Leistungsschutzrecht: Eine Frage der Ehre?

Zurückrudern ist noch nicht olympisch, aber Christoph Keese übt schon mal in der Disziplin Einer ohne Steuermann. Der Außenminister der Axel-Springer-AG behauptet in seinem privat betriebenen Dienst-Blog jetzt nicht mehr, dass das geplante Presse-Leistungsschutzrecht unproblematisch sei, sondern nur noch, dass es nicht unbedingt problematisch sein müsse, wenn die Rechteinhaber verantwortungsvoll damit umgingen.

Am vergangenen Freitag hatte er noch geschrieben: „In Wahrheit müssen Blogger das Leistungsschutzrecht nicht fürchten (…).“ Heute schreibt er unter der Überschrift: „Keine Abmahnwellen, faire Preise! Wie das Leistungsschutzrecht genutzt werden sollte“ — was implizit wohl bedeutet, dass solche Abmahnwellen theoretisch sehr wohl denkbar wären.

Keeses neuer Text ist ein Appell:

Das Leistungsscutzrecht (sic) für Presseverlage sollte von Verlagen und Bloggern verantwortungsvoll genutzt werden. Dazu gehört, dass die Rechte schnell und unkompliziert geklärt werden können, dass harmlose Nutzer weder kriminalisiert noch mit Abmahnwellen überzogen werden und dass es attraktive Preise gibt. (…)

Harmlose Blogger, die hin und wieder Texte von Verlagen übernehmen, dabei manchmal die Grenzen des Zitierens überschreiten und nebenbei ein bisschen Werbung auf ihren Seiten verkaufen – diese Kreativen sollten völlig angstfrei mit den Leistungen der Verlage umgehen können. (…)

Wer keine Lust hat, eine Flatrate abzuschließen, aber trotzdem weiter kopiert, wird nicht mit Abmahnwellen überzogen, sondern bekommt ab und zu neue Vertragsangebote. Er ist ein potentieller Kunde und sollte nett behandelt werden. Überhaupt sollte das Leistungsschutzrecht nicht mit Abmahnwellen durchgesetzt werden. (…)

Tweets und Links, auch Linksammlungen, beleben das Netz. Man sollte nicht den Leuten nachsteigen, die dieses Leben ins Netz bringen.

Man sollte nicht, sagt Keese, aber er bestreitet nicht, dass man es mithilfe des neuen Leistungsschutzrechtes könnte.

Der Text ist nicht nur ein unterschwelliges Eingeständnis, wie weitreichend und potentiell zerstörerisch die Folgen einer Monopolisierung der Sprache ist, wie sie der Entwurf vorsieht, der auch kleinste Teile eines Presseerzeugnisses schützt. Er erfordert von den Lesern und Betroffenen auch, den Verlagen Maß, guten Willen und Verlässlichkeit zuzutrauen.

Dazu besteht kein Anlass.

Nicht nur wegen Fällen wie dem des Regisseurs Rudolf Thome, dem der „Tagesspiegel“ nachstieg, weil er ohne Genehmigung zwei alte Kritiken über Filme von ihm auf seine Website gestellt hatte. Fast tausend Euro kostete ihn die Abmahnung der Zeitung, für die er früher selbst geschrieben hat.

Sondern zum Beispiel auch wegen der Sache mit den Gemeinsamen Vergütungsregeln. Laut Urheberrecht hat ein Urheber einen Anspruch auf „angemessene Vergütung“. Um die zu bestimmen, gibt es im Gesetz seit 2002 das Mittel der „gemeinsamen Vergütungsregeln“, auf die sich etwa Journalisten- und Verlegerverbände einigen müssen.

Acht Jahre haben danach die Verhandlungen gedauert, bis beide Seiten sich endlich auf einen zweifelhaften Kompromiss mit Mindesthonoraren für Freie Zeitungs-Journalisten geeinigt haben. 2010 traten sie in Kraft. Doch laut dem Verband Freischreiber (bei dem ich Mitglied bin) hält sich die Mehrzahl der Verleger einfach nicht daran.

Freie Journalisten, die auf die Einhaltung der Regeln pochen, bekommen nicht selten keine neuen Aufträge mehr. Der Gang vor Gericht ist für den Einzelnen nur machbar, wenn er dem Auftraggeber ohnehin den Rücken kehren will — eine Verbandsklage zur Durchsetzung der Regeln ist nicht vorgesehen.

Ein Verlegerverband wies seine Mitglieder 2010 darauf hin, dass die Gemeinsamen Vergütungsregeln „nicht zwingend von den Verlagen angewendet werden [müssen]. Die Vergütungsregeln nicht anzuwenden, kann nicht sanktioniert werden.“ Und weiter:

Die Gemeinsamen Vergütungsregeln besitzen nicht die „Qualität“ eines Tarifvertrages. Zeitungsverlage können ihre hauptberuflich freien Journalisten nach der Honorartabelle bezahlen und gelangen dann in den „Genuss“, dass diese Vergütung für journalistische Tätigkeit als angemessen im Sinne des Urheberrechtsgesetzes gilt.

