Als ich vor ein paar Jahren in Neuseeland war, wollte ich natürlich unbedingt Kiwis sehen. Wir fuhren in einen kleinen Zoo in der Nähe von Mount Bruce. Die Kassierein empfing uns mit der schlechten Nachricht, dass einer der beiden Bewohner die heftigen Regenfälle der Vortage nicht überlebt hatte. Anscheinend können Kiwis nicht nur nicht fliegen, sondern auch nicht schwimmen.
Kiwis sind zauberhafte Tiere. Aber wir wurden das Gefühl nicht los, dass die Natur uns etwas mitteilen wollte.
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Die deutschen Zeitungsverleger haben schon wieder jemanden gefunden, der Mitschuld an ihrem Niedergang ist. Diesmal ist es die Sendergruppe ProSiebenSat.1, weil sie in Zukunft die Möglichkeit anbieten will, in ihren Programmen regional begrenzt Werbung zu schalten.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger BDZV schlägt Alarm: „Dies würde zu schweren Einbrüchen in den ohnehin hart umkämpften regionalen Werbemärkten führen“, zitiert eine Sprecherin des BDZV in einer Pressemitteilung des BDZV einen Sprecher des BDZV.
Das ist unwahrscheinlich. Warum sollten Unternehmen weniger regional werben, wenn es einen neuen Anbieter regionaler Werbung gibt? Was ist aus der Binsenweisheit geworden, dass Konkurrenz das Geschäft belebt? Was der BDZV vermutlich meint: Das Engagement von ProSiebenSat.1 könnte zu Einbrüchen bei den Erlösen seiner Mitglieder führen.
Alles, was die Einnahmen von Zeitungsverlagen schmälert, ist aber zum Glück in Deutschland verboten — oder sollte es jedenfalls sein. Der BDZV räumt zwar ein, dass es im Rundfunkstaatsvertrag kein entsprechendes Verbot gibt. Das liege aber nur daran, weil man bisher nicht dachte, dass eine solche Regionalisierung technisch überhaupt möglich sei. Die Pläne von ProSiebenSat.1 seien dennoch „rechtswidrig“, denn:
Bereits 1986 habe das Bundesverfassungsgericht — damals im Zusammenhang mit dem niedersächsischen Landesmediengesetz — entschieden, dass regional/lokal ausgespielte Werbung nationaler Fernsehsender den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Presse gefährden würde.
Hat es das?
In seinem sogenannten Vierten Rundfunkurteil befasste sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage, ob das niedersächsische Landesrundfunkgesetz mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sei. Es ist eines der Urteile, die das Duale System mit unterschiedlichen Anforderungen an öffentlich-rechtliche und private Sender definierten.
In dem damals zu prüfenden niedersächsischen Rundfunkgesetz gab es eine Passage, die Rundfunkanbietern lokale Werbung untersagte. In Paragraph 26, Absatz 5 heißt es:
Werbung, die nicht im gesamten Verbreitungsgebiet eines zugelassenen Programms nach § 22 verbreitet wird, ist nicht zulässig. Solange das Programm nicht von mehr als 2,5 Millionen Einwohnern in Niedersachsen empfangen werden kann, ist nur eine Werbung zulässig, die Tatsachen, Ereignisse und Angebote mit mindestens landesweitem Bezug zum Gegenstand hat.
Mit dieser Beschränkung sollte die örtliche und regionale Presse vor Konkurrenz auf dem lokalen Werbemarkt geschützt werden. Das, stellte das Bundesverfassungsgericht fest, sei nicht zu beanstanden.
