Merkel vor Steinbrück, Tierschutz vor Piraten: Die Quoten der Wahlwerbespots

Angela Merkel liegt deutlich vorne: 35 Millionen Menschen haben, zusammengerechnet, den 90-sekündigen CDU-Wahlwerbespot bei ARD und ZDF gesehen. Die 16 Ausstrahlungen hatten deutlich mehr Zuschauer als das SPD-Gegenstück, das es nur auf 30 Millionen schaffte.

Die deutschen Fernsehsender dürfen eigentlich keine politische Werbung zeigen. Außer vor Wahlen: Dann müssen sie.

ARD und ZDF verteilen die Sendeplätze nach folgendem Schema: Die großen Parteien im Bundestag bekommen je acht Ausstrahlungen pro Sender, die kleinen vier. Jede Partei, die zur Bundestagswahl zugelassen ist und mit mindestens einer Landesliste antritt, hat Anspruch auf zwei.

Der Spielraum, einzelne Spots aufgrund ihrer Inhalte abzulehnen, ist für die Sender extrem gering. Es muss schon „ein evidenter und nicht leicht wiegender Verstoß gegen die allgemeinen Gesetze, insbesondere Normen des Strafrechts“ vorliegen. So konnte in diesem Jahr die Partei „Die Rechte“ im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Neonazis und Kriegsverbrecher als Opfer des System darstellen; die „Partei“ aus dem „Titanic“-Umfeld bekam Raum für eine mutmaßlich lustig gemeinte Parodie auf RAF-Entführungsfilme.

Die einzelnen Sendeplätze bekommen die Parteien nach einem komplexen System zugelost, das ungefähre Chancengleichheit herstellen (und Klagen von Parteien verhinden) soll. Das ist, an den Zuschauerzahlen gemessen, in diesem Jahr immerhin halbwegs gelungen.

Die Union profitiert dabei davon, dass die CSU als eigene Partei behandelt wird und bundesweit Sendezeit bekommt (obwohl der Spot, in dem Horst Seehofer davon redet, was er in den nächsten fünf Jahren tun will, zweifellos auf die bayerische Landtagswahl zielte).

Die kleineren Bundestagsparteien erreichten mit ihren ARD/ZDF-Spots zwischen 11,5 Millionen (FDP) und 14,3 Millionen (Grüne) Zuschauern. Bei den anderen Parteien reichte die Spanne von 6,6 Millionen (Die Partei, Bayernpartei) bis 9,8 Millionen (BIG).

Natürlich hängt die Quote nicht nur vom Glück des Sendeplatzes ab, sondern auch vom Spot selbst, also davon, wieviele Zuschauer sofort umschalten oder, und sei es aus Fassungslosigkeit, bis zum Schluss dranbleiben.

Frauen-, Rentner- und Familienpartei verzichteten auf die Möglichkeit, Fernsehspots zu zeigen.