So kann man das also formulieren: Viele Zeitungsverlage verzichten auf die Möglichkeit, in den Genuss zu kommen, ihre freien Journalisten angemessen zu bezahlen.

Auch die Nutzungsverträge und Geschäftsbedingungen, die die Verlage den Urhebern diktieren, verstoßen vielfach gegen geltendes Recht.

Der „Journalist“, das Verbandsorgan des DJV, berichtete im vergangenen November:

Rund ein Dutzend Verfahren führen der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) und die Deutsche Journalisten-Union (dju) in ver.di unter Führung des DJV derzeit. Die Verlage kassieren dabei eine Niederlage nach der anderen, geben aber oftmals nicht auf, sondern ziehen vor die nächsthöhere Instanz. Würde Realität, was Verleger durchsetzen wollen, wäre das das Ende des Urheberrechts, wie wir es hierzulande kennen.

Die Schuldigen sind die vermeintlich renommiertesten Verlage der Republik. Sie kassieren für ihr Vorgehen Urteile, in denen Sätze stehen wie: „Dass von zwingendem Recht nicht abgewichen werden darf, bedarf eigentlich keiner Erwähnung.“ Es wirkt wie ein fast flächendeckender, systematischer Versuch des Rechtsbruchs.

Ironischerweise sagen Verlage wie Springer, sie müssten die Urheber (rechtswidrig) enteignen, weil es ja kein Leistungsschutzrecht gibt. Auch Christoph Keese nennt als Argument für das Leistungsschutzrecht für Verlage, dass man dann den Urhebern nicht mehr so viele Rechte wegnehmen müsste — eine Argumentation, die auf die Logik hinausläuft: Gebt uns ein neues Recht, damit wir das Recht nicht mehr brechen müssen.

Im Entwurf für das neue Leistungsschutzrecht steht übrigens der Satz: „Der Urheber ist an einer Vergütung angemessen zu beteiligen.“ Was das Wort „angemessen“ für Verleger bedeutet, wissen viele freie Journalisten.

Und damit zurück zu Christoph Keese und seinem doppelten Appell: An seine Kollegen in den Verlagen, maßvoll zu sein, und an die Betroffenen, von einem maßvollen Vorgehen der Verlage auszugehen.

Wenn das Leistungsschutzrecht nur ungefährlich ist, solange die deutschen Verlage sich gutwillig, vernünftig, zurückhaltend und maßvoll verhalten, muss man dieses Gesetz fürchten.

52 Replies to “Leistungsschutzrecht: Eine Frage der Ehre?”

  1. Ich zitiere nur mal auszugsweise den Herrn Keese: „… sollte … können … sollten … sollte … sollte … sollte … sollte …“ Dieser Potentialis-Wildwuchs stammt aus nur einem Absatz seiner sprachlich arg bemühten Goodwill-Tour dort oben.

    „Mit so ’nem Geseire kannst du dir den Mors abwischen“, sagte mein Großvater in solchen Fällen. Und das war ein kluger Mann …

  2. Ein Gesetz – so übel es auch in seinen Auswirkungen ist – sollte eigentlich eine gewisse Rechtssicherheit bringen. Wenn man nun völlig der Willkür derer, die es als Kaperbrief verliehen bekommen haben, ausgesetzt ist, ist das meiner Meinung sogar noch schlimmer, als wenn wenigstens für alle die gleichen beschissenen Regeln gelten. Wer nicht in den „Genuss“ des Gesetzes kommen will, wird sich schön ducken, wer nicht genehm ist, wird abgestraft. Irgendwas findet sich immer.

  3. Hallo Stefan,

    das Grundrechtenetzwerk hat ein Projekt entwickelt, mit welchem man dieser Geschichte u.U. entgegensteuern kann, falls sich dazu Mitstreiter finden. Wenn Du Zeit und Lust hast, schau es Dir mal an und vielleicht hast Du dazu eine Meinung.

    Gruß von um die Ecke,
    Ingmar

  4. Was der Herr Käse hier erzählt ist in meinen Augen die gleiche Grütze, die wir vor ein paar Jahren von unserer ehemaligen Justizministerin gehört haben, von wegen niemand hat die Absicht, die Schulhöfe zu kriminalisieren. Passiert ist natürlich auch was anderes.

  5. Ist zwar eine andere Baustelle, aber ich bin immer noch wütend und schockiert wie offensichtlich sich die Parteien ein Gesetz von einerm Lobbyverband diktieren lassen. Jaja, das ist alle nichts neues, aber normalerweise sind die Jubelarien weit weniger öffentlich.

