Lichtgestalten, die uns mit Prothesen wärmen: Der „Stern“ malt sich den Fall Pistorius aus

Mein vorläufiger Lieblingssatz des Jahres stand vergangene Woche im „Stern“ und lautet so:

Eine überraschende Wendung scheint bislang nicht in Sicht.

Der Satz hat nicht nur dieses irre innere Flirren — denn wenn es überhaupt etwas gibt, das man mit Sicherheit von überraschenden Wendungen sagen kann, dann doch, dass sie sich nicht vorher ankündigen.

Der Satz schillert noch schöner, wenn man seinen Kontext kennt. Er steht nämlich am Ende eines Artikels über den südamerafrikanischen Sportstar Oscar Pistorius, der seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen hat. Am Donnerstag, als der „Stern“ erschien, gab es die überraschende Wendung, dass der Hauptermittler vom Fall abgezogen wurde, weil gegen ihn wegen versuchten Mordes ermittelt wurde. Schon am Tag zuvor, als der „Stern“ in Druck war, musste die Polizei überraschend einräumen, dass sie keine Beweise habe, die die Pistorius‘ Aussage widerlegen, er habe Steenkamp versehentlich erschossen. Und am Freitag kam Pistorius überraschend gegen Kaution frei.

Das lässt den „Stern“ nicht nur alt aussehen. Es lässt ihn schlecht aussehen.

Denn die ganze große Geschichte beruht auf der Annahme, dass Pistorius seine Freundin absichtlich umgebracht hat. Natürlich weiß auch der „Stern“, dass er das gar nicht weiß und benutzt deshalb immer wieder Wörter wie „mutmaßlich“. Aber das hindert ihn nicht, all die Schlussfolgerungen zu ziehen und Interpretationen zu wagen, die man ziehen und wagen würde, wenn man wüsste, dass Pistorius der Typ Mann ist, der aus Eifersucht seine Freundin umbringt.

Und die man nur ziehen und wagen kann, wenn man als journalistisches Medium der Meinung ist, dass man spätestens fünf Tage nach einer Tat alles weiß, was man wissen muss, um zu einem abschließenden Urteil zu kommen, denn was soll danach noch Überraschendes herauskommen?

Das Elend beginnt schon im Editorial, in dem „Stern“-Chefredakteur Thomas Osterkorn die Frage stellt:

Wie kann ein gefeiertes Idol sich zu einer solchen Tat hinreißen lassen?

Gegenfrage: Was für eine Tat genau?

Ein paar Stunden klammerten sich seine südafrikanischen Landsleute an die Hoffnung, es könne ein tragisches Versehen gewesen sein.

Doch mittlerweile deutet nur noch wenig auf einen Unfall hin.

„Mittlerweile“ hier im Sinne von „zwischenzeitlich am vergangenen Dienstag“.

stern-Reporter Marc Goergen, ehemals stern-Korrespondent in Südafrika, machte sich mit dem Fotografen Per-Anders Pettersson sofort auf den Weg nach Pretoria, um Antworten zu finden. Sie sprachen mit Freunden von Täter und Opfer, mit den Ermittlern und recherchierten im Umfeld von Pistorius‘ Haus.

Die Art von großer Recherche also, die sich kaum noch jemand leisten kann. Qualitätsjournalismus.

Auf dem Cover ist die Geschichte mit der Zeile „Oscar Pistorius unter Mordverdacht: Exklusive Fotos“ angekündigt. Das fand man offenbar nicht obszön.

Goergen fängt sein Stück an wie ein Krimi:

Ein Mann, so muss man es sich nach durchgesickerten Polizei-Informationen vorstellen, trägt seine schwer verletzte Freundin die Treppe herunter. Er hält sie in beiden Armen. Sie trägt nur ein Nachthemd. Sie röchelt.

Ihre Arme und ihr Kopf baumeln leblos am Körper. Blut rinnt aus Wunden am Kopf, an der Hand, an der Hüfte. Es tropft auf den schwarzen Marmor der Treppe.

Wir lesen noch einmal, was uns Osterkorn schon erzählt hat:

Ein paar Stunden lang hält sich zunächst noch die Erklärung, Pistorius habe die Frau für einen Einbrecher gehalten, doch mit jeder weiteren Zeugenaussage, jeder weiteren Spur erscheint diese Version unwahrscheinlicher. Reeva Steenkamp, so die Ermittler, wurde mit vier Kugeln aus einer halbautomatischen Taurus, Kaliber neun Millimeter, getötet. Der Waffe von Oscar Pistorius.

Es ist ein Drama, das einen genauso erschüttert wie ratlos zurücklässt: Wie kann ein bewundertes Idol sich zu einer solchen Tat hinreißen lassen?

Es folgt eine weitere Frage, die womöglich mein zweitliebster Satz des Jahres ist:

Hat uns die Lichtgestalt mit den Karbonprothesen nicht nur gewärmt, sondern auch geblendet?

Beim dritten Lesen habe ich zwar gemerkt, dass die Karbonprothesen gar nicht das Dativ-Objekt instrumentale Adverbial des Satzes sein sollen und uns insofern auch weder gewärmt noch geblendet haben, aber der schönen Schiefe des Bildes nahm das nur wenig.

Der „Stern“-Reporter erklärt dann, dass viele Sportstars das Gefühl hätten, sich alles erlauben zu können, und zählt die „ziemlich lange Liste gefallener Sportstars“ auf: Mike Tyson (Vergewaltigung) O. J. Simpson (Verdacht des Mordes an seiner Frau), Tiger Woods („billiger Ringelpiez mit gleich Dutzenden Bardamen und Groupies“), Magic Johnson (HIV-positiv mit über 1000 Frauen geschlafen), Kobe Bryant (Vorwurf der Vergewaltigung).

Und Oscar Pistorius?

Auch Oscar Pistorius muss es kennen, dieses Gefühl, dass einem die Welt zu Füßen liegt.

(sic!)

Nun ist der „Stern“ aber natürlich nicht auf eine psychologische Ferndiagnose angewiesen, sondern selbst nach Südafrika geflogen, um zu recherchieren. Das hier sind die Ergebnisse:

Wen immer man nach Treffen mit Oscar Pistorius befragt, jeder betont dessen Höflichkeit. Er halte Frauen die Tür auf. Er wisse zuzuhören. Er setze sich nicht zu Tisch, bevor sein Gast Platz genommen habe. (…)

Auch Freundinnen von Reeva Steenkamp können sich nicht erinnern, dass die Erschossene jemals Andeutungen über Gewalt gemacht habe.

Der „Stern“-Reporter hat vor Ort sogar eine Freundin von Steenkamp aufgetan, die sie richtig lange kannte und sich zitieren ließ: Mirriam Ngomani. Das kleine Foto von ihr, wie sie mit irgendwem anders vor dem Fernseher sitzt und eine Sendung mit ihrer erschossenen Freundin sieht, muss auch eines der „exklusiven Fotos“ sein, die der „Stern“ auf dem Titel ankündigte, zusammen mit zwei nichtssagenden briefmarkengroßen Aufnahmen von Pistorius‘ Geschwistern vor dem Polizeirevier.

Jedenfalls:

Mirriam Ngomani kannte Steenkamp seit mehr als zehn Jahren. Sie arbeiteten für dieselbe Model-Agentur und wurden Freundinnen. Am Wochenende vor den tödlichen Schüssen waren sie noch gemeinsam auf einer Party. „Reeva hat niemals Probleme mit Oscar erwähnt. Überhaupt hat sie nicht viel über ihn gesprochen“, sagt die Freundin.

Schön, dass man das einmal dokumentiert sieht.

„Aber das war wohl, weil er so bekannt war und sie keine Gerüchte über ihn streuen wollte.“ Ngomani traf die beiden ein paarmal gemeinsam, aber auch sie hat keine düsteren Vorzeichen bemerkt. „Oscar war nett und höflich. Das war’s.“

Oder eben nicht.

Oder eben nicht. Da sind diese Mosaiksteinchen. Jedes für sich unscheinbar, doch im Licht des mutmaßlichen Mordes betrachtet …

Dies wäre vermutlich der winzige Moment gewesen, in dem der „Stern“ die Realität, die wild winkend und gestikulierend vor seinem Redaktionsgebäude stand, hätte wahrnehmen können: Wir wissen nicht, ob Pistorius wirklich einen Mord begangen hat. Wir wissen viele unscheinbare Details, denen wir eigentlich keine große Bedeutung beimessen würden. Wir schreiben ihnen nur eine Bedeutung zu, weil wir wissen, dass der Mann ein Mörder ist, was an sich schon zweifelhaft genug wäre, in diesem Fall aber noch dadurch verschärft wird, dass wir genau das nicht wissen.

Aber der „Stern“ merkte nichts und hielt nicht inne.

… doch im Licht des mutmaßlichen Mordes betrachtet, ergeben sie das Bild eines anderen Oscar Pistorius: eines Adrenalin- Junkies, der das Leben bis zum Letzten ausreizt. Pistorius besitzt mehrere Sportwagen, mit denen er gern mit 250 Stundenkilometern über die Highways bretterte. 2009 raste er mit einem Speedboat in einen Pier hinein und knallte mit dem Kopf aufs Steuer. (…)

Manchmal wirkte es, als ob ein wildes Kind im 26-Jährigen steckte.

Die Frauen an seiner Seite wechselten häufig; er sei der ultimative Playboy, gab eine Ex der Klatschpresse zu Protokoll. Eines seiner Tattoos, den Bibelvers „Ich laufe nicht wie einer, der ziellos läuft“, ließ er sich nachts um zwei spontan in einer puerto-ricanischen Kaschemme in New York in die Schulter stechen. Dann wieder schaffte er sich zwei weiße Tiger an, bis die ihm zu groß wurden und er sie abgeben musste.

Klar, dass so einer ein Mörder wird, wenn er zum Mörder wird. Auch wenn er total höflich den Frauen die Tür aufhält.

Erstaunlicherweise bleiben auch für den „Stern“-Reporter ein paar Fragen offen:

Was also ist in Pistorius gefahren?

War es Eifersucht? Waren es Drogen, Alkohol, Steroide, die bei ihm offenbar gefunden wurden?

