Wenn man ganz leise ist, kann man sie schon knistern hören, die Spannung: Welcher Berg mag bei den Hessen beliebter sein? Der Chimborazo oder die Hohe Tatra? Der imposante Langkofel, der formschöne Makalu oder doch die schnöde Wasserkuppe? Nur zwei Wochen lang können die Hessen noch abstimmen , und dann heißt es: ausharren bis Ostern, wenn das hr-Fernsehen das Ergebnis endlich im Rahmen einer großen Sendung „Die beliebtesten Berge der Hessen“ bekanntgeben und einige der Lieblingsberge womöglich sogar im Studio begrü- äh, im Bild zeigen wird.
Der Gewinnerberg steht dann in einer Reihe mit Schloss Auerbach („beliebtestes Bauwerk der Hessen“), der „Runkelroiweroppmaschin“ von Adam und die Micky’s („beliebtestes Fastnachtslied der Hessen“), der „Fabelhaften Welt der Amelie“ („beliebtester Liebesfilm der Hessen“), der Frankfurter Skyline („beliebteste Sehenswürdigkeit der Hessen“) und „Love Me Tender“ von Elvis Presley („beliebtestes Liebeslied der Hessen“). Die Wahl der beliebtesten Schauspieler der Hessen ist bereits abgeschlossen, aber noch nicht verkündet – der Hessische Rundfunk verspricht aber, alle Kandidaten seien „geboren oder aufgewachsen in Hessen, an hiesigen Hochschulen ausgebildet oder populär geworden an hessischen Theatern“. Immerhin: Es reicht also nicht, als Schauspieler bloß einmal am Köpperner Berg auf der A5 im Stau gestanden zu haben.
Das hr-Fernsehen hat entdeckt, wie leicht es ist, anstelle von Programm Hitlisten zu senden. Die Sendungen folgen dem Muster der „Ultimativen Chartshow“ mit mehr oder weniger prominenten Menschen, die in kurzen Sätzen halbe Gedanken zu Filmschnipseln formulieren, die hinter ihnen zu sehen sind, sind aber ungleich amateurhafter und liebloser montiert als das Vorbild von RTL. Aber gerade weil sie so egal und anspruchslos sind, lassen sich diese Sendungen endlos wiederholen: Die Show mit den „beliebtesten Weihnachtsliedern der Hessen“ ist seit der Premiere 2005 nicht weniger als sechs Mal wiederholt worden.
Teilweise kooperiert das hr-Fernsehen bei seinen Rankings mit dem Norddeutschen Rundfunk. Für die „beliebtesten TV-Tiere“ wurden die Statements von Menschen wie dem aus dem Pro-Sieben-Programm als Vertilger absurd großer Essensportionen „bekannten“ Jumbo Schreiner in die jeweilige Reihenfolge geschnitten – mal mit dem HR-Fernsehmaskottchen „Onkel Otto“ etwas weniger weiter hinten.
Der NDR ist bei Inflationierung der Chartshows führend. „Hitlisten des Nordens“ heißen sie dort, und 45 davon hat das NDR-Fernsehen schon ausgestrahlt, darunter „die besten Comedy-Songs des Nordens“, „die schönsten Operetten“, „die größten Modesünden“, „die schönsten Leuchttürme Norddeutschlands“, „die beliebtesten Trecker Norddeutschlands“, „die beliebtesten Pferderassen“, „die berühmtesten Zitate“ („I Have A Dream“ vor „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ und „Ich bin ein Berliner“) sowie „die verrücktesten Spektakel Norddeutschlands“ (es gewann mit großem Abstand das, äh, berühmte Currywurst -Schärfe-Wettessen aus der Bruzzelhütte in Harburg.)
Die Abstimmung über die besten Argumente für die Existenz von sieben gebührenfinanzierten Dritten Programmen musste unterdessen mangels Kandidaten auf unbestimmte Zeit verschoben werden.