  6. Ich habe an anderer Stelle schon mal meine Anahme gepostetet, dass selbst eine Frau Merkel es sich wohl nicht so ohne weiteres leisten kann, ein den Medien bereits zugesagtes Leistungsschutzgesetz nun einfach so wegfallen zu lassen. Das Ganze ist vermutlich ein dosiertes Rückzugsgeplänkel a la Merkel und Co.. Frei nach dem Motto, „du sollst den Medien nicht widersprechen – warte bis sie es selbst tun“. Es wird wahrscheinlich nicht mehr allzulange dauern, bis die Auswirkungen eines solchen Gesetzes auch von Herrn Keese und Herrn von Klaeden verstanden werden… (Naja, obwohl die Entwicklung bei Herrn Keese gerade den Anschein erweckt – so ganz sicher bin ich mir denn doch noch nicht :-))

  7. Das ist das Ordnungsdenken der Neoliberalen: Die Freiheit der Eliten schützen und ausbauen, indem die Produktionsmittel gesichert werden, komme was wolle, das unter dem Deckmäntelchen des Wettbewerbs und der Bewahrung des Gesetzes. Für die anderen bleibt übrig: Die Hoffnung, dass die Eliten rational denkende und gnädige Herren sind.

    Ohne die bösen Blogger, würde Keese keinen Blog betreiben können. Das und viele andere Erungenschaften des Internet ist nicht sein Verdienst.

    Was schreib ich hier eigentlich?

  8. „Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“

    Das war bei Call-in so und wird hier auch so sein.

  9. Es gab doch wohl Faelle, wo die Abmahnindustrie *von sich aus* Abmahnungen verschickt und gar nicht offizielle von den Verlagen beauftragt war, bzw. deren Auftrag pauschal und diffus waren. Natuerlich werden Blogger an- und abgemahnt auch wenn SPON grosszuegig sagt, dass sie nichts gegen zitieren haben. Mag sein, dass das nach 1-3 Grundsatzurteilen vom Tisch ist aber die muessen erstmal erstritten werden. Zwischen ‚den Verlagen‘ und ‚den Bloggern‘ steht die anwaltliche Abmahnindustrie und die werden solange wie irgend moeglich ihrem Einkommen nachgehen. Und das muesste klargestellt werden, denn jede gesetzliche Unsicherheit muss dann erst juristisch geklaert werden.

  10. Ich komm mir da wieder wie den alten Zeiten mit Lehensherren vor. Wir sind der Gnade der oberen Herren ausgesetzt. Und wenn sie mal keinen guten Tag haben gibt es keine Möglichkeit dagegen zu sprechen.
    Wenn es schon darum geht, dass ein Gesetz etwas zulässt was nicht sein sollte ist es eben zu weit gefasst. Mir fehlt desweiteren auch das Positive für die eigentlichen Urheber. Man liest immer nur von Verlagen und Verlegern die ja auch nur Profit mit anderer Leute Werken machen.
    Ich würde jedem Journalisten der sich Mühe mit seinen Artikeln gibt mehr Geld in der Tasche von Herzen gönnen, aber alles worüber geredet wird sind Verleger, Verleger, Verleger.
    Und wie hier schön geschrieben wurde ist das Wohl der schaffenden Zunft nicht unbedingt oberste Priorität der Verlage.

  11. Das erinnert mich stark an die „freiwillige Selbstkontrolle der Wirtschaft“ (und an Feudalsystem). – Was für ein Hohn!

  12. Schön argumentiert. Zentrale These: Ein Gesetz, das von ethischen und wirtschaftlichen Grundsätzen begleitet wird, muss gefährlich sein. Ersetzen Sie in Ihrem Text „Leistungsschutzrecht für Presseverlage“ durch „Leistungsschutzrecht für Tonträgerhersteller“ und Sie kommen zum selben Ergebnis. Oder durch „Lauterkeitsrecht“ und daraus wird ein Angriff auf das Wettbewerbsrecht. Sie können Ihr Argument gegen nahezu jedes beliebige Gesetz werden.
    Was in Ihrem Text fehlt, ist die Auseinandersetzung mit dem Wortlaut der amtlichen Begründung. Sie halten konkrete Formulierungen für gefährlich? Formulieren Sie einen Gegenvorschlag – Wort für Wort. Das Parlament wird das Gesetz mit einem eigenen Kommentar begleiten, der in der Rechtsprechung später vermutlich noch mehr Gewicht haben wird als die Regierungsbegründung. Dort können Ihre Vorschläge einfließen.
    Zur Angemessenheitsklausel: Die Auseinandersetzung darüber, das „angemessen“ heißt, nennt sich Tarifautonomie. Fordern Sie die Abschaffung der Tarifautonomie? Möchten Sie, dass der Gesetzgeber Tarifbedingungen hoheitlich festsetzt? Effizienter wäre das – da haben Sie Recht: keine Streiks mehr, keine Tarifverhandlungen, keine Aussperrungen. Leider aber auch viel weniger Freiheit.

