. Wir tun immer nur so, als hätten wir Gewaltenteilung.
@207
Was meinst Du mit krankheitsbedingt? Die schaffen’s nicht zur Urne oder sind selbst bald drin? [/zynismus]
Da wird gross über die „verlorenen“ Zweitstimmen geredet, aber keiner interessiert sich für die (sehr grob geschätzten) 50% verlorenen Erststimmen die auch umsonst abgegeben wurden.
Die sind ja auch nicht repräsentiert und ihre Stimme ist auch verloren. Da müssen wir doch auch was machen!
Ernsthaft:
Ich habe sowohl bei der Erststimme als auch bei der Zweitstimme einen „Verlierer“ gewählt. Ich denke dennoch nicht dass meine Stimme verloren ist. Den Direktkandidaten bringt jede Stimme eine gewisse Bestätigung, den Parteien bringt jede Stimme oberhalb eines gewissen Niveaus (das ich auch gut finde) Geld für die Arbeit.
Ich bin weiterhin für eine fixe Hürde (Ob das nun 5% sind oder irgendwas anderes ist mal egal) für den Einzug in den Bundestag. Ich bin gegen flexible Hürden, das macht es schwerer sich das durchzudenken und wahrscheinlich auch wieder ein bisschen intransparenter. Bei X% kann meine eine Latte hinlegen und wer größer ist darf rein. Das ist das schöne bei einer festen Regel: Sie ist einfach zu verstehen, und das muss es bei einer Wahl auch sein. Alles was floatet und nicht fest ist ist schwer verständlich und sorgt für Verdruss und kann im Zweifel auch missbraucht werden (siehe beispielsweise Überhangmandate – die versteht man ja auch nicht so ohne weiteres)
[…] Können wir jetzt bitte mal über die Fünf-Prozent-Hürde reden? – Stefan Niggemeier macht sich Gedanken über die Fünf-Prozent-Hürde. Ich weiß nicht so recht ob man sie abschaffen sollte, aber vielleicht senken. Lest selbst. […]
Dem bereits von mehreren Kommentatoren angesprochenen „Skandinavischen Modell“ steht das Grundgesetz nun durchaus offen gegenüber: Nach Art. 63 Abs. 4 GG kann der Bundestag den Führer der stärksten Fraktion oder Koalition zum Bundeskanzler wählen, auch ohne das Vertrauen einer absoluten Mehrheit der Abgeordneten.
Und er bleibt nach seiner Ernennung durch den Bundespräsidenten so lange Bundeskanzler, bis entweder der Bundestag mit absoluter Mehrheit einen neuen Bundeskanzler wählt (Art. 67 GG), oder der Bundeskanzler selbst es für aussichtslos hält, für wichtige Gesetzgebungsvorhaben noch eine Mehrheit im Bundestag zu schmieden, und darum über die Vertrauensfrage (Art. 68 GG) Neuwahlen herbeiführt.
Genau so bzw. ähnlich funktionieren seit langer Zeit erfolgreiche Demokratien in Europa (eben Dänemark, Schweden usw.) wie außerhalb (Kanada etwa).
Nirgendwo im GG steht geschrieben, dass der Bundeskanzler sämtliche Vorhaben seiner Bundesregierung bequem mit den Stimmen der immer gleichen, ihm „verpflichteten“ Bundestagsabgeordneten muss durchwinken lassen können.
Ein Bundestagsabgeordneter kann auch einen Kandidaten zum Bundeskanzler wählen, von dem er sagt: „Grundsätzlich ist der die beste Wahl für den Posten, auch wenn ich nicht immer seiner Meinung sein werde.“ (Vermutlich einige Piraten haben das bei den Wahlen des Ministerpräsidenten in den Landtagen von S-H und NRW zuletzt entsprechend vorgemacht.)
Und ein Bundeskanzler kann genauso sagen: „Ich bestimme die Richtlinien der Politik (Art. 65 GG), und schmiede zu deren Umsetzung parlamentarische Mehrheiten von Thema zu Thema.“
Eigentlich sollte das in einer parlamentarischen Demokratie die Normalität sein: Die stärkste Fraktion im Parlament erhält den legitimen „Bonus“, den Regierungschef und somit Impulsgeber für die Gesetzgebung zu stellen. Dieser bildet jeweils Mehrheiten für seine Gesetzgebungsvorhaben, aber auch das Parlament bleibt frei, Mehrheiten für Initiativen aus seinen Reihen zu formen.
Um eine zu große Gruppe praktisch mehr oder weniger isolierter Abgeordneter zu vermeiden, mag man über eine Ein-Prozent-Hürde diskutieren. Damit stellte jede im Bundestag vertretene Partei derzeit wenigstens sechs Abgeordnete, und würde verhindert, dass sich vereinzelte Abgeordnete allzu winziger Splittergruppen, die jede für sich weniger als einen von zumindest 100 Wählern repräsentieren, aufaddieren.
Aber auch der „Machtlosigkeit“ kleiner Gruppen und Fraktionen im Bundestag ließe sich entgegenwirken, indem man die Arbeitsweise des Bundestages ändert.
Im britischen Unterhaus etwa spielen Ausschüsse keine signifikante Rolle, alle wichtigen Themen werden von der Pike auf im Plenum behandelt. Führte man das im Bundestag ein, entfiele auch das „Argument“, mit zu vielen Gruppen und Fraktionen seien Ausschüsse nicht mehr sinnvoll zu besetzen. (Und Nebeneffekt wäre, dass sich niemand mehr über die leeren Ränge im Plenum bei Aussprachen wundert, und es für irrtümlich für eine lahme Ausrede hält, die Abgeordneten säßen eben gerade in ihren Ausschüssen.)
Ich frage daher mit dem von mir sehr verehrten Altbundeskanzler Willy Brandt: „Wollen wir mehr Demokratie wagen?“
Korrektur: Im drittletzten Absatz habe ich Quatsch geschrieben.
Es muss natürlich heißen: “ … weniger als zumindest EIN HUNDERTSTEL der Wähler repräsentieren … „
Ich hielte eine Abschaffung der Sperrklausel für gefährlichen Unsinn, aus den bereits zur Genüge genannten Gründen.
Die 15% „unbeachteter“ Wählerstimmen sind nicht schön, allerdings auch der speziellen Situation mit „gerade so“ rausfliegender FDP,“gerade so“ nicht reinkommender AfD und noch nicht ganz in der Versenkung verschwundener Piraterie geschuldet. Bevor man jetzt vorschnell eine nicht durchdachte Änderung herbeiredet, sollte erst einmal eine weitere Wahl abgewartet werden.
Ich habe eine etwas andere Sicht auf die Dinge: ein großer Prozentsatz an Stimmen kann nur dann wegfallen, wenn es viele „Splitterparteien“ mit nicht unbedeutendem Zulauf gibt. Viele Parteien gab es schließlich früher auch schon, die wurden halt nur nicht gewählt.
Wenn das aber so ist, haben dann nicht auch diese Parteien an der Grenze der Sperrklausel eine Pflicht gegenüber ihren jeweiligen Wählern, sich ein wenig nach der Decke zu strecken? Wahlbündnisse sind ja nun auch keine ganz neue Erfindung – mal gleichbleibende Prozentzahlen vorausgesetzt könnte ein Wahlbündnis aus FDP und Piraten (mit der Kernforderung „Freiheit“) die Hürde überspringen.
@Pjotr (#215):
Sie wissen aber schon, dass das Bundeswahlgesetz (BWahlG) etwa Listenverbindungen im Hinblick gerade auf die Fünf-Prozent-Hürde unter Verweis auf Art. 3 Abs. 1 GG (der nach Art. 19 Abs. 2 GG auch auf juristische Personen wie Parteien anwendbar ist) nicht zulässt?
Möglich sind nur Kandidaturen von Mitgliedern der einen Partei auf Landeslisten oder Kreiswahlvorschlägen der anderen Partei, wie etwa von der damaligen Linkspartei.PDS und der WASG zur Bundestagswahl 2005 praktiziert.
Das aber wiederum wirft in einem in der Praxis streng auf Fraktionsdisziplin und „durchregieren“ getrimmten System die Frage auf, wie es nach einem gemeinsamen Wahlerfolg weitergehen soll? Wie hätten Sie sich die Parlamentsarbeit von Piraten, die über Landeslisten der FDP in den Bundestag gewählt worden wären, und dort dann eine monolithische schwarz-gelbe Koalition hätten mittragen sollen, vorgestellt?
Wenn die sich ändernden Mehrheitsverhältnisse dazu führen, dass an die Stelle fest geschmiedeter Koalitionen mit teils absurden Kompromissen ein an Sachthemen orientiertes Abstimmungsverhalten der Fraktionen oder gar der einzelnen Abgeordneten träte, dann wäre das nun wirklich ein Segen.
Ein Gedanke (der hier womöglich auch schon genannt wurde): wie würde der Wegfall der 5%-Hürde das Wahlverhalten ändern? Viele Wähler wählen bisher vermutlich keine der kleinen Parteien, weil man schon ahnt, dass die Stimme dann verschenkt ist.
@viewer (#218):
Sagen wir einmal so: Überzeugte Unterstützer der Klein- und Kleinstparteien dürften diese auch derzeit schon wählen. Sei es aus dem Idealismus heraus, jenen Leuten, für die das politische Sepktrum nur aus CDU/CSU, SPD, FDP, Grünen und Linken besteht, das Gegenteil zu beweisen, oder weil diese Parteien auf die 0,5-Prozent-Hürde schielen, ab der es Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung gibt.
Vielleicht würde ein Wegfall bzw. eine Senkung der Fünf-Prozent-Hürde den Klein- und Kleinstparteien aber auch mehr Stimmen Stimmen von Wählern bringen, die ihr Kreuz sonst bei einer der – je nach Bundesland – bis zu fünf „großen“ Parteien machen. Das wäre ein Gewinn für die Demokratie, weil dann mehr Menschen ihre Meinung ehrlich ausdrücken würden.
Die in einer Demokratie notwendigen Kompromisse müssen die Parteien den Wählern eben in ihren Programmen anbieten. Sie dürfen sich nicht darauf ausruhen, genau jenes Maß an Kompromissprogramm anzubieten, um mit Hilfe der Fünf-Prozent-Hürde ein maximal Fünf-Fraktionen-Parlament, mit Mehrheit für eine von ihnen gewünschte Zwei-Parteien-Koalition, zu sichern.
Wer substanziell mitbestimmen, gar den Regierungschef stellen, oder an einer Regierunjg beteiligt werden will, der muss eben auch ein Kompromissprogramm anbieten, das ausreichend große Teile der Bevölkerung mitnimmt.
„Wer nicht für das ‚Alternativlose‘ ist, hat Pech gehabt, und eben kein Recht auf politische Repräsentation“, ist eine in Deutschland vielleicht viel und gern vertretene, aber nicht gerade demokratische Einstellung.
Daran ändert auch alles programmatische Gebell, Deutschland sei der demokratischste aller demokratischen Staaten der Welt, nichts.
Viele kluge Kommentare zum Thema habe ich gelesen und nichts Neues einzubringen. Mein Kommentar hat aber mit Demokratie und Parlamentarismus im allgemeinen zu tun.
Nachdem das Prinzip „Liquid Democracy“ von den „Ex!“-Führungskräften der FDP, Brüderle (passiv) und Kubicki (voll aktiv) , weiter entwickelt wird, möchte ich eine neue Komponente in das demokratische Gemeinwesen einzuführen vorschlagen: Den „Anonymen Antrag“ (AA). Der wirkt wie die Methode der anonymisierten Bewerbung oder des pseudonymisierten Blogkommentars. Wer das ernst nimmt, wird sich vorrangig mit dem Antrag und nicht mit der Person, die den Antrag eingebracht hat, beschäftigen. Es zählt hier allein die Kraft der Argumente. Und damit das wirklich funktioniert, soll nicht mit einem, möglicherweise schon mit (Vor)urteilen besetzten, Pseudonym gearbeitet werden, sondern jeder Antrag nur unter einer laufenden Nummer bearbeitet werden.
@Sibirischer Tiger (219): In der Tat gibt es heute Menschen, die eigentlich gerne einer der kleinen Parteien ihre Stimme geben würden, dies aus strategischen Gründen – eben wegen der 5%-Hürde – nicht tun.
Ich finde auch, dass es besser wäre, wenn das System eine „ehrlich“ Stimmabgabe belohnen würde.
