Gestern mittag veröffentlichte das „Handelsblatt“ eine Exklusivmeldung. Hans-Peter Siebenhaar, der langjährige Medienredakteur der Wirtschaftszeitung, berichtete:
Susanne Müller: Neue Chefin für den ZDF-Spartensender Neo
(…) Zum ersten Mal in der Geschichte des ZDF steht eine Frau an der Spitze eines Senders. Susanne Müller übernimmt die Geschäftsführung von ZDF Neo, dem Zweitkanal der Mainzer Sendeanstalt. Das bestätigten ZDF-Manager dem Handelsblatt auf der Film- und Fernsehmesse Mip-TV in Cannes. Damit schließt der neue ZDF-Intendant Thomas Bellut eine Lücke in der Führungsspitze. Er hatte vor kurzem den bisherigen ZDF Neo-Chef Norbert Himmler zum ZDF-Programmdirektor berufen.
Der Meldungskern wurde mit dem üblichen Phrasenstyropor ausgepolstert (ausgewiesene Programmexpertin … ZDF-Eigengewächs … exzellent verdrahtet … bestens vertraut).
Zwei Stunden später gab das ZDF eine Pressemitteilung heraus:
Dr. Simone Emmelius leitet ZDFneo (…)
Mainz (ots) – Dr. Simone Emmelius (53) leitet künftig den Digitalkanal ZDFneo und folgt damit Dr. Norbert Himmler, der am 1. April 2012 sein Amt als Programmdirektor des ZDF angetreten hat. Emmelius leitet seit 2009 die Redaktion ZDFneo und war in dieser Funktion bereits maßgeblich an Aufbau, Ausrichtung und Programmgestaltung von ZDFneo beteiligt.
Blöd gelaufen.
Der „Handelsblatt“-Chefredakteur Gabor Steingart will dringend, dass seine Redakteure exklusive Nachrichten produzieren. Er hat vor eineinhalb Jahren eine Art Prämiensystem eingeführt, das dem Mitarbeiter, dessen Meldungen im Jahr am häufigsten von Nachrichtenagenturen zitiert werden, 3000 Euro Bonus verspricht.
Die Möglichkeit, dass Fehler produziert werden, ist dabei offenbar nicht vorgesehen.
Nachdem sich die Susanne-Müller-Personalie als Ente entpuppt hat, wurde der Original-Artikel ohne Erklärung gelöscht. Die korrekte Meldung, sicherheitshalber übernommen von der Nachrichtenagentur dpa, enthält keinen Hinweis auf die widersprüchliche frühere Meldung. Das „Handelsblatt“ setzt offenbar auf Leser, die die falsche Meldung übersehen oder schon wieder vergessen haben oder denen egal ist, ob sie stimmt oder nicht.
Die stolze falsche Exklusivmeldung steht jetzt noch vergessen im Online-Auftritt des Schwesterblattes „Wirtschaftswoche“ herum, das Meldungen des „Handelsblattes“ vermutlich als Teil einer Qualitätsoffensive aufträgt.
Nach einer aktuellen Meinungsumfrage haben nur 58 Prozent der Deutschen Vertrauen in das „Handelsblatt“. Mein Vertrauen in solche Umfragen ist gering, aber diesen Wert könnte ich womöglich erklären.
Hm, immerhin der Satz „Zum ersten Mal in der Geschichte des ZDF steht eine Frau an der Spitze eines Senders“ scheint ja von Anfang an gestimmt zu haben. :-)
„Fehler 404“ – tja, nun ist die Meldung auch bei der WiWo ohne Angabe von Gründen/Erläuterungen weg.
Die Wiwo hat die Qualitätsoffensive schon wieder aufgegeben, die Exklusivmeldung ist weg, dpa ist da.
[…] Stefan Niggemeier irritiert, wie beim Handelsblatt dank Verbreitung von Hektik Fehler kaschiert werden. […]
Wirklich nicht sehr vertrauenserweckend, diese Umfrage.
Sie habens geschafft, in ihrem tollen Index was von einer „Süddeutschten“ zu schreiben.
… Hihi, diese Metapher des Herrn Niggemeier sitzt einfach …
Klarer Gewinner ist das Handelsblatt: Klicks auf die ‚Exclusivmeldung‘, ein paar Klicks auf die 404-Seite und dann noch Klicks auf die neue, richtige Meldung. Der Rest ist dann nur noch fuer ‚Medienjournalisten‘ und deren Blog-Leser von Interesse ;)!
„Dr. Simone Emmelius (53) leitet künftig … ZDFneo und folgt damit Dr. Norbert Himmler, der am 1. April 2012 sein Amt […] angetreten hat.“
Moment, Frau Emmelius vorgänger ist am Sonntag ins Amt gekommen und wird jetzt ersetzt? Sollte mich das Datum stutzig machen?
Vorsicht! Styropor® ist ein Produkt der BASF.
Abmahnsicher müsste es Phrasen-expandiertes-Polystyrol oder kurz Phrasen-EPS heissen.
Nachdem ich letztens einen Keller gedämmt (allerdings mit XPS = Styrodur) habe, weiß ich, dass BASF aber nicht mehr die Rechte an der Bezeichnung hat und auch andere Hersteller ihren EPS Styropor nennen dürfen, wenn er bestimmten Qualitätsmerkmalen genügt.
Det är svansen som styr.
Einen etwas, nun ja, kreativen Umgang mit Enten hatten jüngst auch andere, siehe beispielsweise hier: http://wp.me/p1a2BL-1P
Die haben lange überlegt und dann leider einen Tag zu spät – am 2. April diesen Scherz veröffentlicht. Bestimmt!
Da ist Spiegel Online aber unrühmlicher Vorreiter. Ich erinnere mich an eine Zeit (ca. 2009 oder 2010), als gefühlt wöchentlich – oft in Form von Eilmeldungen – der Tod von Kim Jong-Il gemeldet wurde.
Leider wurden diese Meldungen oft schon nach Stunden kommentarlos von der Website gelöscht. Aber du bist ja inzwischen beim Spiegel – evtl gibt es da ja ein Entenarchiv? Würde mich interessieren, ob sowas intern ausgewertet wird…