Der „Spiegel“ rafft sich nicht zu einer Aufarbeitung seiner dunklen Aids-Zeit auf

Man kann darüber streiten, ob es eine gute Idee war, den „Spiegel“ und „Spiegel Online“ für ihre Berichterstattung über Schwule und Lesben auszuzeichnen. Ein guter Anlass war es sicher.

Ein guter Anlass für Kritiker (wie mich), auf die furchtbare Aids-Berichterstattung des „Spiegel“ in den achtziger Jahren hinzuweisen. Und ein guter Anlass für den „Spiegel“, sich mit dieser Berichterstattung und der Kritik daran auseinanderzusetzen.

Der „Spiegel“ hat diese Chance nicht genutzt.

Markus Verbeet, der stellvertretende Deutschlandchef der Zeitschrift, hatte bei der Preisverleihung gesagt:

„Es war nicht alles gut, was wir damals geschrieben haben. Es gab Grenzüberschreitungen. Es gab nicht nur zugespitzte Darstellungen, sondern auch verletzende Worte. Manches hätten wir auch damals besser wissen müssen und ich ahne, was für Verletzungen wir hervorgerufen haben.“

Das hat vielen Zuhörern imponiert.

Verbeet hatte auch gesagt, dass er sich die alten Aids-Artikel aus der fraglichen Zeit aus dem Archiv suchen ließ. Manche verstanden das als Auftakt für eine öffentliche Aufarbeitung.

Ein paar Tage später veröffentlichte Verbeet unter der treuherzigen Frage „Sind wir preiswürdig?“ einen Eintrag im „Spiegel“-Blog, in dem er über den Preis und die Kontroverse berichtete und dies und jenes verlinkte. Einen Hinweis, was konkret der „Spiegel“ (oder Verbeet persönlich) im Rückblick an der „Spiegel“-Berichterstattung über HIV, Aids und homosexuelle Männer falsch und verletzend fand, gab der Text nicht.

Der Blogger und Aktivist Marcel Dams hatte in seiner bewegenden Laudatio auf den „Spiegel“ gesagt:

Ich finde auch, dass es Zeit für eine längst überfällige Entschuldigung ist. Nicht nur hier und heute, sondern am besten auch am Ort des Geschehens — im Blatt.

Am Ort des Geschehens erschien in dieser Woche stattdessen dies:

Das schwule Netzwerk Nordrhein-Westfalen hat SPIEGEL und SPIEGEL ONLINE die “Kompassnadel” verliehen, eine Auszeichnung für die Förderung der Akzeptanz von Homosexuellen: Die SPIEGEL-Berichte zeichneten ein “ausgewogenes und realistisches Bild von schwulem Leben in Deutschland und vor allem auch in anderen Ländern, in denen Homosexuelle unterdrückt, verfolgt und ermordet werden”. Die Nominierung hatte Proteste hervorgerufen; Kritiker verwiesen auf die von ihnen als tendenziös empfundene Aids-Berichterstattung des SPIEGEL in den achtziger Jahren.

Das ist aus „Spiegel“-Sicht ganz normal. Ganz hinten im Heft sammelt die Redaktion, was irgendwo irgendwer Positives über den „Spiegel“ gesagt hat. Und in diesem Fall hat sie, obwohl es sich um eine „Ehrung“ handelt, sogar die Kritik erwähnt.

Oder genauer: So getan als ob.

Dams nannte die damalige „Spiegel“-Berichterstattung in seiner Laudatio „menschenverachtend“ und „homophob“. Die deutsche Aids-Hilfe nannte sie „unsäglich“ und „an die Grenze zur Hetze reichend“. Martin Dannecker nannte sie „fragwürdig“ und „eine regelrechte antihomosexuelle Kampagne“, die „niedrige Affekte bediente“. Ich nannte sie „infam“ und „apokalyptisch“.

Und der „Spiegel“ glaubt allen Ernstes, das angemessene Wort, diese Attribute zusammenzufassen, wäre „tendenziös“?