Allerdings gibt es dafür eine bessere Lösung, bei der man nicht die Nachteile eines zersplitterten Parlaments hat: Eine Präferenzwahl, bei der man als Wähler in den Kreis neben den Parteien kein Kreuz setzt, sondern Zahlen: 1 für erste Wahl, 2 für zweite Wahl, und so weiter.
So kann man als Wähler klar ausdrücken, welche Partei man eigentlich im Bundestag haben will, aber man kann eben mit einer 2 oder 3 auch Kompromissbereitschaft ausdrücken.
Wie kommt es eigentlich zu dem Missverständnis, Demokratie bedeute die Repräsentation des politischen Willens jedes einzelnen Bürgers? Das tut sie nicht, das kann sie nicht, das soll sie nicht.
Wenn eine politische Idee einer größeren Anzahl an Bürgern entsprechend wichtig ist, dann wird sie Eingang ins Parlament finden, entweder mit einer neuen Partei, oder (häufiger), auf indirektem Wege. Die Piratenpartei waren die ersten und eine Zeit lang die einzigen, die Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung vertraten. Die Anfangserfolge machten einige der „etablierten“ Parteien auf das vernachlässigte Thema aufmerksam, diese nahmen es (vielleicht eher aus Angst vor Verlusten an die Piraten als aus Überzeugung) ins Wahlprogrammm auf, das Thema wird diskutiert, und anscheinend reicht das nun den Bürgern. Würde es ihnen nicht reichen, könnten sie, wie in einigen Landesparlamenten geschehen, die Piraten über die 5 % hieven. Genauso kann ich mir nicht vorstellen, dass der bedauernswerte Erfolg der AfD und der sich abzeichnenden noch viel größere Erfolg bei der Europawahl (Kernthemenwahlkampf der AfD, geringe Wahlbeteiligung…) keinen Einfluss auf die Politik der regierenden CDU hat: Man wird diesen Angriff abwehren, indem man die eine oder andere Nuance anders setzt. „Die eine oder andere Nuance anders setzen“ ist in etwa der Einfluss, den ich 4,X % der Bürger in einem demokratischen System zubilligen möchte.
@ Nicolai Hähnle #221: Das ist ein sehr guter Hinweis, dass man auch über das Wahlverfahren selbst nachdenken könnte. Eine Rangreihenfolge aus allen Parteien zu bilden, finde ich persönlich allerdings zu kompliziert. Eine sehr einfache Möglichkeit wäre die Wahl durch Zustimmung (oder Approval Voting), die gegenüber dem jetzigen System eine Menge Vorteile hat. Auch da gibt es Möglichkeiten, strategisch zu wählen, allerdings könnte man unbeeinflusst von der 5%-Hürde sein Kreuz auch bei kleineren Parteien machen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Wahl_durch_Zustimmung
http://en.wikipedia.org/wiki/Approval_voting
[…] eine Reform des Wahlrechts plädieren u. a. Stefan Niggemeier, Michael Schmalenstroer (sein Text auch auf Carta) und Andreas Grieß, weil sie eine […]
@222:
Warum sollte das ein Missverständnis sein ?
Aus meiner Sicht sollte es eben schon die Aufgabe einer Demokratie sein, den Willen eines möglichst großen Anteiles der Wähler zu repräsentieren.
Und das scheint mir bei 7 Millionen Stimmen, die nicht zählen, einfach nicht mehr der Fall zu sein. Die Gesellschaft heute ist komplexer, facettenreicher, und ja – auch zersplitterter als vor 50 Jahren.
Sollte es da nicht auch die Aufgabe des Parlamentes sein, diese Entwicklung zu respektieren ? Schließlich sind die Abgeordneten ja Volksvertreter, nicht Parteienvertreter.
Aber kann man bei so vielen verlorenen Stimmen wirklich noch überzeugend argumentieren, dass hier Volkes Wille vertreten wird ?
Sicher, ein Bundestag mit 7-10 anstatt 4 Parteien wäre schwieriger zu managen, aber wie einer der Mitdiskutanten hier schon so richtig gesagt hat, wer zum Teufel hat die Regel aufgestellt, dass Politik leicht sein soll ?
Eine größere Anzahl an Parteien würde in jedem Fall dazu führen, dass wieder mehr Wähler die berechtigte Hoffnung haben könnten, ihre Ansichten auch im Parlament vertreten zu sehen, und das kann in Zeiten von rekordverdächtig niedrigen Walhbeteiligungen doch nichts schlechtes sein.
Und was die Lehren aus der Weimarer Republik angeht: ich bin der erste der sagt, dass man aus der Vergangenheit lernen soll. Aber das ist verdammt nochmal fast 100 Jahre her, und irgendwann ist auch bei „Lehren aus der Geschichte“ der Punkt erreicht, an dem einen solche Lektionen eher behindern, als voran bringen. Die Gesellschaft hat sich verändert, sie hat gelernt. Warum nicht mehr Demokratie wagen ? Wenn man sich das System anschaut, muss man ja fast den Eindruck haben, die Politiker misstrauen den Wählern.
Das Festhalten an überkommenen Dogmen hat jedenfalls noch keine Gesellschaft voran gebracht. Also, nur Mut, und den Wählern ein bißchen mehr zutrauen. Die Lehren aus der Weimarer Republik sind wahrlich vielfältig, und bleiben auch ohne die 5%-Hürde nicht vergessen.
1949 bei der ersten Bundestagswahl gingen 24 Mio. Menschen zur Wahl. Damals entsprachen 5% 1,2 Mio. Stimmen. 2013 leben aber deutlich mehr Menschen in Deutschland. Die genaue Zahl der Wähler ist zwar noch nicht bekannt, aber ausgehend von den 62,1 Mio. Wahlberechtigten in 2009 und einer Wahlbeteiligung von 71,5% in 2013 bedeutet das, daß ca. 44,4 Mio. Menschen dieses mal ihre Stimme abgegeben haben. 5% davon entsprechen 2,22 Mio. Stimmen. Eine Partei braucht inzwischen also somit fast doppelt so viele Wähler wie zu der Zeit, als die Gründungsväter mit der 5% Klausel eine zu starke Zersplitterung des Bundestags vermeiden wollten. Mit Sicherheit wollte man aber nicht, daß fast 7 Mio. Stimmen einfach unter den Tisch fallen.
Es wäre anstelle einer starren 5% Klausel angemessener, jene Parteien, die mindestens eine Million Stimmen auf sich vereinigen können, auch als Repräsentanten in den Bundestag zu lassen. Wer so viele Wähler von sich überzeugen kann, der hat es einfach verdient, auch diese zu vertreten. Klar gibt es die Gefahr, daß dann evtl. auch eine Partei wie die NPD dort reinkommt. 2013 wäre dies aber, da diese nur ca. 570.000 Stimmen bekommen hat, gar kein Problem geworden. Die FDP und die AfD wären aber vertreten, so wie es die Wähler auch wollten. Die Piraten wären mit ihren 2,2% knapp gescheitert.
„Die FDP und die AfD wären aber vertreten, so wie es die Wähler auch wollten.“
Wieso wollten das „die Wähler“? Genauso kannst du die Grenze bei irgendeiner beliebigen anderen Grenze ziehen und sagen, dass „die Wähler“ wie Tierschutzpartei im Parlament wollten.
%-Werte haben den Vorteil – und den Sinn – Anteile an der Bevölkerung abzubilden. Warum sollte angesichts von mehr Wahlberechtigten ein geringerer Anteil genügen? Welcher Logik gehorcht das?
Wahlsysteme müssen zwangsläufig, um mehrheitsbasiertes Handeln zu ermöglichen, Minderheiten außen vor lassen. Dies sind, bei einfachem Mehrheitswahlrecht,bis zu 49,9% der abgegebenen Stimmen, bei unserem Verhältniswahlrecht sind es weniger, dieses Mal aber mehr als sonst.
[wg. fehlender e-mail-adresse gelöscht]
@227: Kleine Korrektur: Das mit den 49,9 % Stimmen, die in einem Mehrheitswahlsystem unter den Tisch fallen, ist nicht die höchste erreichbare Zahl, wenn das System nicht bereits in das obligatorische Zweiparteiensystem verfallen ist. Siehe dazu zum Beispiel die Ergebnisse der amerikanischen Präsidentschaftswahl von 1992, als ein starker Drittkandidat (Ross Perot) ein perfektes Beispiel für den Spoiler-Effekt ablieferte, indem er, ohne einen einzigen Staat zu gewinnen, einen Sieg von George Bush sr. verhinderte. Bei dieser Wahl hatte nur ein Kandidat in einem einzigen Bundesstaat mehr als 50 Prozent der Stimmen (Clinton in seinem Heimatstaat Arkansas), und der Sieger kam auf 43,01 Prozent der abgegebenen Stimmen.
@Albert Rum / B. Schuss
Genau dieses Missverständnis sorgt ebendafür, dass eine Menge an Leuten, die nicht in das herkömmliche „Politik interessiert mich nicht“-Schema fallen, nicht oder zunehmend nicht mehr wählen geht, weil sie ihre ganz persönliche Meinung nicht repräsentiert sehen. Und drunter machen sies nich.
Das mag durchaus berechtigt sein, so sorgt u.a. ein besserer Zugang zu politischen Informationen außerhalb herkömmlicher Partei- und Medienstrukturen dafür, dass man sich ein unabhängiges Bild machen und eben sich nicht mehr eindeutig entlag der Parteilinien positionieren kann und muss.
Auf der anderen Seite sind über 50% der Wählerstimmen für CDU, FDP und AfD ein ganz gutes Indiz dafür, dass besonders eine „Mir gehts gut, mein Nachbar (im tatsächlichen und übertragenen Sinne) geht mir am Arsch vorbei“- Haltung, wie sie zunehmend in der breiten Masse der Bevölkerung anzutreffen scheint, doch recht gut im Parlament wiedergegeben wird.
(In meiner Kölschkneipe gilt die 0,2-Hürde, kleinere Mengen gibt es nicht.)
Ich bin mir gar nicht so sicher, ob wir überhaupt ein systemisches Problem haben, welches ein geändertes Wahlrecht erfordert. Oder ob hier nicht eine zufällige Momentaufnahme vorliegt, ein zunächst mal einmaliges Wahl-Ergebnis. Das kann bei der nächsten BT-Wahl schon wieder ganz anders sein.
Ein Blick zurück:
2009: Piraten 2,0 / NPD 1,5 / Rest nicht über 0,5
2005: NPD 1,5, Rest bedeutend weniger
2002: PDS 3,4 (aber zwei Direktmandate), Rest bedeutend weniger
Eine Hürde selbst von zwei Prozent hätte also außer für die Piraten nicht viel gebracht.
Eine Wahlrechtsreform sollte man m.E. nicht aufgrund eines einzigen Ergebnisses machen. So ein Wahlgesetz sollte schon einige Legislaturperioden Bestand haben, sonst wird es beliebig und ein möglicher politischer Manipulationsgegenstand – man ändert dann die Hürde so, wie man es gerade braucht.
@David, #123: Danke, guter Kommentar!
„Eine Wahlrechtsreform sollte man m.E. nicht aufgrund eines einzigen Ergebnisses machen. “
So eine Wahlrechtsreform sollte man überhaupt nicht aufgrund irgendwelcher Ergebnisse machen. Es ist einer der Grundpfeiler unseres demokratischen Systems, dass das Wahlrecht in seinen Grundzügen gleich bleibt. Wie soll auch so ein elementarer Bestandteil wie die 5%-Hürde jetzt, vom bestehenden Parteiensystem diskutiert werden, ohne dass dort parteipolitisches Kalkül einfließt? Mit welchem zu erwartenden Gewinn, und um welchen Preis?
Mit dem Signal, das Wahlrecht (das uns immerhin eine seit Jahrzehnten währende Demokratie mit Parlamentssitze für verschiedenste politische Strömungen beschert hat…) für prinzipiell änderbar zu erachten, würde man eine Büchse der Pandora öffnen. Und das, weil einer durch nicht belegten These zufolge ein Bruchteil der Menschen politikverdrossen wird, wenn die favorisierte Partei an einer zuvor festgelegten Regel scheitert?
@210/Olive: krankheitsbedingt ist keineswegs zynisch gemeint. Ich erlebe in unterschiedlichen Senioreneinrichtungen alte Menschen, denen es körperlich nicht gut geht oder/und die geistig nicht mehr soweit auf der Höhe sind, dass ihnen auch nur irgendetwas am Wählen liegen würde. Die bilden meines Erachtens einen nicht unerheblichen Teil der hier bisher pauschal als Einheit in den Blick genommenen Nichtwähler.
