Die Moderatorin Ruth Moschner lässt sich dafür bezahlen, Sendungen zu moderieren, die aussehen wie redaktionelle Kochshows, in Wahrheit aber dazu dienen, bestimmte Produkte ins Bild zu rücken. Erstaunlicherweise scheint diese Tätigkeit eine Arbeit als Moderatorin beim öffentlich-rechtlichen MDR nicht auszuschließen.
„Ruth kocht gut“ heißt die Kochshow auf Bild.de, die Unternehmen und Verbände für Werbung buchen können. Präsentiert wie ein redaktioneller Inhalt wirbt sie mal für Seafood aus Norwegen, mal für Putenfleisch aus Deutschland. Ruth Moschner rückt Tiefkühlgerichte ins positive Licht, zeigt die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten von Produkten der Marke Iglo, schwört auf Käse der Marke Bavaria Blu oder lässt Tetra-Paks gut aussehen. Die Karton-Leute zum Beispiel freuten sich:
„Mit der Unterstützung des innovativen Kochformats ‚Ruth kocht gut‘ können wir den Getränkekarton erfolgreich auf dem wachsenden Markt der Onlineratgeber platzieren. Ziel ist es, den Getränkekarton weiterhin positiv im öffentlichen Bewusstsein zu verankern.“
Das wäre nicht problematisch, wenn die Show klar als Werbung gekennzeichnet wäre. Andererseits wäre es dann vermutlich nicht so reizvoll.
So aber scheint Moschner einfach unschuldig zum Beispiel mit einer Kollegin belgische Waffeln zu kochen, bis eine Stelle kommt, an der sie Milch zum Teig gibt:
„Bei mir kommt ’n Schlückchen Milch rein, aus dem Tetra Pak. Da taucht jetzt immer öfter dieses FSC-Siegel auf, das ist ein unabhängiger, gemeinnütziger Verein. Und dieses Siegel bekommt man nur, wenn die Rohstoffe für die Verpackung aus einem verantwortungsvoll geforsteten Wald stammen. Das ist ganz, ganz wichtig, denn da tut man auch was fürs Kilma und für die Umwelt.“
Und mitten im Gespräch kann es passieren, dass unvermittelt, aber nur scheinbar unmotiviert eine Sammlung von Tetra Paks im Bild herumsteht.
Auch für die „Abendzeitung“ kocht Moschner seit kurzem, oder genauer: nicht für die „Abendzeitung“, sondern für Iglo. Ihre Kolumne, die auf der Startseite von abendzeitung.de als redaktioneller Inhalt angekündigt wird, handelt zwar scheinbar mal von Küchenpannen, mal von leeren Kühlschränken und mal vom Kochen mit Kindern. Am Ende steht aber bislang immer ein Rezept um ein Tiefkühl-Hähnchenprodukt der Marke Iglo.
Nun sollte man denken, dass gerade die Redaktion der MDR-Talkshow „Riverboat“ sensibilisiert sein sollte, was die Werbeaktivitäten ihrer Moderatoren angeht. Andrea Kiewel musste gehen, nachdem nicht mehr zu ignorieren war, dass sie diverse Fernsehauftritte dazu genutzt hatte, Schleichwerbung für Weight Watchers zu betreiben. Günther Jauch muss, bevor er im Ersten eine politische Talkshow moderieren darf, sogar seine regulären Werbeverträge aufgeben. Aber wenn Ruth Moschner, die „Riverboat“ seit zwei Wochen zusammen mit Jan Hofer präsentiert, in größerem Stil Werbung macht, die als redaktioneller Inhalt verkauft wird, soll das unproblematisch sein?
Sechs Tage braucht der MDR, bis er eine Antwort auf diese Frage formuliert hat. Dann lässt der Unternehmenssprecher Dirk Thärichen von einer Kollegin ausrichten, dass man ihn wie folgt zitieren dürfe:
„Nach unserem Kenntnisstand präsentiert Ruth Moschner auf Online-Portalen Kochshows, die Sachbeistellungen nutzen. Diese Videos sind entsprechend der gesetzlichen Vorgaben mit dem Hinweis „Unterstützt durch Produktplatzierung“ gekennzeichnet.
Soweit uns bekannt ist, tritt Ruth Moschner darüber hinaus nicht als Werbeträgerin für die entsprechenden Hersteller in Erscheinung.
Grundsätzlich ist zwischen dem MDR und der Moderatorin vereinbart, dass Ruth Moschner mögliche werbliche Aktivitäten im Vorfeld mit uns abstimmt.“
Das ist eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Antwort. Tatsächlich sind die Videos auf Bild.de jetzt plötzlich mit dem Hinweis „Unterstützt durch Produktplatzierung“ gekennzeichnet – das waren sie bislang aber nicht. Ein Tetra-Pak-Werbevideo ist komplett verschwunden.
Vorher:
Nachher:
Aber der Hinweis „Unterstützt durch Produktplatzierung“ ist ohnehin merkwürdig: Die Formulierung stammt nämlich aus den Werberichtlinien für das Fernsehen – mit Online-Videos hat das eigentlich gar nichts zu tun. Nach diesen Werberichtlinien ist aber Product Placement zum Beispiel in Ratgeber- und Verbrauchersendungen verboten. Die inkonsequente Übernahme von Fernseh-Regeln scheint ein halbgarer Kompromiss zu sein, um das unmissverständliche Wort „Werbung“ zu vermeiden.
Auch wenn der MDR von „Sachbeistellungen“ spricht, ist das in höchstem Maße irreführend. Solche Sachbeistellungen sind in der Regel Produkte, die von einem Partner kostenlos zur Verwendung in einer Sendung zur Verfügung gestellt werden – zum Beispiel das Traumschiff im „Traumschiff“. Es spricht aber nichts dafür, dass zum Beispiel Tetra Pak einfach nur ein paar Kartons Milch und Wein zur Verfügung gestellt hat, ohne dass Geld geflossen wäre. Alles spricht dafür, dass das Präsentieren der Produkte überhaupt der Sinn des Formates ist.
Ruth Moschners Kochshow und ihre Kochkolumne auf abendzeitung.de erfüllen viel eher die Definition von „Schleichwerbung“. Im Rundfunkstaatsvertrag wird der Begriff definiert als:
„die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Sendungen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und mangels Kennzeichnung die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung oder Darstellung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.“
Der MDR scheint die wie Schleichwerbung wirkenden Aktivitäten seiner neuen Moderatorin nicht nur zu billigen. Er hilft auch noch dabei, ihren wahren Charakter zu verschleiern.
Ruth Moschner moderiert heute um 22 Uhr im MDR zum zweiten Mal „Riverboat“.