Ah, höm. Kleine „überraschende Wendung“: Es wurden keine Steroide bei Pistorius gefunden. Das Mittel, das ursprünglich für ein Testosteronpräparat gehalten wurde, entpuppte sich inzwischen als Potenzmittel auf der Basis von Tierherzen und -hoden sowie Heilpflanzen und Vitaminen.

Weiter im „Stern“:

Was war da los im Haus in der Bushwillowstraat? Informationen aus Ermittlerkreisen legen nahe:

(…) Gegen 1.30 Uhr in der Nacht hörten Nachbarn Lärm und beschwerten sich beim Sicherheitsdienst der Anlage. Um 3.20 Uhr dann die Schüsse. Offenbar, so eine Version aus Polizeikreisen, schoss Pistorius im Schlafzimmer das erste Mal auf Reeva Steenkamp.

Wäre das nicht eine gute Gelegenheit, in den Konjunktiv zu wechseln? Nein:

Die Kugel traf sie in die Hüfte. Sie schleppte sich ins angrenzende Bad und verriegelte die Tür. Pistorius feuerte dreimal durchs Holz und traf Steenkamp in Kopf, Arm und Hand. Dann rief er seinen Vater an. Der erreichte gemeinsam mit Pistorius‘ Schwester gegen halb vier das Haus — als sein Sohn gerade die sterbende Reeva Steenkamp die Treppe heruntertrug. Einer anderen Version zufolge fielen alle Schüsse durch die Badezimmertür.

Der „Stern“-Artikel endet so:

Das Bett war auf beiden Seiten benutzt. Sowohl Pistorius wie auch Steenkamp hatten offenbar vor der Tat darin geschlafen. Es ist der Moment, in dem der Krimi beginnt — und das Märchen des Oscar Pistorius wohl endet. Eine überraschende Wendung scheint bislang nicht in Sicht. Man kann sich diesen Moment in all seiner Grausamkeit ausmalen. Die Schreie und Schüsse, das splitternde Holz der Tür, das Blut, die Szenen im Schlafzimmer, im Badezimmer, auf der Treppe.

Wirklich begreifen kann man ihn beim besten Willen nicht.

Jaha, „ausmalen“ kann man sich echt viel. Man bräuchte dafür sogar vermutlich keinen „Stern“-Reporter, der eigens samt Fotograf nach Südafrika fliegt, um es für einen zu tun.

PS: Die Konkurrenz von der „Bunten“ fand schon ein Fragezeichen hinter ihrer Schlagzeile zuviel der Seriosität. Da weiß man wenigstens, was man hat. Und vor allem: was nicht.

113 Replies to “Lichtgestalten, die uns mit Prothesen wärmen: Der „Stern“ malt sich den Fall Pistorius aus”

  1. Es ist einfach nur ekelhaft was über diesen Fall schon alles geschrieben wurde.
    Dabei ist doch bei etwas Beschäftigung mit der Materie sofort klar, dass viel zu wenig Informationen öffentlich vorliegen um zu einer einigermaßen fundierten Aussage zu gelangen. Aber das zu schreiben traut sich wieder kein Medium.

  2. „Dies wäre vermutlich der winzige Moment gewesen, in dem der »Stern« die Realität, die wild winkend und gestikulierend vor seinem Redaktionsgebäude stand, hätte wahrnehmen und innehalten können“

    Ich sehe da eine Metapher vor dem Haus stehen in dem dieser Text entstand und wild gestikulieren. Wollen wir sie reinlassen?

  3. „Auch Oscar Pistorius muss es kennen, dieses Gefühl, dass einem die Welt zu Füßen liegt.“

    Auch dieses sprachliche Bild hat – im konkreten Fall – bei der Wahl zum Lieblingssatz des Jahres einen Platz auf dem Treppchen verdient.

  4. Selbst wenn es ein Mord oder Totschlag war, Beziehungstaten kommen überall vor, auch begangen von Frauen.
    Bevor der Stern Reporter diesen Fall vorschnell in die Gewalt gegen Frauen Ecke stellt weil das Thema gerade In ist, soll er vorher nach Ingrid van Bergen u.a. Beziehungsäterinnen googlen die ihre Männer und ihre eigenen Kinder umgebracht haben.

  5. Unfassbar. Ohne Kenntnis von den genauen Umständen des Falls und schon kurze Zeit nach der Tat öffentlich zu schreiben, der Sportler habe sich „zu einer solchen Tat“ „hinreißen“ lassen, finde ich nicht nur perfide, sondern auch schlicht dumm. Es gibt in der Justiz unzählige Beispiele, wie sich ein eigentlich nach Aktenlage klarer Fall plötzlich in das genaue Gegenteil verkehren kann.

    Interessant finde ich, dass die Bunte ja offenbar nicht nur den Tatvorwurf selbst für gesichert hält („Mord“), sondern auch das Motiv („Eifersucht“). Gibt es dafür im Bunte-Artikel eigentlich irgendeinen Beleg?

  6. ‚mit den Karbonprothesen‘ ist keinesfalls ein Dativobjekt, alleine schon wegen ‚mit‘. Hier ist es ein Attribut, missverstanden werden könnte es in diesem ungeschickt formulierten Satz als instrumentales Adverbial.
    Aber sonst: sehr schöne Arbeit, die Kampagne gut seziert.

  7. „Er steht nämlich am Ende eines Artikels über den südamerikanischen Sportstar Oscar Pistorius (…)“

    „südafrikanischen“ müsste es heissen!

  8. Das sind wirklich zwei überragende Lieblingssätze und ich bin sehr, sehr neidisch, sie nicht selbst gefunden zu haben.
    Ansonsten: Ein wirklich guter Text, vielen Dank.

  9. Irgendwo stand doch auch, das Pistorius „auf Zehenspitzen die Kellertreppe hinuntergeschlichen ist“, das fand ich fast noch „schoener“.

  10. DANKE für diesen Artikel.
    Ich ärgere mich seit Tagen wegen der Berichterstattung der Medien zu diesem Thema. Dabei hätte ein englisch-verstehender Journalist einfach nur Twitter verfolgen müssen um einen guten und vor allem objektiven Artikel abzuliefern.

  11. Klar hätte man einen solchen „Stern“-Text auch schreiben können, ohne dass man einen Reporter nach Südafrika schickt. Aber beim Stern unter der Leitung des altfränkischen Osterkorn glaubt man, so den Anschein journalistischer Kompetenz wahren zu können.

  12. Ich bin nicht sicher, ob man darueber scherzen darf, wage einen verhaltenen Smiley fuer Ihre rhetorische Frage. Und falls es ernst gemeint war: In einem Rechtsstaat (auf dessen Boden sich stern und bunte schon seit laengerer Zeit nicht mehr befinden) gibt es die Unschuldsvermutung. Sie traegt uns auf, sich erst mal mit der „mutmasslichen“ und „angeblichen“ Welt herumzuschlagen, bis es ein Gerichtsurteil gibt. Das Opferabo sorgt dafuer, dass die Spekulationen und Abweichungen von der Unschuldsvermutung immer nur in eine Richtung gehen koennen – wenn Frau Himmelreich (das angebliche Osterkorn/Petzold-Redaktionsopferhascherl) ein Mann und in diesem angenommenen Fall eine aeltere Frau Adressatin (Frau Schavan oder anlaesslich seiner Heiligsprechung die Freundin von Herrn Gauck) ihrer plumpen Altersanmache gewesen waere, hui, das waere aber abgegangen von wegen Respekt vor dem Alter, Frauenfeindlichkeit und was weiss ich. Und genauso war es von vornherein undenkbar, dass irgendeine Zeitung auch nur laut zu denken wagt, dass Pistorius zwar ein fuchtbarer Waffennarr, Depp und was weiss ich sein, aber das womoeglich nicht absichtlich getan haben mag. Und weil es heute undenkbar ist, dass irgendjemand solche Dinge noch selbst hinterfragt, wurden die physikalischen Weltwunder wie das Hoeren durch Waende ueber 600 Meter etc. einfach mal abgedruckt, denn eines habe ich gelernt: Noch heute schreibt der deutsche Journalismusbeamte immer noch alles ab, was deutsche und auslaendische Beamtenkumpels mit und ohne Uniform absondern – der blinder Glaube an Polizisten und Staatsanwaelte und der Glaube an deren Integritaet ist zu Unrecht ungebrochen. Und deshalb hatte die moegliche fahrlaessige Toetung von Anfang an keine Chance in deutschen Zeitungen. Wir werden hoffentlich spaeter dieses Jahr wissen, ob zu Recht oder nicht.

  13. Unabhängig von der Qualität des Stern-Artikels: Pistorius hat seine Freundin erschossen, das hat er zugegeben. Jetzt wie Stefan Niggemeier so zu tun als könnte er unschuldig sein, ist das nicht auch absurd? Wie unschuldig kann jemand sein, der einen wehrlosen Menschen erschießt?

  14. Toller Artikel, Stefan und
    @9 u. 10: ich ziehe vor Leuten, die so schön Grammatik können auch immer meinen Hut!!

  15. @22: Dass Pistorius seine Freundin erschossen hat, bestreitet niemand. Die bislang offene Frage ist, warum er das getan hat und wie die Tat genau ablief. Das ist sowohl für die ethische Bewertung als auch für das Strafmaß relevant. Nicht jede Tötung eines Menschen ist Mord.

    Der Stern-Artikel tut aber so, als sei das alles schon geklärt. Ist es eben nicht.

  16. Naja, dass letzte Mal, wo mir der „Stern“ in die Finger geraten ist, war in Alanya(TR) beim Frisör. K.A. was drin stand…
    War wohl nicht wichtig!

  17. @ Stefan Niggemeier: Juristisch schon, aber es geht dann nur noch um Mord, Totschlag oder fahrlässige Tötung. Unschuldig ist das alles nicht. Das hat für mich eine andere Qualität als ein Fall bei dem nicht mal klar ist, wer das Opfer umgebracht hat und dann wild spekuliert wird.

  18. @Walter: Ich hab das Wort „unschuldig“gar nicht benutzt, aber da Sie es schon tun, könnten Sie vielleicht mal nach dem Wort „Unschuldsvermutung“ googeln, das gerade in Fällen wie diesen eine gewisse Relevanz hat.

  19. na gut dann gebe ich jetzt der bunten eine nachhilfe in seriösität:
    kate und william. liebesglueck in der karibik?
    sieht das besser aus?