Man sollte die Sitzverteilung prozentual an die Zahl der Wahlberechtigten koppeln. Das wird lustig und entspricht auch den 30% Nichtwählern.
@Sven Glückspilz (das mit den dann ja doch fröhlich wechselnden Nummern gebe ich auf):
Der Zynismus kam von mir. Tatsächlich aber hatte ich an diese Fälle nicht gedacht. Insofern ziehe ich die Aussage „egal“ für den Fall der „Unschuldsvermutung“ zurück.
Aber bevor ich weitere Überlegungen dazu in die Welt … erinnere ich mich lieber daran, dass es hier gar nicht um Nichtwähler geht bzw. maximal um die Daheimgebliebenen, die FDP und AfD so dringend gebraucht hätte.
Aber ich mag trotzdem noch meine Idee am liebsten, wonach für voll stimmberechtigte Abgeordnete eine Fünf-Prozent-Hürde gilt, und für redeberechtigte und Ausschussplatzbesetzer usw., also quasi beratende Abgeordnete die natürliche Hürde (soviel Stimmen, wie man für einen Mandat bräuchte).
@Albert, #232:
Na ja, es hat schon diverse Änderungen im bundesdeutschen Wahlrecht gegeben, und nicht wenige waren schon von Bedeutung. Zum Beispiel, das Wahlalter auf 18 herab zu senken (eine gute Sache). Oder zuletzt die Sache mit den Überhangmandaten.
Man konnte dabei immer schön sehen, wie parteipolitisches Kalkül eine große Rolle gespielt hat. Gerade deswegen sollte man sich Zeit lassen, die nächste BT-Wahl abwarten und dann – falls notwendig – über Änderungen nachdenken. Vielleicht sieht es dann ganz anders aus und die ganze Debatte war nutzlos.
Merkwürdigerweise ist die Linke für die Abschaffung der Fünf-Prozent-Hürde:
http://www.linksfraktion.de/pressemitteilungen/fuenfprozenthuerde-endlich-abschaffen/
Die haben doch kein Interesse daran, dass FDP und AfD im Bundestag sind?
@Nicolai Hähnle (#221):
Ich teile die Ängste vor einem „zersplitterten“ Bundestag – schon das ist übrigens ein negativ wertender Begriff – nicht.
Wie schon gesagt, steht nirgendwo im GG geschrieben, dass sich im Bundestag eine die Mehrheit der Abgeordneten umfassende Koalition bilden muss, die fortan nur noch abnickt, was die von ihr gewählte Bundesregierung ihr vorlegt.
Auch wenn ich das Grundgesetz nur bedingt für eine demokratische bzw. keinesfalls für eine makellos demokratische Verfassung halte, zumindest für einen anderen Stil parlamentarischer Arbeit ist es durchaus offen:
Der Bundestag wählt diejenige Person zum Bundeskanzler, von der er sagt: „Grundsätzlich ist diese Person der richtige Mann bzw. die richtige Frau für den Job, wir gehen insgesamt – über die Dauer der Legislaturperiode betrachtet – von der Aussicht auf eine konstruktive Zusammenarbeit aus.“
Und dann muss diese Person eben von Thema zu Thema Mehrheiten für ihre Gesetzgebungsvorhaben aushandeln. Das geht, man muss keinen Buchstaben des GG dazu ändern.
In der Geschäftsordnung müsste zudem die Stellung der Ausschüsse geschwächt werden, die eigentliche parlamentarische Arbeit statt dort im Plenum stattfinden. (Vgl. britisches Unterhaus, das habe ich ja ebenfalls schon gesagt.)
Dann werden auch die Abgeordneten kleiner Gruppen und Fraktionen schnell lernen, dass ein reiner Konfrontationskurs sie nicht weiterbringt. Wollen sie für ihre Wähler etwas erreichen, dann müssen sie sich an Kompromissen beteiligen. Wem sie in der einen Sache entgegenkommen, der wird ihnen im Gegenzug auch in einer anderen Sache entgegenkommen.
Demokratie funktioniert nicht nur auf die Weise, dass alle vier Jahre darüber abgestimmt wird, wer die nächsten vier Jahre „durchregieren“ soll, und kleinere Interessengruppen in der Bevölkerung mangels zahlenmäßiger Relevanz dabei a priori übergangen werden.
Demokratie funktioniert erst recht und viel besser, wenn möglichst viele Stimmen miteinander reden, verhandeln, und sich einigen.
@238, Tiger:
„Dann werden auch die Abgeordneten kleiner Gruppen und Fraktionen schnell lernen, dass ein reiner Konfrontationskurs sie nicht weiterbringt. Wollen sie für ihre Wähler etwas erreichen, dann müssen sie sich an Kompromissen beteiligen.“
Worauf gründet ihre Annahme? Beispiele?
Danke, sibirischer Tiger, genau so sollte parlamentarische Demokratie funktionieren. Themenbezogene Mehrheiten eben. Dann braucht es auch keine Koalitionsverträge und auch keinen Fraktionszwang. Bisher ist mir aber keine Partei (bis auf die Piraten) bekannt, die sich davon verabschieden wollten.
@theo (#239):
In der Kommunalpolitik gibt es solche Beispiele bereits, da m. W. inzwischen in der Mehrheit der Bundesländer die Stadt- bzw. Gemeindevertretung und der Bürgermeister als Leiter der Stadtverwaltung separat gewählt werden, und es somit gar keinen vermeintlichen Zwang zu fixen Koalitionen mehr gibt.
Ansonsten spricht aber auch der gesunde Menschenverstand für die Funktionsfähigkeit des von mir beschriebenen Modells: Eine reine „Dagegen!“-Partei wäre mir jedenfalls nicht geläufig, jede Partei will irgendwas positiv für ihre Wähler erreichen.
Und in einem Bundestag ohne starre Regierungskoalition, sowie idealerweise mit weniger strengem Fraktionszwang, könnten gerade kleine Gruppen oder Fraktionen größeren Parteien zur notwendigen Mehrheit für ein Vorhaben verhelfen. Wenn diese sich eben erkenntlich zeigt, und im Gegenzug auch mal ihre Masse für das Anliegen einer kleinen Partei in die Waagschale wirft …
[…] Der Wahlausgang hat mich nun doch überrascht und ernüchtert. Hier die offiziellen Zahlen und hier eine Sammlung diverser Visualisierungen.Ich brauche nicht länger bedauern, dass ich meine Stimme nicht abgegeben habe, da sie eh aus der Wertung gefallen wäre. Stefan Niggemeier beschreibt die Lage. […]
@B.Schuss #11:
Ich bin für eine 50%-Hürde, dann wären wir auch diese unsägliche CDU los.
@ Sven Laser 237:
unvorstellbar, oder? eine partei ist für demokratische verhältnisse! hammerhart.
ich hasse die positionen der FDP, aber finde es wegen der meinungspluralität nicht gut, dass sie nicht mehr dabei ist. ich hasse die nazis, aber finde das argument „oh gott sonst wäre die NPD drin!“ selten dämlich.
können sie sich das nicht vorstellen? (die frage geht an sehr viele kommentatoren hier.)
@244: Ich kann. Es ist vielleicht nicht schön für Sachsen, seit 2004 die NPD im Landtag zu haben, aber fast zehn Jahre später sehe ich auch keine Anzeichen, dass die Demokratie in Sachsen darunter gelitten hätte (es gibt vielleicht andere Dinge in Sachsen, die man eher in diese Richtung interpretieren könnte, aber das führt jetzt zu weit…). Eine Demokratie muss unterschiedliche Sichtweisen, auch extremer Art, aushalten können – wozu bitte taugt die Meinungsfreiheit denn sonst?
Was die FDP angeht: vielleicht nutzt sie die Gelegenheit der APO, endlich mal das überkommene Steuersenker-Image abzustreifen, mit dem sie fast mehr aus der Zeit gefallen wirkt als die MLPD. Eine „klassische“ liberale Partei können wir gebrauchen; eine Partei, die die Liberalität bestenfalls noch in der Person einer Sabine Leutheusser-Schnarrenberger rüberbrachte, ist nicht ganz so notwendig.
@Albert Rum, #232:
naja, es ist aber eben auch ein Grundpfeiler unseres demokratischen Systems, dass Gesetze von Mehrheiten geändert werden können, sogar das Grundgesetz ist davor nicht gefeiht.
Sie klingen grad so, als gäbe es bestimmte Gesetze, die quasi Gott gegeben in Stein gemeisselt sind, und nie geändert werden dürfen, egal welche Änderungen die Gesellschaft durchlebt hat.
Sicher, da stimme ich Ihnen zu, Schnellschüsse machen wohl keinen Sinn. Durchaus möglich, dass der Ausgang dieser BT-Wahl ein singuläres Ereignis ist, und in 4 Jahren die FDP, AfD, und vielleicht sogar die Piraten die 5%-Hürde locker nehmen.
Das ändert aber nichts an meiner grundsätzlichen Überzeugung, dass der Wähler den Anspruch haben darf, dass möglichst viele der unterschiedlichsten politischen Meinungen in diesem Land im Parlament abgebildet werden sollen. Und das derzeitige Wahlrecht wird diesem ganz persönlichen Anspruch nun mal nicht gerecht, wie ich finde.
Sie fragen nach dem möglichen Gewinn ? Wie wäre es mit größerer Abbildung des Wählerwillens, wie wäre es mit stärkerer Repräsentation der unterschiedlichen politischen Ansichten in diesem Land ?
Das Wahlrecht, wie es jetzt ist, zementiert die Vormachtstellung der sog. „etablierten“ Parteien, und verzerrt den Willen des Wählers.
Im neuen Bundestag werden wir eine linke Stimmenmehrheit haben ( aus SPD, Grünen, und Linkspartei ), obwohl die Wähler für eine bürgerlich-liberale Mehrheit gestimmt haben ( CDU, FDP, AfD ).
Ich bin ja gar nicht grundsätzlich gegen Einstiegshürden, aber eine solche Verzerrung des Wählerwillens, singuläres Ereignis oder nicht, kann ja wohl kaum der Sinn einer solchen Hürde sein.
@ Sven Laser 237
Die Linke ist ja bereits 2002 einmal (damals als PDS) an der 5%-Hürde gescheitert. Und 1994 konnte sie sie nur mit Hilfe der 3-Direktmandate-Regelung umgehen.Deshalb ist es wohl verständlich, dass sie keine besondere Liebe zu dieser Hürde hat.
Es liegt eineindeutig auf der Hand, dass man weder den Betroffenen noch allen anderen einen wirklichen Gefallen tun würde, wenn man auf nicht ausreichende, also mangehafte bis ungenügende Schulleistungen, mit einer Absenkung der Leistungsanforderungen reagieren würde, um defizitäre Bildungsbemühungen doch noch als „ausreichend“ zu schönen. Anspruchsreduktion führt auch in der Politik unvermeidlich zur Verflachung.
Einzige Alternative zur Einführung des Mehrheitswahlrechts (was die realistische Alternative zum Verhältniswahlrecht darstellt – und nicht die Aufhebung der 5% Hürde und der romantisch-dämliche Glaube, dann seien „alle Meinungen und Stimmen“ berücksichtigt, nur weil sich alle Spinnereien plötzlich auch im Parlament wiederfinden würden): die Einführung der Votingregeln des ESC für gesamteuropäische Wahlen, also Bewertung der Parteien der einzelnen Länder an einem gemeinsamen europäischen Wahltag durch einen Pumblikums- und einen Juryentscheid aus allen anderen europäischen Ländern mit maximal 12 Punkten für die Parteien und verbindliche Übertragung der wichtigsten Hoheitsrechte auf das so bestimmte europäische Parlament. Politikverdrossenheit würde zum Fremdwort werden.
@B.Schuss
Ob die genannten Parteien der von Ihnen herbeifabulierten bürgerlich-liberalen Mehrheit aus CDU/CSU, FDP und AfD allzu begeistert sind, von Ihnen in einem Topf geworfen zu werden?
Eine absehbare und unabwendbare Folge der Senkung/Abschaffung der 5%-Hürde wären mehr Fraktionen im Bundestag. Und daraus würde das Problem entstehen, dass Koalitionen meist aus mehr als zwei Parteien bestehen müssten: mit entsprechend vervielfachtem Kompromissbedarf. Ich möchte keinen Bundestag, in dem zur Regierungsbildung Kompromisse mit kleinen und kleinsten Splittergruppen vonnöten sind, seien diese jetzt radikal, bürgerlich oder wutbürgerlich.
