Das nenne ich Weltverbessern

Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung

Sandra Maischberger über ihre neue Sendung und das Ding mit Schröder.

Frau Maischberger, angenommen, Sie haben Sandra Maischberger zu Gast in Ihrer Sendung. Wie bereiten Sie sich vor?

Zunächst würde ich die Frage stellen: Ist das der richtige Gast?

Sie wird demnächst Nachfolgerin von Alfred Biolek.

Für manche Sendungen wäre es dann wohl unvermeidlich, obwohl ich immer noch fragen würde: Ist das Grund genug, jemanden zu interviewen?

Sie ist kürzlich groß in den Schlagzeilen gewesen.

Klatsch macht mich für meine Sendungen noch nicht relevant. Wenn doch, wäre ich sehr schnell fertig mit der Vorbereitung. Ich werde zwar 37, aber habe noch nicht das Alter, wo man ein langes, abwechslungsreiches Leben hinter sich hat.

Genug für eine halbe Stunde Talk.

Ich habe letztens über Hildegard Hamm-Brücher gelesen, der Unterschied zwischen ihr und anderen Politikern sei, daß sie eine Biographie und nicht nur eine Karriere habe. Das fand ich extrem klug. Darum unterhalte ich mich auch lieber mit älteren Menschen als mit jüngeren, die nur berühmt sind, weil sie gerade im Fernsehen sind.

Was müßten Sie sich als Talkgast fragen? Würden Sie Ihre angebliche Affäre mit Bundeskanzler Gerhard Schröder ansprechen?

Ich wußte sofort, worauf Sie hinauswollen… Das wäre eine Sache auf der Kippe. Es könnte sein, daß wir sagen: Ihr Feld ist politischer Journalismus, deshalb wäre es interessant, wie man damit umgeht, daß man eine relativ sachorientierte Arbeit macht und plötzlich mit einem relativ unsachlichen Eimer Schmutz konfrontiert wird. Ich würde nicht fragen: „Haben Sie?“, und ich bin das damals oft gefragt worden. Ich möchte, daß jemand, der Fragen stellt, vorher abwägt und versucht, mit eigenem Verstand und Augenmaß eine Frage in einen Kontext zu betten. Dann würde sich die Frage „Haben Sie?“ verbieten, weil sie irgendwas zwischen indiskret und dumm ist: Es geht niemanden etwas an, und man ist einer Lüge aufgesessen.

Was also würden Sie fragen?

Vielleicht wie ist es, unter diesen Voraussetzungen den Job weiterzumachen.

Das wäre vermutlich trotzdem keine Einstiegsfrage.

Es wäre eine Super-Einstiegsfrage, wenn ich jemanden gleich zum Anfang des Gespräches komplett zum Verstummen bringen wollte. Es gibt allerdings Gäste, die besser sind, wenn man sie ein bißchen provoziert, Daniel Cohn-Bendit zum Beispiel. Bei so einem könnte man damit auch anfangen. Aber in meinem Fall würde ich es weit hinten im zweiten Teil tun.

Ah. Andererseits werden Sie von der Presse ja so geliebt…

Toll, ne?

…da müßten Sie sich doch knallhart interviewen, nicht kuschelig.

Wenn die gängige Meinung über mich ist, daß ich wenig falsch mache, würde ich versuchen, Fehler zu finden. Und ich würde einen Wissenstest machen, Trivial Pursuit. Um herauszufinden, daß ich wirklich nicht mehr weiß, als das, was ich frage.

Wissen Sie genug, um aus dem Stegreif etwa über die Gesundheitsreform diskutieren zu können?

Ich könnte die öffentlich diskutierten Knackpunkte referieren. Bei „Live aus dem Schlachthof“ bin ich in die Sendung gegangen: Ich weiß nichts, deswegen frage ich andere, damit ich etwas erfahre. Das war eine gute Methode. Bei „Talk im Turm“ klappte die überhaupt nicht mehr, weil alle, außer mir, schon wußten, was die anderen antworten würden. Ich habe mich ein Jahr lang angestrengt, in jedem Thema auf das Wissen meiner Gäste zu kommen, was völlig unmöglich war. Ich habe gelernt, daß ich als Journalistin mitnichten die Antworten geben können muß. Ich weiß heute genau so viel, um die richtigen Fragen zu stellen.

