In Schleswig-Holstein gibt es Radiosender, in denen über weite Strecken kein Moderator mehr ins Studio kommt, um die Verkehrsmeldungen vorzulesen. Ein Computer setzt Sprachbausteine zu den passenden Sätzen zusammen. Das klingt nicht ganz so schrecklich, wie man denken könnte. Und womöglich gewöhnt man sich irgendwann daran, daß die immer gleichen Situationen zu den immer gleichen Formulierungen führen. Und daß niemand eine ungewöhnliche Verkehrslage dazu nutzt, etwas ungewöhnliches zu sagen.
Bei RTL müssen sie wahnsinnig neidisch sein. Seit Jahren arbeitet der Sender daran, ein Programm zu produzieren, in dem nichts Unvorhergesehenes passiert. Und fördert Nachwuchsmoderatoren, bei denen er sich darauf verlassen kann, daß sie nicht durch eine eigene Persönlichkeit von diesem perfekten Programmerlebnis ablenken, nicht durch Ausstrahlung, Profil oder, Gott bewahre, Spontaneität. Bei Carsten Spengemann konnte man das noch als Fehlgriff interpretieren (der bekam im Nachhinein ja auch mehr Profil, als RTL recht sein konnte). Aber dann kam als Nachfolger der sehr verwechselbare Marco Schreyl. Und nun überbrückt RTL die Zeit, bis endlich ein Fernsehmoderationsroboter entwickelt ist, mit Wayne Carpendale.
Der Sohn des vergleichsweise coolen Howard und „bekannt“ durch Auftritte in Seifenopern, Serien und Bad Segeberg, moderiert in den nächsten Wochen die Promi-Eislauf-Show „Stars Dancing on Ice“. Wayne hat die Vielseitigkeit eines Eierkochers, die Erotik eines Topflappens und die Natürlichkeit von Tuben-Käse. Ungefähr zwei Emotionen kann er als Moderator mit seinen Augenbrauen anknipsen: Bei der einen legt er seine Stirn in Dackelfalten, die Peter Kloeppel neidisch machen könnten, bei der anderen legt er den Kopf nach unten und guckt nach oben durch seine festbetonierte Fönwelle. Wenn er in die Kamera schaut, schaut er exakt bis in die Kamera und nie in die Wohnzimmer der Menschen zuhause. Und wenn er einen Satz sagt oder mit seiner Co-Moderatorin eine kleine Bauerntheaterszene aufführt, die die Autoren sich als Ersatz für echte Dialoge ausgedacht haben, vergißt man nie, daß es aufgeschriebene und auswendig gelernte Texte sind. „Und mein Gott“, sagt er dann sichtlich unbeeindruckt über die Kandidaten, „was haben sie nicht für einen Mut bewiesen.“ Und wenn ein Satz von ihm bliebe, wäre es dieser: „Ich weiß es ist ’ne Floskel. Aber ich mein‘ es wirklich verdammt ernst: Ihr seid alle Gewinner. Oder?“
Ach, nein, eigentlich man darf Wayne nicht prügeln. Das wirklich Furchteinflößende ist ja nicht er, sondern der Gedanke, daß RTL genau diese Art von Moderator gewollt hat.
(c) Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung
> In Schleswig-Holstein gibt es Radiosender, in denen über weite Strecken kein Moderator mehr ins Studio kommt, um die Verkehrsmeldungen vorzulesen. Ein Computer setzt Sprachbausteine zu den passenden Sätzen zusammen. Das klingt nicht ganz so schrecklich, wie man denken könnte.
Darauf meine volle Zustimmung. Hier in Leipzig wünsche ich mir jeden Tag sowas – die Moderatoren sind hier so unerträglich laut und nervig, dass das nur von der noch unerträglicher lauteren und nervigeren Werbung übertroffen wird. Kennt Ihr die „Geiz-ist-Geil“-Brüllerei? Genau so, und das 5-10 Minuten am Stück.
Der Text spricht mir aus der Seele :-)
Aber die RTL-Show heißt dennoch „Dancing on Ice“ und nicht „Stars on Ice“. Das ProSieben-Pendant heißt dafür „Stars auf Eis“.
Und es zeigt sich, dass RTL nicht nur Moderatoren hat, die sich durch nichts eigenes auszeichnen, sondern auch noch Sendungen, bei denen das so ist…
oh, peinlich, das mit dem titel
müssen wir ironie jetzt noch erklären? :-)
habe mich köstlich amüsiert. vielen dank!
„Vielseitigkeit eines Eierkochers, die Erotik eines Topflappens und die Natürlichkeit von Tuben-Käse“
Danke. Einfach nur geil. Ich lache immer noch.