Freibier an der Scheinbar von RTL

Ich muss Sie warnen. Das Bild, das gleich folgt, ist nichts für schwache Nerven. Es ist ein schauriges Bild.

Ist das nicht ein schauriges Bild? Doch, es ist ein schauriges Bild. Fragen Sie mal die Leute von „RTL Explosiv“. Die haben am Montag einen Beitrag mit diesem Bild begonnen. Der Sprecher sagt dazu:

Ein schauriges Bild. Ein Spielplatz, auf dem scheinbar keine Kinder mehr spielen. Der Grund könnte vielleicht sein, dass seit ein paar Tagen gleich nebenan ein mutmaßlicher Kinderschänder wohnt.

Da möchte man sich doch sofort bewerben, in der RTL-Redaktion, in der man solche Beiträge produzieren kann. Wo man nicht mühsam in der Nachbarschaft rumfragen muss, warum auf dem Spielplatz keine Kinder mehr spielen. Weil man sich einfach ausdenken kann, woran es liegt, nein: vielleicht liegt, nein: vielleicht liegen könnte. Noch besser: Wo es nicht einmal stimmen muss, dass auf dem Spielplatz keine Kinder mehr spielen. Wo der RTL-Reporter eventuell auf dem Platz herumtollende Kinder sogar einfach wegschicken konnte, um in Ruhe einen Spielplatz drehen zu können, auf dem „scheinbar“ keine Kinder mehr spielen.

Es geht dem „RTL Explosiv“-Reporter Karl Wirz und seinem Kollegen Olaf Schenk, der als Autor des Beitrages genannt wird, in Wahrheit natürlich nicht um den Spielplatz. Es geht ihnen um den mutmaßlichen Kinderschänder. Das Wort „mutmaßlich“ bedeutet für sie aber offenbar nicht, dass der Mann wahrscheinlich der Täter ist, möglicherweise aber auch unschuldig. Es bedeutet für sie offenbar, dass er der Täter ist, aber noch nicht verurteilt wurde.

Alles, was die beiden RTL-Journalisten in ihrem Beitrag mit Bestimmtheit sagen können, habe ich der Übersicht halber einmal in folgendem Schaubild zusammengefasst:

Nicht einmal der zentrale Vorwurf gegen den Mann lässt sich ohne ein Wort der Relativierung formulieren:

Ein 67-jähriger Lehrer aus Hessen sitzt mit zwei vermeintlich minderjährigen Jungs auf dem Bett in einem Touristenappartement in Pattaya / Thailand.

Ja, mit der Sprache haben sie’s nicht so bei „RTL Explosiv“. Wären die Jungs tatsächlich nur „vermeintlich“ minderjährig, wären sie es tatsächlich vermutlich nicht, und es gäbe gar keinen Fall.

Der Beitrag erweckt dann zunächst den Eindruck, der Verdächtige sei aus Thailand geflüchtet (schon die Moderatorin hatte in ihrer rehäugigen Anmoderation gesagt: „Jetzt ist dieser Mann zurück in seiner Heimat in Deutschland. Einfach so, scheint es“). Der Mann bestreitet das gegenüber dem RTL-Reporter. Nach einigen rhetorischen Umwegen geben ihm die RTL-Leute Recht:

Wir erfahren, dass das Verfahren gegen Rolf E. in Thailand eingestellt wurde.

Und fügen hinzu:

Angeblich reichen die Beweise gegen ihn nicht aus. Und die einzigen Zeugen, die beiden mutmaßlich 13- und 15-jährigen Jungen, sind verschwunden. Wurden sowohl Zeugen als auch Beamten [sic] vielleicht bestochen?

Ja, vielleicht?

Falls die „RTL Explosiv“-Leute Anhaltspunkte für diese Spekulation haben sollten, behalten sie sie für sich. Aber Karl Wirz, der mit all der Arschlochhaftigkeit auftritt, die angemessen ist, wenn ein „RTL Explosiv“-Mann einen „mutmaßlichen Kinderschänder“ zur Rede stellt, konfrontiert Rolf E. an dessen Wohnungstür:

„Haben Sie denn irgendwelche Beziehungen, dass Sie da so leicht rauskamen dann aus Thailand, weil: Normalerweise sind die doch da viel rigider in der Durchsetzung solcher Sachen.“

Der Verdächtige sagt: „Ich kann jederzeit jedem in die Augen schauen.“ Und der RTL-Sprecher fügt mit entwaffnender Offenheit hinzu: „Ob das stimmt, wissen wir nicht.“ Aber es gibt ja Indizien. Er zählt mit knarzender Stimme hinzu:

Pattaya ist das Reiseziel Nummer 1 für Sextouristen. Auch bekannt in der Pädophilenszene. Der ehemalige Religionslehrer hielt sich in den letzten acht Jahren immer wieder für längere Zeit in Pattaya auf.

Nach viereinhalb Minuten endet der „Explosiv“-Beitrag endlich mit folgenden Sätzen:

Die [deutsche] Staatsanwaltschaft lässt sich jetzt alle Unterlagen aus Pattaya schicken, die dann mühsam und detailliert übersetzt werden müssen. Ob sie dann noch vollständig und verwertbar sein werden, wird sich zeigen. Das kann Wochen oder sogar Monate dauern. Ob Rolf E. jemals vor einem deutschen Gericht stehen wird, muss die Staatsanwaltschaft klären. Deshalb gilt der 67-jährige als unschuldig. Und wohnt bis auf weiteres neben einem scheinbar verwaisten Spielplatz.

In der Tat:

Der „Explosiv“-Beitrag auf „RTL Now“.

111 Replies to “Freibier an der Scheinbar von RTL”

  1. Tja, scheinbar und anscheinend, ist halt so eine Sache.
    Sprachkenntnis ist bei RTL sicher nicht Einstellungskriterium.

    BTW: Dieses Schaubild lädt wohl nicht, war schon so gespannt.

  2. Ich musste gerade irgendwie an die Simpsons denken. Diese wunderbare Episode als Bart für eine Kindernachrichtensendung eine Rührstück-Kolumne namens „Bart’s People“ produzierte, die durch ihre manipulative Rührseligkeit Lisa zu Weißglut brachte.

    Ah, Folge 19 in Staffel 9, Titel: Girly Edition.

    Und hier nochmal der Off-Kommentar:
    „Joe Banks, eighty-two years young, has come to this pond every day for the past seventeen years, to feed the ducks. But last month, Joe made a discovery. The ducks…were gone. Some say the ducks went to Canada. Others say, Toronto. And some people think that Joe used to sit down there, (camera moves to another nearby pond) near those ducks. But it could be, that there’s just no room in this modern world, for an old man…and his ducks.“

    Die Episode lief übrigens vor ein, zwei Wochen mal wieder auf ProSieben – ob sich das jemand von den RTL-„Journalisten“ angeschaut hat?

  3. Dass da „scheinbar“ keine Kinder spielen wäre ja sogar korrekt, hieße es im strengen Wortsinn doch, dass dort sehr wohl Kinder spielen, man aber nur den Eindruck hat, es wäre niemand da. Aber ich glaube nicht, dass dem RTL-Explosiv-Journalisten der Unterschied zwischen „scheinbar“ und „anscheinend“ geläufig ist.

  4. Das einzige, was hier mit absoluter Sicherheit misshandelt wurde, ist der Konjunktiv. Ob das stimmt wissen wir nicht.

  5. Traurig genug das Ganze.
    ________________________

    Trotzdem noch einmal eine sprachliche Anmerkung:
    Der Ausdruck „Kinderschänder“ ist von Stefan letztendlich auch in die eigenen Textpassagen übernommen worden.

    Ähnlich wie der Begriff des Missbrauchs beschreibt auch der der Schändung eine Handlung, die gegen Objekte nicht gegen Menschen gerichtet ist. Hier geht es ferner nicht wie bei der Schändung um die Verletzung von Ehre oder ähnlichem sondern letzendlich um Gewalt mit tiefgehenden physischen und psychischen Verletzungen.

    Gemeint sind also eher Pädaphile, Päderasten oder Sexualstraftäter. Selbst das weniger politisch korrekte Wort „Kinderficke.r“ trifft es noch eher als der Euphemismus den das Wort „Schändung“ mit sich bringt.

  6. Naja…für so Kinderschänder muss man sich eigentlich nicht so ins Zeug legen. Ich meine, die werden ja wohl kaum Karten gespielt haben auf dem Hotelzimmer. Und ob die Jungs 17 oder 18 (oder wann auch immer man in Thailand volljährig ist ) waren ist auch nicht so entscheidend.

  7. Danke SilentBob. Grund genug für mich, wieder über den Unterschied von „wie“ und „als“ sowie „macht sinn“ zu philosophieren. Oder doch nicht.

    Ich glaube Du hast richtig erkannt, dass das Wort „Kinderschänder“ verwendet wurde, weil es leichter von den Lippen geht als die anderen Begriffe, die Du aufgezählt hast. Einen anderen Grund sehe ich nicht. Wenn Du also selbst schon drauf gekommen bist, warum hast Du überhaupt einen Kommentar verfasst?