Es liefe – nach meiner Einschätzung – immer auf eine große Koalition hinaus.
Noch einmal: Demokratie ist die Herrschaft der Mehrheit, unter Berücksichtigung von Minderheitenschutz gemäß Grundgesetz. Demokratie ist nicht die Abbildung jeder erdenklichen politischen Strömung.
Mehr Demokratie e.V. hat eine Unterschriftenaktion gestartet, zur Einführung einer Ersatzstimme und/oder Senkung der 5%-Hürde:
https://www.mehr-demokratie.de/wahlrecht-aufruf.html
@249: Es ist wie bei allen möglichen Diskussionen in Deutschland: Es muss möglichst gerecht zugehen. Kann doch nicht sein, dass ein paar Millionen Stimmen einfach so verfallen. Dass zig Millionen Stimmen bei der Erststimme einfach verfallen sind, weil ein anderer Kandidat gewonnen hat: egal.
In angelsächsischen Ländern herrscht ein reines Mehrheitswahlrecht. Das bedeutet: nur solche Kandidaten ziehen in das Parlament ein, die in ihrem Wahlkreis die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinigen, alle anderen Stimmen (!) verfallen. Gäbe es das hier in Deutschland, hätten wir faktisch ausschließlich CDU- und SPD-Abgeordnete im Bundestag, bzw. eigentlich sogar fast nur CDU-Abgeordnete. Nur Herr Ströbele und drei oder vier Abgeordnete der Linkspartei wären auch noch im Parlament. Ist das jetzt undemokratisch? Oder ungerechter? Nein, es ist einfach ein anderes System, das für sich genauso sinnvoll und berechtigt ist. Das Mehrheitswahlrecht begünstigt allerdings ohne Frage die großen Parteien.
Wir in Deutschland haben eine Kombination beider Verfahren, letztlich aber entscheidet das Verhältnis der Stimmen zueinander über die Sitzverteilung (Verhältniswahl). Jetzt aber sich auch noch darüber zu beklagen, dass Parteien, die nur ganz geringe Prozente aller Stimmen auf sich vereinigen, aus guten Gründen aus dem Parlament ausgeschlossen werden, ist wieder typisch deutsch: Alles muss möglichst gerecht sein. Nein, muss es nicht. Es ist richtig und sinnvoll, kleine Parteien aus dem Parlament zu halten, zumal diese im Bundestag ja ohnehin nicht sinnvoll mitarbeiten könnten.
@252: Äh…war die Erklärung, wie ein Mehrheitswahlrecht funktioniert, wirklich notwendig? Den Kommentaren hier darf ich entnehmen, dass die überwiegende Mehrheit der Anwesenden das auch vor Ihrem Kommentar durchaus wusste. Und für alles weitere, was zu dieser „terrible, terrible idea“ gesagt werden muss, verweise ich auf den Link in Kommentar 111.
@Albert Rum:
Sie mögen mir das Schubladendenken nachsehen. ;)
Und was die Sache mit den Fraktionen angeht, das ist doch reine Spekulation. Sicher gäbe es mehr als 4 Fraktionen in einem solchen Bundestag, aber wie Stephan Beyer in #140 deutlich gezeigt hat, würde das doch nicht automatisch bedeuten, dass Koalitionen damit auch aus mehr als 2 Parteien bestehen müssten.
Je nach Sitzverteilung und Koalitionsbereitschaft der jeweiligen Parteien würde sich an den bisher üblichen 2er-Koalitionen im Großteil der Fälle nicht mal etwas ändern.
Und trotzdem würden sich mehr Wähler mit ihren Ansichten im Parlament vertreten sehen. Was soll daran falsch sein ?
Sicher, es würde mehr Arbeit für das Parlament bedeuten. Aber ich sage es gerne nochmal: wer zur Hölle hat die Regel aufgestellt, dass Demokratie leicht sein soll ?
Wer für den Bundestag kandidiert, von dem erwarte ich geradezu, dass er oder sie die Fähigkeit mit bringt, die unterschiedlichen Meinungen innerhalb einer komplexen Gesellschaft aufzunehmen, und daraus eine vernünftige Politik für alle zu formulieren. Ein Wettstreit von Ideen, verbal ausgefochten im Plenum.
Nennen Sie mich ruhig einen Idealisten, aber so stelle ich mir Demokratie vor. Mehrheiten, die sich an Sachthemen, nicht an Parteipolitik orientieren.
@Stanz: ach so, sinnvoll mitarbeiten können also nur die großen, etablierten Parteien ? Das ist wahrlich ein seltsames Verständnis von Demokratie. ^^
Es wird zu wenig erkannt, dass es neben den Kompromissen zwischen den Parteien auch immer Kompromisse in den Parteien geben muss. Wenige Parteien garantieren gar nicht das, wofür sie immer wieder gelobt werden – den einfachen Kompromiss.
Bei einem Mehrheitswahlrecht ist neues Gedankengut gar nicht anders in den politischen Prozess einzubringen, aber in welcher der 2 Parteien soll man es machen? Auch da tendieren die Parteien dann zur Wir-bieten-alles-Haltung, die das Profil verwässert und die Partei dann intern handlungsunfähig macht, weil widerstrebenden Interessen zu folgen versucht wird.
Bei der Drittstimme frage ich mich, was passieren soll, wenn 2 Parteien 4% der Stimmen haben, und sich wechselseitig als 3.-Stimme benennen. Dann käme jede auf 8%. :)
@ Frank Volkert 247:
Mittlerweile ist DIE LINKE aber so gut im Parteienspektrum gefestigt, dass sie kaum noch unter die Fünf-Prozent-Hürde rutschen kann. Da geht es wohl eher um die westdeutschen Landtage.
Ich bin gegen unhandliche Ideen wie eine Ersatzstimme, da sollte man lieber die Hürde absenken oder abschaffen.
@255: Das ist recht unwahrscheinlich; die Ersatzstimme ist ja dazu gedacht, ein „Auffangnetz“ für den Fall zu bieten, dass der eigentliche persönliche Favorit es nicht schafft, und da werden die meisten Wähler vermutlich auf Nummer Sicher gehen wollen und nicht noch eine Partei wählen, die an einer wie auch immer gearteten Hürde zu scheitern droht.
Außerdem muss es bei so einem System ja nicht bei einer weiteren Stimme aufhören; wenn ich die Videos von CGP Grey richtig verstehe (insbesondere das über die Alternative Vote), hat Australien ein System, bei dem man die Kandidaten bis zu jedem gewünschten Punkt in eine Reihenfolge bringen kann. Etwas komplizierter als das momentane deutsche Bundestagswahlsystem, aber bestimmt nicht schwieriger als die durchschnittliche deutsche Kommunalwahl mit Kumulieren und Panaschieren.
Es gäbe eine ganz einfache Variante das Problem der Zersplitterung zu lösen:
Direktkandidaten werden abgeschafft und der Bundestag wird auf 100 Abgeordnete limitiert. Jede Partei bekommt für volle 1% einen Abgeordneten. Alles was durch das Abrunden verloren geht, bleibt leer.
Das ändert für größere Parteien relativ wenig. Zumindest am Stimmverhältnis, die ABM-Maßnahmen sind eine andere Sache. Gleichzeitig ist die 1%-Hürde noch groß genug dass nicht einfach jede Dorfpartei im Bundestag sitzt.
@254: Sie haben mich missverstanden. Wie wollen Sie mit 8 oder 10 Abgeordneten denn die Ausschussarbeit wahrnehmen? Wie wollen Sie sinnvoll Reden ausarbeiten und halten? Die Folge einer Beteiligung sehr kleiner Parteien mit nur einer Handvoll Abgeordneter ist, dass diese sinnvoll keine parlamentarische Tätigkeit wahrnehmen können, schlicht mangels Masse, aber umso stärker auf sich aufmerksam machen müssen, um nicht unterzugehen. Da werden dann viele kurze, eher schlechte Reden gehalten, möglichst provokativ, um aufzufallen.
Sehen Sie sich mal an, wie das bis 1994 in Italien abging; da gab es eine völlig zersplitterte Parteienlandschaft, häufige Regierungswechsel, das Land wurde unregierbar.
Denn eine 5%-Klausel hat ja umgekehrt auch Einfluss auf das Wahlverhalten. Dadurch, dass nur Parteien über 5 Prozent in das Parlament kommen, haben nur diese die starken Wirkmöglichkeiten über das Parlament. Also werden die übrigen Parteien tendenziell weniger beachtet, die Parteien hingegen, die ins Parlament gekommen sind, genießen umso größere Aufmerksamkeit. Dies führt m.E. dazu, dass die Parteien, die über die 5%-Hürde gelangt sind, bei der nächsten Wahl umso stärkere Aussichten haben, wieder gewählt zu werden. So wird im Ergebnis eine zu starke Zersplitterung der Parteienlandschaft wirksam verhindert.
[…] Nach der Wahl: Über 15 % der Wählerinnen und Wähler nicht gehört Wir sehen (nicht) schwarz Können wir jetzt bitte mal über die Fünf-Prozent-Hürde reden?Jagt Mutti aus dem Kanzleramt! An schwarzen Tagen wie diesen Undenkbar alternativlos […]
Kurzfassung – ich bin fuer die Beibehaltung der 5%-Huerde, die ja nun auch nicht aus Jux und Dollerei eingefuehrt wurde. Dass wir im Moment nicht Gefahr laufen, „dass zuviele kleine Parteien im Bundestag sitzen und das Regieren schwer machen“ist schliesslich nicht zuletzt ein Ergebnis der 5%-Huerde.
Diesen Mangel an Zersplitterungsgefahr nun als Indiz fuer die Unnoetigkeit der Regel in ihrer aktuellen Form zu deuten, scheint mir vergleichbar damit, zu sagen „Ich hab mich die letzten Jahre immer gegen Grippe impfen lassen und nie eine Grippe gehabt – da kann ich mir die Grippeimpfung eigentlich auch sparen, wenn ich eh keine Grippe kriege.“
Nebenbei finde ich spannend, dass einerseits von vielen die 5%-Huerde nun als potentiell demokratiegefaehrdend eingestuft wird, waehrend – gern aus derselben Ecke , wobei ich jetzt nicht Herrn Niggemeier meine , dessen Position zu Volksabstimmungen mir nicht bekannt ist – zur Foerderung der Demokratie und Mitbestimmung mehr Volksentscheide gefordert werden, bei denen dann gern 40% und mehr der abgegebenen Stimmen einfach unter den Tisch fallen. Siehe Hamburg letztes Wochenende.
Ein bisher noch nicht bzw. kaum angesprochener Punkt ist, dass es dank der 5%-Huerde das Konzept des Scheiterns und damit des Umbruchs gibt.
Das halte ich fuer *extrem* wichtig, um eine Demokratie lebendig zu halten, weil es den gescheiterten Parteien auch Impulse gibt, die eigenen Positionen zu ueberdenken, genauer herauszuarbeiten, etc.
Wie David Wnendt oben schrieb: „Wenn diese Wahl doch eines gezeigt hat, dann gerade wie wichtig das Wählen ist. Durch die Wahl wurde eine Partei die seit Jahrzehnten im Bundestag war hinweggefegt. Was für ein gewaltiger Umbruch!“
Der FDP scheint dieses Scheitern beispielsweise sehr gut zu tun, wenn ich die Interviews mit dem (vermutlich) zukuenftigen Vorsitzenden Christian Lindner dieser Tage so ueberfliege. Denn was viele Kommentare vor der Wahl sagten – dass es eine liberale Partei braucht – ist vollkommen richtig, bloss war die FDP diese Partei schon laengst nicht mehr. Mal eine Weile APO kann da sehr viel besser wirken, als die Vertretung im Parlament als Naturrecht zu begreifen.
Aehnliches liesse sich fuer die AfD und die Piraten sagen. Die einen koennen mit einem sehr guten Ergebnis daran gehen, sich zu fragen, wie sie dieses Ergebnis verbessern koennen, die anderen koennen sich einen Kopf darueber machen, warum sie nach den Sensationsergebnissen bei diversen Landtagswahlen nun ploetzlich unter ferner liefen lagen.