Anders als der BDVZ suggeriert, stellte das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht fest, dass eine solche oder ähnliche Regelung Pflicht oder Notwendigkeit sei. Anders als der BDZV suggeriert, traute sich das Gericht 1986 aus naheliegenden Gründen kein Urteil zu, welche Wirkung werbefinanzierter privater Rundfunk insgesamt auf die Presse haben würde:
Nicht abschließend beurteilen lassen sich die Rückwirkungen einer Werbefinanzierung privaten Rundfunks auf die Presse, insbesondere die Frage, ob der Presse oder zumindest zahlreichen Presseunternehmen hierdurch existenzwichtige Finanzquellen entzogen werden. (…)
Eine derartige Beeinträchtigung würde voraussetzen, daß das Gesamtvolumen der Werbung sich nicht mehr nennenswert steigert, daß ein wesentlicher Teil dieses Volumens von der Presse abgezogen wird und dem Rundfunk zufließt und daß damit die Rentabilitätsgrenze der Presseunternehmen unterschritten wird. Ob diese Voraussetzungen eintreten werden, ist ungewiß. (…)
Was die Auswirkungen auf die Presseunternehmen betrifft, geht die Monopolkommission davon aus, daß die Erhaltung der Printmedien als solche nicht gefährdet sei; doch dürften sie die Werbeeinnahmen der Presseverlage erheblich vermindern. (…)
Über diese und ähnliche Einschätzungen hinausgehende Aussagen erscheinen in der gegenwärtigen Phase, in der Werbung im privaten Rundfunk noch keine nennenswerte Rolle spielt, nicht möglich.
Ich kann nicht ganz ausschließen, dass es juristische Interpretationen dieses Urteils gibt, die über meine Lesart des Offenkundigen hinausgehen. Ich kann mir aber schwer vorstellen, dass die eine überzeugende Rechtsgrundlage dafür darstellen könnten, mehr als 25 Jahre später in einer vollständig anderen Wettbewerbssituation die deutschen Tageszeitungen vor einem neuen Konkurrenten zu schützen.
Überhaupt: dieses endlose Gejammer!
- Regionale Werbung auf ProSieben bedroht die Existenz der Zeitungen!
- Das schlechte Wetter bedroht die Existenz der Zeitungen!
- Der 29. Februar bedroht die Existenz der Zeitungen!
- Die Bundesregierung muss das Nicht-Kaufen von Zeitungen verbieten!
Ich bin ein großer Anhänger der Tageszeitung (oder wenigstens ihrer Idee). Aber wenn es wirklich so sein sollte, wie das Geschrei der Verlegerlobby nahelegt, dass die Tageszeitung nur dadurch überleben kann, dass man sie unter Artenschutz stellt und in Reservaten hält, die jeden Morgen gründlich von allen Keimen, Futterkonkurrenten und Parasiten gereinigt werden, mit hohen Schutzmauern und drei Fütterungen täglich — dann ist ihre Zeit vielleicht einfach vorbei.
Ein bisschen unfair ist es ja schon, die deutschen Zeitungen mit einem flug- schwimm- und rundum überlebensunfähigen dummen Geflügel zu vergleichen.
Der Kiwi hat immerhin den Anstand, in Würde auszusterben, statt wild zeternd anderen die Schuld für seinen Untergang zu geben und andere Tiere zu beschimpfen, weil die ihm das Futter wegnehmen.
Ich denke, da ist eine Entschuldigung angebracht.
Ich frage mich, wann der BDZV endlich fordert, dass Nachrichtenportale täglich den neuen Content von ihren Servern löschen, sodass es keine Möglichkeit gibt, an Berichte vergangener Tage zu kommen, außer ins Stadtarchiv zu gehen. Dass Berichte auf einer Website über mehrere Tage hinweg Leser akkumulieren dürfen, ist dreiste Wettbewerbsverzerrung und war von Johannes Gutenberg so auch nicht vorgesehen.
Klappern gehört halt zum Handwerk, auch bei den Verlegern.