Partei Sendetermin Zuschauer
(in Mio.)
Summe
(in Mio.)
CDU ZDF Mo 18:00 2,1 35,0
ARD Di 21:45 3,5
ZDF Do 17:10 1,2
ARD Fr 18:00 2,4
ZDF Di 19:20 2,8
ARD Di 22:50 1,6
ARD Do 17:35 1,0
ZDF Sa 23:00 1,9
ZDF Mi 22:10 3,2
ZDF Fr 18:00 1,7
ARD Do 21:45 3,2
ARD Fr 23:30 1,8
ARD Mo 22:15 3,0
ZDF Di 22:15 2,7
ZDF Fr 17:00 1,8
ARD Fr 18:00 1,1
SPD ZDF Mo 22:15 3,3 30,0
ARD Mo 18:00 0,9
ARD Sa 21:45 3,1
ZDF Sa 23:00 2,5
ZDF Di 17:10 1,5
ARD Mi 23:30 0,9
ZDF Do 19:20 2,3
ARD Fr 22:00 2,0
ZDF Mo 18:00 2,7
ZDF Mi 17:10 1,7
ARD Do 22:45 1,6
ARD Mo 18:00 1,5
ARD Di 17:50 1,4
ZDF Mo 22:15 3,6
ZDF Fr 18:00 2,6
ARD Fr 22:00 2,0
FDP ZDF Mi 18:00 2,0 11,5
ARD Do 18:00 0,8
ZDF Do 19:20 2,0
ARD Do 22:45 1,6
ZDF Di 23:10 1,4
ZDF Do 17:10 1,7
ARD Sa 23:00 2,2
ARD Mi 21:45 2,0
Die Linke ZDF Mi 17:10 1,4 13,0
ARD Fr 23:30 1,5
ZDF Mo 19:20 2,1
ARD Do 21:45 2,4
ARD Sa 17:45 1,5
ZDF Sa 23:00 2,7
ZDF Di 18:00 2,4
ARD Do 22:45 1,4
Grüne ZDF Do 19:22 2,3 14,3
ARD Fr 22:00 2,4
ARD Mo 23:50 0,9
ZDF Fr 17:10 1,1
ZDF Mi 23:30 1,2
ARD Do 22:15 2,7
ZDF Mo 18:00 2,6
ARD Mi 18:00 1,1
CSU ZDF Di 18:00 2,1 13,6
ARD Sa 23:40 1,2
ZDF Mo 23:40 1,4
ARD Mi 23:00 1,4
ZDF Fr 17:10 1,3
ARD Mi 18:00 1,3
ZDF Do 19:20 3,0
ARD Do 22:15 1,9
Piraten ZDF Mi 19:23 2,4 6,6
ARD Do 22:45 1,7
ZDF Mo 17:10 1,6
ARD Sa 17:00 0,9
NPD ZDF Fr 19:23 2,0 6,8
ARD Di 22:15 2,2
ZDF Di 17:10 1,4
ARD Di 18:00 1,2
Tierschutzpartei ZDF Sa 22:40 2,5 8,8
ARD Sa 17:45 1,5
ARD Di 22:50 2,1
ZDF Di 18:00 2,7
REP ZDF Di 18:00 2,2 8,2
ARD Sa 23:55 0,6
ARD Fr 21:45 2,5
ZDF Fr 19:20 2,7
ÖDP ARD Mo 22:00 2,1 6,9
ZDF Mi 19:20 2,3
ZDF Mo 17:10 1,7
ARD Sa 0:00 0,8
Bayernpartei ARD Do. 22:15 2,0 6,6
ZDF Di 23:30 1,1
ARD Fr 23:35 1,4
ZDF Sa 19:20 2,1
PBC ARD Do 21:45 2,6 7,8
ZDF Mi 17:10 1,2
ARD Sa 23:05 1,5
ZDF Mo 19:35 2,5
BüSo ARD Di 22:15 2,5 7,6
ZDF Mo 22:10 2,9
ARD Mo 17:35 1,0
ZDF Sa 17:55 1,2
Die Violetten ARD Mi 18:00 1,0 7,1
ARD Do 22:15 2,1
ZDF Sa 19:20 2,1
ZDF Mi 17:10 1,9
MLPD ZDF Mo 17:10 1,4 6,7
ARD Mi 22:45 1,5
ZDF Mi 19:20 2,8
ARD Do 18:00 1,0
Volksabstimmung ARD Sa 23:45 1,2 8,7
ZDF Mi 18:00 2,3
ZDF Di 19:30 2,8
ARD Fr 21:45 2,4
PSG ZDF Sa 18:00 0,8 8,1
ARD Sa 23:15 1,9
ZDF Di 18:00 2,7
ARD Fr 22:00 2,9
AfD ZDF Sa 19:20 2,1 7,8
ARD Mi 21:45 2,6
ZDF Do 18:00 2,2
ARD Do 17:55 0,9
Bündnis 21/RRP ZDF Do 18:00 1,8 7,8
ARD Mo 23:00 2,1
ZDF Mo 22:10 2,8
ARD Fr 18:00 1,1
BIG ARD Di 18:00 1,0 9,8
ZDF Do 18:00 1,9
ARD Di 21:45 3,9
ZDF Mi 19:20 3,0
Pro Deutschland ZDF Di 17:10 1,4 8,1
ARD Sa 17:00 0,7
ZDF Do 19:20 3,2
ARD Di 22:20 2,8
Die Rechte ARD Mi 22:15 2,3 9,2
ZDF Mo 18:00 2,7
ARD Fr 18:00 0,9
ZDF Sa 22:40 3,3
Freie Wähler ARD Mo 18:00 1,0 7,8
ZDF Do 17:10 1,2
ARD Mi 22:50 2,3
ZDF Di 19:20 3,3
Partei der Nichtwähler ARD Di 22:55 1,9 6,7
ZDF Fr 17:10 1,2
ARD Sa 17:50 0,9
ZDF Mo 19:20 2,7
Partei der Vernunft ARD Sa 17:00 0,7 7,5
ZDF Mo 17:10 1,6
ARD Mo 22:30 2,8
ZDF Fr 19:20 2,4
Die Partei ZDF Fr 18:00 2,0 6,6
ARD Mi 18:00 0,9
ZDF Di 23:35 1,9
ARD Sa 23:05 1,8

14 Replies to “Merkel vor Steinbrück, Tierschutz vor Piraten: Die Quoten der Wahlwerbespots”

  1. Ich bezweifele allerdings, dass die ohnehin sehr fragwürdige Methode der Quotenmessung überhaupt in der Lage ist, vertrauenswürdige Zahlen für solche 90s-Stücke bereitzustellen.