Zur Rolle als Fragende gehört eine gewisse Unscheinbarkeit. Sie aber werden immer mehr zum Star.

Ist das so?

Ja.

Sie glauben, daß es das natürliche Ende der Sendung sein wird, wenn ich berühmt bin?

Nein, aber mit jedem Society-Auftritt oder „Bunte“-Titel verschwinden die Interviewten mehr hinter dem Glanz der Interviewerin.

Die Gefahr, sich in sich selbst zu verlieben, ist in dem Job extrem hoch. Eine gute Strategie dagegen ist, sich nicht mit sich selbst zu beschäftigen. In dem Moment, wo Sie mir tausend Fragen über mich stellen, tue ich das aber. Das ist nicht so gut, ernsthaft! Sich selber in der Zeitung zu sehen, das Lob über sich zu lesen, das verleitet einen dazu, sich selbst nicht nur zu wichtig zu nehmen, sondern auch toll zu finden.

Sabine Christiansen ist für den Zuschauer nie nur Moderatorin, sondern auch Udo-Walz-Kundin, Wowereit-Freundin, Ex-Ehefrau…

Ich war lange Zeit sehr vorsichtig und habe kaum über mein Privatleben gesprochen. Jetzt bin ich an einen Punkt gelangt, wo ich feststelle, daß das Interesse ohnehin da ist, und wenn ich nichts erzähle, kommen erfundene Geschichten wie die mit Schröder. Da stehe ich fassungslos vor. Es gab bei der Entstehung mehrere Kolleginnen, die immer genannt wurden als potentielle Geliebte, aber es blieb an mir hängen. Viele, die sich auskennen, sagten mir, daß es daran liegt, daß man so wenig über mich weiß und so viel hineingeheimnissen kann. Also hat man mir den Rat gegeben: Mach dich etwas öffentlicher! Ich probiere jetzt, wie weit ich damit komme.

Andererseits genießen Sie ja auch die Öffentlichkeit, waren in Ihrer Dokumentation über die „Tagesschau“ dauernd selbst im Bild.

Weil es eine Mischung aus Dokumentation und Interview und auch so gewünscht war. Man kann mir den Generalvorwurf machen, ich sei eitel. Das ist völlig in Ordnung. Ich kann Ihnen auch jetzt schon sagen, was mit der neuen Sendung in der ARD passieren wird. Die Leute werden schreiben: Jetzt ist sie nicht mehr so puristisch, jetzt hat sie sich boulevardisiert. Aber ich möchte eine Sendung machen, die dicht am Leben ist. Wo man das Gefühl hat, da könnte noch was passieren, was nicht so im Drehbuch stand.

Wie entwickelt man so was?

Das Tolle an so einer Sendung ist, daß Konzeptpapiere nicht taugen. Sie müssen’s probieren. Es ist wie ein neuer Schuh: Sie kaufen ihn, schlüpfen rein, er drückt, und Sie müssen laufen. Jetzt bin ich zweimal testweise drin gelaufen, und es hat sich unglaublich selbstverständlich angefühlt.

Wie hat die ARD Sie gekriegt? Mit Geld?

Ich bin mit Geld nicht zu locken, das ist fast schon unprofessionell von mir. Ich möchte gutes Geld verdienen, aber Geld ist nicht das Wichtigste, sonst hätte ich längst eine Quizshow.

Wie viele Quiz-Angebote gab es?

Eins. Immerhin. Nein, das erste, was mich gelockt hat, war Alfred Biolek, der zu mir sagte: Ich möchte gerne aufhören, und ich hätte gerne, daß Sie das machen. Das ist eine Erbschaft, die man nicht ablehnen kann. Das zweite, was mich gereizt hat, war, daß montags Beckmann einen Unterhaltungstalk macht und mittwochs Bauer und Friedman politische Talks. Es hat mich gereizt zu sehen, ob man es schafft, am Dienstag beides zu machen, „U“ und „E“.