  13. @16/Christoph Keese:

    Die von Ihnen gelobte Freiheit ist zurzeit leider sehr einseitig verteilt. Verlage diktieren ihren freien Mitarbeitern in vielen Fällen ein Zeilengeld, das die Kosten kaum deckt und nicht annähernd in der Nähe der von Gewerkschaften und Verlegerverbänden vereinbarten Vergütungsregeln liegt. Soviel zum Thema Tarifautonomie und Vertragstreue der Verlegerseite.

    Wer sich gegen geradezu sittenwidrige Zeilenhonorare wehrt, erhält weniger bis keine Aufträge. Es gibt doch nun wirklich genug gerichtliche Auseinandersetzungen, die belegen, dass in unserer Branche der Arbeitsmarkt zur Farce geworden ist, weil die Arbeitgeberseite einseitig alle Trümpfe in ihrer Hand hält und dies auch weidlich ausspielt. Und da erwarten Sie allen Ernstes, dass man den Verlegern vertraut, dass sie ihre Machtposition nicht ausnutzen? Haben sie ja bisher auch nie getan, gell?

    Disclaimer: Ich bin festangestellter Redakteur, habe aber jahrelang als freier Reporter gearbeitet.

  14. @Christoph Keese: Nee, jetzt, oder? Wissen Sie wirklich nicht, was man hierzulande unter „Tarifautonomie“ zu verstehen hat oder tun Sie nur so? Ganz kurz und in einfachen Worten: Die Tarifparteien dürfen ihre Tarifverträge frei verhandeln, ohne dass sich der Staat einmischt. Danach müssen sie sich aber für die vereinbarte Laufzeit dran halten (oder kündigen), deswegen heißt das Ding auch Tarifvertrag und nicht Tarifwischiwaschi.

  15. Ergänzung, weil ich gerade sehe, dass das missverständlich sein könnte: Herr Keese ist der Meinung, dass allein die Forderung an die Verlegerverbände, sich an ihre eigenen Vereinbarungen zur fairen Vergütung zu halten, eine Absage an die Tarifautonomie darstellt. Demgegenüber gibt es aber Branchen, in denen nicht nur nette Goodwill-Vereinbarungen verkündet werden, sondern richtige Verträge ausgehandelt und abgeschlossen werden. In der Argumentation Keeses wurde also in diesen Branchen die Tarifautonomie abgeschafft. Mannmannmann.

  16. @Christoph Keese: Nein, das ist nicht meine zentrale These. Meine These ist, dass die Verlage das Vertrauen, um das Sie jetzt bitten, in den vergangenen Jahren vollständig verspielt haben.

    Ich halte nicht konkrete Formulierungen für gefährlich. Ich halte es für gefährlich, sich darauf zu verlassen, dass sich die Verlage zurückhaltend und maßvoll verhalten, wie Sie es anregen.

    Ich argumentiere gar nicht grundsätzlich. Ich argumentiere ganz konkret, was das Restvertrauen in die Vernunft und Zurückhaltung und Vertrauenswürdigkeit von Verlagen wie Ihrem angeht. Fragen Sie mal die Leute vom DJV, die acht Jahre lang mit Leuten wie Ihnen über die „angemessene“ Vergütung verhandelt haben, die Urhebern laut Gesetz zusteht; die den traurigen Kompromiss dann als Erfolg für die Urheber verkauft haben und die nun feststellen müssen, dass sich Verlage wie Ihrer nicht einmal daran halten.

    Es ist ja rührend, wie sehr Sie sich an Vergleiche mit der Tonträgerindustrie klammern, obwohl die Unterscheidung zwischen Leistungsschutzrecht und Urheberrecht im Fall von Musik deutlich unproblematischer ist. Aber sind Sie sicher, dass Sie sich die Tonträgerindustrie zum Vorbild nehmen wollen? Weil es der so blendend geht? Weil deren Akzeptanz bei den Kunden so hoch ist? Oder warum nochmal?

    Ich formuliere Ihnen gerne einen Gegenvorschlag, Wort für Wort. (Auch wenn das fast so verzweifelt klingt wie der Regisseur des missratenen Films, der dem Kritiker zuruft, er soll es erst einmal besser machen, Szene für Szene.) Der Gegenvorschlag lautet:

    Wir brauchen kein Presse-Leistungsschutzrecht. Mein Vorschlag für ein Leistungsschutzrecht ist kein Leistungsschutzrecht. Weil es keines der Probleme der Verlage löst. Und dafür viele neue schafft.

