Ich habe von der Firma „X-Ray Personal Media Digest GmbH“ heute zum ersten Mal gehört. Und vermutlich sollte ich mir eigentlich kein Urteil erlauben, wenn ich nicht einmal weiß, was genau ein „vorstandsfähiger Medienspiegel“ ist, den sie anbietet. Aber ich bin ein bisschen skeptisch bei Firmen, die einerseits vom Umgang mit Sprache leben und andererseits in ihrer Selbstdarstellung in einem Satz gleich drei Metaphern miteinander verquirlen:
„X-RAY wertet mit Röntgenblick die Informationsfülle aus und verdichtet die relevanten Informationen zu einer Essenz, welche maßgeschneidert für Sie zur Verfügung gestellt wird.“
Neuerdings bietet diese Firma zusammen mit dem Branchendienst „kress report“ ihre maßgeschneiderte Röntgen-Essenz auch in Form von „täglichpress“ an, einer täglichen „Presseschau der Medienbranche“ an, in der „tagesaktuelle Pressemeldungen auf den Punkt gebracht werden“. Das kann man natürlich „einen prima Service“ nennen. Oder, wenn man es sich vorher angeschaut hat, völligen Schrott.
Fünf „tagesaktuelle Pressemeldungen“ (landläufig auch „Artikel“ genannt) stehen da heute. Zum Beispiel die, dass die „Bild am Sonntag“ eine Fantasy-Bibliothek startet. Richtig, das stand heute in der „Welt“. Aber schon vor über einer Woche in einer Pressemitteilung des Verlages.
Die Top-Meldung von „täglichpress“ stammt aus dem „Handelsblatt“ und geht so:
Das Werbeforschungsunternehmen Nielsen Media Research teilte mit, dass der Werbemarkt in den klassischen Medien einen Zuwachs von 5,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnete. Der größte Teil mit 5,6 Mrd. Euro entfällt auf die Fernsehbranche.
Das ist nicht nur furchtbares Deutsch, sondern auch missverständlich: Die 5,6 Mrd. Euro sind nämlich nicht der größte Teil des Zuwachses, wie man denken könnte, sondern des gesamten Werbemarktes. Und das Fernsehen wächst deutlich langsamer als Zeitungen und Zeitschriften. Und wer all das nicht erst heute im „Handelsblatt“ lesen wollte, konnte es seit vorgestern Abend überall tun.
Eine kurze Meldung über „National Geographic“, die schon in der „Süddeutschen Zeitung“ kaum nachvollziehbar ist, wird in der „täglichpress“-Version vollends unverständlich. Und dann gehört zu den fünf Zeitungsartikeln, die für „kress“-Leser nach Ansicht von X-Ray relevant sind, noch diese Meldung:
Der in seiner sechsten Auflage veröffentlichte Sport-Brockhaus weist in nicht minder als 3.500 Artikel teilweise erhebliche Ungenauigkeiten auf. Auch die Gewichtung bzw. Bedeutung sportlicher Leistungen von Sportlern ist uneinheitlich, weswegen einige berühmte Sportlerpersönlichkeiten überhaubt keine Erwähnung finden.
Ah ja. Kurze Verständnisfrage: Wie viele Artikel sind nun im Sport-Brockhaus falsch oder ungenau? 3.500? Nein: 3.500 ist laut „FR“-Originalartikel die Gesamtzahl der Artikel. Davon seien „nicht wenige“ falsch. Aber vielleicht steht das auch in „täglichpress“ und ich hab nur das ungewöhnliche Wort „minder“ falsch verstanden. Oder war zu sehr durch die Schreibweise „überhaubt“ abgelenkt. Hätte da nicht besser noch mal der fähige Vorstand drüber gelesen?
Und einen Feed gibts auch nicht, aber das hat sich wohl auch schon erübrigt nach dem Lesen dieses Textes hier. Gut gemaccht könnte sowas natürlich schon ein toller Service sein, aber vielleicht ist es ja auch noch „beta“. You never know…
Okay, da ist noch Luft nach oben drin. ;-)
Sie haben recht, Herr Niggemeier. Nur: was nützt es mir, dass Sie recht haben? Rein gar nix! Weil: dass dieser X-Ray-Pressespiegel Blödsinn ist, das hätte ich auch ohne Ihren Kommentar geschnallt.
Wie steigere ich meine Effizienz im Umgang mit Medien dahingehend, dass ich immer mehr Spaß, mehr Freude, mehr Geld pro Zeiteinheit bekomme? Diese Frage will ich von Ihnen beantwortet haben!
@ Robert Schröter: Wer Weblogs mit dem gleichen Anspruch wie Schulbücher liest, hat zuviel Zeit. Nutzenorientierten Herumsurfen gelingt nur in den wenigsten Fällen. Gehen Sie in den Supermarkt und beschweren sich, dass in ihrer Zartbitterschokolade keine Nährstoffe gesteckt haben?
„Nutzenorientierten Herumsurfen gelingt nur in den wenigsten Fällen.“
Ergo Ihrer Aussage: surfen ist meistens sinnlos…