  20. Ich finde das Amüsieren über den Satz:“Eine überraschende Wendung scheint bislang nicht in Sicht“,ein bißchen sehr spitzfindig.Auch Wendungen kündigen sich mitunter vage an und überraschende Wendungen sind oft schon deshalb „in Sicht,weil etwa das Veröffentlichen neuer Fakten oder Zeugenaussagen vorher terminlich angekündigt werden.
    Man weiß evtl. schon vorher wer wann „ein Faß aufmacht“.Aber vielleicht nicht,mit welcher Tendenz.
    Insofern können auch überraschende Wendungen in Sicht sein.

  21. „Tiger Woods (»billiger Ringelpiez mit gleich Dutzenden Bardamen und Groupies«), Magic Johnson (HIV-positiv mit über 1000 Frauen geschlafen), Kobe Bryant (Vorwurf der Vergewaltigung)“
    Man weiß nun tatsächlich nicht, wie diese drei Beispiele in einen Artikel über Mord passen. Insbesondere jemand, dem Vergewaltigung lediglich vorgeworfen wurde (und der nicht verurteilt wurde), hat wenig Einfluss auf seine Außendarstellung. Man kann hier wohl kaum davon reden, dass Herr Bryant deshalb das Gefühl hat, „sich alles erlauben zu können“.
    Über den ausschließlich journalistischen Strafbestand des „billigen Ringelpietz“ braucht man wohl nicht reden…

  22. …doch, ich erinnere mich dunkel: „Sensationfund: Hitlers Zahnbürste wiedergefunden. Autor: Guido Knopp“. Wie aus gut unterichteten Kreisen zu hören ist, soll es eine 12teilige Doku auf ZDF_neo demnächst darüber geben.
    Vielleicht mal verifizieren, lieber Stefan?
    Ach so, ne: wir waren beim „Stern“. Auch egal, oder?

  23. @21 Jörg Kachelmann: Mir kommt es so vor, dass Ihre Sicht der Dinge etwas vernebelt ist: Sie haben doch vom „Opferabo“ gesprochen. Und das bei jemandem, der nicht nur „mutmaßlich“ tot ist . Sich als Bewahrer des Rechtsstaats geben und dabei dann den Tod von Steenkamp als „Opferabo“ abzuqualifizieren… nicht schlecht, dazu gehört Chuzpe. Ich finde die Frage von Sanníe (#18) jedenfalls ziemlich treffend um den Blödsinn Ihrer „Opferabo“-Verschwörungstheorie im vorliegenden Zusammenhang bloßzustellen.

    Steenkamp ist Opfer. Nur was für eines ist noch nicht raus (Unfall-, Totschlag-, Mord-).

    P.S. mir ist nämlich auch nicht klar, wieso es beim vorliegenden Sachverhalt wichtig oder auch nur annähernd relevant wäre, dass auch Frauen Beziehungstaten begehen. Oder soll das nur zur Relativierung dienen, falls Pistorius doch schuldig wäre, so nach dem Motto „die Frauen sind ja auch nicht besser“ (immer wieder ein super Argument)?

  24. @Walter (Kommentar Nr. 22):

    Unstreitig ist die Tatsache, dass Herr Pistorius die tödlichen Schüsse auf Frau Steenkamp abgegeben hat.

    Dazu, wie es zu diesen gekommen sein soll, hat Herr Pistorius eine eidesstattliche Erklärung abgegeben, die Sie im Wortlaut im Netz finden können.

    Mir stellen sich bei deren Lektüre und einer Analyse anhand Logik und Lebenserfahrung mehr als genug Fragen, um den Anfangsverdacht eines vorsätzlichen Tötungsdelikts zwingend zu bejahen.

    Einziges Beweismittel der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren, in welchem über den Gegenstand der Anklage und die Freilassung des Beschuldigten auf Kaution entschieden wurde, war aber die Zeugenaussage des zunächst die Ermittlungen leitenden (und mittlerweile von dem Fall abgezogenen) Polizeibeamten Hilton Botha.

    Und diese wiederum bestand nur aus einer vagen Theorie, gestützt auf widersprüchliche Andeutungen. Er konnte kein einziges auf einem tatsächlichen Umstand beruhendes Indiz für ein vorsätzliches Tötungsdelikt benennen oder vorlegen.

    Wer den Fall nur anhand der deutschsprachigen Medien verfolgt, der weiß natürlich von allerlei belastenden Indizien und Aussagen, Spekulationen und Deutungen, die die Staatsanwaltschaft aber jedenfalls bislang gar nicht in das Verfahren eingeführt hat, ja die vereinzelt sogar von der Polizei dementiert wurden.

    Die übergeordnete Frage, die im Fortgang des Verfahrens gegen Herrn Pistorius zu klären sein wird, lautet: In welcher Absicht hat er auf seiner Vorstellung wen die vier Schüsse abgegeben?

    Die bisher einzig vorliegende vollständige Rekonstruktion des Vorfalls ist die Aussage des Herrn Pistorius. Ich persönlich halte diese wie gesagt, ebenso wie Polizei und Staatsanwaltschaft, für höchst zweifelhaft.

    Aber nicht Herr Pistorius muss deren Richtigkeit beweisen, sondern wer eine andere Version der Ereignisse hat, muss diese ohne vernünftigen Zweifel beweisen.

    Und Stand heute gibt es noch nicht einmal eine in das Verfahren eingeführte vollständige Version des Hergangs seitens der Polizei bzw. Staatsanwaltschaft. Sondern eben nur Zweifel an Herrn Pistorius‘ Schilderung, und die Vermutung, dass dieser wusste, dass sich Frau Steenkamp hinter der Tür zur Toilette befand und er die Schüsse wissentlich und mit Tötungsvorsatz auf sie abgegeben hat.

    Wie genau, und warum – das ist Gegenstand noch andauernder Ermittlungen.

    Gerade dieser Verfahrensstand aber wird von deutschsprachigen Medien zwischen lauter Gerüchten, Theorien und widerlicher Suhlerei in der unfassbaren menschlichen Tragik des Vorfalls noch bestenfalls nicht klar herausgestellt, im Falle von „Stern“ und „Bunte“ jedoch schlicht ignoriert, und stattdessen schon eine vollständige Lösung und Bewertung des Falls präsentiert.

  25. @ Sibirischer Tiger

    Ich schließe mich ihrer Analyse an!
    So ist der Sachstand bzgl. Verfahren, medialer Aufbereitung und den Zweifeln an der von Pistorius abgebenen eidesstattlichen Erklärung!

  26. Auch interessant. „Karbonprothesen“

    Karbon ist ein Erdzeitalter. Gemeint ist wohl eher Kohlenstoff. Naja, der Stern ist wohl zu doof, auch den einfachsten falschen Freund zu entdecken. Gut, dass ich solchen Schund nicht lese.

  27. Es gibt hier keine Unschuldsvermutung. Pistorius ist schuld am Tod von Reeva Steenkamp. Er hat sie erschossen.

    Es tut nichts zur Sache das Pistorius glaubte es sei ein Einbrecher im Badezimmer. Er hat viermal durch die verschlossene Tür geschossen. Auch wenn es ein Einbrecher gewesen wäre dann hätte er seinen Tod in Kauf genommen. Das wäre dann auch keine Notwehr gewesen sondern Mord.

  28. „Wir wissen nicht, ob Pistorius wirklich einen Mord begangen hat. “

    Nein, wissen wir das nicht? Selbst wenn er, wie er behauptet, durch die Tür einen Einbrecher und nicht Reeva Steenkamp hätte erschießen wollen, hätte er nach meinem Rechtsverständnis einen Mord begangen.

  29. Ich weiß nur, dass ich während des Lesens immer wieder den Kopf geschüttelt und gedacht habe: Den Artikel hätten sie mir im Volontariat um die Ohren gehauen! So ein Stückwerk aus Halbwahrheiten, Vermutungen und nichtssagenden Fakten.
    Dazu der Satz über die „Lichtgestalt mit den Karbonprothese“, die uns wärmt – au Backe! Eine Nummer kleiner haben sie’s nicht, oder?

  30. @Deali (Kommentar Nr. 38):

    Zunächst einmal verkürzen Sie hier den Inhalt der Unschuldsvermutung. Diese beinhaltet nämlich auch, dass so lange die für einen Beschuldigten günstigsten Tatumstände anzunehmen sind, bis schwerer wiegende Tatumstände erwiesen sind.

    Objektiv tatbestandlich hat Herr Pistorius rechtswidrig den Tod der Frau Steenkamp verursacht. Ob er dies subjektiv aber auch vorsätzlich und – voll oder ggf. eingeschränkt – schuldhaft getan hat, ist im weiteren Verfahren aufzuklären.

    Und weiter kritisiert Herr Niggemeier in seinem Artikel auch gar nicht, dass „Stern“ und „Bunte“ berichten, dass Herr Pistorius Frau Steenkamp erschossen hat.

    Sondern dass diese Blätter zu wissen behaupten, dass Herr Pistorius die Schüsse wissentlich und willentlich auf Frau Steenkamp – und eben nicht auf einen irrtümlich in der Toilette vermuteten Einbrecher – abgegeben hat, aus welcher Motivation heraus, wie sich das in seinen Charakter und sein sonstiges Verhalten einfügt usw.

  31. @Thomas II #40
    der Lakotta-Artikel über Mollath in der dicken Bild war aber auch nicht ohne.
    Was kann man eigentlich noch lesen?

  32. @ Deali (#38): Das mit Notwehr und wie weit sie gehen darf wird nicht überall gleich gesehen. In Südafrika ist man da erheblich weniger zimperlich als hierzulande. Dort darf man (oder durfte man vor ein paar Jahren noch) soweit ich weiß z.B. in das eigene Auto eine Art Alarmanlage einbauen, die bei Diebstahl (Zündschloss geknackt oder Zündung Kurzgeschlossen) nach einer gewissen Zeit Reizgas in den Innenraum schießt. Dass die Diebe das u.U. bei voller Fahrt abkriegen und dabei ums Leben kommen wurde ausdrücklich gebilligt.

    Da wird kaum jemand zweimal fragen, wenn einer einen vermeintlichen Einbrecher mit ein paar Schüssen zur Strecke bringt, zumal wenn er durch die Badezimmertür nicht sieht, ob er getroffen hat. Und wenn ich befürchten muss, dass die Einbrecher bewaffnet sind und mich in so einer Situation ohne zu zögern umbringen würden, darf ich auch härter zulangen als man das vom heimischen Sofa aus für angebracht halten könnte.