  17. @Christoph Keese
    »Ein Gesetz, das von ethischen und wirtschaftlichen Grundsätzen begleitet wird, muss gefährlich sein.«

    Nein, muss es nicht und das wissen Sie auch. Aber Sie haben die, Ihre eigene, Moral vergessen.

  18. @23″eigene Moral vergessen“

    „Niemand wird besser bezahlt, weil er ein moralischer Mensch ist…“[….] „Kapitalismus an sich ist keine moralische Veranstaltung“, sagt zumindest der Philsoph Professor David Precht. Kapitalismus benötigt zwar den moralischen Menschen, also jemanden der moralisch genug ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen und seine Schulden zu bezahlen, weil ansonsten zumindest das Finanzsystem nicht mehr funktionieren würde…
    (für ungeduldige ab Min 20):
    http://www.br.de/fernsehen/bayerisches-fernsehen/sendungen/lesezeichen/lesezeichen-gespraech-precht100.html

  19. @Christian (21): Kleine Anmerkung: Da droht fest angestellten Redakteurinnen und -euren die Kündigung. Denn die weigern sich, von der AG in eine (achtung, gleich kommt’s) nicht tarifgebundene GmbH zu wechseln.

    @topic: Leider lässt Herr Keese außer Acht, dass sich hinter Tor 3 die Alternative „gar kein LSR“ verbirgt.

    Ich nehme Tor 3.

  20. Kurze Nachfrage an Auskenner:

    Bei der ersten Anhörung zum Leistungsschutzrecht für deutsche Pressekonzerne (Audiomitschnitt) wurde von Verlegerseite doch gesagt, dass kleinste Bestandteile von Sprache – Wortfolgen, Wörter – nur dann monopolisiert werden, wenn sie mit dem Markennamen eines Verlags in Verbindung gebracht werden.

    Also zum Beispiel:
    # Koalition einigt sich auf Leistungsschutzrecht darf jeder veröffentlichen
    # Für Koalition einigt sich auf Leistungsschutzrecht mit Hyperlink auf welt.de ist Leistungsschutzgeld an den Axel-Springer-Konzern fällig

    Wenn dem so ist, sind die Konsequenzen wahrscheinlich folgende:

    (1) Suchmaschinen und Aggregatoren wie rivva.de nehmen deutsche Verlagsangebote aus dem Index. (2) Keiner verlinkt in Sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook auf Verlagsangebote (außer die Verlagsaccounts selbst natürlich). (3) Wenn man Bezug auf einen Verlagstext nehmen möchte, paraphrasiert man ihn und umschreibt das Verlagsangebot mit beispielsweise Zeitung aus dem süddeutschen Raum für SZ oder menschenverachtende Unsinnsschleuder für Bild / Welt etc. (4) Blogger bloggen meist ohnehin unter freier CC-Lizenz, sicherheitshalber könnten sie aber explizit angeben, dass sie das Leistungsschutzrecht nicht in Anspruch nehmen, am besten maschinenlesbar im HTML-Header.

    Somit können die Altverlage unbehelligt und zügig aussterben. Denn im selben Zeitraum werden neue Angebote im Netz entstehen. Oder?

  21. Bin ich der einzige, der in dem Begriff „Harmlose Blogger“ eine ziemlich heftige Drohung sieht? Nämlich dahingehend, was die Verlage mit einem machen können — und das leugnet also nicht einmal Keese — , wenn sie einen von „harmlos“ auf „kritisch“, „lästig“, „investigativ“, „konkurrierend“ oder auch nur „überwiegend harmlos“ heraufstufen?

  22. „Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage.“ (Mephisto)
    So wirkt das Vorgehn der Verlage.
    Wenn das Beste vom Käse die Löcher sind,
    dann frag ich mich schon, wer hier eigentlich spinnt .

  23. @Anderer Gregor:

    Erinnert ein wenig an die Beschreibung der Erde in „Per Anhalter durch die Galaxis“: „Größtenteils harmlos“. Und dann wurde sie doch zerstört. Keine guten Aussichten – wie auch beim Leistungsschutzrecht.

  24. Herr Keese …

    Ein Gesetz, das von ethischen und wirtschaftlichen Grundsätzen begleitet wird, muss gefährlich sein.

    Es KANN gefährlich sein, und in diesem Fall IST es das auch. Natürlich nicht für Sie als festangestellter Mietkuli. Auch nicht für den, der sie dafür bezahlt, das zu schreiben, was er will.