„Ich bin ein großer Anhänger der Tageszeitung (oder wenigstens ihrer Idee).“
Den Teil des Satzes, der nicht in Klammern steht, kann ich schon lange nicht mehr unterschreiben. Zumindest die „großen“ Tageszeitungen hier in NRW (so viele „Mediengruppen“ gibt es ja nicht mehr;-)) zeichnen sich vor allem durch Abtippen von dpa-Meldungen, Umschreiben von dpa-Meldungen, falsches Umschreiben von Polizei-Pressemitteilungen, tendenziöse Berichterstattung, schlecht recherchierte Berichterstattung oder auch gerne mal gar keine Berichterstattung aus. Der Leser (oder auch Abonnent) ist schon lange kein „Kunde“ mehr, nein, war es nie. „Kunde“ sind diejenigen, die Anzeigen schalten, der Leser ist nur Mittel zum Zweck, um die Anzeigen, garniert um ein paar mehr oder weniger gut geschriebene Artikel, an den Mann/die Frau zu bringen.
Das können kostenlose Blätter wie „Stadtanzeiger“ genauso gut, eigentlich sogar besser, denn da wird man nicht über den Zweck getäuscht.
Insofern halte ich es mit dem Kirk-Zitat aus Star Trek VI, was die Zeitungen angeht: „Laßt sie sterben“.
Kommentar Nummer 1: 100 Punkte!
vielleicht bin ich nur nicht intelligent genug, das zu verstehen. aber meiner ansicht nach – juristische texte sind ja kompliziert – bedeutet das für die landesweiten anbieter prosiebensat1 recht wenig:
„Werbung, die nicht im gesamten Verbreitungsgebiet eines zugelassenen Programms nach § 22 verbreitet wird, ist nicht zulässig. Solange das Programm nicht von mehr als 2,5 Millionen Einwohnern in Niedersachsen empfangen werden kann, ist nur eine Werbung zulässig, die Tatsachen, Ereignisse und Angebote mit mindestens landesweitem Bezug zum Gegenstand hat.“
niedersachsen hat 8 millionen einwohner. man könnte wohl ohne weiteres drei gebiete (großraum oldenburg/bremen, großraum hannover/osnabrück und großraum braunschweig/wolfsburg/harz) konstruieren, die die 2,5 millionen nicht unterschreiten. oder wollen die jetzt eigene werbung für nutteln, otterndorf und kleinensiel machen?
@olfinger: Das Gesetz gilt ja in der Form gar nicht mehr. Es geht in dem aktuellen Streit nicht darum, ob das Vorgehen von ProSieben mit diesem (nicht mehr geltenden) Gesetz vereinbar ist.
Es geht darum, ob das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil über die Rechtmäßigkeit dieses damaligen Gesetzes Grundsätze zum Schutz der lokalen Pesse aufgestellt hat, gegen die ProSieben mit seiner regionalisierten Werbung heute verstoßen würde.
[…] dazu: Hurra: Urheberrecht im Internet verbessert! (Stefan Niggemeier) Zeitungen, die Kiwis der Medienwelt (Stefan Niggemeier) “Was Google macht, ist illegal” (Norbert Neininger 2008) News1.ch: […]
[…] & SÜNDENBÖCKE Zeitungen, die Kiwis der Medienwelt: Als ich vor ein paar Jahren in Neuseeland war, wollte ich natürlich unbedingt Kiwis sehen. […]
Zunächst hatte ich gelesen: „Als ich vor ein paar Jahren in Neuseeland war, wollte ich natürlich unbedingt Kiwis essen.“, merkte im zweiten Satz, dass es um die Vögel geht und hatte den ersten noch nicht gedanklich korrigiert. Was für ein schön seltsamer Moment das war.
Ohne Regionalzeitungen hätte es in den letzten Jahrzehnten keine Nachrichtenversorgung gegeben. Insofern: Habt Dank, liebe Verleger!
Allerdings gibt es seit geraumer Zeit etwas viel Besseres als Papierzeitungen: das Internet. Wie wäre es, sich schlicht damit abzufinden, daß niemand mehr Papierzeitungen kaufen möchte? Wie wäre es, ein eigenes Nachrichtenportal im Internet aufzubauen, und zwar nicht nur notgedrungen und mit halber Kraft voraus, sondern mit Volldampf?
@ Stefan:
Erstmal ein großes Dankeschön für diesen Artikel. Bei den Presseartikeln in den letzten Tagen zu diesem Thema hatte ich genau eine solche Analyse, die mal nachschaut, worum es in dem Urteil von 1986 denn nun im Detail ging, (vergeblich) gesucht.