    Was im Hause Pistorius genau passiert ist und warum es so passiert ist, wird erst noch geklärt werden müssen. Man sollte ihn nicht vorverurteilen.

  33. @gnaddrig #43
    Da gebe ich Ihnen Recht, in Südafrika gehen die Uhren anders. Es gibt wahrscheinlich keine Statistiken über Todesfälle durch Waffenmissbrauch.
    Aber die Idee mit der Alarmanlage klingt spannend. Vor sehr langer Zeit war so etwas mal bei uns angedacht um Taxifahrer zu schützen.

  34. #21 – „In einem Rechtsstaat (auf dessen Boden sich stern und bunte schon seit laengerer Zeit nicht mehr befinden) gibt es die Unschuldsvermutung.“

    Das ist zwar eine populäre Phrase, aber eben nicht mehr als das. Es ist genauso Unsinn wie ‚Eltern haften für ihre Kinder‘. Die ‚Unschuldsvermutung‘ ist ein Grundsatz ausschließlich des rechtsstaatlichen Strafprozesses, sie gilt schon in Zivilprozessen nicht, in der Gefahrenabwehr sowieso nicht, geschweige denn pauschal im ‚Rechtsstaat‘. Dass ausgerechnet Sie dann auch noch im Kontext einer unabhängig vom Ausgang eines Straf- und/oder Zivilprozesses toten Frau von einem ‚Opferabo‘ schreiben, macht Ihren Beitrag umso grotesker.

  35. Es mag sein, dass das südafrikanische Recht beim Verhalten gegenüber einem vermeintlichen Einbrecher andere Maßstäbe anlegt als unser Recht. Das hilft mir dabei, mir zu diesem Land eine Meinung zu bilden.

    Aber dürfen deutsche Medien nicht mehr nach deutschen, mitteleuropäischen, zivilisierten Maßstäben urteilen? Und nach diesen Maßstäben ist Pistorius ein Mörder, egal, auf wen er da hat schießen wollen.

    Dürften deutsche Zeitungen analog auch Nordkorea nicht mehr als Unrechtsstaat bezeichnen, weil das, was dort angeblich geschieht, doch auf jeden Fall durch die dortigen Gesetze legitimiert ist?

  36. @kasuppke. Jetzt treibt dich aber dein Beißreflex doch ins arg Dumme. Und mit dem Gegensatz Südafrika–“zivilisiert“ noch in eine andere Ecke.

  37. @Alberto Green

    Stimmt, Sie haben’s erfasst: Ich verachte ein System, in dem ein (meist weißer) Wohlhabender einen (fast immer schwarzen) Einbrecher erschießt freizusprechen tendiert. Ich bin ein Rassist.

  38. @kasuppke: Nett, dass Sie uns durch Ihre Adjektivkette „deutsch, mitteleuropäisch, zivilisiert“ mit dem Ordnungssystem Ihrer Schubladen vertraut machen. Ich würde aber vorschlagen, Sie räumen da mal auf.

  39. 1. ist mir wohl mein Satz im letzten Beitrag etwas durcheinandergeraten: Ich verachte ein System, das einen wohlhabenden Weißen, der einen schwarzen Einbrecher erschießt, freizusprechen tendiert.

    2. Alles Denken beinhalten Kategorisieren. Und ich setz „zivilisiert“ z.B. gleich mit : „billigt nicht den Einsatz von Schusswaffen gegen Unbewaffnete“. Und dann steht eben „deutsch, mitteleuropäisch, zivilisiert“ dem gegenüber, was in Südafrika oder aber auch in den USA gemacht wird. Ich bin mir sicher, hätte ich anstatt Südafrika USA geschrieben, hätte sich niemand über meine Schubladen beschwert. Aber so, Afrika, Rainbow Nation, Nelson Mandela, da seh ich ein, dagegen kann man nichts sagen.

  40. Fakt: Pistorius hat geschossen (mir ist zumindest keine Theorie begegnet, dass er es gar nicht war, der den Abzug gedrückt hat)
    Fakt: Seine Freundin ist tot. Sie starb durch Verletzungen, die durch Schüsse verursacht wurden
    Alles andere ist – bis ein Gericht ein Urteil gefällt hat – zunächst mal kein Fakt, im Sinne von „Ungewiß“

    Vieles spricht für die Annahme, dass Pistorius durch die Badezimmertür auf seine Freundin geschossen hat. Es ist aber wohl noch nicht als „Fakt“ einzustufen, da die Ermittlungen noch nicht abgeschlossen sind.
    Auch unklar ist das Motiv: Beziehungstat oder vermuteter Einbrecher? (ich verkürz das mal auf die beiden Schlagworte)

    Es hat den Eindruck, als wäre diese Faktenlage für einige Medien – und manche Kommentatoren hier – zu dünn.
    Die einen machen daraus lieber eine Beziehungstat, die man wochenlang durch die Schlagzeilen peitschen kann, die anderen knüpfen daran ihre Meinung über ein gesamtes Staatssystem und seine Rechtsprechung an.

    Ist aber irgendwo auch nachvollziehbar: Auf Basis der reinen Fakten zu diskutieren ist nicht sonderlich ergiebig.

  41. @kasuppke #51:

    1. Denken beinhaltet Kategorisieren: Jain. Struktur sicherlich, aber welche? Wie durchlässig, veränderbar und flexibel sind diese?

    2. Der Einsatz von Schusswaffen gegen Unbewaffnete wird weder in den USA noch in Südafrika in dem Sinne gebilligt.
    In den genannten Ländern mag es andere Waffengesetze geben als bei uns und der Besitz und das Selbstverständnis der Einwohner zum Thema Waffen mag von unserem verschieden sein, aber bis zum „billigen“ ist es ein weiterer Weg, als Sie hier aufzuzeigen versuchen.
    Es mag sein, dass in Deutschland, USA und Südafrika der gleiche Sachverhalt „Mann erschießt vermeintlichen Einbrecher“ jeweils unterschiedlich bewertet und bestraft wird, aber daraus ein „zivilisiert“ hier bei uns und einem angedeuteten „weniger oder anders zivilisiert“ in den anderen Ländern zu konstruieren, halte ich für gewagt.

  42. Woher nehmen Sie die Erkenntnis, dass der Einsatz von Schusswaffen gegen Unbewaffnete nicht gebilligt wird? Nur eines von unzähligen Beispielen mit Freispruch:

    http://www.taz.de/!85106/

    Sie finden es gewagt, dass ich daraus einen Gegensatz „zivilisiert“/“unzivilisiert“ herleite. Ich finde es gewagter, wenn man vor lauter Angst, etwas falsches zu schreiben, sich gar kein Urteil mehr zutraut.

    Was die Durchlässigkeit von Kategorien angeht: Selbstverständlich werde ich meine Einschätzung überdenken, wenn die entsprechenden Gesetze in den USA und in Südafrika überarbeitet werden oder auch wenn Pistorius wegen mindestens Totschlags außerhalb einer konkret gegebenen Notwehrsituation zu ein paar Jahren Haft verurteilt wird.

    Nennen Sie es Vorurteil, ich nenn es Einschätzung: Er wird NICHT verurteilt werden.

  43. @kasuppke #55
    Sie nehmen das o.g. Beispiel ernsthaft dafür her, von zivilisiert / unzivilisiert zu sprechen, bezogen auf ganze Länder oder Kulturkreise?
    1. Ist es ein Zeitungsartikel. Zur korrekten Beurteilung würde für mich dazu gehören, die Akten der Behörden sowie die juristische Einschätzung dieses Falles von kompetenter Seite aus zu lesen. Nur weil es so in der taz steht, muss es nicht zu 100 % stimmen bzw. auch im Gesamtkontext stimmig sein.
    2. Wie würde denn die Situation hier in Deutschland sein: Frau mit Baby allein in einer Wohnung, verbarrikadiert und mit einer Waffe und zwei Einbrecher sind in der Wohnung und versuchen zu der Frau vorzudringen? Ich schätze mal, dass diese Frau auf Notwehr plädieren würde und kann mir kaum vorstellen, dass sie wegen Mordes verurteilt würde. Da ich aber kein Strafrechtsexperte bin: Wie würde so ein Fall in Deutschland bewertet und wie würde da – vermutlich – geurteilt?

    Es ist keineswegs Angst vor etwas Falschem, es ist die Lebenserfahrung, dass die Dinge bei näherer Betrachtung oft anders sind, als sie zu Anfang schienen.

  44. […] [text] auch wenn andere das in letzter zeit des öfteren anders sehen, ich mag den stefan niggemeier. ich lese das gerne, was er schreibt – trotz seiner seltsamen vorliebe für diesen schwachsinnigen european gesangs-irgendwas. ich mag ihn wegen seiner gedanken, die er sich abgesehn davon so macht, zum beispiel zur berichterstattung im stern. […]

  45. Gut, vielleicht hat kasuppke da ein starkes Wort benutzt, aber ich verstehe ihn.
    Mal ein anderer Aspekt: man liest ja, beide Seiten des Bettes waren benutzt. Wenn ich also glaube, ein Einbrecher ist auf meinem Klo, dann ist doch das erste, was ich mache, meine Freundin zu wecken. Oh, sie liegt ja garnicht mehr neben mir?

  46. @Stillwater
    Ich habe lange Zeit in Dallas/Texas gewohnt. Es gab dort einen Klub in dem man nur Mitglied werden konnte wenn man einen Einbrecher erschossen hatte. Das waren ganz normale Leute, Nachbarn halt, Jahreseinkommen so um die 100.000 Dollar. Aktenzeichen habe ich leider nicht für Sie.
    Aber vielleicht erinnern Sie sich noch an Trayvon Martin? Das ist jetzt ein Jahr her. Für mich ist das nicht zivilisiert.
    Und glauben Sie nicht weil Obama jetzt Präsident ist gäbe es in den USA keine Rassendiskriminierung mehr.

  47. Wir befinden uns doch im Stadium der Spekulationen, der Sachverhalt ist noch nicht ermittelt. Trotzdem wird Pistorius vom „Stern“, von der „Bunten“ und von „Kasuppke“ als Mörder verurteilt, DAS geht eben nicht und ist auch nicht besonders zivilisiert.