    Der Unterschied zwischen „anscheinend“ und „scheinbar“ scheint mir elementarer zu sein. Genau so wie der Unterschied zwischen „wie“ und „als“ aber das kann auch wieder mal nur an mir liegen. Selbst die Sprecher der Tagesschau verwechseln das ja gerne…

  8. @Redy: Mal abgesehen davon, dass ich finde, dass auch mutmaßliche Kinderschänder ein Recht auf ordentliche Berichterstattung haben, wäre es ein Missverständnis anzunehmen, dass ich das hier „für so Kinderschänder“ gebloggt hätte. Ich finde nämlich vor allem, dass die Zuschauer ein Recht auf ordentliche Berichterstattung haben.

  9. @silentbob: Bin mir nicht ganz sicher, was Du mit Deinem Beitrag sagen willst. Grundsätzlich trifft der Begriff „Kinderschänder“ die Tat sehr gut. Der sexuelle Mißbrauch ist ja kein Körperverletzungsdelikt, sondern eine Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung zu der in aller Regel ein Körperverletzungsdelikt hinzutritt.

    Die Begriffe „Pädophiler“ oder „Päderast“ hingegen sind völlig mißverständlich, weil Pädophilie ansich natürlich nicht strafbar ist, weil es nur eine Neigung und nicht etwa ein Tun beschreibt.

  10. Dass RTL Explosiv nicht zu den Highlights des Qualitätsjournalismus gehört ist klar. Und der erwähnte Beitrag sicher erst recht nicht. Aber es ist halt ein heikles Thema, dass sehr emotional besetzt ist. Ich persönlich würde den Verdächtigen jetzt nicht unbedingt als die Unschuld vom Lande ansehen.

  11. @rw
    Deine Einwände gegen die beiden P-Wörter sind richtig.
    Aber der Begriff „Kindesmißbrauch“ setzt voraus, daß es auch einen ordentlichen, richtigen „Gebrauch“ von Kindern gebe.
    Die einzigen, deren Tun man als permanenten Kindesmißbrauch (nämlich für eine politische Kampagne ) bezeichnen kann, sind Medien wie „Bild“ und RTL.
    Jemand, der einen Menschen umbringt, ist ein Mörder. Alles andere ist Propaganda.

  12. Und dieses Bauchgefühl rechtfertigt dann also Deiner Meinung nach eine solche Berichterstattung, die auf Vermutungen und Andeutungen basiert? Klar, wozu auch Beweise und Tatsachen wenn es doch um ein „heikles Thema“ geht, das „sehr emotional besetzt ist“…..Abgesehen davon macht es sehr wohl einen Unterschied wie alt die beiden Jungs waren. Im Falle von Volljährigkeit wäre Prostitution nämlich selbst in Deutschland nicht strafbar- auch wenn man sie vielleicht persönlich nicht gut findet.

  13. Eigentlich ist ein Paedophiler doch nur jemand, der Kinder mag…
    Ich mag Kinder.
    Aber ich wuerde keine sexuellen Handlungen an ihnen vornehmen.
    Ich finde, „Kinderschaender“ ist ein sehr vulgaerer, harter Ausdruck, der somit hervorragend auf diese Straftat passt, wie ich finde.

  14. „Ich persönlich würde den Verdächtigen jetzt nicht unbedingt als die Unschuld vom Lande ansehen.“

    Basierend worauf? Den RTL-Bericht?

    Herzlichen Glückwunsch…

    Ich freu mich schon drauf, wenn die Bilder vom Spielplatz als nächstes bei RTL für den Bericht über computerspielende Kinder verwendet wird. Von wegen „keiner geht mehr raus“.

    Ist sowieso nen tolles Argument. „Kinder, geht mal wieder vor die Tür und spielt nicht die ganze Zeit Counterstrike“ – „Geht nicht Mama, draußen sind überall Kinderschänder“.

    Frei nach Pen & Teller – Bullshit: Risiken muss man eingehen. Nach der Machart dieses RTL-Berichtet könnte man jedem Menschen, der schonmal alkoholisiert am Steuer erwischt wurde, eine Kamera ins Gesicht halten und die leere Straße neben seinem Haus filmen. „Früher haben die Kinder hier Fußball gespielt – heute trauen sie sich nicht mehr raus, weil sie Angst haben, von diesem Trinker überfahren zu werden“.

  15. @ Sebastian

    Den Kommentar habe ich für all diejenigen geschrieben, für die die Menschen noch vor der Meldung kommen. Hierzu gehört auch ein Vokabular jendseits des Boulevardjournalismus zu verwenden.

    RTL und insbesondere Magazine wie Explosive und Extra ist die Würde der Menschen über die sie berichten schon lange egal. Ausdrücke wie Sittenstrolch, Lustmolch, Sexsklavin, Gespielin, etc. sind in Zusammenhang von Berichterstattung zum Thema sexuelle Gewalt (insbesondere bei jungen Frauen) äußerst quotenträchtig und schaffen es ganz nebenbei, ein traumatisches Ereignis in einen voyeuristisch-unterhaltsamen Beitrag zu verwandeln. Denn wer möchte sich schon gern mit der Butterstulle auf dem Sofa mit einer Vergewaltigung befassen?

    Es braucht nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, wie ein solcher Bericht auf ein Opfer einer Vergewaltigung wirken muss.

    Genauso wenig ist es notwendig, jemanden, der als Kind Opfer sexueller Gewalt geworden ist und wahrscheinlich über Jahre hinweg mit den Spätfolgen dieses traumatischen Ereignisses zu kämpfen hat, mit jeder neuen Verwendung des Begriffs „Kinderschänder“ erneut nachzusagen, dass „Schande“ auf ihm/ihr lastet!

    Vielleicht lohnt es sich doch einmal, sich hierüber ein paar Gedanken zu machen.

  16. @Sebastian: Nun ja, ich würde jetzt aber auch nicht ins andere Extrem verfallen, was die Beschreibung des Verdachtes angeht. Immerhin gibt es eine Festnahme und Fotos von der Situation, in der sie geschah.

  17. Also in meiner Therapiegruppe waren ganz viele Opfer solcher Straftaten. Interessanterweise haben sie teilweise mehr unter der Reaktion der Familie gelitten als unter der Tat selbst.
    Und die Schande, die angeblich auf den Kindern lastet gehoert dem Taeter.
    Es ist nichts ehrenruehriges dabei, „geschaendet“ worden zu sein. Heutzutage bedeutet das nur: sexueller Gewalt ausgesetzt worden zu sein.
    Es ist nicht so wie frueher, als man den Brautpreis zahlte und dann aus dem Schneider war. Wo man als Frau noch seine Jungfraeulichkeit als wichtigste Eigenschaft mit in die Ehe brachte.
    Ist dir „sexueller Missbrauch“ lieber? Leider wird es so inflationaer verwendet, dass jeder Missbrauch sofort sexualisiert wird. Mann kann auch emotional missbraucht werden.
    Es ist eine Schande, was der Taeter getan hat. Deshalb finde ich, passt geschaendet.

  18. Naja, was der B-Zeitung recht ist, kann RTL doch nur billig sein, oder irre ich mich da?!
    @redy: bei Nachrichtensendungen und Reportaten geht es darum, den Zuschauer zu informieren, nicht ihn zu manipulieren. Des Weiteren gilt in Deutschland immer noch die Unschuldsvermutung.

  19. Paßt irgendwie dazu:
    Vorhin kam im DLF ein Bericht über eine Pressekonferenz von BKA-Chef Zierke zu seiner „Offensive gegen Kinderpornografie im Internet“. (wobei es indirekt auch um sogenannte Kinderschänder ging, also um das Zurschaustellen von Vergewaltigungen).
    Er, Zierke, forderte eine Gesetzesinitiative, die die Provider zwingen soll, solche Sachen zu sperren. Und ganz am Rande, im letzten Nebesatz: „… auch die Sperrung von Webseiten mit fremdenfeindlichen und antisemitischen Inhalten.“
    Das wird lustig. Wo doch jetzt schon jeder jeden antisemitisch nennt. Vielleicht darf dann ja Herr Broder die Kontrolle des Netzes übernehmen?
    Andererseits: wenn _ich_ zu entscheiden hätte, was als „rassistisch“ zu sperren wäre…-dann hätte Herr Niggemeier bald kaum noch was zu tun.

  20. @hirngabel
    Da gibt es eine Folge, die noch näher an diesem Original ist. Iirc sagt Anchorman Kent Brockman in die Stille auf einem verwaisten Spielplatz: „Dies ist der Klang eines Kinderlachens – das verstummt ist.“

  21. Nochmal zum Gebrauch des Wortes Kinderschänder, Pädophil oder Päderast. Es ist relativ müssig drüber zu diskutieren, welches dieser Worte besser oder schlechter ist, solange immer noch völlig selbstverständlich jeder Sex mit unter 20jr als pädophil oder päderastisch bezeichnet wird. Wobei es, wie redy oben geschrieben hat, ja anscheinend selbst egal ist ob diejenigen schon über 18 sind oder nicht. In der öffentlichen Diskussion wird alles in den Kinderficker-Topf geworfen, weil es sich so schön emotionalisieren lässt.