Der „Spiegel“ tut so, als gebe er ehrlich die Kritik an sich wieder und beschönigt sie dabei. Mir fiele dazu das Wort „unverfroren“ ein, aber vermutlich ist es viel schlimmer: Gedankenlos.

Fast ein halbes Jahr hätte der „Spiegel“ Zeit gehabt, sich damit auseinanderzusetzen, dass die Deutsche Aids-Hilfe, die ja nun nicht irgendein souverän zu ignorierender Quatschverein ist, ihm vorwirft, den „Grundstein für die Stigmatisierung der Menschen mit HIV“ gelegt zu haben. Betroffene hätten bis heute unter den Folgen dieser Skandalisierung zu leiden.

Trotz der positiv aufgenommenen Worte von Markus Verbeet bei der Preisverleihung hat er sich seitdem nicht zu mehr als einem vagen Es-war-nicht-alles-Gut durchringen können. Jedem anderen würde gerade der „Spiegel“ eine solche Form der Vergangenheitsscheinbewältigung um die Ohren hauen.

Marcel Dams, der Laudator, nennt die Notiz im Blatt, „um es nett auszudrücken, absolut unverständlich“. Er schreibt:

Das was (…) abgedruckt wurde, ist nicht nur zu wenig. Nein. Es ist sogar ein Schlag ins Gesicht derer, die die damalige Zeit miterleben mussten.

Was mich nämlich am meisten stört ist folgendes: Das geschrieben wird, es gehe um ein Empfinden. Es liest sich so, als ob die Berichterstattung nicht homophob oder tendenziös war, sondern nur ein paar Schwule — die sich nun aufregen — es so empfinden.

Das Fazit, das der 24-jährige Blogger dem 66-jährigen Nachrichtenmagazin mitgibt, lautet:

Zu jeder Biographie gehören Narben. Wir alle haben keine weiße Weste. Nobody’s perfect. Sich den Fehlern zu stellen, diese zu erkennen, sie zu benennen und daraus zu lernen. Das erwarte ich.

Das ist zuviel verlangt vom „Spiegel“.

[Offenlegung: Ich habe eineinhalb Jahre für den „Spiegel“ gearbeitet.]

24 Replies to “Der „Spiegel“ rafft sich nicht zu einer Aufarbeitung seiner dunklen Aids-Zeit auf”

  1. Als jemand, der nach kurzer Zeit von diesen vermeintlichen „Fachartikeln“ Hans Halters nur angewidert war, und dessen Namenserwähnug bei mir wohl immer nur eine eindeutige Reaktion hervorrufen wird, kann und will ich ohne eindeutige Distanzierung des SPIEGEL einen solchen Kotau der Verleihenden nicht nachvollziehen.

    Ich wollte damals kein Coming-Out gehabt haben, Der einfache Spiegellesende Hetero, wie ich, fühlte sich von dieser „Lustseuche“ hinreichend bedroht, und reagierte mitunter entsprechend irrational.

    Wenn es denn jemandem etwas Schlechtes zu wünschen gülte, mir fiele einer ein… Damals gab es diese Floskel: Der Stern ist auch nicht mehr das, was er mal war. Die Zeiten ändern sich halt…

    Ich habe 1993 nach 20 Jahren Abo maximal drei Printausgaben gekauft, das Gefühl größerer Desinformiertheit ist bisher ausgeblieben,