    Ich finde es nach meinem Rechtsverständnis auch etwas seltsam, dass Pistorius auf Kaution freigelassen wurde, bei den strengen Auflagen hätte man ihn auch gleich in Untersuchungshaft nehmen können! Auch werden seine Verwandten schon für teure und ausgebuffte Verteidiger, Gutachter usw. sorgen. Der Prozess wird mit Sicherheit nicht besonders appetitlich werden, man kann sich schon Befangenheitsanträge und sämtliche Formen von Verfahrensverschleppungstricks einrichten.

    Trotzdem kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt kein Urteil über die Qualität der Tat anmaßen und ein selbsternanntes „Qualitätsmedium“ wie der „Stern“ sollte das erst Recht nicht!

  48. @Christoph #58
    Ich würde genau so handeln. Meine Frau aufwecken und sie nachsehen lassen was da los ist!

  49. @Deali
    War unglücklich gewählt von mir. Aber wenigstens auf die andere Seite des Bettes gucke ich schon, bevor ich mir ein Stirnband umbinde und in Zeitlupe um die Ecken hechte.

  50. @Frank Reichelt

    Aber das stimmt doch nicht, wir müssen nicht spekulieren. Pistorius hat eingeräumt, durch die geschlossene Badezimmertür mit Tötungsabsicht geschossen zu haben. Er hat Reeva Steinkamp ermordet, entweder (was ich für eindeutig wahrscheinlicher halte) absichtlich, oder eben anstelle eines Einbrechers, den er nach meinem und hoffentlich unserem Rechtsverständnis nach ebensowenig hätte erschießen dürfen.

    Dass der Rest, den der Stern da schreibt, ganz großer Mumpitz ist, ist klar. Aber letztenendes gibt es auch so etwas wie einen ersten Anschein. Dass Pistorius‘ Geschichte haarsträubend unglaubwürdig ist, dass er offenbar sowohl anabole Steroide als auch Alkohol im Haus hat (und man nachlessen kann, wie beide zusammen wirken), dass es schon vorher mehrere Vorfälle häuslicher Gewalt gegeben hat: alles schon vergessen?

    Es gibt eine Unschuldsvermutung. Vor Gericht. Aber in der Berichterstattung sollte es schon möglich sein, die naheliegenden Schlüsse zu ziehen, da liegt beim Journalisten keine Beweislast.

  51. @ Christoph #58

    Stimmt. Das ist eine der Frage, die die Ermittler stellen müssten und die Antworten darauf müssen im Zusammenhang mit allen anderen Dingen bewertet werden usw. Ermitteln eben.

    Ich sag ja auch gar nicht, dass der Pistorius seine Freundin nicht aus Eifersucht erschossen hat. Aber das ist eben auch nur eine der Möglichkeiten, was hier passiert ist.
    Deswegen braucht es umfassende und sorgfältige Ermittlungsarbeit. Was der „stern“ und andere Medien machen, ist aber alles andere als das. Weniger eine faktennahe Begleitung des Falles, sondern ein schlagzeilenträchtiges Konstrukt, bei dem es eher darum zu gehen scheint, die wahrgenommene Lesermeinung zu unterfüttern, um darüber eine höhere Bindung an das Produkt zu erzeugen. Der Mensch neigt nunmal eher dazu, Meinungen, die seiner eigenen entsprechen, zuzustimmen, als abweichenden Meinungen.

  52. @Stillwater

    Und ich stimme dir zu, was den aus Mutmaßungen zusammenphantasierten Text vieler Medien betrifft. Da sind sich hier doch alle einig. Im Privaten aber hat dieser Fall nur einen sehr kleinen Spielraum unfundierter Urteilsfindung.

  53. @Christoph
    Nee, war ironisch gemeint von mir. Selbstverständlich weckt man den Partner damit der sich in Sicherheit bringen kann. Aus der Sicht kann Pistorius mir nichts vormachen. Aber das wäre ja vor-verurteilen. Und so was macht man ja nicht.
    Jeder hätte den Partner geweckt!

  54. @ Deali #59:
    Ich persönlich finde einen derartigen Club grotesk. Aber was ist mit diesem Argument bewiesen? Das die Amerikaner weniger zivilisiert sind? Denn darum ging es ja in der Diskussion mit kasuppke. Um das Schubladendenken, was die Mentalität und das Rechtsverständnis ganzer Länder und Kulturen betrifft.

    Und Ihr Beispiel mit Trayvon Martin? Was genau fanden sie nicht zivilisiert? Ich habe den Fall jetzt nur bei Wikipedia nachgelesen. Also, was genau meinen Sie? Die Art, wie derjenige, der Trayvon Martin erschoß, gehandelt hat? Das „Stand-your-grund-Gesetz“?
    Die sich daran anschließenden Rassismusdebatte?
    Was macht diesen Fall hier für Sie so erwähnenswert?

  55. „Das die Amerikaner weniger zivilisiert sind?“

    Ja, woran, wenn nicht am Umgang mit Schwächeren (wie in diesem Fall: Straftätern wie Einbrechern), will ich den Zivilisation erkennen?

    An den vielen bunten Lichtern in Las Vegas?

  56. @Deali #65:
    Erstaunlich, wie klar dieser Fall für Sie zu liegen scheint.

    Woher wissen Sie denn genau, wie die Verhältnisse in Pistorius‘ Haus, in seiner Partnerschaft und in sonst allem, was für diesen Fall bedeutsam sein könnte, beschaffen sind?
    Haben Sie schon in Erwägung gezogen, dass Pistorius möglicherweise ein Waffennarr und Adreanlinjunkie ist, der auf Grund von Erlebnissenen in seiner Vergangenheit oder sonst einem Grund als Erstes an eine Waffe denkt und diese auch ohne langes Zögern benutzt, wenn er sich bedroht sieht?

    Weit hergeholt? Möglicherweise. Vielleicht aber auch nicht. Dies zu klären ist Sache der Behörden vor Ort.

    Es gibt auch in unserem zivilisierten Land genug Leute, die erst eine Waffe zücken oder zuschlagen und dann Fragen stellen. Das ist eine Frage des Charakters des Einzelnen und weniger eine Mentalitätsfrage, die sich auf eine Land oder einen Kulturkreis bezieht.

  57. Ich möchte #58 präzisieren: ich verstehe kasuppke bei #51.1) und bei #55. Aber ich verstehe nicht, warum es #47 braucht, da niemand hier Mord in Frage gestellt hat. Es geht, wie vielfach gepostet, um die Frage, unter welchen Umständen es passiert ist. Und darum, wie sich einige Medien an Mutmaßungen bedienen.
    Und dieses Wort der Unschuldsvermutung gilt hierbei übrigens ausschließlich in Zusammenhang mit dem Wort „vorsätzlich“.

  58. @69:

    Dann sieze ich eben auch. Sie meinten sicher mich, nicht Deali. Dazu kann ich nur schreiben, dass dies hier eine Kommentarspalte unter einem Blogeintrag ist und ich diese Funktion nutze. Ein Kommentar ist bekanntlich rein subjektiv. Wenn ich also in einer Unterhaltung auf Fakten warte, wozu sollte man dann in diesem Fall noch diskutieren. Wenn er sie durch Fakten belegt absichtlich erschoss, dann wissen das alle und Ende. Wenn die Fakten sagen, er wollte das nicht, dann wissen das alle und anderes Ende. Worüber würde man reden müssen?
    Würde ich in einem Bericht mutmaßen, dürften Sie mich gern angehen. Eben so, wie Herr Niggemeier hier zu Recht den Stern et.al. angeht. Ihre zurückhaltende Korrektheit, Stillwater, finde ich langweilig. So verschieden sind Menschen also – wer hätte das gedacht.

  59. @kasuppke #63: Ich weiß nicht, dass Pistorius „offenbar sowohl anabole Steroide als auch Alkohol im Haus hat“ – ich habe gelesen, dass die Polizei das behauptet hat, dass er anabole Steroide besessen haben soll und sein Verteidiger behauptet, dass es sich um ein rezeptfreies Naturpräparat (was auch immer das sein mag) handele.

    @Deali #66: Da bin ich aber froh, dass der Pistorius Ihnen nichts vormachen kann. Und dass Ihr gesundes Volksempfinden schlussendlich entscheidet, wie er verurteilt wird.

  60. @ kasuppke #63:
    Zum Thema Unschuldsvermutung bei Journalisten siehe den Link vom Hausherrn in #46
    Abgesehen davon kommt es beim (vermuteten ) Einbrecher durchaus auf die Umstände an. Stichwort: Notwehr.
    Niemand von uns war dabei, als es passiert ist. Also sollten wir uns erst mal auf das Ermittlungsergebnis verlassen, das Bestandteil des Gerichtsverfahrens wird. Wenn dieses zweifelhaft ist, kann man ja daran gehen und diese Zweifel aufrollen. Aber von vorneherein sagen, dass es ja feststeht, dass er seine Freundin mit Absicht erschossen hat… also ich möchte das nicht.

    @ kasuppke #68:
    Im Umgang mit Schwächeren? Meines Wissens gibt es in Amerika kein Gesetz, dass das Töten von Einbrechern unter Straffreiheit stellt oder unprovozierte Gewalt gut heißt.
    Das es da einen Haufen Dinge gibt, bei denen die meisten Menschen hier die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, ja.

    Ich finde aber, dass Sie hier grob vereinfachen. Nun gut, ist halt Ihre Meinung, muss ich ja nicht zu meiner machen.

  61. @Stillwater
    „Was macht diesen Fall hier für Sie so erwähnenswert?“
    Deutliche Parallelen zu Pistorius. Erst als sich nach Protesten der Präsident einschaltete wurde er angeklagt. Man hatte die Akte schon zugeklappt. Und das war gesetzeskonform.
    In SA ist es genau so. Wäre das nicht Pistorius sonder ein X-beliebiger Täter, der würde in U-Haft sitzen. Aber jetzt sind die Eltern von Reeva Steenkamp sicher richtig erfreut. Die vermuten sicher auch seine Unschuld. Tja, kann ja mal passieren. Ja, der Junge war ja leider ein Waffennarr und Adreanlinjunkie. Schwamm drüber.

  62. Sie lassen die Liebste natürlich schlafen. Vergessen Sie nicht den Schalldämpfer auf zuschrauben wenn Sie zum Bad eilen sonst wird der Schönheitsschlaf noch jäh unterbrochen.