    Pädophilie bezieht sich aber auf sexuelles Interesse an vorpubertären Kindern. Sexuelles Interesse an Jugendlichen nennt sich parthenophiliel bzw auf Jungen bezogen ephebophilie.

    Wenn man es schon mit allem so genau nimmt, kann es ja nicht schaden, die Begriffe auch mal klarzukriegen.

    Dazu auch einen Artikel aus der Times: http://www.timesonline.co.uk/tol/comment/columnists/guest_contributors/article642369.ece

  22. @bo

    Wenn ich mich nicht ganz irre, dann ist es sogar dieselbe Episode, wenn nämlich Kent Brockman Bart diesen Bericht über ein stillgelegtes Kinderkarussel zeigt, der dann wiederum Bart zu seiner Kolumne inspiriert.

    Aber ich will die ernsthaften Diskussionen hier ungern stören. Finde es nichtsdestotrotz immer mal wieder interessant, wie sich Überspitzungen aus satirischen TV-Shows irgendwann doch in der Realität ähnlich drastisch finden lassen.

  23. Da die Simpsons-Folge hier schon mehrfach erwähnt wurde, kann man in Richtung RTL auch gleich noch Lisa zitieren, die über Barts Kolumne sagte: „Das waren keine Nachrichten, das war sabberndes Manipulationsgesülze.“ Wirklich erschreckend, wie gut die Zitate alle passen.

  24. Auch ich will mich ungern in die hochinteressante Diskussion über die Verwendung eines geeigneten Begriffes einmischen… ;)
    Aber wenn schon immer mal wieder die Simpsons zitiert werden, dann gibt es eine noch viel passendere Folge, nämlich „Der Babysitter und das Biest“, in der Homer zu unrecht der sexuellen Belästigung beschuldigt wird und die Medien im Prinzip das Urteil schon gefällt haben. Das finde ich insgesamt noch passender.

  25. @24 SilentBob: nein lohnt sich nicht. Das ist überempfindlich und zwanghaft politisch korrekt. Oder um es anders auszudrücken: wenn man schon solch ein Format einschaltet, dann kann man sich doch eventuell noch darüber amüsieren (und es irgendwie indirekt dadurch kritisieren) dass den Machern der Unterschied zwischen „scheinbar“ und „anscheinend“ nicht bewusst ist. Wie sie die selbsternannten Verbrecher (ohne Verurteilung) dann noch titulieren wollen, ist eigentlich total wurscht. Nochmal, Du hast es selbst gesagt: RTL macht sich keine Gedanken über die Behandlung der Personen, die sie für den Bericht abfilmen. Warum monierst Du dann den Begriff des Kinderschänders? Das ist wie wenn man auf dem Misthaufen steht und sich darüber aufregt, dass es streng riecht.

    @#25 Stefan: ich will gar nichts ins andere Extrem verfallen. Nur würde ich mir weder über die Bild noch über jegliches Boulevard-Magazin einen Eindruck davon bilden wollen, wer jetzt nun schuldig ist oder nicht. Ich weiß weder, wie die Thailänder ihre Polizeiarbeit verrichten, wie die Fotos entstanden sind, noch kann ich die nicht-übersetzten polizeilichen Dokumente lesen. Und gerade deshalb stößt es mir sauer auf, dass selbst in dem Bericht gesagt wird „wir verstehen überhaupt nicht, was die Polizei da in Thailand aufgeschrieben hat, das muss jetzt alles in Deutschland mit Mühe übersetzt werden, aber der Mann da in der Kamera, der von sich selbst sagt, er habe nichts getan und habe ein reines Gewissen, das ist ein Kinderschänder und der hat sich bestimmt freigekauft“.

    Darum ging’s mir. Mir ist bewusst, dass Sextouristen nach Thailand fahren und dort Kinder mißbrauchen. Nur werde ICH ganz bestimmt nicht auf Basis von _irgendwas_ was mir das Boulevard zeigt auch nur ansatzweise ein Urteil bilden wollen.

    Von daher sind die Fotos für mich mit einem auf falsche Art erlangten Beweis bei Gericht zu vergleichen. Sie deuten auf eine Schuld hin, für meine Urteilsbildung kann ich sie jetzt aber nur noch schlecht zulassen. Die deutsche Staatsanwaltschaft sollte die Unterlagen auswerten und dann lass ich mich gerne weiter über den Fall informieren.

    Es ist ja nicht so, als ob ich jetzt mit dem Spielplatznachbar sympathisieren würde. Ich habe nur zu oft erlebt, dass sich die Leute vom Fernsehen ihre Geschichten selbst zurecht schustern, so wie sie sie gerne hätten.

    Aus diesem Grunde haben wir jetzt auch absolut pervers strenge Jugendschutzgesetze im Bezug auf „Killerspiele“. Da bin ich dann fast schon wieder in der gleichen Situation wie SilentBob mit dem Gefühl, dass ein beschreibendes Wort einfach zu weit geht, und gesetzliche Folgen nach sich zieht, die absolut überzogen sind.

  26. „Joe Banks, eighty-two years young, has come to this pond every day for the past seventeen years, to feed the ducks. But last month, Joe made a discovery. The ducks…were gone. Some say the ducks went to Canada. Others say, Toronto. And some people think that Joe used to sit down there, (camera moves to another nearby pond) near those ducks. But it could be, that there’s just no room in this modern world, for an old man…and his ducks.”

    Man tausche die „Enten“ gegen „Hunderennbahn“ und schon hat man (fast) den (deutschen) Originaltext eines Berichtes aus dem Heute Journal vor 2 Wochen.

  27. Der Begriff „Kinderschänder“ ist mir auch schon häufiger übel aufgestoßen, deswegen finde ich es interessant, dass andere diese Diskussion hier aufwerfen. Ja, man schändet ansonsten Gräber, Denkmäler, was weiß ich – alles passive Objekte, die durch den Vorgang der Schändung irgendwie an Wert und Achtbarkeit verlieren.

    Dieser Begriff legt tatsächlich nahe, dass auf dem misshandelten Kind „Schande“ laste. Ich glaube, ich habe auch schon von erwachsenen Personen gehört, sie seien „geschändet“ worden („Frauen geschändet“ etc.). Heißt das, eine Frau muss sich schämen, weil sie vergewaltigt wurde? Ich denke, in der Vergangenheit war diese Vorstellung tatsächlich gang und gäbe (das Opfer bringt Schande über die Familie etc.), und ich könnte mir denken, dass der Ausdruck auch daher rührt.

    Ja, ich weiß, man kann Sprache nicht von heute auf morgen ändern. Aber man kann trotzdem ein offenes Ohr dafür behalten, was bestimmte – unbedacht benutzte – Begriffe vielleicht implizieren.

  28. @ Amelia: Volle Zustimmung. Auf etwas Geschändeten oder auf jemandem Geschändeten liegt hinsichtlich der Wortbedeutung Schande. Gute begriffliche Alternativen gibt’s meines Wissens aber auch nicht.

  29. Ich finde, „Vergewaltigung“ trifft es in diesen Fällen eigentlich recht gut, jedenfalls dann, wenn der Täter ein Fremder war (bei familien-interner Misshandlung von Kindern wird möglicherweise nicht immer Gewalt angewendet). „Missbrauch“ ist natürlich problematisch, weil man Kinder nicht „gebrauchen“ kann. „Misshandeln“ kann man, denke ich, ohne Probleme sagen, weil es normal ist, seine Mitmenschen zu „behandeln“.

  30. Finde es aber auch bezeichnend, welche Synonyme da als erstes für „schänden“ vorgeschlagen werden:

    beflecken, beschmutzen, entehren, entweihen, entwürdigen

    Ein vergewaltigter („geschändeter“) Mensch ist also befleckt, beschmutzt, entehrt, entweiht und entwürdigt? Ich denke, das bestätigt nur, warum man mit diesem Wort vorsichtiger umgehen sollte.

  31. jetzt mal ernsthaft, was für eine Wortklauberei. Als ob den Otto-Normal-Fernsehzuschauer die feinen Unterschiede zwischen „Kinderschänder“, „Pädophiler“, und „Kinderficker“ interessieren. Von abgehobener Elfenbeinturmsprache wie Parthenophilie oder Ephebophilie mal ganz zu schweigen.

    Es ist ja schön, dass hier alle so gebildet sind, aber das artet ja langsam in ein Germanistik-Blog aus…^^

  32. Genau Herr Schuss. Das hab ich weiter oben auch schon zu sagen versucht.

    Hier wird der Täter beschrieben und nicht die Opfer. Der SCHÄNDER. Bei Gräberschändungen hab ich noch NIE auch nur einen Gedanken daran verloren, dass jetzt Schande AUF den Gräbern liegt (hier in meiner Stadt wurden auch schon jüdische Friedhöfe geschändet) sondern dass die Täter etwas schändliches getan haben.

    Das ist genau wie mit Deutschtürken. Beim im Bildblog verlinkten Geißblog musste sich der Blogger nachträglich auch berichtigen, weil er sich nicht absolut politisch korrekt ausgedrückt hat. Immer diese Wortklaubereien.