  2. Als Markus Verbeet in seiner Rede bei der Verleihung der Kompassnadel sein „tiefes Bedauern“ über die Verletzungen ausdrückte, die die Texte des Spiegels über Aids in den Achtzigern bei vielen Schwulen auslösten, schossen mir im Publikum die Tränen in die Augen – wodurch mir erst bewusst wurde, wie sehr ich unter diesen Texten damals wirklich gelitten habe, wie sehr sie meine eigene Geschichte beeinflusst haben und wie überfällig wenigstens ein „Bedauern“ war. Wurde im Nachgang dieser Rede am Rande des Kölner CSDs schon viel darüber debattiert, ob dieses „Bedauern“ von Markus Verbeet die „Entschuldigung“ war, die Marcel Dams in seiner Laudatio zu Recht gefordert hatte, so ist spätestens mit der Meldung im „Rückspiegel“dieser Woche klar, dass die Redaktion des Spiegels, die so schön diese Woche mit einem Titel über „Die Magie des Mitgefühls“ aufmacht, nichts begriffen hat. Ich freue mich sehr, dass Sie, Herr Niggemeier, sich so ausführlich mit dieser Geschichte befassen. Das Verhalten des Spiegels in den Achtzigern rund um das Thema Aids hat eben nicht nur die Entwicklung der Schwulenbewegung in Deutschland nachhaltig beeinflusst, es ist auch ein Lehrbeispiel dafür, wie ein Leitmedium (wie es der Spiegel damals war) im Wahn, Geschichte nicht nur schreibend zu begleiten, sondern selbst zu machen, alle Grundprinzipien des Journalismus fahren lässt. Und bis heute, bis zur Ausgabe 29/2013 einschließlich, nicht in der Lage ist, diesen Fehler im eigenen Blatt einzugestehen.

  3. Da ist irgendein Formatierproblem: der erste Kommentar (also „1.“) beginnt in der rechten Spalte. Dessen Text ist nahtlos am Artikel so dass nicht klar ist wo er anfängt.

  4. Einmal davon abgesehen, dass die »Spiegel«-Berichterstattung über HIV, Aids und homosexuelle Männer seinerzeit besonders schräg war, lassen die Medien sich auch allgemein auf Kritik an ihrer Darstellung äußerst ungern und recht widerwillig ein. Am liebsten jedoch gar nicht. Von daher war dieses „Spiegelmanöver“wohl ziemlich branchentypisch.

    Zitat aus EJO :“Tag für Tag kritisieren Journalisten – Politiker, Wirtschaftsbosse, Sportfunktionäre, Künstler.

    Doch wenn es um das eigene Metier geht, gilt nach wie vor das Motto „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“.

    Nur ein Viertel der deutschen Journalisten kritisiert häufig oder sehr häufig Beiträge vom Kollegen – weit mehr, nämlich mehr als ein Drittel der deutschen Journalisten, tut das nur selten oder gar nie. Knapp vierzig Prozent der Befragten gaben an, immerhin gelegentlich Kollegenkritik zu üben.

    Geradezu dramatisch fallen die Antworten auf die Frage aus, wie häufig Journalisten selbst kritisiert werden: Rund zwei Drittel der deutschen Journalisten werden nach eigenen Angaben selten oder sogar nie von Kollegen oder Vorgesetzten kritisiert – von allen anderen denkbaren Kritikinstanzen mit Ausnahme der Mediennutzer erhalten die deutschen Journalisten noch weniger Feedback.“
    (http://de.ejo-online.eu/8767/ethik-qualitatssicherung/wie-selbstkritisch-sind-die-deutschen-journalisten)

  5. Genau darum halte ich die Preisvergabe der Kompassnadel an den Spiegel für einen Fehler. Der zweite Schritt bleibt unglaubwürdig, denn der erste Schritt der aktiven Auseinandersetzugn und Bewertung der eigenen Vergangenheit ist nicht getan.

    Der neuen Generation junger Redakteure hätte ich mehr Courage und Emanzipiertheit, mehr HALTUNG zugetraut. Mit interpretierbaren Floskeln und irgendwie trotzig-selbstverteidigend daherkommenden Allgemeinplätzen des Bedauerns lasse ich mich nicht abspeisen.

    Ich stimme voll und ganz zu: „Jedem anderen würde gerade der »Spiegel« eine solche Form der Vergangenheitsscheinbewältigung um die Ohren hauen.“

  6. „Einen Hinweis, was konkret der »Spiegel« (oder Verbeet persönlich) im Rückblick an der »Spiegel«-Berichterstattung über HIV, Aids und homosexuelle Männer falsch und verletztend fand, gab der Text nicht.“
    Ich glaub, da hat sich bei „verletzend“ ein t zu viel eingeschlichen.