Kurz: Ich finde es ziemlich ueberfluessig, nun ploetzlich nach ueber 60 Jahren hektisch eine Diskussion ueber die 5%-Huerde anzuleiern, bloss weil tagesaktuell – und zum ersten Mal ueberhaupt – zwei Parteien knapp an der 5%-Huerde gescheitert sind. Gewisse Grundsaetze (zu denen ich alles, was im Grundgesetz steht, zaehle) sollte man nicht aus tagesaktuellen Ueberlegungen heraus infrage stellen, sondern nur auf Basis von Ereignissen/Veraenderungen, die ueber viele Jahre hinweg bestaendig praesent geblieben sind. Sprich: Wenn 2017 wieder zwei Parteien an der 5%-Huerde scheitern und 2022 sogar drei, koennen wir vielleicht noch einmal drueber reden.
„Gegenvorschlag: Statt über 5% zu diskutieren, sollte man lieber eine Option einführen, eine Enthaltung/Protestwahl mit einer gültigen Stimme durchzuführen. Was meint Ihr wohl, wieviele so etwas ankreuzen würden? ;-)“
Nicht so viele, denke ich, denn wenn man sich schon auf den Weg ins Wahllokal (oder zum Postkasten) begibt, warum dann diese Muehe auf sich nehmen, wenn man eh bloss „Enthaltung“ ankreuzt?
Nebenbei waere „Protest/Enthaltung“ anzukreuzen nun wirklich die unkonstruktiveste aller Wahloptionen. Da kann man sich auch auf die Strasse stellen mit einem „Dagegen“-Plakat um den Hals. Die Aussage ist eine aehnliche – „Irgendwie bin ich nicht zufrieden, aber erwartet von mir bloss keinen Beitrag dazu, die Dinge zu verbessern oder auch nur genau zu sagen, womit ich unzufrieden bin.“ Im Ergebnis letztlich dasselbe wie den Stimmzettel ungueltig zu machen oder gar nicht waehlen zu gehen.
Das ist eher etwas fuer eine Meinungsumfrage („Wie zufrieden sind sie mit der Gesamtsituation?“) als fuer eine Bundestagswahl, bei der es darum geht, das Parlament neu zu besetzen.
„Wieso sind keine Enthaltungen möglich — wir müssen uns zu einer Partei bekennen, wie absurd!“
Nein, muessen Sie nicht. Die Wahl ist schliesslich geheim, und Sie koennen ihre Wahl alle vier Jahre revidieren. Mit „Bekenntnis“ hat das nichts zu tun.
Sie koennen auch gar nicht erst zur Wahl gehen, oder Ihren Stimmzettel ungueltig abgeben. Bloss: Welchen Auftrag und welche Aussage vergeben Sie damit, und woraus leiten Sie Ihre Unzufriedenheit eigentlich ab?
Wenn 20% nicht zur Wahl gehen (beispielshalber) oder 20% „Protest/Enthaltung“ ankreuzen, welchen Auftrag soll die zukuenftige Regierungd daraus ableiten? Letztlich ja noch nicht einmal, dass diese 20% generell unzufrieden sind (geschweige denn, worueber genau), denn zu diesen 20% gehoeren auch diejenigen, denen das Ergebnis schlicht egal ist, die davon ausgehen, dass ihre Partei eh genuegend Stimmen kriegen wird, dass am Ende die sich nicht mit Politik beschaeftigen wollen, weil es wichtigeres im Leben gibt, und einige Untergruppierungen mehr.
„Allerdings gibt es ja jetzt ein Potenzial von ungefähr 45 Prozent der Wähler (15 Prozent + 30 Prozent Nichtwähler) und es würde ja reichen einen Teil davon zu mobilisieren.“
Auch diese Aussage basiert auf dem Fehlschluss, dass jene 30% eine homogene Gruppe ist, deren Mitglieder aus exakt denselben Gruenden nicht waehlen. Was ich stark bezweifle.
@anfromme
Auch, wenn es platt ist: Danke für die Beiträge, sie sprechen mir aus der Seele.
Ich halte es für verfrüht, über die Zehn-Prozent-Hürde zu diskutieren. Dem Ziel, den gesamten Bundestag mit Abgeordneten der Regierungspartei zu besetzen, kommen wir nur durch die 30-Prozent-Hürde näher.
Eine Opposition ist eine Verschwendung von Steuergeldern, die wir uns auf Grund der Herausforderungen dieser Tage nicht mehr leisten sollten. Nur die Christliche Einheitspartei hat die moralische Kraft, die Interessen des Volkes so zu vertreten, dass nicht nur der Euro, sondern auch Europa gerettet wird.
Herr Barroso benötigt 3,9 Milliarden Euro, die unbedingt in Berlin eingespart werden müssen, um den Demokratisierungsprozess im friedlichen Europa zu festigen.
Eine große Koalition mit der SPD ist überflüssig, da die Bundeskanzlerin diese Partei bereits demontiert hat. Das Konzept des Scheiterns hingegen ist die historische Chance der Sozialisten, sich neu zu erfinden. Die Armut des Ruhrgebietes ist ein vielversprechender Ansatz mit Vorbildcharakter für die übrigen Ballungsräume Deutschlands.
Hans Kolpak
Goldige Zeiten
@262 anfromme:
Ich muss Sie leider enttäuschen: die Sperrklausel ist nicht im Grundgesetz, sondern im Bundeswahlgesetz geregelt.
Abgesehen davon ist diese Diskussion nicht neu, tagesaktuell oder hektisch. Mir ist sie zumindest seit 12 Jahren bekannt, und das, obwohl ich noch nicht mal 30 bin.
@261 anfromme:
Bei Volksentscheiden, wie sie auf den unteren Ebenen in Deutschland stattfinden, gibt es immer nur die Entscheidung zwischen Ja und Nein. Hier fallen also im schlimmsten Fall 49,99..% der abgegebenen Stimmen unter den Tisch.
Wenn aber eine CDU mit 41,5% in den Bundestag und mit einer Bauernopfer-Partei in die Regierung kommt, dann kann sie Teile ihres Programms (z.B. Betreuungsgeld) durchsetzen, obwohl 58,5% der Wähler die CDU nicht gewählt haben und eventuell sogar einige der CDU-Wähler diesen bestimmten Programmpunkt nicht mal wollen.
Das Argument, falls es eines sein sollte, ging also nach hinten los. :-)
Gruß,
Stephan Beyer
@265 Stephan: Dabei sollten wir nicht vergessen, dass es noch andere Möglichkeiten gibt, einen Stimmenverfall zu vermeiden, insbesondere eben eine Wahl, bei der man als Wähler Präferenzen klarer ausdrücken kann: Statt einem Kreuz bei einer Partei schreibt man Zahlen daneben: 1 für die erste Wahl, 2 für die zweite Wahl, und so weiter (wenn man will – man kann auch einfach nur neben eine Partei eine 1 schreiben).
Interessant auch, dass unmittelbar nach der Wahl die große möchtegern-intellektuelle Wochenzeitung ihren Chef-Ami in den Ring schickt, um das Zweiparteiensystem zu promoten.
http://www.zeit.de/politik/deutschland/2013-09/zweiparteiensystem-usa-deutschland-hansen-kolumne
Abgesehen von der Tatsache, dass die politisch-soziokulturelle Realität in den USA das wohl stärkste vorstellbare Argument GEGEN ein Zweiparteiensystem ist, wäre es rein theoretisch mal interessant zu sehen, welche Zustimmungsraten Fr. Merkel und die Union in diesem Fall erreichen würden. 80%? 90% 98%
15% der Stimmen fallen einfach unter den Tisch. Die existierende demokratische Mehrheit links von der Mitte wird einfach ignoriert, da sich ein paar Parteifunktionäre zieren, miteinander zu arbeiten. Dafür bekommen wir jetzt eine große Koalition, die mit ihrer Dreiviertelmehrheit die Verfassung ändern kann und wird. Tolles politisches System.
@00010111
Es fallen keine 15% der Stimmen unter den Tisch. Die Stimmen wurden bei der Wahl gezählt. Damit wurde die Meinung dieser Bürger zur Kenntnis genommen. Die Stimmen haben zur Regierungsbildung beigetragen.
Auch dieser absolute Käse dass eine Regierung, in der die CDU das Sagen hat, die Meinung der Bürger nicht respektiert, weil mehr Stimmen für linke Parteien abgegeben wurden, ist Quatsch.
Die CDU hat die meisten Stimmen bekommen und SOLLTE deshalb das Sagen haben. Ich bin kein CDU-Wähler aber ich sitz hier seit drei Tagen und packe mir laufend an den Kopf ob dieser Verbohrtheit. Es dauernd zu wiederholen macht es nicht richtiger.
Was wäre denn, wenn die Wahl wiederholt werden würde, weil keine Mehrheit zustande kommt? Wären dann 71,2% (Wahlbeteiligung) der Stimmen nicht beachtet worden?
Es geht darum, eine REGIERUNG zu bilden, die das Land führt. Spätestens ab dem Punkt an dem man in den Kindergarten gekommen ist sollte man mitbekommen haben, dass nicht jeder immer überall mitbestimmen kann. Das Leben ist eine lange Kette von Entscheidungen, bei denen man nicht direkt mitwirkt. Ich begreife dieses Rumgeheule nicht. Mehr noch – die zum Teil absolute Uninformiertheit der Bürger über das Parteiprogramm aller Parteien lässt mich bezweifeln, warum überhaupt jeder das gleiche Stimmgewicht haben sollte, und ob es nicht besser wäre, wenigstens zwei, drei Fragen zu stellen, bevor jemand ein Kreuz machen darf. Sagen wir mal erste Frage: wer ist der Kanzlerkandidat der Partei, bei der Sie gerade ein Kreuz machen wollen? Wer war letzter Bundeskanzler. Klingt vielleicht bescheuert aber wer kümmert sich überhaupt darum, dass diese Stimmen von Menschen kommen, deren Stimme überhaupt zur Meinungsbildung beitragen sollte?
Ich könnte ja eine Analogie zu Kommentaren unter Blogeinträgen zienen (popsci hat diese Woche die Kommentare abgeschaltet), aber dann würden wir in den Bereich kommen wo man dann auch noch fragen muss, ob überhaupt die richtigen Informationen beim Volk vorhanden sind, selbst wenn sie den richtigen Bundeskanzlerkandidaten nennen können, sprich ob ihre Meinung vielleicht durch Wahlwerbung vollkommen verfälscht wurde oder z.B. die Parteiprogramme Lügen enthalten oder z.B. die Wahlversprechen im krassen Gegensatz zu dem stehen, was die jeweilige Partei in der letzten Regierung (als sie das Sagen hatte) tatsächlich auch getan hat. Beispiel wäre da die Budget-Diskussion in den USA im Moment, wo die Republikaner sich krass gegen das Volk stellen und trotzdem am Ende bei Umfragen rauskommt, dass das Volk denkt, BEIDE Parteien wären an der Misere Schuld.
Was meiner bescheidenen Meinung nach Wahlen aber am meisten verdreht ist „Gerrymandering“ und Überhangmandate. Das das überhaupt kein Thema ist bei dieser Diskussion hier begreife ich schon seit dem erscheinen des Beitrags nicht. Nicht jede Stimme jedes Bürgers zählt in Deutschland gleich viel und es entstehen Ungleicheiten durch Bundestagsmitgleider „aus dem Nichts“. War doch bis kurz vor der Wahl noch Thema dass unser Wahlrecht in diesem Bezug nicht korrekt ist – sechs Jahre hat die Regierung geschlafen und nichts dran geändert, wir standen kurz davor, eine verfassungsrechtlich nicht legitime Wahl durchzuführen.
Statt dessen stehen wir da und lavieren herum, ob denn auch wirklich jede Stimme an der Regierungsbildung teilgenommen hat, damit auch ja kein Bürger „unglücklich“ ist.
Wir können ja wieder zurückkehren zu älteren Systemen. Keine Wahlbeteiligung von Frauen. Oder noch besser: nur Menschen über 35 dürfen wählen. Oder halt: nur Menschen, die Land besitzen. Oder gleich der ganze Schritt, lasst uns die Monarchie wieder einführen.
In den USA wird an einem DIENSTAG gewählt und die Leute müssen sich größtenteils einen ihrer ZEHN Urlaubstage im Jahr nehmen, um abstimmen zu können.
Hier bei uns bleiben die Leute auf ihrem Hintern sitzen, weil das Bundesligaspiel gerade so spannend ist und im Wahllokal „Bestimmt wieder ’ne Schlange ist“.
Uns geht’s so gut was die Demokratie angeht und kaum haben wir sie mal 60 Jahre wird rumgeheult, dass man doch gar nix mitbestimmen kann und das Abgeben der Stimme nix bringt.