    Auf der anderen Seite bin ich froh, dass mich hier noch niemand angeprangert hat, dass ich den mutmaßlichen Pädophilen in dem Bericht verteidigen würde, sowas kommt ja normalerweise auch ganz schnell um die Ecke wenn man das Medium kritisieren will und die Thematik dabei außen vor lässt.

    Von daher diskutieren wird doch einfach weiter über die deutsche Sprache, das können wir doch so gut :-)

  33. @ B. Schuss: Kommentar 47 ist ein Eigentor.

    „Ich interessiere mich nicht für die Methoden der Propaganda. Deswegen perlt jede Propaganda an mir ab.“ Ist das logisch?

    Gerade der, der sich nicht für die feinen Unterschiede der Wortbedeutungen interessiert, ist empfänglich dafür, die in Begriffen enthaltenen Wertungen unbesehen zu übernehmen.

  34. Erstaunlicherweise gibt es im Boulevard sogar ab und an Überschriften, die folgendermaßen lauten: „Das schockierende Geständnis: Ich wurde vergewaltigt“. Das Opfer muss also gestehen, dass es vergewaltigt wurde? Ich denke, da gibt es in der Öffentlichkeit schon noch gewisse gedankliche Fehlsteuerungen.

  35. @Sebastian: das mag ja sein, aber doch nur, wenn man die in den Begriffen enthaltenen Wertungen überhaupt kennt.

    Wenn man aber, wie vermutlich die meisten RTL-Zuschauer, zwischen den Begriffen „Kinderschänder“ und „Pädophiler“ inhaltlich überhaupt keinen Unterschied macht, läuft da nicht jeglicher Versuch einer derart subtilen Propaganda ins Leere ?

    Natürlich sind die Methoden von RTL nicht ok. Aber wenn man ihnen Propaganda unterstellt, traut man ihnen meiner Ansicht nach mehr zu als, sie im Stande zu leisten sind.
    Das ist doch bloss schlechter Journalismus, gepaart mit der Notwendigkeit, die Quote zu bringen. Effekthascherei eben.

    Überspitzt formuliert könnte man sogar sagen, RTL arbeitet zielgruppenorientiert, und liefert seinem Publikum, was es will bzw. was es verdient hat.
    Aber ob das dann direkt gezielte Desinformation ( aka Propaganda )ist, wage ich doch mal zu bezweifeln.
    Wozu auch ?
    In ein paar Tagen ist der Fall Michelle vergessen, und wird ersetzt durch die nächste tagesaktuelle Grausamkeit.
    Nicht umsonst werden Quoten täglich erhoben.

  36. Nein. Ganz entschieden nein.

    Ich ändere auch meine Ausdrucksweise, wenn ich z.B. mit Menschen spreche, die Deutsch als Fremdsprache erlernt haben (viele meiner deutschen Mitbürger). Ich vermeide Anglizismen. Ich lasse Begriffe aus dem Fremdwörterlexikon weg.

    Als Journalist, zu erwartender Weise mit Uni-Abschluss, ist es meine Aufgabe, zu informieren, und nicht dem Volk die Stammtischmeinungen zu bestätigen. Mein Beispiel mit den „Killerspielen“ ist da schon ziemlich perfekt. Niemand in der Stammtischbevölkerung wird dieses Wort geprägt haben. Das sind Politiker- und Frontal21-Begriffe, die DANN von der Bevölkerung aufgegriffen wurden. Warum ich mir da sicher bin? Kein Stammtischbruder verwendet solcherlei Anglizismen. Aus der Spielerszene kommt es auch nicht, da nennt man diese Spiele „Shooter“.

    Nein ich bin der Ansicht, dass sich der Boulevard seine Themen als allererstes zurecht zimmert, damit den Stammtischen neuen Diskussionsstoff liefert, und dieser dann erst Inhalte der selben Machart erwartet. Jede Artikelserie in der BILD fängt mit einem Aufhänger an, der dann über die nachfolgenden Tage wie für Pavlovsche Hunde gemacht immer wieder gleich angesprochen wird.

    Denn wenn wir die Stammtische für grundsätzlich zu… sagen wir mal „einfach“ halten, dann können wir von ihnen auch nicht erwarten, dass sie von alleine auf Begriffe wie „Pädophiler“ kommen. Eher noch wird ihnen (und da stimme ich zu) ein Begriff wie „Kinderschänder“ kredenzt.

    Das ist mir aber auch ehrlich gesagt wurscht. Diese Begrifflichkeiten gehen am eigentlichen Problem vorbei. Denn wenn auf einmal (und das hat Stefan hier angesprochen) „scheinbar“ mit „anscheinend“ verwechselt wird, dann ist ein solcher Stammtischbruder erst recht absolut falsch informiert, wenn er auf einmal in „ordentlichen“ Medien wie der Tagesschau diese Begriffe verwendet sieht (hört), und der Meinung ist, dass es sich dabei schon um einen Täter handelt und nicht um einen Verdächtigen.

    Begriffe wie „mutmaßlich“ werden ja auch schon seit Jahren verwässert. Die Unschuldsvermutung gibt’s so im Boulevard eh nicht mehr (wobei man, wenn man Jens Weinreichs Blog zu Peking gelesen hat, hier bisweilen gar nicht mehr anders kann bei der Thematik Doping aber das ist jetzt wieder eine andere Baustelle).

  37. @54: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich nicht verstanden haben soll. Wer „befleckt“ oder „beschmutzt“ ist, ist fleckig und schmutzig und wird damit als unrein betrachtet. Wer „entehrt“ wurde, hat keine Ehre mehr. Und wer „entweiht“ wurde, ist irgendwie auch weniger wert.

    Dass dieser Schmutz, dieser Dreck, diese mangelnde Ehre, die angeblich auf dem Opfer lastet, in der Schuld des Täters liegt, macht die Sache nicht besser. Es geht mir um den Punkt, dass ein Mensch eben nicht „schmutzig“ ist, auch wenn er hundert oder tausendmal vergewaltigt wurde. Er verdient immer noch den gleichen Respekt.

  38. @B. Schuss: Entschuldigung, das war ein Missverständnis; es ging mir nicht darum, RTL Propaganda vorzuwerfen. Das war nur ein Beispiel, um zu verdeutlichen, dass meiner Meinung nach das Interesse für sprachliche Feinheiten keine Voraussetzung ist für die Wirksamkeit sprachlicher Feinheiten und dass der Zusammenhang zwischen Interesse (und somit gerichteter Aufmerksamkeit) und Wirksamkeit subtiler Deutungen und Wertungen eher ein negativer ist. Dass Begriffen Wertungen anhaften, ist an sich natürlich nichts Schlimmes und besagt auch noch nicht, dass da jemand ist, der absichtlich Manipulation oder Propaganda treibt.

    Neulich las ich in der FAZ einen Artikel über sogenannte Ehrenmorde. Darin wurde ein junger Mann zitiert, der das solchen Taten zugrundeliegende Ehrverständnis vertrat. Er sagte sinngemäß, Männer seien wie Goldstücke; Schmutz lasse sich immer wieder abwaschen. Eine Frau sei aber wie ein weißes Stück Seide; wenn es schmutzig werde, bekomme man es nie wieder sauber.

    Und dieses Schmutzigwerden kann eben auch eine Vergewaltigung sein.

    Eine ähnlich archaische Ethik der Ehre scheint mir auch in dem Begriff „Kinderschänder“ überlebt zu haben. Schande ist das Gegenteil von Ehre, wie Amelia schon sagte. Das Wort ist nicht der Untergang des Abendlandes, bevor jemand fragt, aber wenn man ein Konzept für falsch hält, muss man es ja auch nicht unbedingt weitertragen und vervielfältigen.

  39. Letzte Nacht lief als kleine Gedächtnisauffrischung in Sachen TV-„Journalismus“ mal wieder der großartige Film „Network“, in dem der „zornige Prophet des Fernsehens“ Howard Beale in einer pervertierten „Nachrichten-Show“ schon den 1970ern all das beantwortete, was hier an Fragen gestellt wurde. Sinngemäß: „Wir sind das Fernsehen und nicht die Wirklichkeit, wir erzählen Euch alles, was Ihr wollt. Wir sind Gaukler, Unterhalter, vertreiben Euch die Langeweile. Wenn Ihr Informationen wollt, geht woanders hin.“

    Auf die aktuelle Diskussion übertragen: Nehmt diese Fernsehsülze nicht so wichtig, es lohnt nicht und wertet den Quatsch nur unangemessen auf. Es ist Entertainment-Fast Food und kein bißchen mehr. Wer sich davon verblöden lassen will, bitteschön, wir können vermutlich niemanden nachträglich zu einem verantwortungsvollen Medienkonsum erziehen.

  40. @Stefan: Ganz aufhören wird sie nie, die entscheidende Prägung dürfte aber wohl bis zur Volljährigkeit stattfinden. Was danach an Einflüssen kommt, kann wohl in der Regel keine entscheidende Wendung mehr geben. Grob gesagt: Wer keine anständige Medienerziehung genossen hat, wird als Erwachsener auch durch Medienblogs nicht von seinen Konsumgewohnheiten abgebracht werden, wahrscheinlich liest er sie nicht mal.