  63. „Aber von vorneherein sagen, dass es ja feststeht, dass er seine Freundin mit Absicht erschossen hat… “

    Das habe ich nie gesagt. Ich habe gesagt, dass er JEMANDEN mit Absicht erschossen hat.

    Und doch, es gibt dieses Gesetz in den USA, und es gibt ein entsprechendes Gesetz auch in Südafrika. Ich finde diese Gesetze als einen Schritt zurück vom Standpunkt einer zivilisierten Gesellschaft aus. Aber das schrieb ich bereits.

    http://en.wikipedia.org/wiki/Stand-your-ground_law

  64. @78
    Gut. In diesem Fall aber müsste seine Freundin hinter der verschlossenen Klotür ihre Stimme verstellt haben und ihm gedroht haben. Vielleicht hatte sie aber auch einen alten Western auf ihrem Smartphone geschaut und als der Dialog kam „Hey you, this is a robbery!“ musste Pretorius einfach schnell reagieren. Stillwater wird schreiben, dass man das ja nicht weiss, weil man ja nicht dabei war. Stimmt.

  65. @Christoph:
    Man muss den Fall nicht 1:1 übertragen, um eine Notwehrsituation zu konstruieren. Der Link diente bloß als Beleg für meine Behauptung.

    Wenn man in Südafrika bei einem Einbrecher damit rechnen muss, dass der selbst mit einer Schußwaffe bewaffnet ist und man überzeugt ist, dass die Geräusche hinter der Klotür von einem solchen Einbrecher stammen, da kann ich verstehen wenn man sich aus Angst um das eigene Leben in die Hose scheißt. Das könnte dann die Voraussetzungen für Notwehr schaffen.

    Aber nachdem Sie ja eh schon wissen, wie alles gewesen ist, und wie man Situationen am anderen Ende der Welt zu bewerten hat: Warum bewerben Sie sich nicht beim Stern als Artikelorakel und Moralstandsmesser?

  66. Eines steht aber fest: Sollte Pistorius mit seiner Einbrechergeschichte durchkommen, wissen spätestens dann alle Südafrikaner, wie sie damit durchkommen, dass sie ihre Frau oder Freundin erschießen. Denn wenn „Ich dachte, der Mensch im Bad wäre ein Einbrecher der sich da eingeschlossen hat und der mich durch die Tür mit einer Waffe bedroht und deshalb hab ich einfach ein paar Mal geschossen“ geht, dann geht alles. Wenn man weiß ist.

  67. @alter Jakob
    Ich habe ihren Link horizonterweiternd angenommen, ich habe nur vergessen, mich zu bedanken. Alles weitere von mir ist, weil das ja irgendwie klar ist, pure Mutmaßung. Wie weiter oben schon geschrieben, nehme ich mir das in Kommentaren frech raus. An diesem Fall macht mich einfach nervös, dass man den Mann hat auf Kaution freigelassen, obwohl er jemanden aus noch unbekannten Gründen aus dem Leben geschossen hat. Ich lasse mich gerne eines besseren belehren, aber momentan ist die Lage weniger vielversprechend für Pistorius‘ Variante. Und ich lasse mich dazu hinreissen, zu sagen, er ist frei wegen seines Ansehens. Lassen sie uns einfach nochmal darüber reden, wenn das Urteil verkündet wurde. Einer von uns wird dann schon sagen können „Ich hab’s ja gesagt!“
    Und auf ihren völlig unqualifizierten letzten Absatz gehe ich ausschließlich mit genau diesem letzten Satz hier ein.

  68. #83:
    Wenn man den Medien Glauben schenkt, ist er aber deswegen frei, weil die Anklage so schlecht vorbereitet war.

  69. Und weil weder Wiederholungs-, Flucht noch Verdunklungsgefahr angenommen bzw. durch die Auflagen ausgeschlossen wurde. Untersuchungshaft soll(te) keine Strafe sein.

  70. @84:
    Stimmt. Zusätzlich meine ich, dass sein Status dabei ebenfalls großes Gewicht trug.

    @85:
    Ich stimme voll zu, dass U-Haft keine Strafe sein sollte. Ich meine aber auch, dass ein möglicher Suizid eine Flucht aus der Verantwortung, also gaaanz weit gedehnt eine Fluchtgefahr darstellt. Dazu wäre ein Psychogramm des Täters hilfreich. Keine Ahnung, ob das bei der Entscheidung vorlag…

  71. @alter jakob:

    Ich zitiere: „Ich kann nicht schreiben wie es ist, sondern nur wie ich es sehe“.
    Das schreiben Sie zwar aktuell innerhalb der Kommentar-Diskussion zum „Lügen fürs Leistungsschutzrecht (5)“, aber wenn Sie bitte so freundlich wären, sich zu erinnern, was Sie mir innerhalb dieser Diskussion vorwerfen…

  72. @Christoph: Ja und? Natuerlich kann ich meine Rechtsauffassung ueber das LSR zum Besten geben und begruenden weshalb ich das so sehe. Sie koennen ja gerne dazu Stellung nehmen und mir erklaeren, warum das so abwegig ist. Stellen Sie sich vor, es gibt sogar Themen, da schreib ich gar nichts dazu, weil ich nichts darueber weiss.“ Bspw. wuerde ich nichts zur Frage schreiben, ob Pistorius schuldig ist oder nicht. Da werden Sie keine Wertung von mir finden.

    Aber was hat das mit Ihrem Fackel- und Mistgabelgeschreibe hier zu tun? Wegen mir duerfen Sie soviel „mutmassen“ wie Sie wollen, dass Pistorius ein Moerder ist oder das Suizidgefahr eine Art Fluchtgefahr begruendet und deshalb ein Suizidgefaehrdeter vielleicht doch in Uhaft gehalten werden koennte (das finde ich eine ganz besondere Perle). Sie sollten sich dann aber nicht beschweren, wenn andere Leute schreiben, was die von Ihren „Mutmassungen“ halten.

    Ich fuer meinen Teil sehe jedenfalls einen recht deutlichen Unterschied zwischen der Begruendung warum ein Urheber mMn durch das LSR nicht eingeschraenkt wird und der Aussage, dass Pistorius ein Moerder ist, weil… ja weil halt und ausserdem stehts ja auch im Stern….

    Oder anders gesagt, ich glaube ich verstehe vom UrhG mehr, als Sie von der Unschuldsvermutung.

  73. Der Error in persona ist unbeachtlich, es spielt keine Rolle, ob er hinter der Tür einen Einbrecher vermutete oder ob er wusste, wer da war.

  74. Zu den Kommentaren Nr. 83 ff.:

    Ich kann mir die Freilassung des Herrn Pistorius auf Kaution ebenfalls nur als eine Art Konzessionsentscheidung erklären, nachdem das Gericht gestützt nur auf die letztlich aus nichts als Deutungen und Spekulationen bestehende Aussage des die Ermittlungen leitenden Kriminalbeamten Hilton Botha eine Anklageerhebung wegen vorsätzlichen Mordes zugelassen hat.

    Denn wie schon gesagt (Kommentar Nr. 35), im Vorverfahren wurden noch nicht einmal klare, Herrn Pistorius belastende Indizien benannt.

    Warrant Officer Botha theoretisierte, dass Herr Pistorius seine Prothesen angezogen habe, während Frau Steenkamp sich bereits in der Toilette befand, sich mit der Schusswaffe auf den Weg zur Toilette gemacht und Frau Steenkamp erschossen habe. Wie er darauf genau kommt, hat er nicht ausgesagt.

    Mehr noch, seine Aussage klang streckenweise so, als habe seiner Einschätzung Herr Pistorius gar nicht alle vier Schüsse durch die geschlossene Toilettentür abgegeben, sondern einige sogar mit Sicht auf Frau Steenkamp!

    Aber auch wie er zu dieser Erkenntnis oder Vermutung gekommen sein will, hat er nicht näher ausgeführt.

    Dass ich die von Herrn Pistorius gelieferte Schilderung der Ereignisse logisch an zahlreichen Stellen nicht nachzuvollziehen, und ihm seine Aussage darum schlicht nicht zu glauben vermag, habe ich ja auch bereits gesagt (selber Kommentar).

    Aber das hätte für mich, wäre ich der zuständige Staatsanwalt, zunächst eben den Anfangsverdacht eines vorsätzlichen Tötungsdelikts begründet und Ermittlungen in dieser Richtung geboten. Niemals wäre ich auf die Idee gekommen, gleich die Zulassung einer Anklage wegen vorsätzlichen Mordes (bzw. in Deutschland auf Grund anderen Strafverfahrensrechts den Erlass eines Haftbefehls) zu beantragen! Doch nicht ohne zumindest eine schlüssige, indiziengestützte Rekonstruktion des vollständigen Tathergangs!

    Warum die Staatsanwaltschaft gleich derart weit vorgeprescht ist, darüber kann nun ich nur spekulieren:

    War es Angst vor der Boulevardpresse? (Immerhin ist Südafrika gesellschaftlich bzw. kulturell stark britisch geprägt, und verglichen mit den britischen Revolverblättern sind „Bild“ & Co. ja noch regelrecht zahm – möglich, dass das in Südafrika ähnlich ist?)

    Oder Angst vor der wohl mächtigen „Women’s League“ des in Südafrika de facto diktatorisch herrschenden ANC? (Mit seinem Frauenanteil im nationalen Parlament spielt Südafrika in einer Liga mit etwa den skandinavischen Ländern, und kaum waren die ersten Meldungen vom Vorfall im Haus des Herrn Pistorius über die Ticker gelaufen, aber noch ohne dass irgendwer überhaupt irgendwas wusste, hatte die WL Frau Steenkamps Tod ja schon zum Politikum gemacht.)

    Oder ganz schlicht die Sorge, Herr Pistorius hätte noch während der laufenden Untersuchungen, bevor sich ein Anfangsverdacht gegen ihn weiter hätte erhärten können, untertauchen und/oder das Land verlassen können?

    Ich weiß es nicht.

    Ich weiß nur, ich hätte als zuständiger Richter auf Grund dessen, was die Staatsanwaltschaft Stunden nach Frau Steenkamps Tod als angebliche Indizien für ein vorsätzliches Tötungsdelikt vorgelegt hat – die nebulöse und spekulative Zeugenaussage eines Kriminalbeamten, und sonst nichts – noch keine Anklageerhebung wegen vorsätzlichen Mordes zugelassen. Dafür hätte ich schon klare Indizien verlangt.