    Darf ich Sie auf zwei Dinge hinweisen:
    1. Das mit Abstand wirtschaftlichste Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist die Sklaverei: Der Arbeitgeber zahlt keinen Lohn (senkt also seine Lohnkosten so weit herunter, wie es nur geht), deckt gerade eben den notwendigsten Bedarf an Ernährung, Kleidung und Behausung für seine Sklaven (das senkt die Lohnnebenkosten massiv), und wenn er nicht genug Arbeit hat oder es ihm gewinnversprechend erscheint, verkauft er den Sklaven an jemand anderen und holt sich einen billigen neuen und vor allem jungen Sklaven, mit dem er das gleiche macht. Wirtschaftlich hochgradig sinnvoll.
    Würden Sie deshalb die Wiedereinführung der Sklaverei in Deutschland befürworten?
    2. WESSEN ethische Grundsätze meinen Sie? Denn allein in der deutschen Geschichte hat es schon derart viele ethische Grundsätze gegeben, die einander widersprachen, dass einen schwindlig werden müsste. Nehmen wir nur mal die jüngere Geschichte. Da gab es ein Deutschland, in dem es ethisches Handeln war, seine Bürger nicht in andere Staaten ausreisen zu lassen und dies mit einer Mauer zu begrenzen. In jenem Staat war es sogar ethisches Handeln, wenn man die Bürger mit tödlicher Waffengewalt an der Flucht hinderte. Da lautete dann der ethische Grundsatz, dass die Freiheit des Einzelnen nicht zulasten des ganzen Volkes gehen dürfe. Und wenn ein Ingenieur das Land verließ, ging das natürlich zulasten der ganzen Bevölkerung, und umso mehr, wenn er sich einer möglichen zukünftigen feindlichen Kriegspartei anschloss…
    Dann gibt es Länder auf dieser Welt mit ethischen Grundsätzen, die es erlauben oder gar nahelegen, den Ehebruch durch eine Frau mit einer Steinigung zu sanktionieren.
    Und welche ethischen Grundsätze in Deutschland von 1933 bis 1945 galten, brauche ich Ihnen als hochausgebildetem Journalisten wohl nicht erst erklären…
    Daher meine Frage: WESSEN ethische Grundsätze meinen Sie?
    Ich glaube, ich kenne die Antwort: Die ethischen Grundsätze des Stärkeren gegenüber dem, der sich nicht wehren kann.

    Die Auseinandersetzung darüber, das »angemessen« heißt, nennt sich Tarifautonomie. Fordern Sie die Abschaffung der Tarifautonomie?

    Wie Sie schon richtig schreiben: Tarifautonomie ist eine Freiheit. Eine Freiheit zur Aushandlung von Vergütungen und Arbeitsumständen UNTER GLEICH STARKEN PARTEIEN. Nur dass freie Journalisten eben keine gleich starke Partei sind. So, wie ich das sehe, sind sie nicht mal eine, denn andernfalls würden sie sich mal vier Wochen zusammentun und gemeinschaftlich streiken, auf dass Verlage und Nachrichtensendungen ihre Volumina herunterschrauben müssten. Aber davon habe ich zumindest bisher noch nichts mitbekommen.
    Tarifautonomie ist eine Freiheit. Aber versuchen Sie, Herr Keese, mal ihre Freiheit auszuüben, wenn sie der schwächere Part sind! Versuchen Sie doch mal, Ihr freiheitliches Recht auszuüben, Ihren Geldbeutel NICHT herauszugeben, wenn Ihnen ein Straßenräuber ein Messer an die Kehle hält… Natürlich, das KÖNNEN Sie tun. Dann müssen Sie nur mit den Konsequenzen leben, wie es immer so ist (nur eben wahrscheinlich nicht mehr sehr lange…). Aber die FREIHEIT SELBST bleibt Ihnen ja…

    Sie schreiben in Ihrem neuerlichen Appell:

    Das Leistungsscutzrecht (sic) für Presseverlage sollte von Verlagen und Bloggern verantwortungsvoll genutzt werden.
    (…)
    diese Kreativen sollten völlig angstfrei mit den Leistungen der Verlage umgehen können.
    (…)
    Überhaupt sollte das Leistungsschutzrecht nicht mit Abmahnwellen durchgesetzt werden.
    Tweets und Links, auch Linksammlungen, beleben das Netz. Man sollte nicht den Leuten nachsteigen, die dieses Leben ins Netz bringen.

    Man sollte, sollte, sollte… die Verlage sollten also freiwillig darauf verzichten, obwohl es möglich ist, denn es sei besser für die Allgemeinheit. Richtig?