@269: Inwiefern verzerren Überhangmandate diese spezielle Wahl? So ziemlich jede andere seit Beginn der Bundesrepublik, ja, aber jetzt haben wir Ausgleichsmandate, falls das noch nicht bekannt sein sollte. Die so schwer Gescholtenen in Berlin haben das tatsächlich noch rechtzeitig hinbekommen.
@268: Ihnen ist aber schon klar, dass der erste und der zweite Satz dieses Kommentars sich direkt widersprechen? Es gibt, wenn man alle Stimmen über 1 Prozent berücksichtigt (und selbst, wenn man auch die darunter mitnimmt), keine linke Mehrheit – dass im Bundestag eine solche Mehrheit zustande gekommen ist, liegt daran, dass zwei Parteien rechts der Mitte FDP und AfD heißen. 41,5 (CDU/CSU) + 4,8 (FDP) + 4,7 (AfD) = 50. Nehmen wir dazu die 1,3 Prozent der NPD und meinetwegen noch das eine Prozent für die Freien Wähler, und von einer linken Mehrheit kann wirklich nicht die Rede sein.
Nachtrag @268: Ach, und Grundgesetzänderungen brauchen Mehrheiten in beiden Parlamentskammern. Welchen Grund sollten die Grünen – ohne die im Bundesrat nichts läuft, wenn man 46 Stimmen zusammenbekommen will – bitte haben, eine Große Koalition bei so etwas zu unterstützen?
Mein Verb war „verdreht“, nicht verzerrt. Im Sinne von problematisch, nicht nachvollziehbar und grundsätzlich für den Wähler verwirrend.
Es geht um die Grundfrage „zählt meine Stimme“. Wer jetzt sagt, 15% der Stimmen zählen nicht, verkennt als Erstes die Überhangmandate, die jetzt ausgeglichen werden – und das eben auch über Ländergrenzen hinweg. Sprich wer macht einem Wähler bitte klar verständlich, dass in Sachsen jetzt kein weiterer Abgeordneter entsteht, weil dort die Wahlbeteiligung zwar hoch war als woanders, anderswo aber halt mehr Menschen leben, sprich das letzte Ausgleichsmandat woanders zugeteilt wird, obwohl das Wahlergebis in Sachsen das Mandat hergegeben hätte?
Oder so ähnlich, ich steige da nämlich ganz offen gesagt überhaupt nicht durch. Es ist komplett verzerrend, viel mehr noch als die ach so problematische 5%-Hürde.
http://www.bpb.de/politik/wahlen/bundestagswahlen/163311/das-neue-wahlrecht?p=all
Ein Bundestag mit über 700 Mandaten wäre also möglich. 100 Mandate mehr als normal wäre. Was das alleine kostet macht den Bürger 100%ig mehr sauer als dass die AfD nicht reingekommen ist.
@Sebastian:
Ja, die 15% wurden bei der Wahl gezählt. Danach wurden sie aber verworfen und spielen für die Frage der Regierungsbildung schlicht keine Rolle (da sie ja allen „übriggebliebenen“ Parteien erstmal gleichermaßen fehlen…bis dann Koalitionen gebildet werden, aber da ist das Kind ja schon längst in den Brunnen gefallen).
Die CDU hat (relativ) die meisten Stimmen erhalten, richtig. Nichts desto trotz spiegelt eine CDU-geführte Regierung nicht den Willen des Volkes wieder, das mehrheitlich links von der CDU gewählt hat (ob man das jetzt gut findet oder nicht). Das ist einfach mal Fakt.
Unser aktuelles politisches System ist offensichtlich nicht in der Lage, diese demokratische Richtungsangabe in einer entsprechende Regierung umzusetzen. Das widerspricht nun einmal diametral dem demokratischen Grundgedanken und hat nichts mit „Rumgeheule“ zu tun. Ob man übrigens anderen Leuten „Uninformiertheit“ vorwerfen und gleichzeitig für die nahezu vollständig inhaltleeren (und spätestens nach der Wahl ohnehin obsoleten) Wahlprogramme als Informationsquelle werben sollte, das muss vermutlich jeder selbst wissen. Auch ihre Überlegung, ob jede Stimme gleich viel zählen sollte, möchte an dieser Stelle lieber mal nicht kommentieren und verweise stillschweigend auf den Grundgedanken der Demokratie.
Dass unser politisches Parteien-System a) logische Widersprüche enthält und b) die Essenz einer demokratischen Richtungsentscheidung nur noch sehr eingeschränkt in eine Regierung umsetzen kann, ist nichts neues, aber wohl selten so stark und offensichtlich hervorgetreten wie bei dieser Wahl.
Wir brauchen im Sinne der Demokratie UND AUCH im Sinne eines erfolgreichen politischen Prozesses eine grundsätzliche Neugestaltung unseres Wahl- und Regierungssystems. Was wir NICHT brauchen ist die Beschimpfung der Leute, die diese Probleme thematisieren oder den Verweis darauf, dass es uns ja angeblich allen sowieso viel zu gut geht.
Äh ja, 23, ganz ehrlich: dass das mit den Stimmen für linke Parteien nicht stimmt, wird weiter oben ziemlich exakt aufgeschlüsselt. Die AfD und die FDP sind ziemlich klar kein Linksparteien. Die NPD auch nicht.
Und nochmal: es geht hier um REGIERUNGSBILDUNG und nicht um die 1:1 Abbildung des Willens des Volkes. Und genau deshalb habe ich Überhangmandate angesprochen, die inzwischen ja für Ausgleichsmandate sorgen.
Ich kann die Schraube auch noch weiter drehen: die CDU ist gar nicht die CDU sondern die CDU/CSU. Wenn es danach geht wird der Wille „des Volkes“ schon alleine deshalb nicht abgebildet, weil die CSU ziemlich offensichtlich andere Dinge verfolgt als die Schwesterpartei. Und wenn wir dann noch weiter gehen wollen können wir uns über die alte Socke „West/Ost“ unterhalten. 62 Millionen Westdeutsche „gegen“ 16 Millionen Ostdeutsche. Und was ist mit den Bremern? Und dem Saarland?
Diese irrwitzige Idee, dass 15% des Volkes „nicht vertreten werden“ ist kompletter Käse, denn er geht davon aus dass die Parteien grundsätzlich so komplett verschieden sind als wäre es der Unterschied zwischen Antifa und Rechtsradikalen.
Alleine die Agenda 2010 führt doch die ganze Argumentation ad-absurdum. Die SPD ist heute so weit in die Mitte ja wenn nicht sogar ins konservative Lager gerückt… ach unterhalten Sie sich doch einfach mal mit ein paar Hartz IV-Empfängern darüber ob die SPD links ist. Oder schauen Sie einfach auf die Wahlergebnisse seit 1998.
Das, was an der SPD links war, ist heute in der SPD gebündelt. Und die Zweitstimmendiskussion weist doch deutlich aus, dass viele Wähler der FDP der Ansicht waren, dass die FPD (!) als solche (!) nicht das umgesetzt hat, wofür sie vor vier Jahren gewählt wurde.
Sprich schon der letzten Wahl haben 15% der Wähler ihre Stimme einer Partei gegeben, die sogar an der Regierungsbildung bedeiligt war, deren Stimmen im Endeffekt nichts wert waren.
Die ganze Diskussion ist für die Tonne und erinnert mich Selbstmitleid.
Man geht wählen weil man in einer Demokratie lebt, und dazu gehört ganz einfach auch zu akzeptieren, dass wenn man verliert man verloren hat. Dazu zählt auch dass die Stimmen weggeschmissen werden durch die 5%-Hürde. Und nur weil ich das total schade finde ändert das nichts am demokratischen System. 62 Millionen Menschen waren wahlberechtigt und niemand ist davon abgehalten worden.
Alleine deshalb ist schon keine Stimme „verschenkt“ worden. Wenn überhaupt haben die Nichtwähler ihre Stimme verschenkt, denn durch ihr Nichtwählen hat jede abgegebene Stimme 28,8 durch 71,2 = 40% mehr gewicht gehabt.
Was für eine komplett nervige Verlierer-Diskussion. Immer wird erst nach der Wahl rumgeheult und das bei einer Wahl, wo komplett klar ist dass die FDP-Politik in der CDU/CSU weiter lebt und der Käse mit der AfD sowieso verschenkte Stimmen waren.
Deutschland wird nicht aus dem Euro aussteigen. Der Zug ist abgefahren, und genauso wenig sind die Stimmen aller anderen kleinen Parteien irgendwie „verfallen“. Für solch kleine Strömungen gibt es Volksbegehren und das Recht auf Versammlungsfreiheit. Es gibt genug Wege für direkte Demokratie in Deutschland.
Wenn’s nach mir geht ist jede Stimme für die SPD und die CDU/CSU verschenkt gewesen. Die Diskussion um die 15% die „nicht zählen“ ist für mich ungefähr genau so logisch wie wenn ich mich hinstellen würde und behaupte, 60% der Deutschen hätten falsch gewählt.
@00010111
Ihre Behauptung, dass Volk hätte links gewählt, ist schlicht und einfach unzutreffend.
Für SPD, Grüne und Linke haben nur 42,7% gestimmt, die damit gegenüber 2009 2,9% der Stimmen verloren haben. Die bisherigen Regierungsparteien CDU/CSU und FDP haben dagegen 46,3% der Stimmen erhalten (Verluste gegen 2009 -2,1%). Nur das knappe Scheitern der FDP an der 5%-Hürde und nicht der Wählerwille hat also zu einer knppen Mehrheit der linken Parteien im Bundestag geführt. Dies ist ja gerade einer der Gründe dafür, dass im Moment die Kritik an der 5%-hürde wachst. Noch deutlicher wird es, dass das Volk nicht links gewählt hat, wenn man die 4,7% der AfD hypothetisch dem bürgerlichen Lager zuordnen würde, dass damit auf 51% käme.
Den Parteiführungen aller drei linken Parteienist dies bewusst, was auch der Grund dafür ist, dass sie den Wahlsieg der CDU/CSU anerkannt haben.
Rot-Rot-Grün wären deshalb (ganz abgesehen davon das es seitens der SPD und der Grünen Wahlbetrug wäre) vielleicht nicht dejure aber defacto ein Staatsstreich gegen des Wählerwillen.
Nochmal zu Weimar:
Kann mir irgendjemand aus dem „Fünf-Prozent-Hürde WEIL WEIMAR!!!“-Lager mal anhand der Wahlergebnisse von damals VORRECHNEN was besser gewesen wäre, wenn es diese Sperrklausel damals auch gegeben hätte?
Ich weiß, dass man früher in den Geschichtsklausuren immer toll Punkte bekommen hat, wenn man irgendwas über Splitterparteien und 5% geschrieben hat. Habe ich auch gemacht. Hab gute Noten gekriegt. Es war trotzdem Käse.
Selbst mit 5%-Hürde wären das damals meist sechst, aber auch bis zu sieben Parteien im Parlament gewesen. SPD vs. KPD, Zentrum vs. Sozis und schließlich Zentrum pro Hitler hätte es auch so gegeben. Da ändern auch im Geschichtsunterricht antrainierte Reflexe nichts dran.
Das sind schlechteste Gründe um 15,9% der Wählerstimmen in den Müll wandern zu lassen.
[…] Niggemeier fordert in seinem Blogartikel, möchte jetzt bitte mal über die Fünf-Prozent-Hürde reden. Kann man gerne machen. Nur, hat sich bei der letzten Wahl jemand über diese Hürde aufgeregt? […]
@Sebastian:
Das Volk wählt aber nicht die Regierung, sondern das Parlament, und dieses wählt dann die Regierung. Müssen eigentlich Bundeskunz und Minister selbst gewählte Politiker sein?
Jedenfalls könnten CDU und SPD auch eine grüne Kanzlerin wählen, wenn sie das Volk überraschen wollten. Dabei sind sie de jure ihrem Gewissen, keinem Fraktionszwang verpflichtet.
[…] seinen vielen Splitterparteien und komplizierten Regierungsbildungen mag man froh sein, dass es die 5%-Hürde gibt. Allerdings sichert sie auch die Pfründe der etablierten Parteien, aber eine dynamische […]
@276 (Überschurke): So einfach ist das mit der Rechnung nicht, weil die Parteienlandschaft ja auch ein dynamisches System ist.
Mehrere Kommentatoren hier haben geschrieben, dass es bei uns ja keine Gefahr der Zersplitterung gäbe, also könne man die 5%-Hürde durchaus lockern. Aber es ist ja nur genau deshalb so aus, weil neue Parteien eine schwere Hürde nehmen müssen, bevor sie langfristig als bleibende Kraft in der Parteienlandschaft stehen.