    Da das Gericht der Erhebung einer darauf lautenden Anklage aber zugestimmt hat, hätte es den Antrag des Herrn Pistorius, vorläufig gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt zu werden, wiederum konsequenterweise ablehnen müssen.

    Denn das südafrikanische Recht geht – naheliegenderweise, und ganz ähnlich wie das deutsche Recht – beim dringenden Tatverdacht eines vorsätzlichen Tötungsdelikts angesichts der Strafandrohung von Fluchtgefahr als Regelfall aus. Und erlaubt eine Aussetzung der Untersuchungshaft nur, wenn der Beschuldigte Tatsachen glaubhaft macht, die diese ausnahmsweise rechtfertigen.

    Das geriet bei Herrn Pistorius zu der gedanklichen Kapriole, erst sämtliche Umstände aufzulisten, die sogar noch für eine gegenüber einem „Normalbürger“ erhöhte Fluchtgefahr bzw. Fluchtmöglichkeit sprechen, um diese dann zu antizipieren und daraus wiederum zu schließen, es lägen tatsächlich außergewöhnliche Umstände vor.

    Frappierend auch, dass der dem Vorverfahren vorsitzende Richter Desmond Nair den Verteidiger des Herrn Pistorius Barry Roux in der Anhörung doch tatsächlich suggestiv gefragt hat, es gäbe ja sicherlich einen öffentlichen Aufschrei, wenn er die Fortdauer der Untersuchungshaft anordne? (Und tatsächlich scheint die öffentliche Meinung in Südafrika außerhalb der ANC Women’s League überwältigend und kritiklos „Pro-Pistorius“ zu sein.)

    Sehr viel Hoffnung auf ein weiteres Verfahren, das sich konsequent an gesicherte (bzw. offenkundig noch zu sichernde) Fakten und rechtsstaatliche Prinzipien halten wird, macht mir all das offen gestanden nicht.

    Opfer des sich in meinen Augen bereits am Horizont abzeichnenden Spektakels aus öffentlichen Beliebtheitswettbewerben, Politik, Eitelkeit und anderen Nebensächlichkeiten wäre zuvörderst Reeva Steenkamp, deren Tod vielleicht nie wirklich aufgeklärt werden wird.

    Aber auch Oscar Pistorius, der möglicherweise in einer Welt wird weiterleben müssen, die keine Klarheit über das tatsächliche Maß seiner Schuld – ob zu seinen Gunsten oder Ungunsten – haben wird.

    Aber, und hier schlage ich jetzt doch tatsächlich mal wieder den Bogen zurück zu Herrn Niggemeiers Artikel, zumindest die Boulevardblätter in aller Welt liefen keine Gefahr, dass das Ergebnis eines sauber und erschöpfend geführten Gerichtsprozesses ihrer „Wahrheit“ in die Quere kommen könnte.

    Was für ein Trost …

  75. Ich finde ja juristische Diskussionen, die „Ich finde ja trotzdem, das ist Mord“ beinhalten, immer unglaublich ermüdend. Nicht jeder gewaltsame Tod, noch nicht mal jeder vorsätzliche gewaltsame Tod ist automatisch ein Mord. Auch wenn Lieschen Müller das in einem gefühlten Rechtsverständnis anders sehen mag.

  76. @alter Jakob:

    Sie verstehen leider nicht. Ich meine, dass auch ich, ebenso wie Sie, meine Rechtsauffassung zu was auch immer zum Besten geben kann. Dass meine Meinung dabei mal ins Kreuzfeuer kommt, verwundert mich, wie sie mir das unterstellen, nicht – ist ja ne Diskussion.
    Und: Ich bin nicht der urteilsvollstreckende Richter, auch kein Schöffe dieses Prozesses. Ich kann ausschließlich die kilometerweit gereisten Fakten nach meinem Rechtsempfinden auswerten. Ich habe also eine Meinung zu diesem Thema. Ich trete mit dieser Meinung in Diskurs. Mir fehlen zwar viele Fakten, aber ich formuliere Fragen und Gedanken – und ich möchte darüber diskutieren. Bei aller Meinungskorrektheit, die Sie haben, verlieren Sie mir ein wenig zu oft die Sachlichkeit und den richtigen Ton.

    Oder anders gesagt, ich möchte nicht mehr streiten. Nicht des Streits wegen…

  77. „noch nicht einmal klare, Herrn Pistorius belastende Indizien“

    Nein, außer dass er die rauchende Waffe quasi noch in der Hand hatte und von Anfang an zugegeben hat, wissentlich durch eine Tür einen Menschen erschossen zu haben, auch wenn er gedacht hat, es handle sich dabei nur um einen [armen, schwarzen, aidskranken] Einbrecher.

  78. Es muss „…wissentlich durch eine Tür auf einen Menschen ergeschossen zu haben,…“ heissen.

    Aber BILD, Bunte und Stern finden solche Nebensächlichkeiten ja auch nicht so wichtig…

    Und beim Einbrecher fehlt noch das Attribut „minderjährig“ damit die Mitleidstour noch ein bisschen besser zieht. Nur so als Hinweis.

    @onTopic:
    http://www.sueddeutsche.de/panorama/entscheidung-in-pretoria-oscar-pistorius-kommt-gegen-kaution-frei-1.1606744

    Und ein Interview mit einem südafrikanischen Ex-Polizist:
    http://www.sueddeutsche.de/panorama/sicherheitskraefte-in-suedafrika-wo-kriminelle-besser-ausgebildet-sind-als-polizisten-1.1612015

  79. Bei der hervorragenden Ausbildung der Kriminellen in Südafrika fehlt aber noch eine gewisse Kontrolle des Darm, sonst müsste man ja wohl kaum beim Bruch aufs Klo.

    Ich lerne: Die Mehrheit hier findet, es macht einen großen Unterschied, ob ich mehrmals durch eine Tür auf einen Einbrecher schieße oder auf eine hübsche Frau. Ich finde das nicht. Ich lerne auch: Wenn in einem Land die Kriminalitätsrate entsprechend hoch ist, rechtfertigt das, aus alles zu schießen, was sich bewegt.

    Und wie verstehe ich den Unterschied „geschossen/erschossen“? Wenn ich vier Mal durch die Tür schieße, darf ich mich dann rausreden, dass ich ja gar niemanden hätte töten wollen, sondern nur erschrecken

    A propos erschrecken: Erschrecken tut mich, wie weit wir schon drin sind im „I’ll stand my ground.“

  80. Ich akzeptiere, dass in Ihrem Weltbild die Möglichkeit von Notwehr offenbar ausgeschlossen ist (und wünsche Ihnen, dass Sie nie in eine Notlage kommen, in der Sie oder andere davon abhängig wären).

    Ich habe auch keine Ahnung ob Pistorius‘ Version es im vorliegenden Fall rechtfertigt, viermal durch die Tür zu schießen oder wie glaubhaft seine Aussage ist. Denn das hängt immer vom konkreten Einzelfall und seinen Umständen ab, die ich nicht kenne. Ich habe aber so eine Ahnung, dass Sie nicht wirklich etwas gelernt haben.

    Und wie verstehe ich den Unterschied »geschossen/erschossen«?

    Durch überlegen (kleiner Tipp, nicht jeder Schuss muss ein Treffer sein und nicht jeder Treffer führt automatisch zum Tod).

    Jetzt lass ich Sie aber allein mit Ihrer Kristallkugel auf Verbrecherjagd gehen…

  81. @kasuppke

    Ist das so schwer zu kapieren? Dass Mord ein ganz klar definierter juristischer Begriff ist? Und keineswegs ein Wallewalle-Terminus für „Irgendwie alles mit Schießen, wo einer totgeht“.

  82. „nicht jeder Schuss muss ein Treffer sein“

    Das Opfer hat Medienberichten zu Folge vier Schusswunden. Das bedeutet auch viermal lautes Schmerzgeschrei. Notwehr ist für mich (!) in diesem Fall ab dem zweiten Schuss ausgeschlossen. Viermal schiessen und treffen heisst auch, da will jemand jemand anderen ERschiessen, und nicht BEschiessen.

  83. … Und da das Opfer nun tot ist, seh ich keinen Grund, das Wort „erschossen“ nicht zu gebrauchen.

  84. @Christoph, 99:
    Achso ist es ein mir unbekanntes Gesetz, dass von einer Kugel getroffene Personen bei jedem Treffer laut schreien müssen?

  85. @99:
    mit einer Halbautomatik kann man im Prinzip so schnell schiessen, wie man den Abzug drücken kann. Da können schon 4 Schuss rausgehen, ohne dass man überhaupt was anderes hört als die Schüsse selbst.
    Besonders in einer Stresssituation, zum Beispiel wenn man davon ausgeht, dass ein Einbrecher im Haus ist.
    Das soll im übrigen keine Entschuldigung für Pistorius Tat sein. Jenseits aller juristischen Begrifflichkeiten ist er schuld am Tot seiner Freundin. Er hat ja bereits zugegeben, dass er sie erschossen hat.
    Ob er dafür als Mörder, oder „nur“ wegen fahrlässiger Tötung verurteilt wird, ist mir letztlich schnuppe.

  86. @99:Nur weil nicht jeder Schuss ein Treffer sein muss, heisst das nicht dass nicht alle Schüsse treffen können. Ich habe aber keine Ahnung,wie Sie durch eine Tür erkennen können, dass alle Schüsse getroffen haben (Testfrage: Wieviele Finger halte ich gerade hoch?). Vielleicht mit der Kristallkugel von kasuppke? Hatte Pistorius auch eine? Oder hat er zwischen den Schüssen tatsächlich gewartet, so dass er viermal lautes Schmerzgeheul gehört hat? Und warum hat er nach dem vierten Schmerzgeheul nicht weitergeschossen (da lebte der vermeintliche Gegner doch noch)? Hat er womöglich nach seinen ersten Schüssen sogar in Richtung Boden gezielt, um den nun vermutlich am Boden liegenden Gegner zu treffen? Oder wurden die Schüsse doch so schnell hintereinander abgefeuert, dass erst nach dem vierten Schuss das Schmerzgeheul eingesetzt hat? Und gab es überhaupt Schmerzgeheul? War vielleicht schon der erste Schuss tödlich?