  41. @Wolfgang: Aha. Also, kritische Artikel übers Fernsehen schreiben, die sich an Über-18-Jährige wenden, ist Quatsch. Gilt das auch für andere Medien? Ist Internet auch „Entertainment-Fast-Food und kein bisschen mehr“? Oder gibt es da Unterschiede?

  42. @Wolfgang: Ich lese (vor allem medienkritische) Blogs, seit ich etwa 19 bin, und mein Medienkonsum und -verständnis hat sich seitdem und dadurch drastisch geändert. Da geht noch einiges, auch in einem höheren Alter. Mir wurde das nicht anerzogen. Nicht, dass ich wüsste.

  43. Also ich habe auch erst mit 27 gelernt, dass Spiegel Online Schrott (geworden) ist, und dann drei Jahre gebraucht, es mir abzugewöhnen.

    Das Leben sollte ein ständiger Lernprozess sein, gerade in der heutigen Arbeitswelt.

    Das Internet kommt z.B. irgendwann bei allen an. Wie man damit umgeht, das erklärt dann jemand wie ich, der schon 10 Jahre damit zu tun hat, den anderen gerne bereitwillig und teils ausführlich. Würde man Ihre Einstellung zu dem Thema teilen Wolfgang, wäre Bildblog sinnlos. Und das kann ich so ehrlich gesagt überhaupt nicht akzeptieren.

    Natürlich ist der Mensch ein Gewohnheitstier (siehe oben) aber ich hoffe doch, dass Sie da eher Engstirnigkeit und Borniertheit einzelner Mitbürger beschreiben, als die Gesellschaft an sich.

    Ich bin jedenfalls immer wieder begeistert, wenn wieder jemand aus meinem Umfeld anfängt, das Internet für die Informationsbeschaffung zu benutzen. Nach den ersten Gehversuchen kommt dann meist ein Gespräch über die Vor- und Nachteile mit Nachfrage, was denn so benutzt wird, und was z.B. die Nachteile der Wikipedia sind. Natürlich ist es manchmal schwierig, mit den Charakteren umzugehen, die schnell das Handtuch werfen oder frustriert reagieren, weil man klugscheißerisch daherkommt (nach ihrer Ansicht) aber so ist das Leben halt.

    Wär es wirklich so, wie sie es beschreiben Wolfgang, dann wär ich verdammt verzweifelt. Dafür habe ich gerade in den letzten zwei Jahren zu viele positive Dinge erlebt was das angeht.

  44. @61: Ooops, wer hat denn das behauptet? Mit „Quatsch“ habe ich TV-Sendungen wie das hier besprochene „Explosiv“ bezeichnet und nicht das, was Du drüber schreibst. Für sinnvoller halte ich allerdings tatsächlich kritische Artikel über Sendungen, die an sich selbst einen höheren Anspruch stellen als es diese Boulevardmagazine tun. Wo liegt denn der Erkenntnisgewinn, wenn ein TV-Kritiker über eine Müllsendung mäkelt, da sei Müll drin?

  45. Der Erkenntnisgewinn liegt sicherlich darin, dass selbst Müll nicht gleich Müll ist. Es gibt Papierschnipsel, es gibt Bananenschalen (auf denen man ausrutschen kann oder auf denen manchmal ungesunder Schimmel wächst), und es gibt richtig giftigen Müll.

    Nicht alles, was in gewissen Nischen des Boulevard produziert wird, ist so ganz neutral in seinen Auswirkungen. Das sieht man zum Beispiel, wenn rechtsradikale Parolen verdeckt in Fernsehbeiträgen übernommen werden, wie hier beschrieben wurde.

    Ich weiß nicht, ob die Leute, die von solchen Sendungen begeistert sind, von dieser Kritik erreicht werden. Vermutlich würde viele von ihnen sich auch nicht unbedingt für Schadstoffe in ihrer Nahrung interessieren. Vielleicht manche aber schon. Ich glaube, wenn man einfach die Tonne zuklappt und überhaupt nicht mehr hinterfragt, was drinsteckt, dann wird die Sache zumindest nicht besser.

  46. @60 (wolfgang):

    sie erschüttern mein selbstbild. träfe ihre aussage zu, sollte ich nicht existieren.

    muss ich mir einen termin beim philosophen besorgen? (zahlt den eigentlich die kasse?)

    fragt

    .~.

  47. Vielleicht bin ich ja zu Unrecht Kulturpessimist, aber ich hege doch den starken Verdacht, dass wir hier in einem Paralleluniversum diskutieren, das im Universum der Explosiv-, Blitz- und Brisant-Gucker nicht existiert. Dasselbe würde ich auch für bildblog und die Bild-Leser annehmen. Gegenbeispiele freuen mich natürlich trotzdem, obwohl ich Ommelbommel und Sebastian für einige der raren Solitäre halte, die sich wirklich im „fortgeschrittenen“Alter noch umorientiert haben. Im Übrigen habe ich an keiner Stelle Medienblogs als sinnlos bezeichnet.

  48. Mir kommen da auch Bekannte mit gutem Uniabschluss und verantwortungsvollem Job in den Sinn, die sagen, sie wüssten ja, wie die Unterschicht sei – man sehe es doch in den entsprechenden Talk- und Reality-Shows. Dass das da im Fernsehen nicht die Realität ist, sondern ein konstruiertes Bild (und möglicherweise ein sehr bewusst konstruiertes), das kommt selbst solchen Leuten nicht in den Sinn. Ich denke, etwas öffentliche Medienkritik tut not, damit wenigstens diese Zielgruppe mal begreift, worum es geht.

  49. @Amelia: also ich bin jetzt kein Sprachwissenschaftler aber ich bin immer noch der Ansicht, dass „Schänder“ von „schinden“ kommt. Im Sinne von quälen. Und das bezieht sich vollständig auf die Person, die es ausübt, und hat nichts mit dem Opfer zu tun.

    Außerdem halte ich jeden Journalisten, der eine Vergewaltigungsbericht zu einem „Geständnis“ verarbeitet, für krank. Fertig ab.

    Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, Amelia, und auch die Länder des mittleren Ostens nicht kritisieren, aber ich glaube „Unbeflecktheit“ gibt es in unserem, dem westlichen Kulturkreis, so erstmal überhaupt nicht mehr. Ich sehe das auch weder in meinem Bekanntenkreis noch in den Medien noch sonstwo. Vergewaltigungsopfer sind Opfer und sonst nichts.

    Wenn das Opfer männlich ist, DANN sieht die Sache eventuell anders aus, weil hier immer noch das Dogma vorherrscht, ein Mann könnte sich einer solchen Tat ja verweigern. Aber die Vergewaltigung einer Frau habe ich so ehrlich gesagt schon seit ewig und drei Tagen nicht mehr als Schuld des Opfers beschrieben gesehen.

    Natürlich fallen Sätze wie „Wenn die so rumläuft, dann läuft sie Gefahr, vergewaltigt zu werden“ wenn man vorpubertäre Kinder im Tanktop und Minirock sieht, aber wenn denn ein solches Kind dann Opfer wird, dann kenne ich NIEMANDEN in Deutschland, der sich heutzutage noch hinstellt und sagt „selbst Schuld“. Niemanden. Die Zeiten sind eindeutig vorbei.

  50. Ja den Link hatte ich auch so schon gelesen. Aber das meinte ich ja – in meinem Sprachgebrauch können Nazis ein jüdisches Grabmahl entehren durch Schändung.

    Aber ganz bestimmt kann kein Mann eine Frau durch Vergewaltigung schänden in der Bedeutung, wie sie dort angegeben wird.

    Deshalb gehe ich davon aus, dass der „Kinderschänder“ eher der „Kinderschinder“ ist. Sprich das Wort sich aus dem quälen von Kindern abgeleitet hat, und nicht vom schänden.

    Mir geht es also um die Ethymologie von „Kinderschänder“ und nicht um die von „schänden“.

  51. Finde ich sehr weit hergeholt, dass „Kinderschänder“ einen anderen Ursprung haben soll als „Grabschänder“. Das glaube ich erst, wenn ich es von Sprachwissenschaftlern bestätigt bekomme.

    Ansonsten nehme ich das Gegenteil an – denn ich traue unserer Kultur durchaus zu, dass sie solche Begriffe geprägt hat. Ich glaube natürlich nicht, dass die meisten Menschen heute noch so denken, aber Wörter spiegeln ja nicht selten vergangene Denkweisen wider.

  52. Ich denke mal die Leute, die den Begriff verwenden, denken jedenfalls nicht in dem Sinne, wie Sie es dargelegt haben.

    Mal im Ernst, gehen Sie davon aus, dass jemand, der heute über Kinderschänder spricht der Meinung ist, dass das Opfer „besudelt“ oder „befleckt“ wurde?

    Wir sind hier doch nicht im Sudan…

  53. Zumindest ist es wohl nicht ungewöhnlich, dass vergewaltigte Frauen sich „besudelt“ fühlen und sich schämen. Bin keine Expertin, habe aber häufiger von diesem Phänomen gehört und gelesen.

  54. @75 Das glaube ich erst, wenn ich es von Sprachwissenschaftlern bestätigt bekomme.