  7. Was hat der Spiegel denn damals berichtet? Bin zu jung, hab die achtziger Jahre noch nicht miterlebt.

  8. Ich find’s ja gut, dass der Spiegel berechtigterweise sein Fett abkriegt; allerdings ist’s doch auffallend, dass Sie erst so richtig damit anfingen, Ihren einstigen Brötchengeber zu kritisieren, Herr Niggemeier, seitdem Sie dort nicht mehr beschäftigt sind.

    Das mag verständlich und nachvollziehbar sein (man muss ja von was leben nicht wahr?, und sollte seinen Brötchengeber daher nicht bis zur Kündigung verärgern) und es mag zumindest aus Loyalitätsgesichtspunkten sogar ehrbar sein.
    Aber es zeigt eben auch, dass Medienjounalisten grundsätzlich auf einem Auge mit Scheuklappen versehen sind. Nämlich auf dem, mit dem sie das eigene Medium bewerten.

  9. [gelöscht. Sie müssen eine gültige E-Mail-Adresse angeben, um hier kommentieren zu können. Steht auch da.]

  10. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn auch eine Berichterstattung oder Meinung über die Teilnahme der BILD-Zeitung beim diesjährigen CSD-Karnevals-Umzug in Köln erfolgt wäre.

    Doch da herrscht Schweigen im Walde! Gerade bei dem der CDU nahestehenden Blatt, welches besonders über die § 175-er herzog, aber auch an HIV und Aids erkrankten Menschen, und dies auch noch heute tut, hätte ein Artikel sich geradezu angeboten!

    Die Teilnahme dieses Blattes an dem CSD ist nämlich genauso schlimm, wie die beabsichtigte Teilnahme von Pro Köln!

  11. September 2012, über den Spiegel Blog: „Es geht nicht darum, mit der Zunge immer wieder eine wunde Stelle im Mund zu suchen. Das Blog kann unter anderem eine Plattform sein, um die eigene Arbeit offensiv zu verteidigen.“
    http://www.stefan-niggemeier.de/blog/beipackzettel-zum-spiegelblog/

    Aber jetzt ist das hier nicht mehr genug der Selbstkritik:
    „Die Entscheidung, uns den Preis zu verleihen, rief allerdings Kritik hervor. Die Deutsche Aids-Hilfe kommentierte sie mit „Entsetzen“. Der Vorjahrespreisträger, Professor Martin Dannecker, weigerte sich, die „Kompassnadel“ zu überreichen; die Linke in Nordrhein-Westfalen rief zum Boykott der Preisverleihung auf.“

    „Ich kann nur ahnen, was für Verletzungen wir hervorgerufen haben. Ohne es zu wollen, ohne jede Absicht. Aber wir haben diese Verletzungen hervorgerufen. Und ich will Ihnen sagen: Das bedauere ich zutiefst.“

    Die Fragen sind die folgenden: Was genau soll der Spiegel jetzt machen? Soll er sich in der nächsten Ausgabe als Titelthema seiner infamen und apokalyptischen Berichterstattung der 80er Jahre widmen? Hätten Sie das als angestellter Redakteur in die Wege geleitet?

  12. Der Skandal, der teils bis heute anhält, beginnt für mich schon damit, HIV als eine Art „schwule Krankheit“ darzustellen. Es ist natürlich richtig dass Männer gemeinhin eine deutlich enthemmtere Sexualität haben als Frauen, diese Lebenserfahrung teile ich vermutlich mit dem Großteil der Mitleser des Blogs, politische Korrektheit hin oder her. Und wenn dann nur Männer, in der Schwulenszene, sexuelle Kontakte pflegen geht es dann eben enthemmter zu als bei heterosexuellen oder vermutlich auch lesbischen Kontakten. Das ist für mich eine recht simple und plausible Erklärung dafür, dass die Infektionsraten unter Schwulen tatsächlich höher sind als unter Lesben und Heterosexuellen.