    Nun, Herr Keese. Erinnern Sie sich, wann Sie das letzte Mal ein Auto über eine längere Strecke auf der Autobahn gesteuert haben? Wissen Sie noch, wie schnell Sie da gefahren sind, vor allem da, wo keine Geschwindigkeitsbegrenzung herrschte?
    Sind Sie 80 gefahren? Optimierter Sicherheitsabstand, keine Gefährdung durch Überholmanöver für andere Verkehrsteilnehmer, entspanntes Dahinrollen…
    Oder sind Sie 130 gefahren? Schneller als die ganzen LKWs auf der Kriechspur, aber trotzdem angepasst an den fließenden Verkehr?
    Ich vermute mal, Sie sind schneller gefahren. DEUTLICH schneller. Und zwar mit der Begründung: Mein Auto kann das, ich darf das, die Straßenverkehrsordung erlaubt mir das, und ich habe einen Grund dafür…

    Wenn SIE also schon so, wie ich vermute, schneller fahren, als es für die Allgemeinheit gut ist (erhöhtes Unfallrisiko, dem Sie vor Gericht im Falle des Falles Rechnung tragen werden, wie jeder, der schneller als Richtgeschwindigkeit fährt – laufende Rechtsprechung), warum sollten dann DIE VERLAGE erst davor zurückschrecken, ihre Rechte auszuüben, wo sie doch vom Gesetzgeber praktisch dazu gezwungen sind (alles andere ließe sich als Untreue gegenüber den Anteilseignern auslegen, wenn nicht alles unternommen wird, um den Gewinn und die Ausschüttung zu maximieren)?

  25. Hallo zusammen
    ich bin derzeit etwas verunsichert, wie viele andere auch, was das Thema LSR angeht. Ich betreibe auch seit kurzer Zeit einen privaten Meinungsblog, indem ich Texte, Bilder und Artikel verlinke. Oder eigene Meinungen schreibe und zusätzlich auf einen Artikel verweise..etc…

    Irgendwie weiß ich gerade auch nicht mehr was nach jetziger und zukünftiger Rechtsprechung (sofern das LSR in geltendes Recht umgewandelt wird) zitieren, verlinken etc de facto bedeutet.

    Was muss ich denn als rein privater Blogger beachten, außer die Quellen der jeweiligen Zusätze zu nennen ,was ich ja auch tu…sofern sich aus dem Bild oder dem Link nicht eh der eindeitige Quellbezug ableiten lässt?

    Natürlich, verstehe ich dass gewerbliche Nutzung im Vordergrund steht und das Verhältnis und Vergütung zwischen Nutzung von redaktionellen Werken und deren Aggregation geklärt werden muss.

    Aber kann man dem nicht gewerblich tätigen Nutzern mal erklären, ob es dan noch Sinn macht Informationen weiter zu verbreiten, ohne jedesmal den Urheber um Genehmigung zu bitten um sich nicht in Rechtsunsicherheit zu begeben ?

    Vielen Dank im Voraus

    Eddi

  26. Man könnte das Ganze natürlich auch einfach umdrehen: Der neue Gesetzentwurf der Regierungspartei „Die Freibeuter“ zur Aufhebung des Urheberrechts sieht vor, dass alles geistige Eigentum grundsätzlich kostenlos der Gesellschaft zur Verfügung gestellt wird. Hie und da werden Stimmen laut, dass dieser Gesetzentwurf zu weit gehe und Firmen wie Google zu viel Macht einräume. Der Außenminister von Google meldet sich zu Wort, lobt den neuen Gesetzentwurf und führt weiter aus, kleine harmlose Urheber sollten angemessen entlohnt werden. Suchmaschinenbetreiber sollten die Verlage an ihren Einnahmen ein bisschen beteiligen. Künstler, die ihren Job aufgrund fehlender Überlebensmöglichkeiten an den Nagel hängen, sollten nicht mit unnötigen Abmahnwellen dazu gezwungen werden, weiterhin Content zu produzieren. Na, Herr Keese, was meinen Sie? Wozu braucht es noch Gesetze, wo wir doch alle über die berühmten „ethischen und wirtschaftlichen Grundsätze verfügen? Oder trifft das ausschließlich auf Verlage zu?

  27. Grundrechte sind Schlagworte – und werden von jenen zu“recht“ gebogen, welche die entsprechende wirtschaftliche Potenz dafür haben.
    Im Grunde ist das, was Stefan hier über die Usanz der Bezahlung freier Journalisten sagt, mehr als nur skandalös.