In den letzten Wochen/Monaten hat ProSiebenSAT.1 ja bereits eine erste regionalisierte Werbekampagne gestartet: In den Kabelnetzen von KabelBW liefen regionale Spots für die Produkte dieses Kabelbetreibers.
Ich gehe mal davon aus, daß in Zukunft die Regionalisierung von Werbespots auch maximal auf Landesebene erfolgen wird – z.B. für die regionalen Kabelbetreiber, für Brauereien und Möbelhäuser.
Sowas gibt es bereits seit Jahrzehnten – nämlich im ARD-Vorabendprogramm. Die regional unterschiedlichen Serien und Regionalsendungen gibt es dort zwar nicht mehr, die regionale Werbung aber weiterhin. Das ARD-Playout in Frankfurt kann so neun verschiedene Werbefenster gleichzeitig ausspielen. Infos zu den Sendegebieten finden sich z.B. unter http://www.ard-werbung.de/145.html
Ich fordere die Begrenzung der Reichweite der Internetauftritte von Lokalzeitungen auf das Printverbreitungsgebiet!
Wo kommen wir denn sonst hin, wenn jeder überall diese Lokalberichte lesen kann.
Ich sehe den Kiwi und erhöhe um den Kakapo (http://de.wikipedia.org/wiki/Kakapo). Der ist sogar noch zu blöd dazu seine eigene Fortpflanzung unter idealen Bedingungen hinzukiregen. Deswegen gibt es ein komplexes staatliches Schutzprogramm, bei dem seine Eier von Ornithologen aus den Nestern geholt und augebrütet werden.
(Und er ist ebenfalls unheimlich niedlich.)
Ich werfe mal den nächsten Vogelvergleich in die Kommentare: Dodo. Flugunfähig und schon ein paar Jahrhunderte ausgestorben.
@ 14: Vorsicht, Sie nennen einen meiner Facebook-Freunde dämlich! (und niedlich, ich weiß).
@16 Alberto Green:
Meine Facebook-Freunde können deine Facebook-Freunde verkloppen. Immerhin zahle ich Schutzgeld an die Keas (in Form von butterbeschmierten Schrottautos).
Oh verdammt, Keas!
Der Kiwi ist nicht vom Aussterben bedroht, weil seine Zeit abgelaufen ist. Er war gut an das Leben in Neuseeland angepasst. Er ist vom Aussterben bedroht, weil der Mensch seinen Lebensraum zerstoert und Tiere eingefuehrt hat, gegen die der Kiwi (und viele andere neuseelaendische Tiere) sich nicht verteidigen konnte. In diesem Fall von „Zeit ist abgelaufen“ zu sprechen ist zynisch und ignorant. Oder ist deine Zeit abgelaufen, wenn ich in dein Haus komme und und meine Hunde alles zerstoeren und du am Ende verhungerst?
Und damit ist deine Kiwianalogie unsinnig und wuerde im Grunde das Gegenteil meinen.
@micha: Rührend, dass Sie sich um die Gefühle der Kiwis sorgen und nicht um die der Zeitungs-Mitarbeiter.
(Der BDZV würde aber im Zweifel sicher genau das sagen: Dass die Verlage gut an das Leben angepasst waren und nur vom Aussterben bedroht sind, weil erst das Fernsehen und dann das Internet kamen und ihren Lebensraum zerstörten. Ich räume aber gern ein, dass der Vergleich Grenzen hat, nicht zuletzt, weil die Kiwis und, ja, auch die Kakapos so sensationell sympathische Wesen sind.)
„..Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis..“ (Goethe)
Stefan kannst Du es einrichten dass ich hier meinen Flattr-Code einbauen kann in die Kommentare?
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Zur besseren Visualisierung empfehle ich übrigens folgendes Video. Einfach mental den Kakapo durch Kai Diekmann ersetzen (keine Sorge, der Vogel wird davon nichts merken).
http://www.youtube.com/watch?v=9T1vfsHYiKY