    Nur der sexualmoralische Kontext, der da immer mitschwingt, der ist leider bis heute homophob. So als sei lustvolle und offene Sexualität per se schlecht, schlimm, sündig, „krank“ und eine HIV Infektion fast schon sowas wie eine logische Folge davon. Da stecken eben Jahrhunderte der christlichen Sexualmoral in uns, die alten Griechen hätten das vermutlich ganz anders beurteilt. Aber gut, sei es wie es sei. Leider lernen wir daraus aber auch nicht. Beispielsweise führt in Afrika das weltweite Klischee, es handele sich ja „nur“ um eine Krankheit der Schwulen, dazu dass heterosexuelle Männer ohne Bildung entsprechend auf Verhütung und Vorsichtsmaßnahmen verzichten („ich bin ja nicht schwul, also kann ich auch kein HIV bekommen“). Mit dem Resultat, was wir alle kennen. Ebenso auch bei uns, junge heterosexuelle Deutsche denken bei Verhütung vorallem an Schwangerschaftsverhütung, nicht an Verhütung der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten. Dazu gehört natürlich auch HIV. Dementsprechend entwickeln sich die Zahl von Neuinfektionen „gemischt“ und nicht so positiv, wie man das nach vielen Jahren ständiger Aufklärungskampagnen hoffen könnte.

    Ich plädiere dafür erstens generell damit aufzuhören offene Sexualität zu verteufeln sondern eben auch offen mit offener Sexualität umzugehen, mit dem Tenor „wenn ihr schon jedes Wochenende mit jemand anderem Sex habt dann nehmt ein Kondom“. Und ich fordere endlich mit der Stigmatisierung von Schwulen aufzuhören. Das geht durch alle Gesellschaftsbereiche, wer kann sich den „shitstorm“ vorstellen, den z.B. ein Profifußballer aushalten müsste, würde er sich outten. Es ist ein offenes Geheimnis dass natürlich auch unter den Fußballern viele Schwule sind (die Zahlen schwanken je nach Quelle, im Mittel geht man aber davon aus dass etwa jeder Zehnte schwul ist, macht pro Fußballspiel mindestens zwei Schwule auf dem Platz, im Durchschnitt). Oder dass bis heute kategorisch alle Schwulen von der Blutspende ausgeschlossen sind, obwohl das Blut ohnehin nochmal nach der Spende getestet wird. Es wird auch nicht gefragt ob man z.B. häufig wechselnde Partner hat (das ist bei hetero- UND homosexuellen sicherlich dann auch ein höheres Ansteckungsrisiko) sondern es wird ganz speziell auf Schwule abgestellt. Die Rechtfertigungen dafür sind entlarvend, es heißt dann immer dass Schwule (d.h. ein Teil der Schwulen) in der Tat ein höheres HIV Infektionsrisiko hätten, aufgrund der Art wie sie Sexualität ausleben – ALLERDINGS bedingt diese Art der Sexualität mit häufigem Partnerwechsel etc. auch bei Heterosexuellen ein erhöhtes Infektionsrisiko. Wieso wird also nicht generell auf das Sexualverhalten abgestellt?

    Solche Beispiele gibt es einige. Alle zusammen erinnern mich an das amerikanische Credo „Don’t ask , don’t tell“. Ich sehe keinerlei Fortschritte.

  13. Diese Auszeichnung, die sich auch auf SPON bezieht, ist ein Hohn und zeugt von totaler Unkenntnis der Moderationspraxis bei SPON. Bei Artikeln zu Homo-Themen ergießt sich regelmäßig eine rechtshomophobe Kommentargülle über die Threads mit teilweise unglaublichen Invektiven, die hier aufzuführen ich mich schämen würde. All das passiert die Moderation ohne weiteres. Das Flagging eines solchen Kommentars führt oft nicht einmal zur Löschung. Verfasst man eine Replik, wird das Posting aber gerne von vornherein wegzensiert. Korrekt hingegegen geht ZEITonline vor, homophobe Kommentare werden nicht geduldet.

