Sinn- und Besinnungslosigkeit

Erinnern Sie sich an Christian Wulff? Warum musste der eigentlich nochmal zurücktreten? Ach ja, richtig:

Sein voreiliges Postulat: „Der Islam gehört zu Deutschland“ wurde ihm zum Verhängnis.

Man kann eine Einladung zu einer Diskussionveranstaltung über kritischen Journalismus, die das behauptet, natürlich einfach wegwerfen. Wenn diese Veranstaltung aber von der Staatskanzlei Rheinland Pfalz, der rheinland-pfälzischen Landesmedienanstalt und der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltet wird und als „Medienpartner“ das ZDF und den SWR hat, kann man sich vorher vielleicht noch einen Moment lang darüber empören.

Es geht um den „MainzerMedienDisput“ (sic), der im Oktober zum 17. Mal stattfindet und von einer unabhängigen Projektgruppe vorbereitet wird. Ihr gehört unter anderem Thomas Leif an, der Chefreporter des SWR, der im vergangenen Jahr als Vorsitzender des Netzwerkes Recherche geschasst wurde.

Die Einladung ist in seinem typischen apokalyptischen Adjektiv- und Wortspielrausch verfasst und könnte in kleinen Dosen vermutlich auch als Mittel gegen niedrigen Blutdruck verschrieben werden. Sie beginnt mit dem stimmungsvollen Satz:

Auf dem 17. MainzerMedienDisput wird darüber gestritten, ob sich die Meinungsmacher im Schatten besinnungsloser Shitstorms und perfider Sozialpornos dem Sog der Unterhaltung in allen Spielarten und Mischformen überhaupt noch entziehen können.

Vermutlich würden die Autoren selbst das Wort „Holocaust“ nicht benutzen, ohne ihm sicherheitshalber noch ein negatives Adjektiv beizustellen.

Nun bin ich relativ unverdächtig, mit einem rosa-verklärten Blick auf die Medienwelt zu schauen, aber nach dem Lesen dieser Einladung habe ich das dringende Bedürfnis, sie in Schutz zu nehmen vor diesen Untergangsbeschwörern (sowie ein Apfelbäumchen zu pflanzen).

In dem Text heißt es etwa:

Welche wichtigen Themen fallen durch das Komplexitäts-Raster oder werden weggefiltert, weil sie sich nicht vereinfachen und personalisieren lassen? „Erst vereinfachen und dann übertreiben“ — heißt es sinngemäß in einer Dienstanweisung des britischen Magazins „The Economist“. Die in (geheimen) Strategiepapieren formulierte Maxime, echte Nachrichten mit seichter Unterhaltung zu verquirlen, gilt längst nicht nur für die „news“ von RTL 2 und RTL Aktuell.

Hoho, „(geheime) Strategiepapiere“! Aus denen investigative Reporter wie Thomas Leif erfahren, was jeder weiß, der in den vergangenen Jahrzehnten irgendwann mal eine Nachrichtensendung eingeschaltet hat.

Die „Dienstanweisung“ des „Economist“, die als mahnendes Beispiel für den aktuellen Verfall der Sitten von den MainzerMedienDisputanten herbeizitiert wird, ist übrigens ein Ratschlag von Geoffrey Crowther. Er war von 1938 bis 1956 Chefredakteur des Magazins.

Weiter im Einladungstext:

Wolf von Lojewski, öffentlich-rechtliches Urgestein, durfte anlässlich seines 75. Geburtstages noch davor warnen, dass Journalisten im Internet verbreitete Meinungen unhinterfragt übernehmen.

Das „durfte“ in dem Satz soll wohl heißen: Spätestens wenn Lojewski 76 wird, werden solche kritischen Stimmen verboten sein.

Und wer weiß, ob die EU bis dahin nicht Obergrenzen für Wutschaumkonzentration erlassen hat, die dann auch solches Geschnaube untersagen würden:

Ersetzt die Twitter-Intrige die genaue Prüfung der Fakten und Vorgänge, wuchert social Media zu einem Sammelbecken assozialer Ressentiments, wo der Daumen — selbstverständlich anonym — gesenkt wird, noch bevor man sich mit der Sache vertraut gemacht hat? In Zeiten „digitaler Demenz“ fragen wir, welche Informationen und Orientierungen den maximal 15 Prozent politisch Interessierten künftig noch jenseits der geschickt inszenierten Empörungswellen geboten werden können?

Man möchte aus diesem ganzen Erbrochenen gar keine einzelnen Stückchen herauspicken. Es lohnt auch nicht, denn es ist ja alles hoffnungslos: Niemand interessiert sich mehr für das, für das er sich interessieren sollte, und wenn doch, interessiert es keinen.