    Na gut.
    schänden:

    Bedeutungen:
    [1] durch eine frevelhafte Tat jemandes Ehre verletzen
    [2] die sexuelle Unschuld einer Person rauben
    Herkunft:
    abgeleitet aus dem Substantiv Schande
    Synonyme:
    [1] beflecken, beschmutzen, besudeln, entehren, entheiligen, entweihen, entwürdigen
    [2] mißbrauchen, verführen, vergewaltigen

  55. Dass es von „schinden“ kommt, steht da aber nicht, oder?

    „Die sexuelle Unschuld“ rauben ist ja auch nett. Damit wäre das geschändete Kind also auch noch „schuldig“?

  56. @79 Sorry, dass ich’s Dir nicht passend machen kann…
    Und nun zurück zum Thema, bitte: RTL-Schund.

  57. Ich wollte eigentlich nur danke sagen, weil ich mich durch Dein Posting in meiner Theorie bestätigt fühle, dass es nichts mit „schinden“ zu tun hat. Kam wohl falsch rüber…

  58. Kurze Frage Amelia, ist Deutsch eigentlich Ihre Muttersprache?

    Seit wann ist man nach Verlust der Unschuld schuldig?

    Versuchen Sie’s mal mit dem Gegenteil von „Jungfrau“. Ich möchte fast ahnen, dass Sie jetzt mit „Altmann“ um die Ecke kommen…

  59. @#77 im Übrigen noch: ich würde vorschlagen, Sie unterhalten sich mal mit jemandem vom Weißen Ring.

    Die kriegen sicherlich bei diesen Aussagen das kalte Kotzen.

    Es ging hier darum, was der Täter dem Opfer antut, und dass die alleinige Schuld den Täter trifft, UND dass in Deutschland NIEMAND der Ansicht ist, dass die Opfer an IRGENDWAS Schuld haben.

    Wie sich dann das Opfer fühlt ist vollkommen zweitrangig. Die Gefühle eines mißbrauchten Menschen sind vollkommen irrational. Gerade in der Kindheit vergwaltigte Männer werden vom Opfer im Erwachsenenalter mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst zu Tätern. Sich jetzt über das Seelenleben der Opfer die Bedeutung des Wortes „Kinderschänder“ als Schuldaufladen auf das Opfer bzw. Schändung desselben als Bedeutung zurecht zu schnitzen ist einfach verquer und irrgeleitet.

    Lassen Sie das endlich. Es ist zunehmend unerträglich.

  60. @ Sebastian (40)

    Wie der Blogverlauf zeigt, hast du ja doch noch mal darüber nachgedacht. Jetzt musst du nur noch zum richtigen Ergebnis kommmen…

  61. @ 83

    Sebastion, bei all deinen Theorien muss ich jetzt mal die Notbremse ziehen.

    „Gerade in der Kindheit vergwaltigte Männer werden vom Opfer im Erwachsenenalter mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst zu Tätern.“

    Diese Aussage ist mehr als falsch und zeigt, dass deine Bildung doch eher von RTL und Bild kommt.

    Es ist zwar statistsch nachgewiesen, dass ein Teil der Sexualstraftäter in ihrer Vergangenheit selbst Opfer von sexueler Gewalt gewesen sind, der Umkehrschluss ist hingegen ist haltlos und bedarf hier einer eindeutigen Richtigstellung.

  62. Im Moment sehe ich gerade nur, dass Du das Gegenteil behauptest, und quäle ein wenig Google. Ich sehe Deinen Ansatzpunkt zur Kritik und vielleicht liege ich falsch, gut möglich. Wir bräuchten dann jetzt aber Zahlen, wie viele Männer in Deutschland zu Sexualstraftätern im Bereich Kindesmißbrauch werden und wie hoch die Anzahl der Mißbrauchten jungen Männer ist, die selbst im Erwachsenenalter Kinder mißbrauchen.

    Vielleicht bin ich ja falsch informiert. Gut möglich. Aber wie gesagt: Du behauptest gerade erstmal nur das Gegenteil und jetzt müssten wir uns mit Belegen beliefern.

    Ich geh dann mal auf die Suche.

  63. So da bin ich wieder.

    Diese Quelle, die ich über die Wikipedia gefunden habe, bestätigt zunächst erst einmal die Aussage, dass mißbrauchte Jungen die Gewalt nachfolgend an anderen ausleben, und selbst zu Tätern werden (unter „Männliche Missbrauchsopfer“).

    Wie gesagt, prozentuale Anteile da kann ich im Moment gerne einen Rückzieher machen und sagen, dass ich keine definitiven Zahlen habe. Aber wenn die Tendenz eines mißbrauchten Jungen in die Richtung geht, dann kann doch meine Aussage, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein nicht-mißbrauchter Junge zu einem Täter wird, geringer ist, so falsch nicht sein. Oder nicht?

  64. „Woran es vielleicht liegen könnte“, dass WIRZleute noch immer solch übel riechende Soße ausSCHENKen dürfen ? Könnte es daran liegen, daß Journalisten es noch immer erwähnenwert finden ?

  65. Der Begriff „die Unschuld rauben“ kommt durchaus daher, dass man früher der Meinung war, jeder, der irgendwelche sexuellen Erfahrungen gemacht hat, sei irgendwie „schuldig“. Ganz egal, ob er diese Erfahrungen machen wollte, oder ob sie ihm aufgezwungen wurden. Sind halt (gar nicht so) alte religiöse Vorstellungen, die da in unserer Sprache immer noch durchschimmern. Man kann sich darüber streiten, ob das schlimm ist. Aber man kann an unserer Sprache schon erkennen, dass gewisse – heute hoffentlich auf die meisten befremdlich wirkende Vorstellungen – vor ein paar Generationen auch bei uns noch sehr, sehr verbreitet waren.

    Aber ich habe mittlerweile auch nicht den Eindruck, dass das hier der richtige Ort ist, um solche Aspekte zu diskutieren. Ich gebe auch zu, dass es mit dem ursprünglichen Thema dieses Beitrags nur am Rande zu tun hat. Ich wollte nur darlegen, warum ich nun wirklich keinen Grund sehe, mich hier für meine Argumentation zu entschuldigen.

  66. Der Bob hat eine Entschuldigung von mir verlangt, nicht von Ihnen, Amelia.

    Ich kann Ihrem Gedankengang schon folgen, nur nach fünfmaligem Versuch Sie darauf hin zu weisen, dass mir die Herkunft der Bedeutung ziemlich wurscht ist und der Begriff in einem Medienbericht von dieser Woche sicherlich NICHT mit der Bedeutung von vor 50 bis 100 Jahren belegt ist, da sollten Sie eventuell mal einfach sagen „Ja da haben Sie Recht“. Von mir aus noch mit einem „eventuell“ als Einschub, wenn Ihnen das lieber ist. Damit wär ich auch schon zufrieden gewesen.

    Vor 40 Jahren haben die Afro-Amerikaner auch noch hinten im Bus gesessen und der KKK Kreuze angezündet, und Homosexuelle waren nicht „out“. Das ändert nichts an der Tatsache, dass sich inzwischen der Umgang mit ihnen verändert hat, und sie vollständig in der Gesellschaft akzeptiert sind. Nun ja sagen wir mal fast vollständig.

    Dieses dauernde Wiederkäuen Ihrer Begriffserklärung von anno dunnemals ändert jetzt aber (und das jetzt glaub ich zum sechsten Mal) nichts an der Tatsache, dass der Begriff heute NICHT MEHR mit dem Hinweis auf das Schuldaufladen auf die Opfer verbunden ist. Jeder der heute noch so denkt hat einen an der Waffel, um es mal etwas drastischer auszudrücken.

    Wie kann man allen Ernstes heute noch der Ansicht sein, dass ein Opfer irgendwie „kaputt“ ist, weil es Mißbraucht wurde, bzw. dass ein Reporter von RTL den Begriff des Kinderschänders verwendet hat, weil er eben dieser Ansicht ist?

    Das implizieren Sie hier nämlich die ganze Zeit, und dabei wird mir ehrlich gesagt wirklich schlecht. Den Opfern wird LEID angetan und sie brauchen sicherlich Hilfe, damit das, was in ihnen zerbrochen ist, wieder geheilt wird. Aber sie sind ganz bestimmt nicht „kaputt“ in irgendeinem Sinne.

    Ehrlich gesagt habe ich jetzt auch keine Lust mehr, darüber zu reden. Es ist alles gesagt.

  67. @ Sebastian

    Deine Quelle ist allein schon auf Grund der Ausschließlichkeit der dort gemachten Ausagen unseriös („Jungen werden im sozialen Nahfeld sexuell Missbraucht“ bedeutet: es gibt keinen sexuellen Missbrauch von Jungen in der Familie oder durch Fremdtäter).

    Deswegen kann ich dir auch nicht überlnehmen, wenn du die zitierte Stelle, („dass mißbrauchte Jungen die Gewalt nachfolgend an anderen ausleben, und selbst zu Tätern werden“) auf sexuelle Gewalt beziehst.