  2. Dass dieser Trick mit der Trennung von CDU und CSU doch immer wieder klappt …
    Aber wenn ein (angetrunkener) Gerhard Schröder in der Elefantenrunde sagt, dass die SPD die Partei mit den meisten Stimmen ist, weil CDU und CSU ja zwei verschiedene Parteien sind, wird er von allen ausgelacht.

  3. Haha, dem PARTEI-Spot war bei Youtube gerade ein AfD-Spot vorgeschaltet. Funktionierte als Vorgruppe gar nicht schlecht.

    @Linus: Für Niggemeier-Kommentatoren bräuchten wir dringend eine Partei mit dem Slogan „Wir verstehen die Aufregung nicht“. ;-)

  4. Warum taucht hier eigentlich bei (gefühlt) jedem zweiten Eintrag im Blog ein Kommentar auf, der fragt, was der Skandal sei – ungeachtet dessen, dass der Autor nie behauptet hat, einen Skandal zu beschreiben…?

  5. Zitat aus dem Artikel:

    „Die Union profitiert dabei davon, dass die CSU als eigene Partei behandelt wird und bundesweit Sendezeit bekommt .“

    Eben immer so, wie es der Union gerade zupasskommt: Im Wahlkampf sind sie natürlich zwei eigenständige Parteien, bekommen dadurch mehr Sendezeit für ihre Werbespots, schicken je einen Vertreter in die „Berliner Runde“, und kassieren auch separat Wahlkampfkostenerstattung. (Was für sie deshalb vorteilhaft ist, weil es für die ersten vier Millionen Stimmen 0,85 € statt 0,70 € je Stimme gibt.)

    Der einzige Haken daran – die CSU könnte weniger als fünf Prozent der bundesweit abgegebenen, gültigen Zweitstimmen erreichen – ist auf Grund der Grundmandatsregel keiner.

    Im Bundestag dann, wenn es um dessen Präsidenten, Ausschussvorsitze, Stellen für Mitarbeiter usw. geht – oder darum, wer in einer Großen Koalition den Kanzler stellt – bilden sie aber natürlich eine „Fraktionsgemeinschaft“, und zählen gemeinsam.

    Ja , ja …

  6. Und dass die CDU damit goldrichtig lag, in ihrem Spot einfach nur Frau Merkel sitzen und ein paar Worte sagen zu lassen, zeigt sich jetzt nach Ausgang der Wahl ja wieder mal sehr deutlich. Man muss einfach wissen, was zieht…

  7. Das hier sind natürlich Brutto-Reichweiten. Wenn jemand einen Spot mehrmals gesehen hat, wird er darin auch mehrmals gezählt. Netto werden die Parteien mit ihren Spots also deutlich weniger Personen erreicht haben.

  8. Ich habe nach der Wahl mit einem Kollegen über mediale Präsenz von Parteien während der Wahl diskutiert. Wir sehen beide erhebliche Nachteile für Kleinparteien. Während das bei privaten Publikationen ja ok ist, finde ich, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk hier Nachholbedarf hat.

    Also Grundgedanke: Nach Zulassung durch den Bundeswahlleiter sollten alle Parteien durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gleich behandelt werden. Das bedeutet u.a. kein Kanzlerduell in ARD/ZDF.

    Der Startvorteil der bereits im Bundestag vertretenen Parteien ist gross. Wenn ARD/ZDF nicht auf die Vorstellung von Steinmeier/ Merkel verzichten möchte, dann sollten sich Herr Brüderle/ Herr Trittin/ …, aber auch Herr Lucke/ … (jetzt hörts bei mir auf mit der Präsenz der Spitzenkandidaten auf…) präsentieren können.

    Gleiches gilt natürlich für andere politische Formate in der Zeit vor den Wahlen. Der Zuschauer … der kann ja abschalten.

  9. Das Fernsehen kann sich ja froh schätzen, dass es noch saubere Werbepreise erzielt. Wenn ich mir so vorstelle, wie die Parteienwerbungen nach CPX (also z.B. nach Stimme) abgerechnet würden….

Comments are closed.