Wobei… doch! Hier kommt die Hoffnung:

Nicht nur für die Finanzmärkte – nein.

Hm? Ah, geht weiter.

Nicht nur für sie gilt Schumpeters′ Prinzip der schöpferischen Zerstörung.

(Wer auch immer dieser Schumpeters sein mag.)

Auch die Medienproduzenten stehen unter enormen Marktdruck der Quoten, Auflagen und der Werbeindustrie. Was kommt aus den Formatschmieden zumindest in die (Digital)-Kanäle? Wie kommt das Neue in die Welt? In einem eigenen „Innovations-lab“ fragen wir, ob man das Glaubensbekenntnis der Programm-Macher „interessant v o r relevant“ noch dementieren kann?

Es soll nicht das einzige „Glaubensbekenntnis“ bleiben:

Kein Zweifel: Medienpolitik im Schattenreich der Hinterzimmer ist Machtpolitik. Aber Macht –von wem auch immer genutzt- fordert nach den gültigen Prinzipien der parlamentarischen Demokratie — Kontrolle, Gegenentwürfe und Alternativen. Das Thatcher-Tina- Dogma „There is no alternative“ ist zwar noch das Glaubensbekenntnis vieler Programm-Manager; aus der Sicht eines zunehmend kritischeren Publikums und vieler „Radioretter“ aber längst ein Muster ohne Wert.

Wenn man nur genug Wortgeröll aufschüttet, so die Logik dieser Sätze, kann man davon ausgehen, dass irgendein Sinn darunter begraben liegt. „Muster ohne Wert“ war übrigens auch schon mal ein MainzerMedienDisputMotto. Genauer: „(Medien)-Muster ohne Wert? Medien in der Wertefalle.“ Immerhin fehlt diesmal die Floskel von den „bestellten Wahrheiten“, ohne die sonst kaum eine Leif-Veranstaltung auskommt.

Die Einladung endet mit den Worten:

Der Boulevard wird in allen Medien breiter, klitschiger und gefährlicher. Das hatte zur Jahreswende 2011/12 nicht nur der junge (Ex)-Bundespräsident Wulff zu spüren bekommen. Sein voreiliges Postulat: „Der Islam gehört zu Deutschland“ wurde ihm zum Verhängnis. Wie der Boulevard als durchgängiges journalistisches Prinzip heute funktioniert, ob (nur) BILD Monster oder populistischer Segen ist — und was aus der „Wulff-Affaire“ zu lernen ist? Das spielt der MMD in einer bunten Revue (mit anschließender Diskussion) zum Auftakt des 17. MainzerMedienDisputs am 15. Oktober durch. Wir versprechen einen „Aufreger“ mit „Gesprächswert“. Erkenntnis-Spaß mit Ecken und Kanten, der Sie hoffentlich zum Widerspruch und zur Eigenaktivität reizt. Wir „liefern“ die Reizwerte und erwarten dafür nichts: nur ihre Aufmerksamkeit.

Ich möchte meine bitte zurückhaben.

39 Replies to “Sinn- und Besinnungslosigkeit”

  1. Also bei diesem Herrn Schumpeters hat sich aber ein Ersetzungsfehler eingeschlichen, oder? Da steht

    Nicht nur für sie gilt Schumpeters‹ Prinzip der schöpferischen Zerstörung.

    Ich hatte noch überlegt, ob der Mensch Schumpeter oder Schumpeters heißen müsste. Wäre es Schumpeters, müsste im Text ja Schumpeters‘ stehen. Dann erst habe ich dieses kleine halbe französische schließende Anführungszeichen entdeckt. Da stand doch bestimmt früher mal ein Apostroph, also quasi ein einfaches schließendes (deutsches?) Anführungszeichen, oder? Das ist vielleicht beim ersetzen normaler Anführungszeichen durch diese französischen abhanden gekommen, könnte ich mir vorstellen.

    Inhaltlich habe ich nichts zu sagen. Muss ja auch nicht sein.

  2. APOKALYPSE! Alles wird immer schlimmer! Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie mal war. Dafür reicht das Wort „Kulturpessimismus“ schon gar nicht mehr,da möchte man gleich ein „heil, halt und sinnloser“ davorstellen.

  3. „Nun bin ich relativ unverdächtig, mit einem rosa-verklärten Blick auf die Medienwelt zu schauen…“

    …bei dem Thema ganz sicher nicht unverdächtig, eher rosa, genau wie die Leserschaft hier. Ich schätze die Zustimmung auf diesen Blogeintrag pendelt sich nach über 100 Kommentaren bei etwa 90% ein.