    Tatsächlich trägt die dritte Phase der Traumabewältigung in dem Buch „Trauma und Entwicklung“ von Annette Streeck-Fischer diesen Untertitel. Der eigentliche Titel der Phase lautet Stabilisierung und was damit gemeint ist zeigt ein Ausschnitt aus einem Therapieverlauf:

    „Anton weigert sich, weiter zur Schule zu gehen. Dagegen ist er bereit, an einem Angsttraining teilzunehmen. Er erhält medikamentöse Unterstützung. In der Körpertherapie baut er eigene Räume. Diese scheinbar sicheren Orte werden jedoch immer wieder durch plötzliche bedrohliche Einbrüche, die Ausdruck von flashbacks sind, zerstört. Hier schien er, in geschützten Räumen seine eigenen Traumaexpositionen zu versuchen.
    Es kommt zu Verstrickungen mit anderen Jugendlichen und mit den Erziehern. Da Anton Grenzen zwischen Intimität und Öffentlichkeit nicht anerkennen will – er meint, er habe kein Schamgefühl –, gerät er mit dem Stationsleiter aneinander. Jetzt stellen sich Beziehungsmuster her, in denen ihm die Selbstbestimmung genommen wird, vergleichbar jenen Formen von Überwältigung, die er offenbar früher erfahren hat, in denen er bedroht worden war und Grenzen zwischen sich und anderen verloren hatte. Er fühlt sich häufiger schlecht behandelt und kämpft jetzt für seine Positionen.
    Er wird nun in verschiedenen Situationen vom Opfer zum Täter, letztlich um der Position des überwältigten Opfers zu entkommen. In einer Gruppensitzung sagt er seiner Einzeltherapeutin „Ich bringe Sie um“, als er sich nicht gesehen fühlt. Er bringt den Stationsleiter in eine Situation, in der dieser sich überwältigt fühlt. Es wird ihm zunehmend deutlich, wie wichtig es ist, sichere Abstände zu schaffen, Räume des Innehaltens, Denkens und Nachdenkens, um die traumatischen Erfahrungen mit den flight-/fight- und Panikreaktionen zu relativieren.“

    Wenn du dich mit dem Thema ernsthaft beschäftigen willst, kann ich dir Bücher von Dirk Bange empfehlen, einem Authos, der in diesem Bereich langjährige Erfahrungen hat. In seinem Buch „Sexueller Missbrauch an Jungen – Die Mauer des Schweigens“ räumt er auch mit deiner „vom Opfer zum Täter“ These auf.

    Diese lautete übrigens:
    „Gerade in der Kindheit vergwaltigte Männer werden vom Opfer im Erwachsenenalter mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst zu Tätern.”
    und bleibt falsch, auch wenn du im Kommentar 88, eine neue These aufstellst und versuchst sie mit der alten gleichzusetzen.

  68. @ Amelia

    Sebastian hat Recht: dich hatte ich tatsächlich nicht gemeint. Das was du bisher geschrieben hast ist – sowie ich das beurteilen kann – absolut ok.

  69. Tja hmm was soll ich sagen. Für die Thematik ein Buch kaufen möchte ich eigentlich nicht. 20 Euro sind für solch harte Kost ehrlich gesagt nicht ganz mein Fall… aber ich schaue mal, ob das Buch nicht in einer Bibliothek vorhanden ist und ich einfach die betreffenden Abschnitte kurz quer lesen kann.

    Danke für den Hinweis, dass meine Ansicht falsch war. Entschuldigen möchte ich mich jetzt ehrlich gesagt nicht so unbedingt. Ich kann ja nichts dafür, dass ich erst so spät herausgefunden habe, dass die Medien generell mit Mißtrauen und Zweifel konsumiert werden sollten (in so hohem Maße jedenfalls). Vor fünf Jahren hätte ich nicht geglaubt, dass SPON nicht das ist, wofür ich es gehalten habe. Oder die ARD… eigentlich bin ich im Moment schon wieder eher am Klappentext zu Dirk Bange und seinem Buch interessiert, weil ich, um seinen Aussagen Glauben schenken zu können, im Prinzip jetzt schon wieder seine Befähigung hinterfragen müsste.

    Das ist die negative Seite dieses ewigen Zweifels. Das ewige Nachfragen, wie gut denn der Autor befähigt ist, über eine Thematik zu schreiben. Von daher ist es schon sehr gut, dass Du mir mehr als eine Quelle genannt hast. Danke dafür.

  70. Achso hoppla es sollten übrigens keine zwei unterschiedlichen Thesen sein, weshalb ich auch mit der Entschuldigung nicht so leicht rausrücke: das was, ich in 88 geschrieben habe, hatte ich zuvor gemeint. Es klingt nur nicht wirklich danach.

  71. Amelia: Ein „Schänder“ tut nicht seinem Opfer „Schande“ an, sondern handelt ihm gegenüber „schändlich“. Er tut etwas, was man nicht tun sollte und lädt dadurch „Schande“ auf sein eigenes Haupt (nicht das des Opfers). Ein Kinderschänder befleckt daher nicht die Ehre des Kindes, sondern seine eigene Ehre, weil er mit dem Kind etwas tut, was man mit Kindern nicht tun darf (und wenn andere das herausfinden, ist der Ruf des Täters beschmutzt).

    Mit „die Unschuld verlieren“ ist es übrigens genau das Gleiche. Hier wird das Opfer nicht „schuldig“, sondern verliert seinen „unverdorbenen“ Blick auf die Welt – so ähnlich wie bei der Geschichte mit Adam und Eva, die plötzlich erkannten, daß sie nackt sind und sich deswegen schämten: Vorher war ihr Blick unverdorben, die Nacktheit hat sie nicht gestört, hinterher hatten sie ihre Unbekümmertheit (oder eben Unschuld) in dieser Hinsicht verloren und zogen diesen kleidsamen Feigenblättchen an.

  72. @ Amelie

    etwas weit hergeholt oder?

    Insbesondere Adam und Eva ihre Unschuld durch das Essen der Früchte vom verbotenen Baum verloren hatten, und sie und alle ihre Nachkommen dafür mit der Erbsünde bestraft wurden.

    Es ist konstruiert, die Schande nur beim „Kinderschänder“ belassen sollen, denn es etwas schänden bedeutet gerade, dem Objekt (ich will es beim Objekt belassen) die Ehre zu nehmen.

    Ich wüsste auch nicht, ob es im anderen Fall besser wäre, denn Sexuelle Gewalt gegen Kinder als „sich schändlich benehmen“ zu bezeichnen, ist so als ob man einen Mörder als „sozial unangepasst“ bezeichnen würde.

  73. Also ich kann mir wirklich nur einen ganz anderen Begriff von „Schande“ vorstellen, über den wir hier reden.

    Für mich bedeutet der Ausdruck, dass man sich dafür schämen sollte, was man getan hat.

    Und ich kann beim besten Willen nicht verstehen, warum man sich, wenn man vergewaltigt wurde, schämen sollte.

    Das ist für mich etwas ganz anderes als die Beschreibung des Zustandes, wie sich das Opfer fühlt, und was man ihm genommen hat. Die Ehre. Die Unschuld. Die Jugend. Das Selbstwertgefühl.

    Ich finde die Beschreibung von Knux genau richtig. Ich sehe den Punkt nicht, dass ein „Kinderschänder“ dem Opfer an Wert nimmt. Schlimmer noch, mir kommt es hier so vor, als ob Amelie und SilentBob den Begriff der Schändung verwenden wie die Menschen im Islam wenn eine Frau vor der Ehe vergewaltigt wird und dann keine Jungfrau mehr, und somit wertlos ist. Genau so kommt mir die ganze Diskussion hier vor. Und ich will das so nicht akzeptieren. Ich finde das nahegerade krank. So kann man einfach nicht denken.

  74. Um mal auf den Ausgang zurückzukommen:

    Das Spielplatzbild ist wirklich doppelt hart…angesichts der boulevardesdeken Neuigkeiten im „Fall Michelle“:

    Traf Michelle ihren Mörder auf dem Spielplatz? fragt

    Focus Online

    Hübsche Klickstrecke übrigens daneben…

  75. @ Sebastian

    Noch ein Missverständnis?
    „Schlimmer noch, mir kommt es hier so vor, als ob Amelie und SilentBob den Begriff der Schändung verwenden wie die Menschen im Islam wenn eine Frau vor der Ehe vergewaltigt wird und dann keine Jungfrau mehr, und somit wertlos ist. “

    Eben weil der Begriff schänden diese Bedeutung hat, wir aber eben nicht davon ausgehen, dass Opfer von Sexualstraftaten wertlos sind, sind wir gegen die Verwendung des Begriffs „schänden“ im Zusammenhang mit Menschen.

    Was ihr meint (und du sogar selber schreibst) ist nicht schänden sondern schämen. Schänden kommt von Schande, schämen kommt von Scham. Schänden erfordert einen Eingriff von außen (Man kann sich also nicht selber schänden), während schämen immer auf sich selbst bezögen ist (man kann sich zwar selbst schämen, man kann aber nicht andere schämen).

    Ich weiß, dass es kompliziert ist, wenn sich Wort mit unterschiedlichen Bedeutungen so ähnlich anhören, aber krank ist es deswegen noch lange nicht.

  76. Ähem.