Ich habe gar keine Aussage von Ihnen gefunden, ob Sie „maischberger“ auf n-tv weitermachen.

Ich habe, glaube ich, immer gesagt, das ist noch nicht entschieden.

Und?

Das ist noch nicht entschieden.

Mit „maischberger“ sind Sie bei Publikum und Kritik höchst beliebt, mit früheren Sendungen aber oft gnadenlos durchgefallen. Stehen Sie gerade an einer Gabelung, wo es auf neue Höhen gehen kann, aber auch ganz runter?

Das könnte passieren. Aber wenn Sie sich diesen Zickzacklauf meiner Karriere angucken — ich habe einfach keine Angst mehr davor.

Vielleicht ist das intime Interview wie in „0137“ und „maischberger“ das einzige, was Sie gut können.

Nein. „Live aus dem Schlachthof“ war alles andere als intim, und in „0137“ war ich nicht wirklich gut.

Sie fürchten nicht, daß Sie vielleicht einmal sagen, hätten Sie nur „maischberger“ weitergemacht, Sie wären ewig erfolgreich geblieben?

Wenn ich ewig erfolgreich bleiben wollte, hätte ich schon in den letzten Jahren andere Dinge gemacht. Ich weiß gar nicht, ob das so unbedingt erstrebenswert ist. Nein, das ist nicht mein Kriterium. Ich bin unvorsichtig neugierig, muß immer wieder Sachen probieren. Warum würde man sonst „Greenpeace-TV“ machen, eine Kombination aus Umweltschutzgruppe und kommerziellem Sender? Absurd! Ich hätte natürlich auch „Talk im Turm“ nicht machen dürfen. Es würde mich sehr schmerzen, wenn die neue Sendung nicht funktionierte, und ich würde eine mittelschwere Krise bekommen. Aber es würde mich nicht umbringen.

Kann es sein, daß die vielen Leute, die Sie in der Presse hochjubeln, Sie auch deswegen toll finden, weil sie Ihre Sendung nie sehen?

Keine Ahnung. Vielleicht wird sich das mit dem Loben eh ändern, wenn die neue Sendung beginnt. Jeder Kritiker, der mich jetzt lobt, denkt vielleicht noch, er lobt einen Geheimtip, und das läßt ja auch den Lobenden gut aussehen. Das wird in dem Moment vorbei sein, wo ich in der „ersten Reihe“ sitze.

Glauben Sie, daß der Wechsel ins Erste einen ganz anderen Grad an Popularität bedeuten wird?

Natürlich. Aber ich werde damit besser umgehen können, als die, die privat mit mir sind. Und die Art von Popularität, die Olli Kahn, Boris Becker oder Günther Jauch das Leben schwermacht, das bin ich sowieso nicht.

Warum nicht?

Becker und Kahn sind Idole, Jauch ist wie Gottschalk ein Ausnahmetalent der Unterhaltung. Das bin ich einfach nicht.

Sie haben gesagt, mit Florian Illies‘ „Generation Golf“ können Sie wenig anfangen, weil Sie zu den engagierten Friedenslatschenträgerinnen gehörten, über die er sich da lustig macht. Wo ist heute Ihr Engagement?

Ich begreife meinen Job schon als Engagement. Aber das Jäger-Gefühl, diese „Spiegel“-Haltung: den jagen wir aus dem Amt, das habe ich tatsächlich nicht.

Kein Weltverbessern mehr?

Doch, das tue ich ja. Im besten Fall gebe ich jemandem eine Information, die er vorher nicht hatte. Ich sortiere ihm den Irak-Krieg, indem ich verschiedene Arten aufzeige, ihn zu sehen, so daß er sich selber eine Meinung bilden kann. Das nenne ich Weltverbessern: Bildung, Information, Wissen verbessert die Welt. Aber ich habe nicht den Ehrgeiz und meistens auch nicht die nötige Kenntnis, aktiv zu werden.

Jetzt wäre wohl der Zeitpunkt, die Schröder-Frage zu stellen…

Machen Sie bloß keinen Fehler!