  4. @7: Sicher? Da steht doch Schumpeters‘ Prinzip. Also müsste es das Prinzip einer Frau oder Herrn Schumpeters sein. So wie Dieters Prinzip das Prinzip des Dieter ist. Oder Thomas‘ Prinzip das Prinzip des Thomas. Oder wie, oder was?
    :-)

  5. @8/Dieter: Ja, ja, ihr habt ja alle recht (echt!) und hätte ich Hannas Kommentar schon vor Absenden meines Kommentars zu Ende gelesen gehabt, hätte ich gemerkt, dass der hier wieder nur Sprachschleimscheißerei betrieben wird.

  6. OH MEIN GOTT, WIR WERDEN ALLE STERBEN!!

    Weißt Du, welche Drogen benau und wieviel der nimmt?

  7. Wenn einer nicht aufhören mag, sich an den eigenen Wortkaskaden zu ergötzen – that´s Leif.

  8. Nicht nur meine Oma – nein. Nicht nur meine Oma hat Arthritis. Auch ich finde es oft befremdlich, was ich im Internet lese.

  9. Um die Anführungsstrich-Apostrophfrage aufzugreifen: Sind französiche nicht <come ci, come ca> während deutsche >so und so< sind? Oder ist es umgekehrt? Wer hat eine Eselsbrücke?

    Und was macht die Software daraus – wird es wie in der Vorschau aussehen?

    Aber Macht … fordert … Kontrolle, Gegenentwürfe und Alternativen.

    Macht fordert Gegenentwürfe und Alternativen? Das ist bestimmt so gemeint, dass es etwas bedeuten soll – vielleicht würde man bei der Veranstaltung erfahren, was.

    Ist „klitschiger“ eine ultracreative Fusion von glitschig und kitschig, oder bezieht es sich auf die Klitschkos?

    Ist das zunehmend kritischere Publikum vom Ende das gleiche, für dass anfangs noch alles boulevardesker wurde?

    Jedenfalls wissen wir doch alle, dass Wulff zurücktreten musste, weil er die Bundeswehrreform versemmelt hat.

    In erster Linie braucht es mal bessere Kochsendungen und Innovatives aus deutschen Zoos.

  10. @Stefan W.: Die Bundeswehrreform hat aber der Freiherr zu Guttenberg »versemmelt«, das kann man dem netten Herrn Wulff nicht auch noch anlasten ;-)

  11. Ach ja, früher, da war alles besser und die Welt in Ordnung.

    Und dann kam der plöde Urknall ….

  12. „100 Kommentare“ war wohl zu optimistisch, eigentlich gibt es gar nichts zu diskutieren, wie #1 schon feststellte. Null Prozent Gegenstimmen, alle sind der Meinung, die These „Wulff hat sich mit diesem Satz den Mob zum Feind gemacht“ gehöre in den Papierkorb. Dass die Mehrheit der Deutschen rot sieht, sobald es um „solche“ Themen geht und für keinen Einwand mehr zugänglich ist, stört offenbar nicht weiter. Sehr blauäugig, man könnte auch sagen, auf dem rechten Auge blind, auch hier.

  13. „Nun bin ich relativ unverdächtig, mit einem rosa-verklärten Blick auf die Medienwelt zu schauen …“

    @ Herr Niggemeier

    Dass Sie sich mit Ihrer sexuellen Ausrichtung bei der Sie ansonsten ja absolut keinen Humor besitzen, auch mal selbst auf die Schippe nehmen, finde ich gut.

  14. @ Inga
    Also ich fand den gut. Gerade weil er von der bei diesem Thema mächtigen Spaßbremse Niggemeier kam. Ernsthaft.

  15. @Stefanolix:
    Die Bundeswehrreform hat aber der Freiherr zu Guttenberg »versemmelt«, das kann man dem netten Herrn Wulff nicht auch noch anlasten ;-)

    Nein, wirklich? Nicht möglich!

  16. @ Inga

    Sie müssen sich auch nicht gierig geifernd empört ausschließlich auf das Wort rosa stürzen. Lesen Sie den ganzen Halbsatz. Nehmen Sie die Worte unverdächtig und Medien mit in sich auf. Denken Sie dann an Niggemeier, seinen ernsthaften Umgang mit dem Thema Homosexualität, seinen letzten Artikel zu diesem Thema. Und dann finde ich den Halbsatz aus seiner Feder einen gelungenen Witz und gratuliere – natürlich ernsthaft – zu diesem sich selbst auf die Schippe nehmen.