    Und die Verknüpfung dieser Erfahrung mit der neuen Deutungshoheit für Urheberrecht, ausgeübt von Verlagen, welche die Freiheit der juristischen Interpretation schon so breit praktizieren – mir ist beim Lesen grad ein wenig schlecht geworden…

  28. Soeben, nach hartem Ringen, pro Zeile 15 Cent durchgesetzt .-)
    Denke der Verlag setzt schon auf LSR.

  29. […] Hohn und Spott darf sich auch Axel Springers Cheflobbyist Christoph Keese anlesen. In seinem Privatblog (das bei strenger Auslegung des vorliegenden Leistungsschutzrechtsentwurfs als dienstlich gelten würde) verschwurbelt er sich im Spindoctoring derart, dass Stefan Niggemeier schreibt: […]

  30. Tja Herr Blome, typisch Bild, nicht mal einfachste Zusammenhänge oder Fakten kriegen sie auf die Reihe. „Tweets und Links, auch Linksammlungen, beleben das Netz.“, so so, ich würde sagen sie _sind das Netz_ ( https://de.wikipedia.org/wiki/Hyperlink ) und dorthin hat sich Bild ganz freiwillig begeben. Als ich dort war, habe ich nicht gerufen „Bild folge mir“. Damals war die Welt noch in Ordnung und die Forunkel am Arsch der Gesellschaft waren da wo sie hingehören, auf einem Plumpsklo auf einer Hochalm.

    Ich kann nur jedem Kreativen empfehlen, es so wie wir es in unserem Blog schon seit Jahren machen, grundsätzlich keine Schlechtmenschen/-firmen zu verlinken. Wir machen es sogar so, das wir Namen nur als Grafik einbinden um die Suchmaschinenrelevanz nicht unnötig zu erhöhen. Wer dringend mal was nachlesen möchte, kann die Quelle googeln oder bekommt den Link von uns auf Anfrage. Selbstverständlich haben wir auch Kopien aller Quellen in unserem Backend. Wenn alle das so machen, dann schauen wir mal wer am längeren Hebel sitzt, die Bürger/Blogger oder die miesen Drecksunternehmen, die sich um Recht und Gesetz einen Scheißdreck scheren.

    Zum Schluss mein allergrößter Wunsch. Goggle, schmeißt die Verlage endlich aus dem Index und wenn ihr schon dabei seid, Gema und alles was dazu gehört gleich mit. Das ist im Sinne aller, ihr müsst nichts für „böse Zitate“ bezahlen, die Verlage/Musiklabels/Filmstudios werden nicht mehr raubmörderkopiert und bekommen genau das was sie (vorgeben zu) wollen und meine Suchergebnisse werden nicht durch den Bild-Schwachsinn vergiftet auf den ich eh nicht klicke.

    Mein Wunsch an alle Konsumenten, schaut immer auf die Statuszeile eures Browser und wenn ein Link zu einem deutschen Verlag führt überlegt kurz, ob die Seite auf der ihr gerade seid, z.B. Bildblog vertrauenswürdig ist. Schnell werdet ihr zum Schluß kommen, das man gar nicht klicken muss, die Bildblogrecherche reicht vollkommen. Jeder Tausendstel Cent Werbeeinnahmen oder Netcredibility Richtung Bild ist ein Tausendstel zuviel. Schaut euch nach Alternativen um. Wir haben vor ein paar Wochen unser letztes Holzabo gekündigt und seit dem auf keine Verlagsseite mehr geklickt. Am Anfang ist es mühsam und man muss sich erst ein wenig neu orientieren aber inzwischen haben wir uns ganz gut eingerichtet und haben nicht den Eindruck etwas zu verpassen. Die meisten Infos haben wir immer noch 2 Tage vor NDR Info oder Deutschlandfunk.

    PS: Darauf zu warten, das die ASV-Untergebenen in Berlin das Grundgesetz entdecken, ist vergeudete Zeit. WIR müssen das selbst in die Hand nehmen.

    PS2: Die Bild Printauflage ist auf einem guten Weg, jetzt muss die „Online-Auflage“ nur noch folgen.

  31. […] Leistungsschutzrecht: Eine Frage der Ehre? « Stefan Niggemeier “Er erfordert von den Lesern und Betroffenen auch, den Verlagen Maß, guten Willen und Verlässlichkeit zuzutrauen. Dazu besteht kein Anlass. Nicht nur wegen Fällen wie dem des Regisseurs Rudolf Thome, dem der »Tagesspiegel« nachstieg, weil er ohne Genehmigung zwei alte Kritiken über Filme von ihm auf seine Website gestellt hatte. Fast tausend Euro kostete ihn die Abmahnung der Zeitung, für die er früher selbst geschrieben hat.” […]

  32. […] Leistungsschutzrecht – Ein Frage der Ehre? (stefan-niggmeier.de, Stefan Niggemeier) Ist es eigentlich Zufall, dass meine Rechtsschreibprüfung Leistungsschutzrecht immer rot unterkringelt? Stefan Nigggemeier hält zumindest noch ein Mal die grundlegende Gefahr fest: »Wenn das Leistungsschutzrecht nur ungefährlich ist, solange die deutschen Verlage sich gutwillig, vernünftig, zurückhaltend und maßvoll verhalten, muss man dieses Gesetz fürchten.« Weiterhin Hervorragendes zum Thema in seinem Blog. […]

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