Umgekehrt sähe auch eine Weimarer Republik mit 5%-Hürde deutlich anders aus, weil kleinere Parteien in der Bedeutungslosigkeit verschwinden würden.
Es bleibt aber dabei, dass die Weimarer Republik ohnehin eine Ablenkung ist. Bei einem Bundestag mit 600 Sitzen hat eine Fraktion mit 5% gerade einmal 30 Sitze. Mit 30 Sitzen die Ausschussarbeit ordentlich zu betreiben ist schon eine massive Herausforderung. Viel kleiner sollten Fraktionen nicht werden.
Was das Wegfallen von Stimmen angeht, so gibt es, wie bereits mehrfach gesagt, eine bessere Lösung, nämlich eine Präferenzwahl, bei der man zweite, dritte, etc. Präferenzen angeben kann.
@ Frank Volkert, Sebastian: stimmt, mit der „linken Mehrheit“ habe ich mich im Eifer des Gefechts vertan. Ich hatte das auf Sitze im Parlament bezogen, dann aber vom reinen Abstimmungsergebnis gesprochen.
@ Sebastian:
abgesehen von der Frage der 5%-Hürde bleibt die von mir beschriebene Grundproblematik aber bestehen.
Ich verstehe nicht so ganz, warum sie ständig lautstark auf dem (angeblichen) Unterschied zwischen Wahlergebnis (nach Stimmen) und Regierungsbildung herumreiten – in einer Demokratie sollte die Regierung das Wahlergebnis möglichst exakt widerspiegeln, das ist ja gerade die Definition dieses Begriffs.
Ich weiß ehrlich gesagt auch nicht, warum sie darauf bestehen, andauernd von „lamentieren“ und einer „Verlierer-Diskussion“ zu reden (von den „Argumentationen“ qua Agenda 2010 erst gar nicht reden). Das Wahlergebnis ist so, wie es ist und unser politisches System ist auch so, wie es ist. Beides muss man akzeptieren und beides akzeptiere ich. Ich habe in den letzten 3 Wahlen immer für die verlierende Seite gestimmt, obwohl ich schon vorher wusste, dass es die verlierende Seite sein wird. So what? Darum geht es nicht.
Es geht darum: es ist recht offensichtlich, dass angesichts der Verteilung der abgegebenen Stimmen und der daraus folgenden Regierungsbildung im gegenwärtigen System eine gewaltige Anzahl der Wähler nicht repräsentiert wird, da die Logik unseres Partei-politischen Systems eine bessere Repräsentation des Wählerwillens offensichtlich nicht zulässt, sondern stattdessen zu aus der Not geborenen großen Koalitionen etc. führt. Dass dies so ist, ist aber kein Naturgesetz. Es könnte (und sollte) durchaus auch anders gehen. Ebenso ist es kein Naturgesetz, dass eine Stimme für die Piraten, die AfD oder die FDP (was auch immer man von diesen Parteien jeweils hält) eine „weggeschmissene“ Stimme ist. Dass die Stimme „weggeschmissen“ ist, ist nicht die Schuld des AfD/FDP/Piraten-Wählers, sondern die Schuld unseres politischen Systems. Das ist der Punkt, über den ich sprechen möchte (und von dem im übrigen ja auch der Blogbeitrag hier handelt). Ihre Tiraden gegen „die Wahlverlierer“ können Sie dagegen gerne für sich behalten.
ps:
Um das nochmal klar zu stellen: es gibt keine „linke“ Mehrheit innerhalb der gesamten abgegebenen Stimmen. Aber es gibt eine Mehrheit links von der Union im deutschen Bundestag.
@23
Ok wenn Ihnen lange Texte zu problematisch sind dann fasse ich es gerne knackig auf meine Kernthese zusammen: die FDP hat fast 10% der Stimmen verloren. In Exit-Polls haben von diesen Wählern 90% angegeben, dass sie die FDP nicht mehr wählen, weil diese ihre Wahlversprechen nicht umgesetzt habe.
Im Lichte dessen halte ich die Diskussion darüber, dass „der Wählerwillen“ nicht umgesetzt wird (bzw. der Wähler nicht repräsentiert wird) für einen ziemlichen Witz. Hätte die FDP die 3%-Hürde genommen, würde sie jetzt mit der CDU/CSU die Regierung stellen.
Was ist denn da bitte perverser? Zwei Drittel der Wähler rennen weg und die Partei darf weiter machen oder man geht vier Jahre lang mit sich selbst in einen Erneuerungsprozess?
Wahlkampfhilfen gibt’s ab 0,5%, von daher geht die Partei daran sicherlich nicht kaputt.
Und dass die AfD nicht ins Parlament kommt ist für mich die zweite Bestätigung, dass wir die 5%-Hürde brauchen, da die erstens wie so jede neue Partei erst einmal schick die Rechtsradikalen angezogen haben und zweitens genau das widerspiegeln, was die lieben FDP-Wähler nach Ayn Rand-Manier erwarten. „Ich ich ich ich ich“. Wie man das „wählen“ kann ist mir schleierhaft, denn antidemokratischer sind nur die Kommunisten und die Nazis.
Diese ganze Diskussion um das Wahlrecht geht völlig an der Realität vorbei. Es wird da abstrakt vom „Wählerwillen“ schwadroniert ohne auch nur ansatzweise eben diesen Wählerwillen konkret zu betrachten. Fehlt nur noch dass wir die NPD bei 4,9 Prozent gehabt hätten und uns darüber müde diskutieren dass die armen armen Nazis jetzt nicht ordentlich im Bundestag repräsentiert werden.
@ sebastian
erstens: ????
zweitens:
– es spielt keine Rolle, wieviele Wähler in welchen exit polls welche Gründe pro oder kontra irgendeine Partei angegeben haben
– es spielt ebenfalls keine Rolle, wieviele Prozent diese oder jene Partei im Vergleich zur letzten Wahl verloren oder gewonnen hat, welche Farbe die Krawatte des Vorsitzenden hatte und ob letzten Dienstag die Sonne geschienen hat
– es hat logischerweise einzig und allein das aktuelle und tatsächliche Stimmergebnis DIESER WAHL zu zählen
– die Tatsache, dass eine bestimmte (zumindest offiziell innerhalb des demokratischen Spektrums befindliche und damit zur Wahl zugelassene) Partei (z.B. die AfD) jetzt aufgrund der aktuell existierenden Hürden des Wahlrechts (5%-Hürde) nicht ins Parlament kommt, kann nicht mit inhaltlichen Positionen dieser Partei gerechtfertigt werden (das müsste doch eigentlich einleuchten)
So viel zu ihrer knackigen „Kernthese“ und der Problematik ihrer langen Texte ;-)
drittens:
ich „schwadroniere“ nicht „abstrakt“ vom Wählerwillen, sondern ich weise sehr konkret darauf hin, dass die Regierung, die wir jetzt bekommen werden, eine nur sehr schlechte Abbildung der insgesamt abgegebenen Stimmen ist und dass die Gründe für diese Situation v.a. in unserem Wahlsystem liegen. Ein Aspekt ist dabei die 5%-Hürde (welche Parteien das auch immer betrifft und ob mir persönlich das dann gefällt oder nicht). Ein anderer Aspekt ist die Tatsache, dass die Entscheidung über die tatsächliche Regierung am Ende von ein paar sattgefressenen Parteifunktionären getroffen und von deren persönlichen Vorlieben, Pöstchenschieberei und Eitelkeiten bestimmt wird (gerade ja mal wieder live zu beobachten). Dass das nicht dem Grundgedanken einer Demokratie entspricht, sollte jedem spätestens nach der 9. Klasse Sozialkundeunterricht bewusst sein.
(Im Spezialfall der großen Koalition ist das neben den politiktheoretischen Fehlern übrigens auch inhaltlich der demokratische Super-GAU, da Schwarz-Rot jetzt über 80% der Sitze im Parlament haben wird und damit
a) die Verfassung ändern kann und wird
b) parlamentarische Untersuchungs-Ausschüsse von vorne herein verhindern kann, was eine effektive Kontrolle der Regierung de facto unmöglich macht)
Mit einfachen Worten und möglichst „konkret“:
1. Die Mehrheit der gesamten abgegebenen Stimmen für „demokratische“ (d.h. offiziell zugelassene) Parteien bei der BTW13 ist vermutlich eher rechts als links (gefällt mir persönlich nicht, aber ok)
2. Dies wird durch die 5%-Hürde pervertiert („linke“ Mehrheit im Parlament)
3. Die „linke“ Mehrheit im Parlament wird dann wiederum pervetiert durch Koalitionstaktik, Machtspielchen und irgendwelche persönlichen Animositäten auf Sandkasten-Niveau (à la „wir koalieren nicht mit den Linken, weil die sind blöd und stinken nach Lulu!“). Wären der Vorsitzende der SPD und der Vorsitzende der Linken zufällig beste Freunde, dann hätten wir schon längst Rot-Rot-Grün (ob man das jetzt gut fände oder nicht). Von derartigem Nonsens hängt de facto die Zusammensetzung der Regierung in den nächsten vier Jahren ab – und nicht von den entscheidenden inhaltlichen Fragen. Kein Wunder also, dass die CDU schon 3 Tage nach der Wahl die ersten Wahlversprechen gebrochen hat. Es hätte aber auch die SPD sein können oder jede andere Partei, denn unser idiotisches Partei-Taktik-Wahl-System erzwingt das vollständig inhaltsleere Geschwafel und die nebulösen leeren Versprechen geradezu. Mal ganz davon abgesehen dass die Wähler schon von vorne herein zu einer „taktischen“ Stimmabgabe gezwungen werden, da die inhaltliche politische Meinung des Wählers in 15% der Fälle vom Wahlsystem formal bestraft wird.
viertens:
Wie man die offensichtlichen schwerwiegenden Fehler und Idiotien dieses Systems nicht sehen kann, ist mir ein Rätsel.
@Sebastian (#283):
Hier schummeln Sie ein bisschen, indem Sie als Gegenbeispiel einen mit einer ebenso willkürlichen Sperrklausel von 3% gewählten Bundestag als Gegenbeispiel annehmen.
Ein ohne Sperrklausel gewählter Bundestag mit zunächst 599 Abgeordneten sähe aber so aus:
CDU/CSU: 249 Sitze
SPD: 154 Sitze
Die Linke: 52 Sitze
Grüne: 50 Sitze
FDP: 29 Sitze
AfD: 28 Sitze
Piraten: 13 Sitze
NPD: 8 Sitze
Sonstige: 16 Sitze
Absolute Mehrheit: 300 Sitze; CDU/CSU/FDP: 278 Sitze
(Durch Überhang- und Ausgleichsmandate würde die Gesamtzahl der Sitze zwar erhöht, das Stärkeverhältnis der einzelnen Fraktionen untereinander bliebe aber unverändert.)
Natürlich, als reine Kanzlerwahlversammlung und Akklamationskammer zur Bestätigung der Regierungspolitik taugt ein so zusammengesetzter Bundestag nicht.
Sehr wohl aber als oberstes Willensbildungsorgan in einer repräsentativen Demokratie.
Ein Bundeskanzler, der sich auf das ständige Vertrauen einer absoluten Mehrheit der Abgeordneten stützen will, muss eben eine entsprechend breite Koalition schmieden, die auch wirklich die gewählten Repräsentanten von mehr als der Hälfte der Wähler umfasst. Dass so etwas sehr wohl geht, kann man regelmäßig z. B. in den Niederlanden oder in Finnland besichtigen, wo Viel-Parteien-Koalitionen die Normalität sind.
Oder aber der Führer der stärksten Fraktion oder Koalition muss eine Minderheitsregierung bilden, und sich von Thema zu Thema im Verhandlungswege um eine Mehrheit für seine Vorhaben bemühen, während zugleich der Bundestag die Freiheit behält, aus seiner Initiative Mehrheiten für eigene Gesetzgebungsvorhaben zu formen.
Dass die dem Bundeskanzler vielleicht nicht immer gefallen, ist Sinn und Zweck der Gewaltenteilung: Die Bundesregierung soll die vom Bundestag beschlossenen Gesetze ausführen, nicht faktisch beschließen und vom Bundestag nur noch durchwinken lassen.
Nirgendwo im Grundgesetz steht aber geschrieben:
„Bei Bundestagswahlen treten Schwarz-Gelb und Rot-Grün gegeneinander an, prinzipielle Querulanten dürfen ausnahmsweise und gnadenhalber versuchen, auch ein paar Abgeordnete der Partei Die Linke in den Bundestag zu wählen.