  14. Ich beschäftige mich seit Jahren mit HIV-AIDS, darunter auch mit der „Geschichte“, insbesondere in den USA und Deutschland. Ich habe in Archiven gewühlt (ebenfalls schon seit Jahren), darunter auch viele alte Spiegelartikel (z.B.“Schreck von drüben“), und habe festgestellt, dass die Spiegelartikel mit zu den BESTEN Artikeln gehörten, noch kann ich irgendein ungewöhnliches Maß an diskriminierender Berichterstattung erkennen. Wenn überhaupt, wurde das heterosexuelle Risiko in den 80ern noch wesentlich höher bewertet, als wir es jetzt nach 30 Jahren tun oder bereits Anfang der 90er wussten. Der Spiegel hat – teilweise sogar im Vergleich zu den schwulen Medien jener Zeit, die oft eine „Kopf-in-den-Sand“-Berichterstatttung aufwiesen – den jeweils damaligen Stand der Wissenschaft klar benannt. Zugegeben – es wurde im Virusstreit zu sehr die amerikanische Sichtweise samt HTLV-III-Bezeichnung übernommen, statt den Franzosen die Ehre mit LAV zu erweisen – das ist aber kaum das, woran sich die Schwule Gemeinschaft stört. Wahrscheinlich ist es die Tatsache, dass die Berichterstattung ohne PC-Verklausulierung („Jeder Mensch hat grundsätzlich ein Recht auf…“) direkt den Finger auf die Wunde gelegt hat, nämlich die erhebliche Promiskuität in der Schwulen Gemeinschaft, die heute noch anhält, wie Soziologen wie Bochow Jahr um Jahr dokumentieren. Und wenn man eigene „Fehler“ (Fehler in dem Sinne, als das es ein großer Grund für die Verbreitung von HIV ist, nicht aber im moralischen Sinne) aufgezeigt bekommt, ist man halt gegenüber demjenigen so aggressiv, wie der Säufer gegen den Abstinenzermahner. Sehr deutlich wurde das in der Feindseligkeit gegenüber schwulen Aktivisten, die eben diese Problematik angesprochen haben, von Michael Callen („Wir wissen, wer wir sind“) über Randy Shilts hin zu Rosa von Praunheim. Die Wahrheit tut eben manchmal weh, auch jetzt nach 30 Jahren, in einer Zeit in der immer noch zwei Drittel aller Neuinfektionen Männer sind, die zugegeben haben, Sex mit Männern gehabt zu haben (insgesamt dürften um die 3/4 sich über den Weg MSM infiziert haben). Der Spiegel sollte sich aus meiner Sicht deswegen nicht unter dem Deckmantel der Political Correctness zum Sandsack der Aggressionen machen lassen, die sich aus internen Konflikten der schwulen Gemeinschaft ergeben.
    Was der Spiegel mit „Empfinden“ meinte, war nämlich ganz schön richtig erkannt, jetzt sich darüber aufzuregen als Betroffener heißt, andere Menschen zu zwingen, „des Kaisers neue Kleider“ ebenfalls als gegeben zu akzeptieren, und als Skeptiker werde ich mich dem niemals beugen.

  15. Bei einer Krankheit, bei der die Personen das größere Risiko haben, die beim Sex Sperma aufnehmen, liegt es in der Natur der Sache, dass sie sich unter Männern, die Sex mit Männern haben, eher ausbreitet, als unter Hetereosexuellen. Bei Mann-Frau-Sex hat die Frau das größere Risiko. Steckt sie sich an, und hat mit zehn anderen Männern Sex, ist deren Ansteckungsrisiko vergleichsweise gering. Bei einer Mann-Mann-Konstellation wäre bei weiteren zehn Sexualkontakten das Risiko, dass die anderen Männer sich infizieren, wesentlich höher.

    Ich halte es für falsch, anhand der Ausbreitung von HIV-Infektionen die These belegen zu wollen, schwule Männer wären promisker als Heterosexuelle. Vielleicht sind sie es, vielleicht nicht. Aber damit, dass Schwule eher von einr HIV-Infektion betroffen sind, hat das glaub ich wenig zu tun.

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