  17. @starkstromliesel:
    Ich glaube nicht mal, dass es eine Anspielung sein sollte, denn der „rosa-verklärte Blick“ oder die „rosarote Brille“ existieren durchaus als eigenständige Begrifflichkeiten auch ohne Zuordnung zur Sexualität.
    Und was des Hausherren ernsthaften Umgang mit dem Thema angeht: Ich finde, er macht es genau richtig. Er zeigt offen zutage tretende oder auch nur latent vorhandene Vorurteile, Sprachseltsamkeiten und / oder homophobe Tendenzen auf, benennt sie und macht deutlich (mir auf jeden Fall, aber sicher auch anderen), wo wir uns – oft ungewollt – auf ein sehr dünnes Eis begeben, gedanklich wie sprachlich.
    Grade das Altmaier – Thema ist ein gutes Beispiel dafür. Mir hat der Artikel und auch der Kommentarstrang darunter sehr viel weiter geholfen bei meiner Art und Weise über diese Themen zu denken.

  18. Tja, wie lange soll das nun so gehen, mit der Homosexualität? Vielleicht sollten Sie, Herr Niggemeier, den Kommentarstrang bei dem „Homo-Artikel“ wieder öffnen, quasi als Meinungsdeponie für alle, die noch was dazu zu sagen haben.

  19. Ne Inga,

    der war nichts. Von Ihnen hätte ich jetzt doch etwas mehr Feinsgeist und Tiefsinn erwartet.

  20. Sinn- und Besinnungslosigkeit

    Dieser Blogeintrag: Mal wieder ein echter Niggemeier. Es geht los, dass er uns einlädt, uns zu „empören“. Worüber eigentlich? Erinnern Sie sich? Ach ja, richtig: Es geht um den »MainzerMedienDisput« (sic), der im Oktober zum 17. Mal stattfindet und von einer unabhängigen Projektgruppe vorbereitet wird. Ihr gehört unter anderem Thomas Leif an, der Chefreporter des SWR …der im vergangenen Jahr als Vorsitzender des Netzwerkes Recherche geschasst wurde. Aha, klingt schlimm, aber was hat das mit dieser Textkritik zu tun? Das erfahren wir leider nicht mehr, denn der Blogeintrag ist in seinem typischen Wortspielrausch verfasst. Gleich wird kritisiert, dass in der Einladung zu dem Dings den Wörtern „Shitstorm“ und „Sozialporno“ „besinnungslos“ und „perfide“ hinzugefügt wurden. Vor dieser Kritik wird aber der „Wortspielrausch“, in der die Einleitung verfasst wurde, aber noch als „apokalyptisch“ bezeichnet. Ups, Godwin’s Law, es wird ein Holocaust-Vergleich angebracht. Worum geht es? „Hoho“, da nimmt es jemand mit seinen Beispielen nicht so genau. Außerdem werden in der Einladung die Zeiten nicht konsistent verwendet. Am Schluss wird auch noch ein Apostroph falsch gesetzt! Nun wird der Text als „Erbrochenes“ bezeichnet. Gut, dass die EU noch keine Obergrenzen für Wutschaumkonzentration erlassen hat, die solches Geschnaube wie diesen Blogeintrag untersagen würde: Dann hätten wir nie erfahren, dass die Einladung für den Dings doch tatsächlich ein MainzerMedienDisputMotto recycelt. Diese Kritik ist gut recherchiert. Hm? Ah, geht weiter. Es wird noch mal kräftig kopiert. Spricht wohl für sich. Tja, wenn Medienkritiker die Medien von Medienkritikern kritisieren, in denen die Medien kritisieren, ja dann… muss natürlich auch Kritik an der Medienkritiker-Kritik erlaubt sein. Deshalb nun meine Medienkritiker-Kritik-Kritik: Eine derartig oberflächliche Auseinandersetzung mit einem Text schreit nach einer Parodie – oder soll der Text bereits eine Persiflage auf die in der Einleitung zum MainzerMedienDings bekrittelten besinnungslosen Shitstorms, perfiden Sozialpornos, digitale Demenz, Erbrochenem, Wortgeröll, BILD-Monstern, apokalyptischen Wortspielrausch, Reizwerte, und Schumpeters darstellen?

  21. @nothing: So hilfreich es natürlich ist, für faule Leserinnen und Leser noch mal den Blogbeitrag zusammengefasst mit den eigenen Worten wiederzugeben, finden Sie Ihre Auseinandersetzung mit dem Text nicht ein bisschen oberflächlich, wenn Sie es dabei belassen, anstatt auszuführen, was genau Ihnen jetzt eigentlich nicht daran passt? Ansonsten hätte doch das übliche „Ich verstehe die Aufregung nicht“ völlig ausgereicht.