Erhalten Schwarz-Gelb oder Rot-Grün mehr Stimmen als das andere Lager und Die Linke zusammen, stellt dieses Lager den Bundeskanzler und regiert durch.
Wählen so viele Querulanten Die Linke, dass weder Schwarz-Gelb noch Rot-Grün mehr als die Hälfte der Sitze erhalten, gibt es zur Strafe eine Große Koalition, die dann eben durchregiert.“
@23: Glückwunsch -das muss man erst mal hinbekommen – von der abgegebenen Stimme so zu abstrahieren, dass der Wählerwille egal ist.
Sorry aber wie soll man Sie da ernst nehmen?
@Sibirischer Tiger: ich habe mich jetzt noch mit einem netten Buch zur deutschen Geschichte ein wenig weiter ins Thema eingelesen. Das Haupt-Problem der Weimarer Republik war ja offensichtlich nicht die Vielzahl der Parteien, sondern der Fehlende Wille zur Demokratie aufgrund der Dolchstoßlegende bezüglich der Niederlage im 1. Weltkrieg (die Demokratie war Schuld und hat den Kaiser eingeschränkt). Die Wikipedia sagt ja, dass einzig die preußischen Beamten demokratisiert wurden, während z.B. in Bayern die Regierung im Prinzip immer noch dem Kaiserreich nachtrauerte. Kombiniert mit den weitreichenden Befugnissen der Regierung kam dann leider die Katastrophe 1933.
Von daher – ich bezweifle in den Grundzügen ehrlich gesagt nicht, dass es auch mit mehr kleinen Parteien möglich ist, Regierungen zu bilden.
Die Niederlande halte ich da aber ehrlich gesagt aufgrund der in den letzten Jahren stark verdeutlichten, rechten Strömungen nicht wirklich für ein gelungenes Beispiel.
Mir persönlich wäre es auch lieber, wenn in Deutschland nicht CDU und SPD regieren würden, damit es mehr soziale Gerechtigkeit gibt, ich habe nur leider die Befürchtung dass das dann auch in PKW-Maut und Euro-Ausstieg resultieren könnte. Von daher – wenn uns die CDU in der EU hält und damit die Vorteile des Binnenmarktes erhält, ist das meiner Ansicht nach so besser. Es wählen ja offensichtlich egal wie man es dreht und wendet die Mehrzahl der Bürger die konservativen Lager – die SPD ist mittlerweile so wertkonservativ, dass wir auf irgendwas mit 65% kommen CDU/CSU/FPD/SPD/NPD.
Im Moment seh ich ehrlich gesagt nur das krampfhafte Bedürfnis, die abgegebenen Stimmen besser abzubilden, einfach „darum“. Ungefähr so als ob man die Sitzordnung bei einer Hochzeit hinbekommen will einzig und allein nach dem Kriterium „Möglichst alle sollen einen Platz an einem Tisch bekommen“, ohne auch nur ansatzweise darauf zu achten, wer mit wem an einem Tisch sitzt und warum manche Leute einfach lieber draußen bleiben sollten, weil sie sonst dazu beitragen, dass am Ende das Gebäude in Flammen steht.
@284: Wie oft muss ich hier eigentlich noch wiederholen, dass eine hypothetische Große Koalition nicht „die Verfassung ändern kann und wird“? Mal davon abgesehen, dass das auch zwischen 2005 und 2009 (oder gar zwischen 1966 und 1969) nicht passiert ist: Wir haben ein Zweikammerparlament, und Grundgesetzänderungen benötigen eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern (im Bundesrat sogar eine Zweidrittelmehrheit der existierenden Stimmen). Das ist bei der momentanen Stimmverteilung im Bundesrat nicht ohne die Grünen machbar, die über die Landesregierungen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Schleswig-Holstein an 25 dieser 69 Stimmen beteiligt sind, und die einen Teufel tun werden, sich an Grundgesetzmanipulationen einer Großen Koalition zu beteiligen. Davon mal abgesehen: welches Interesse genau sollten Union und SPD haben, an der Verfassung herumzudoktern?
Die Sache mit den Untersuchungsausschüssen ist allerdings ein Betriebsunfall. Das Problem ließe sich dadurch lösen, dass man der Opposition grundsätzlich das Recht zugesteht, einstimmig solche Ausschüsse einzuberufen, wobei sich natürlich die Frage stellt, welches Interesse CDU/CSU und SPD daran haben sollten…
@Sebastian,#283
Zitat: „Wie man das »wählen« kann ist mir schleierhaft, denn antidemokratischer sind nur die Kommunisten und die Nazis.“
Ein Gespenst geht um in …
Es ist schon irre, wie eine ansich tolle Idee durch die Angst der Machthaber über jahrhunderte kaputt gemacht wird.
Und ich frage mich wie ein doch scheinbar gebildeter Mensch unreflektiert solche Sätze in die Welt setzt.
Aber Gut es gibt ja sogar ein Partei MLPD – für mich immer noch unbegreiflich Marx und Lenin für eine Partei zu halten (in eine zu stecken).
Lieber Sebastian, es wird Zeit, dass du mal selber über den bösen undemokratischen Kommunismus recherchierst. Ein Tipp: lies mal den bösen undemokratischen Karl :-)).
@Ospero
46 Stimmen sind im Bundesrat für eine 2/3 Mehrheit notwendig. Fehlen einer großen Koalition also ganze 2 Stimmen, das beruhigt mich ungemein, zumal sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat innerhalb einer Legislaturperioden nie geändert haben!
@Stimmverlust
„Du bist doof“war schon immer ein toller Diskussionsansatz.
Ich gucke dann am besten auch gleich neue Testament als Nachweis, warum katholische Priester alte ganz harmlos sind und die Kirche nichts gegen Homosexuelle hat.
Ich habe Kommunisten geschrieben, nicht Kommunismus. Wenn’s nach mir ginge, dann können wir den Kapitalismus sofort abschaffen, wenn da nicht das Problem Mensch wäre, speziell die 3 bis 5 Prozent Soziopathen.
Sowieso wieso muss ich mich hier dumm nennen lassen wenn die Geschichte doch mehr als eindeutig bewiesen hat, wo Kommunismus hingeführt hat.
lustiger sind da nur die Libertaristen die mich laufend in meinem Blog anmaulen, dass ich „Atlas wirft die Welt ab“ ja nur nicht richtig verstehe.
@Sebastian
Es tut mir leid, wenn Du dich von mir angegriffen oder vorgeführt fühlst, das war nicht meine Absicht. Lediglich wollte ich klarstellen, dass ich am Kommunismus nichts schlimmes sehe, außer dass was einigen Menschen aus dieser Idee gemacht haben, diese möchte ich aber keinesfalls Kommunisten nennen.
Also nochmal Entschuldigung.
Wege aus dem Kapitalismus (Andre Gorz)
Hallo
Neue Stimmverhältnisse im Bundestag könnten sich heute noch andeuten nach der Essener Neuzählung, wenn das Direktmandat der SPD-Frau zugesprochen wird: 310 CDU/CSU vs. 320 Mitte-Links („rosagrünrot“). Wenn die das wie´s aussschaut nicht nutzen werden, dann, ja dann – wird vermutlich bei den BT-Neuwahlen Frühjahr 2014 die Nichtwählerquote auf 40-plus ansteigen …
Ich stimme der Ausführung größtenteils zu.
Eine Sperrklausel ist mit demokratischen Grundsätzen nicht zu vereinbaren! Wenn es Gründe für eine Hürde gibt, also Stimmen als nicht repräsentativ angesehen werden, dann darf so eine Hürde nicht höher sein als 2% der gültigen Stimmen (es gibt einige Länder in Europe, die niedrige Hürden haben, ohne Regierungsbildungs-Probleme.)
Außerdem, unabhängig wie hoch eine Sperrklausel oder Hürde ist (2013 wurden insgesamt 15,8% Stimmen weggeschmissen), müssen auf alle Fälle die Sitze im Parlament entsprechend reduziert werden. Dann wäre wenigstens das Rausschmeißen repräsentativ, durch ein verkleinertes Parlament. (Reduziert auch die Kosten für die Steuerzahler.)
Die 15,8% Sonstige wurden jetzt auf die verbleibenden Parteien mit Sitzgeschenken verteilt. Diese Sitze sind demokratisch nicht legitimiert!
Statt Repräsentanten mit freiem Mandat, besser mitbestimmen durch DIREKTE DEMOKRATIE bzw. imperatives Mandat durch Delegationen/Räte!
@289: Das stimmt so nicht. Ich habe lediglich auf die Sperrminorität der Grünen hingewiesen, aber die wären in diesem Szenario nicht die einzige potenzielle Opposition. Die GK hat im Moment im Bundesrat nur Bayern, Thüringen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, Hamburg und das Saarland sicher in der Hand (oder eher einigermaßen sicher, wenn man Horst Seehofers Alleingänge bedenkt…). Das sind 27 Stimmen – 32, falls Hessen eine Große Koalition bekommt, was noch keinesfalls ausgemacht ist. Weder die FDP (Sachsen) noch die Linkspartei (Brandenburg) noch Grüne und SSW (siehe obige Liste) haben irgendeinen Grund, Union und SPD beim Bearbeiten des Grundgesetzes zu helfen, und von 32 zu 46 fehlen dann doch ein paar mehr als nur vier Stimmen.
Nachtrag: Ich habe mich offenkundig verzählt. Die Sperrminorität der Grünen kommt natürlich auf 29 Stimmen im Bundesrat (BaWü 6, RLP 4, NRW 6, Niedersachsen 6, Bremen 3, SH 4). Und ich wundere mich, wo die letzten 4 Stimmen gegen die Große Koalition hin sind…
Und die Erfahrung lehrt meines Wissens, dass Änderungen der Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat selten zu Gunsten der amtierenden Regierung ausfallen – man vergleiche mal die Landesregierungs-Karten von 2009 und 2013.
#89: „Parteien vertreten nicht Interessen oder Meinungen, sondern Kompromisse.“
Das Gegenteil ist der Fall. Wenn es so wäre, bräuchten wir gar keine Parteien mehr. Parteien sollten unbedingt Interessen und Meinungen vertreten. Das Problem heute sehe ich eher darin, das die „Volks“parteien eben für keine klaren Interessen und Meinungen mehr stehen und daher für viele Wähler nicht wählbar sind.
Die Kompromisse werden eventuell anschließend bei der Koalitionsbildung geschlossen.
[…] “Eine Regierung, die von ca. 20% derer, über deren Rechte und Pflichten sie bestimmen darf, nicht mitgewählt werden durfte, ist nicht demokratisch legitimiert.” Dies ist ein Zitat von der JuPi-Seite zum Wahlrecht ab Geburt. Dies stimmt aber auch umso mehr, als dass bei der BTW13 15% der abgegebenen Stimmen und damit die Stimmen von sieben Millionen Bürgern ohne parlamentarische Repräsentanz geblieben sind. Dass damit die 5%-Sperrklausel grundgesetzwidrig geworden ist, ist keine Einzelmeinung. […]
[…] Können wir jetzt bitte mal über die Fünf-Prozent-Hürde reden?: In den Wochen zuvor waren wir ununterbrochen angeschrien worden, wir müssten wählen gehen. Nichtwählen bedrohe die Demokratie, wurde uns eingeredet. – http://www.stefan-niggemeier.de/blog/koennen-wir-jetzt-bitte-mal-ueber-die-fuenf-prozent-huerde-rede… […]
Ein bisschen spät, aber die Diskussion kann nun durch einen Kompromiss ergänzt werden, gegen den viel schwerer zu argumentieren ist als gegen die Abschaffung der Sperrklausel:
Abgeordnete ohne Stimmrecht statt Sperrklausel
simpler dreh: kästchen nebeneinander,ins erste Kästchen lieblingspart-ei eintragen.Ins zweite zweit-lieblingspartei etc.etc.Fällt im ersten kästc-hen stimmen unter 5%, so springen stimmen auf 2tes kästchen et.etc. kielne parteien kämen so viel eher hoch, weil keine angst,das stimme verloren geht(dies nur grundprinzip,in Praxi muß noch feinheiten der wahlgesetze et. beachtet werden) Trotzdem ist es machbar. GroKo wird es ablehen,weil schlecht für ihre Macht und es notfalls mit pseudo- moralischen argumenten ablehen,wenn möglich verschweigen.