    Bob, ich versuche seit ein paar Stunden zu vermitteln, dass niemand mehr so denkt. Und wenn man sagt, dass früher so gedacht worden wäre, dann setzt man voraus, dass derjenige, der mit dieser Wertung den Begriff heute noch verwendet, die Schändung des Nicht-passiven „Objektes“ Opfer impliziert. Das macht aber keiner.

    Euch stößt hier eine Sache auf, die man heutzutage allenfalls aus politischer Korrektheit nicht sagen würde, wenn man sich denn mühsam die Ethymologie aus dem Duden rauszieht, und dann so lange daran herumlaviert, bis man sich über etwas aufregen kann, was praktisch nicht existent ist.

    Wie gesagt vielleicht liegt es einfach daran, dass der Begriff in Eurem Leben anders benutzt wurde als in meinem. Ich kenne jedenfalls niemanden, der „Kinderschänder“ so verstehen würde (auch nicht mal ansatzweise) wie ihr es Euch da versucht zurecht zu legen. Und je mehr ihr darauf herumgeritten habt, desto mehr hat es mich angewidert, dass ihr weiterhin insistiert, dass es doch früher so gewesen ist und ggf. heute noch so sein könnte. Das widert mich einfach an. Es setzt meiner Ansicht nach die Opfer herab, überhaupt noch solcherlei Andeutungen zu machen. Ich meine wie ist denn das für so jemanden, wenn er hier lesen muss, dass es doch sein könnte, dass Leute in Deutschland heute immer noch denken könnten, dass sie selbst wie eine Sache behandelt worden sind bzw. nur weil solche Menschen denken, die Opfer wären keine Personen, der Begriff gewählt wurde?

    Ich weiß, was Du sagen möchtest: Sebastian, wir meinen doch aber, man sollte den Begriff nicht verwenden, weil eventuell dann jemand denkt, dass die alte Begrifflichkeit gemeint ist, und das setzt die Opfer herab.

    Ich bin der Meinung, dass umgekehrt ein Schuh draus wird.

    Nur weil ihr so gebildet seid kommt ihr überhaupt darauf. Die Bedeutung ist mMn schon längst komplett tot und je mehr ihr darauf herumreitet, desto länger hält sie sich in den Köpfen.

    Das ist wie mit der Political Correctness gegenüber Afro-Amerikanern. Je länger man darauf herumreitet, dass sie ja gerade durch diesen oder jenen Begriff eventuell vielleicht hätten beleidigt worden sein können weil um vier Ecken der Begriff irgendwann mal vorbelastet war, desto länger geht die Diskussion darüber, dass Afro-Amerikaner Menschen zweiter Klasse sind und damit schützenswert.

    So. Das war mein Punkt. Ich muss jetzt damit aufhören, darüber zu reden, sonst werd ich selbsterfüllende Prophezeiung.

  77. Sebastian

    Ich rede nicht von früher, ich rede von jetzt.
    Von der Bildzeitung z.B. die schreibt, dass eine sechsjährige auf dem Schulweg geschändet wurde und damit wohl vergewaltigt meint, dieses aber nicht schreibt. Warum schreibt Bild das nicht? Zu harmlos? Wahrscheinlich, denn in der Überschrift ging es um die Wut der Mutter gegenüber dem Täter; die Schande bleibt in der Familie. Denn dass die Schande bei dem Opfer liegt ist bei diesem Satz unstrittig, und dank des Passivs kommt der Satz gut ohne die Nennung eines – mögicherweise schandhaft handelnden – Täters aus. Ach, was sag ich Täter, das klingt so distanziert. Ein Kinderschänder ist das natürlich, denn da steckt die Emotionalität schon im Wort. und es ist so schön defus, so dass mehr Raum für Phantasien bleiben*. Und wenn die ersten Rechten schon wieder nach den Fackeln und Forchen greifen, ist die Auflage für Bild am höchsten…

    Es gibt keine alte und neue Bedeutung des Wortes, nur eine reflektierte oder unreflektierte Verwendung desselben. Es geht mir auch nicht um eine weitere Beriffsdiskussion oder um political correctness, sondern um Wertschätzung anderen Menschen gegnüber.

    Die Bezeichnung für „Afro-Amerkaner“ hat sich mit den Jahrzehnten verändert. Ich finde es unproblematisch, denn sobald man merkt, dass der gerade verwendete Ausdruck nicht erwünscht wird, entschuldigt man sich und nimmt den aktuell angesagten. Dennoch ist es offernsichtlich, dass Bezeichnungen wie artfremd oder unarisch absolut inakzeptabel sind.

    _____________________
    * das gilt übrigens sowohl für die zur Schändung geführten Handlungen des Täters, als auch für die Einschätzung durch verschieder Bevölkerungsgruppen. Pädaophile gehen z.B. mehrheitlich davon aus, dass ein Kinderschänder ein erwischter und verurteilter Sexualtstraftäter ist. Das Ausleben pädophiler Neigungen ist in ihren Augen nämlich gerade keine Kinderschändung.

  78. „Die Schande bleibt in der Familie“.

    Was für ein Quatsch.

    Bild sucht nach sensationsgeilen Worten. Die Unterscheidung zwischen Dingen und Lebenden als Ausschlußkriterium für das Wort „geschändet“ kann man doch bitte von keinem Bild-Leser verlangen.

    Niemand, absolut niemand denkt bei dieser Wortwahl daran, dass das Opfer zu einem Objekt degradiert wird außer der gebildeten Bevölkerungsschicht. Und wenn diese dann, wie Du, jetzt dann auch noch diese Aussage in eben die Richtung des Zitates schiebt, dann halte ich das für… wie wär’s denn mit schändlich?

    Wie gesagt ich kann das nur in den Bereich der Political Correctness packen. Nur wer genug Wissen hat, kommt überhaupt auf die Idee, dass es sich um eine Beleidigung/Herabwürdigung handeln kann.

    Das erinnert mich alles an Kevin Smith und „Porchmonkey“. Weil seine Eltern das die ganze Zeit gesagt haben, hielt er den Begriff für Synonym mit faulen Menschen, dabei waren faule Afro-Amerikaner gemeint. Seine Eltern haben dies aber so nicht verwendet.

    Nur wer negativ und abfällig denkt kommt auf negative und abfällige Deutungen. Nochmal: ich kann so verquer gar nicht denken, wie ihr Euch das zurecht legt. Und wenn ich nochmal in dem Thread antworte, schreibe ich demnächst „Troll“ hinter meinen Namen weil’s jetzt langsam wirklich gut ist.

  79. Ist gut Sebastian,
    beenden wir die Diskussion. Trolle sind ja auch im allgemeinen schwer zu überzeugen. Und letztendlich will ich das auch gar nicht (bin ja kein Missionar). Ich wollte nur darauf aufmerksam machen, weil ich sehr wohl denke, dass mit einer solchen Wortwahl eine gewisses Bewertung mitschwingt. Interessant ist in dem Fall allerdings, dass du echt davon ausgehst, dass „niemand, absolut niemand“ mit dem Begriff eine Abwertung des Opfers assoziert. Es zeigt, wie sehr Medien diesbezüglich schon desensibilisiert haben, denn natürlich ist es doppelzüngig zu sagen, dass man von einem Bild leser so eine Unterscheidung nicht erwarten kann und gleichzeitig behauptest, eine solche Unterscheidung existiere nicht oder wäre über die Jahre verloren gegangen.
    Ich will dass nicht bewerten, ich bebachte dass nur.
    Also, Sebastian, dank für die Diskussion und einen guten Start in den Tag…

  80. @105/SilentBob
    Trolle sind ja auch im allgemeinen schwer zu überzeugen.
    Auf den Satz habe ich gewartet. Der sagt übrigens meistens mehr über den aus, der ihn sagt, als über den, der ihm (scheinbar) gilt.

  81. \|/
    O-O
    ____oOOo_° ( ) °___oOOo_____
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    _____|________|____
    Silent Bob trollt sich…

  82. Puh. Was ist das hier für eine abstruse Diskussion!
    Sebastian, es ist ja in Ordnung, wenn Du die Vorbehalte von Amelia und SilentBob für überzogene political correctness hältst. Aber wie du daraus eine Herabwürdigung der Opfer konsturierst, ist ehrlich gesagt ziemlich haarsträubend. Wie kann man sich nur so verbeißen? Wortbedeutungen sind immer in einem gewissen Maße subjektiv. Ich persönlich halte z.B. „schänden“ in dem Zusammenhang für unnötig reißerischen Boulevarsprech, da die nüchterne Beschreibung einer solchen Tat vollkommen ausreicht, um mich zu empören. Ist aber nur meine ganz persönliche Sichtweise, die ich auch nicht jedem aufzwängen muss.

  83. Selbst kritisch mitdenken ist in jedem Medium erforderlich, beim Fehrnsehen und Formaten wie diesen natürlich in höherem Maße. Aber das lernt man heute schnell und wird Medienkompetenz genannt.

    Dass sich Blogs über solche Berichte aufregen, gehört genauso zu Blogs wie Schweinejournalismus zu bestimmten Privatsendern, ist also in gewisser Weise auch klischeehaftes Verhalten.

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