  22. Sänger würden viel dafür geben, eine unverwechselbare Stimme zu haben, die man immer sofort heraushört; Maler arbeiten quasi ihr Leben lang daran, einen ganz eigenen charakteristischen Stil zu finden, der sie von anderen abhebt. Insofern ist die Aussage, der Blogbeitrag sei „ein echter Niggemeier“, ein großes Kompliment. Bin nicht sicher, ob das von Kommentator #28 so intendiert war.

    Sorry, inhaltlich habe ich nichts beizutragen. Ich verstehe aber die Aufregung nicht… ;)

  23. Gibt es eigentlich noch die Mainzer-Medien-Tage? Die waren doch früher immer ganz lustig, wenn Helmut Markwort (ausgerechnet!) die Protagonisten der Privaten und der öffentlich-rechtlichen auf einer großen Bühne versammelt hat. Da saßen immer 10-12 oder noch mehr Figuren und jeder durfte in 2 Stunden einen Satz sagen. Und der Georg Kofler hat sich immer fürchterlich über die bösen offentlich-rechtlichen aufgeregt, die Gebühren bekommen unf trotzdem Werbung machen. Ganz brav und artig war immer die Anke Schäferkordt, die nie suf die provokativen Fragen von Markwort eingegangen ist.

  24. In dieser Einladung, in den Filmen wie auch in der Talkshow werden Impertinenz mit Furchtlosigkeit, wahlweise verschwörungstheoretischer Quark aus dem Netz oder gut abgehangene Dokumente aus den Schubladen von Staatskanzlei RP oder Brandt-Haus mit exklusiv-investigativer Recherche und bigotte Voreingenommenheit mit letztgültigen Wahrheiten gleichgesetzt. Psychologisch wirkt der Fall klar (oder „k l a r“, um im Insidern aus geheimen Strategiepapieren bekannten Schriftgebrauch des „Chefkorrespondenten“ zu bleiben) und im Grunde traurig: denn das mit der „Aufmerksamkeit“ ist sehr, sehr persönlich gemeint. Weil sich solche Menschen sich grundsätzlich nie a n g e m e s s e n gewürdigt fühlen, werden sich immer lauter, immer schriller, immer aggressiver, auf dass die Anerkennung oder, wenigstens irgendeine Reaktion ihrer Umwelt, kommen möge. Und wer immer im Recht ist, immer auf der richtigen Seite, bei dem heiligt der Zweck dann gerne die Mittel, in der journalistischen Praxis wie im Verbandswesen.

    Mit Widersprüchen in der Argumentation, Hinweisen darauf, dass sich die Realität journalistischer Praxis (wie auch Politik und Gesellschaft allgemein) nicht in simplen schwarz-weiß, gut-böse-Kategorien fassen lässt, oder Appellen an Prinzipien der Fairness kann man sich schon gar nicht aufhalten.

    Kaum jemanden (außer Leif) dürfte die Komik entgehen dass er sich ausgerechnet mit solchen Einladungstexten (in Abgrenzung zu den „reißerischen“ Kollegen des Boulevard!!!), mit axolotl roadkill-haften Sachbuch-Collagen und dem stolz vor sich hergetragenen Professorentitel als Sachwalter von Aufklärung, solider Recherche und differenzierter Argumentation inszeniert, Effekthascherei und Inhaltsleere kritisiert. Teils schockiert, teils belustigt und die Konfrontation scheuend lassen ihn Branche und (Sender-)Kollegen machen. Sie tun der Sache keinen Gefallen, und ihm auch nicht.

  25. Hier Textkritik zu betreiben, ist doch so sinnvoll, wie sich über den
    Zuckergehalt von bubble tea zu ärgern. Weder dem Macher noch den Sponsoren geht es primär um Erkenntnisgewinn. Der Inhalt ist Mittel zum Zweck (bzw. verschiedenen Zwecken) und insofern selbstverständlich modellierbar (Hauptsache es knallt!), sich aufklärerisch gebende Kritik bleibt – im Wertegerüst vorsehbar irgendwo zwischen Beck, Nahles und der Medienkritik der frühen 1990er verortet – Attitüde. In der Summe stabilisiert das, was sich als Stachel im System geriert, dasselbige. „Der Leif, der traut sich was!“ Gut, dass wir darüber geredet haben. Das Buffet ist eröffnet.

  26. Der Terminus »digitale Demenz« ist freilich recht herzig – obwohl er eigentlich eine andere Bedeutung innehat als im angeführten Konnex.

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