    Fragen über Fragen, von denen ich keine Ahnung habe wie die Antworten lauten. Aber Sie scheinen tatsächlich ziemlich genau Bescheid zu wissen. Lassen Sie mich doch an Ihren Informationen teilhaben (Link reicht, wenn’s nicht die Kristallkugel ist). Dann kann ich vielleicht die Gewissheit besser verstehen, mit der Sie hier wild herumspekulieren.

    @100:
    Wenn Sie weniger Nebelkerzen werfen würden, dann könnten sie vielleicht auch die Unterschiede besser erkennen, die zwischen seriös und Stern liegen. Es kommt halt auf den Kontext an. Richtig ist, dass das Opfer erschossen wurde. Falsch ist, dass daraus zwingend folgen muss, dass Pistorius jemanden erschießen wollte. Das sind zwei unterschiedliche Dinge, die sie halt über den gleichen Kamm scheren wollen.

  87. @103:
    Den Aspekt mit der Halbautomatik verstehe ich.

    @alter Jakob:
    Bei Ihrer Testfrage musste ich schmunzeln. Aber lassen Sie doch bitte endlich mal den Stern da weg. Dessen Berichterstattung zu diesem Fall empfinde ich ebenwohl daneben. Ich kann nicht leugnen, dass dieser Fall eine emotionale Wirkung auf mich hat – und dieser kann ich mich bei meinem Urteil nicht entziehen. Ach… Und wo sie gerade die Bühne des Persönlichen bei #97 betreten haben: Ihnen sowie niemand anderem wünsche ich die Emotionen, die Hinterbliebene bei einem solchen Fall haben. Objektive Fallbeurteilung ist Sache der Gerichte und Verantwortung der Journalisten. Ich bin nichts von beidem.

    Wenn Sie diese herablassende Art auch in Diskussionen mit Blickkontakt haben, dann haben die Gesprächspartner mein Mitgefühl. Wenn Sie aber nur im Schutze ihrer Tastatur so diskutieren… ja, warum?

  88. Objektive Fallbeurteilung ist Sache der Gerichte und Verantwortung der Journalisten. Ich bin nichts von beidem.

    Kann ich so nur unterschreiben. Ich bin der Mob, und das ist auch gut so.
    Schnell, an die Mistgabeln!

    P.S. den Aspekt mit der Halbautomatik verstehe ich übrigens auch! *dazugehörenwill*

  89. @kasuppke (zu Ihren Kommentaren Nr. 93 & 96):

    Es macht einen großen Unterschied, ob ein Mensch:

    (A) Vier Schüsse auf eine geschlossene Tür in der Absicht abgibt, einen hinter dieser Tür vor ihm Schutz suchenden anderen Menschen – etwa aus Zorn oder Eifersucht – bewusst zu töten;

    oder:

    (B) In einer emotionalen Ausnahmesituation – resultierend aus Furcht, Stress, dem Gefühl von Hilflosigkeit usw. – vier Schüsse auf eine geschlossene Tür abgibt, hinter welcher er einen anderen Menschen als (möglicherweise seinerseits bewaffneten?) Einbrecher (mit dem Vorsatz zu Diebstahl, Raub, Vergewaltigung, Mord?) vermutet, ohne eben auf Grund seiner emotionalen Ausnahmesituation in diesem Moment rational begreifen und abwägen zu können, was er da eigentlich tut.

    Das sind die Versionen von Anklage (A) und Verteidigung (B).

    Herr Pistorius beruft sich nämlich selbst gar nicht auf eine Rechtfertigung durch Notwehr, sondern auf einen Ausschluss schuldhaften bzw. zumindest vorsätzlichen Handelns durch Putativnotwehr. (Man könnte seine Aussage, einen Fehler gemacht zu haben – wörtlich: „I made a mistake“ – möglicherweise sogar als Eingeständnis eines Putativnotwehrexzesses werten, aber solcherlei Spekulationen enthalte ich mich.)

    Gegenstand des Verfahrens gegen Herrn Pistorius ist dabei zunächst nicht die Frage, welche der beiden Versionen wahrscheinlicher ist, sondern ob Version (A) sich ohne vernünftigen Zweifel beweisen lässt.

    In seiner Zeugenaussage im Vorverfahren hat der anfangs die Ermittlungen leitende Kriminalbeamte Hilton Botha indirekt selbst eingeräumt, dass es bislang keine stichhaltigen Indizien für Version (A) gibt – indem er unter Eid die Frage des Verteidigers des Herrn Pistorius Barry Roux verneinen musste, ob die Polizei bereits zu tatsächlichen Erkenntnissen gekommen sei, die der von Herrn Pistorius gelieferten Schilderung des Hergangs zwingend widersprechen.

    Damit ist ein dringender Tatverdacht – also die hohe Wahrscheinlichkeit – eines bewusst gegen das Leben der Frau Steenkamp gerichteten vorsätzlichen Tötungsdelikts objektiv eigentlich erst mal so lange vom Tisch, bis es möglicherweise anderslautende tatsächliche Erkenntnisse gibt.

    Einen entsprechenden Anfangsverdacht – das sage ich jetzt zum mittlerweile dritten Mal – würde ich auf Grund Zweifeln an der Schlüssigkeit der Aussage des Herrn Pistorius jedoch ebenfalls durchaus bejahen.

    Demnach stellt sich erst dann, wenn die weiteren Ermittlungen ergeben sollten, dass es sich Herrn Pistorius nicht zweifelsfrei nachweisen lassen wird bzw. nachweisen lässt, bewusst auf Frau Steenkamp gefeuert zu haben, die Frage, unter welchen Umständen er die Schüsse auf einen vermeintlichen Einbrecher abgegeben hat:

    Putativnotwehr oder Putativnotwehrexzess? Fahrlässige Tötung wegen vermeidbaren Tatumstandsirrtums? Entschuldigung (nicht Rechtfertigung!) durch Verbotsirrtum? Oder möglicherweise doch ein zumindest eventual- oder gar direkt vorsätzliches Tötungsdelikt durch wissentliche und willentliche Überschreitung des Rahmens in der irrig angenommenen Situation hypothetisch angemessener Notwehr?

    Sie sehen, hoffe ich: Um die „Stand your ground“-Doktrin, oder die Höherbewertung des Lebens einer attraktiven Frau gegenüber dem Leben eines mutmaßlichen Einbrechers geht es hier gar nicht.

    Es geht schlicht um Besonnenheit, Sachlichkeit und Rechtsstaatlichkeit.

    Es besteht ein Anfangsverdacht, dass Herr Pistorius Frau Steenkamp vorsätzlich getötet haben könnte.

    Kann dieser nicht anhand tatsächlicher Indizien erhärtet werden, ist weiter zu ermitteln, wie es sonst gewesen sein könnte.

    Und bis irgendetwas ohne vernünftigen Zweifel erwiesen ist, ist von der für Herrn Pistorius günstigsten Version der Ereignisse in seinem Haus in der Nacht zum 14. Februar 2013 auszugehen.

    (Hinweis: Der Einfachheit halber verwende ich in meinem Text Termini und Definitionen der deutschen Rechtswissenschaft, die aber auch in anderen Rechtsordnungen sinngemäße oder ähnliche Entsprechungen finden.)

  90. Bass erstaunt: …. über 100 Kommentare.

    Die Gazetten tun, wozu sie geschaffen wurden; das Volk beschäftigen.
    Und das Volk spielt mit, wenn es nichts anderes gibt, dann eben Cluedo.

    Sogar in den schlechtesten Krimis wird oft gezeigt, nicht direkt vor die Tür stellen, wenn du drinnen Gefahr erahnst, es könnte jemand durchs Türblatt schiessen.

    Es mutet an, als seien die Gazetten die, die hinter den Türen lauern, um durch diese auf uns zu schiessen … und wir ordnen vorher noch die Kleider, damit wir recht hübsche Leichen abgeben.

    Und so bestätigt sich der Ausgangsgsatz:
    „Eine überraschende Wendung scheint bislang nicht in Sicht.“

    ACR

  91. @109

    Mag sein, aber was genau ändert das daran, dass „Mord“ nicht immer das ist, was Lieschen Müller sich drunter vorstellt?

  92. @Linus

    Gibt es Ihnen irgendwas, anderen mit anderer, vielleicht auch rudimentärerer Rechtsauffassung hier wiederholt mit dem „Lieschen Müller“-Vergleich abzuwerten?

    In der Tat: Wenn Lieschen Müller jemanden, der einen vermeintlichen Einbrecher einfach nur so über den Haufen schießt, „Mörder“ nennt, dann ist sie mir wesentlich lieber als all die Relativierung, Unschuldsvermuter und „Versetz dich doch mal in den armen Behinderten, der ja auch in Panik ist“-Schreibern.

  93. @kasuppke

    Gottseidank ist es relativ wurscht, was Sie, ich oder Lieschen Müller für ne Rechtsaufassung haben. Wenn Sie ne grüne Wand als rot bezeichnen möchten, steht Ihnen das völlig frei. Mit Ihnen über Farbenlehre zu reden, ist dann aber nur bedingt sinnvoll.

    „Für mich ist das Mord“ ist einfach dummes Zeug. Es gibt halbwegs klar definierte Mordmerkmale. Und wenn die nicht erfüllt sind, dann ists auch keiner. Lesen Sie doch der Einfachkeit halber nochmal Kommentar 107, da steht doch eigentlich alles drin.

  94. @Sibirischer Tiger/ Kommentar 107

    Danke sibirischer Tiger, dem kann ich nichts hinzufügen. Perfekt!!
    Was soll man nun noch schreiben?

    Egal in welchem Kreis ich bisher versuchte anzumerken, dass diese Tat doch tatsächlich ein furchtbares Unglück sein könne, werde ich sofort, nun, man muss schon sagen, niedergemacht.
    Ich bin teilweise richtig erschrocken über die Vehemenz die mir dann entgegen schlägt.
    Ein Hoch auf die Meinungsfreiheit.

    Aber man darf doch trotzdem die Möglichkeit eines Unglücks einmal betrachten.
    In bestimmten Situationen (z.B. Angst) handelt man einfach nicht rational und kann es später nur
    schwerlich erklären, wie es dazu kam, dass diese Handlungskette in Gang gesetzt wurde.
    Nein, ich will hier nichts entschuldigen! Ich will aber auch nicht beschuldigen!

Comments are closed.