Der „Tagesspiegel“ im Kampf gegen Factual Correctness

Was bisher geschah: Am Mittwoch behauptet der „Tagesspiegel“ in einem Artikel, die BBC habe die Bezeichnungen „vor / nach Christus“ in Zeitangaben aus übertriebener Political Correctness abgeschafft. Richtig ist, dass die Religionsseiten des Online-Angebotes der BBC auf diese Begriffe verzichten. Eine allgemeine Vorgabe gibt es laut BBC aber nicht. Nachdem ich im BILDblog den „Tagesspiegel“-Artikel als „Urbane Legende von der Political Correctness“ kritisiert habe, antwortet nun der „Tagesspiegel“-Autor auf tagesspiegel.de.

Schon der Vorspann ist falsch. Da steht:

Der Journalist Stefan Niggemeier wirft in seinem „Bildblog“ dem Tagesspiegel vor, falsch über den Verzicht der BBC auf die zeitliche Einordnung „vor Christus“/“nach Christus“ berichtet zu haben. Unser Korrespondent Matthias Thibaut nimmt Stellung.

Es gibt aber gar keinen Verzicht der BBC auf die zeitliche Einordnung „vor Christus“ / „nach Christus“.

Danach wird es nicht besser. Matthias Thibaut nimmt in seiner Erwiderung nichts zurück. Er korrigiert keinen seiner Fehler. Er „erinnert“ stattdessen daran, dass er in seinem „Tagesspiegel“-Bericht über die angeblich zum Orwellschen Ministerium der Wahrheit verkommende BBC ausdrücklich die „Daily Mail“ als Quelle der Berichte genannt habe.

Immerhin, soll das wohl heißen, hat er sich die Fehler nicht selbst ausgedacht. Er hat sie sich aber zu eigen gemacht.

Aber, schreibt Thibaut, er habe doch den von ihm zitierten Behauptungen der „Daily Mail“ folgende Sätze hinzugefügt:

Die BBC selbst betont, es gebe keinen Erlass von oben — jede Redaktion könne selbst entscheiden.

Aber Mitarbeiter wurden nachdrücklich daran erinnert, was für ein multiethnisches Publikum angemessener sei.

Er meint wohl, mit dem Alibisatz mit der BBC-Stellungnahme seiner journalistischen Sorgfaltspflicht genüge getan zu haben. Für die unmittelbar folgende Behauptung, die sie entwertet, nennt er keine Quelle.

Mit keinem Wort geht Thibaut darauf ein, dass auch die Geschichte falsch ist, die er ebenfalls aus dem Lügenblatt „Daily Mail“ abgeschrieben hat, „dass in einigen Gemeinden Weihnachten bereits durch das Kunstwort ‚winterval‘ (Winterfestival) ersetzt wurde, um Nichtchristen nicht zu verletzen“. Und er nimmt auch nicht seine falsche Behauptung zurück, dass „die BBC eine Nachrichtensprecherin abmahnte, die an einer Halskette ein Kreuz trug“. Stattdessen schreibt er: „Ich habe die schöne Fiona Bruce, die ich sehr bewundere, schon lange nicht mehr mit Kreuz gesehen“, als beweise das irgendetwas, außer dass Thibaut den Grundkurs „Weniger offensichtlich erbärmlich argumentieren“ geschwänzt hat.

In einem Punkt hat Thibaut Recht: Selbstverständlich ist mein BILDblog-Eintrag kein „Ausbund an objektiver Berichterstattung“. Er ist polemisch, was daran liegt, dass ich wütend bin. Weil sich seit Jahren immer dasselbe Muster wiederholt: Winzigkeiten, Halbwahrheiten und Komplettlügen werden zu Scheinbelegen dafür gemacht, dass Verfechter der Political Correctness dabei seien, das Abendland zu vernichten, indem sie im angeblichen Kulturkampf gegen den Islam Selbstmord aus Angst vor dem Tode begingen.

Kein Anlass ist dafür zu klein (und zu falsch), keine Überinterpretation zu groß. Die „Daily Mail“, die der Londoner Korrespondent des „Tagesspiegel“ offenbar mit Billigung seiner Redaktion als eine seriöse Quelle behandelt, hat aufgrund der BBC-Zeitenwendenbenamsungs-Sache einen Artikel veröffentlicht, der die vermeintliche Umbenennung in einen Kontext von Herbert Marcuse bis zur RAF stellt und in ihr Teil eines „marxistischen Plans“ sieht, „die Zivilisation von innen zu zerstören“.

Ich bin wütend, weil es mich fassungslos macht, wie die Lügen der „Daily Mail“ und ähnlicher Hassprediger immer wieder um die Welt gehen und unausrottbar werden, wie die Mär vom angeblich christliche Traditionen verdrängenden „Winterval“. Man sollte denken, dass Journalismus eine Barriere bei der Verbreitung dieser Urban Legends darstellt; stattdessen werden sie von Journalisten wie Thibaut begeistert weitergetragen.

Thibaut spricht von den „Diktaten der politischen Korrektheit“ und merkt nicht die Ironie. Tatsächlich verzichtet die BBC ja gerade auf das Diktat einer Formulierung. Sie stellt, im Gegenteil, ihren Redaktionen frei, welche Begriffe sie verwenden wollen — diejenigen, die sich explizit auf Christi Geburt beziehen, oder neutralere. Was die BBC hier predigt, ist die Freiheit der Wahl. Ist es nicht erstaunlich, dass ausgerechnet die Kämpfer gegen die „Diktate der politischen Korrektheit“ diese Freiheit nicht aushalten? Diejenigen, die gegen die BBC wettern und fordern, sie müsse immer und jedesmal Christus‘ Namen gebrauchen, sind es, die einen bestimmten Sprachgebrauch diktieren wollen.

Thibaut schreibt:

(…) ich halte es wirklich nur für eine Frage der Zeit, bis als Beispiel erfolgreicher Integration eine muslimische Nachrichtensprecherin im britischen TV mit Kopftuch auftreten wird — so wie seinerzeit der erste schwarze Nachrichtensprecher Trevor McDonald in England eine Barriere durchbrach.

Ich weiß nicht, ob er bedauert, dass Schwarze in Großbritannien Nachrichten lesen dürfen. Die Aussicht auf eine Nachrichtensprecherin mit Kopftuch jedenfalls hatte er in seinem ursprünglichen Artikel noch als düstere Vision „zynischer Kritiker“ dargestellt.

Nun sagt Thibaut, er würde muslimischen Frauen das Moderieren mit dem Kopftuch gerne erlauben, wenn sie eine Gegenbedingung erfüllen:

Wenn wir, als Gegenleistung für diesen Integrationsakt, in der BBC und anderswo, dann wieder, so wie die längst selbstverständlichen Witze und Lästerungen über Jesus und die Bibel, in der BBC auch wieder Späße oder gar Kritik über Mohammed und den Koran hören dürften, hätte ich persönlich nicht einmal etwas dagegen.

Immerhin kann man dem „Tagesspiegel“ also keine fehlende Toleranz vorwerfen: Er beschäftigt sogar Korrespondenten, die keine freundschaftlichen Beziehungen zur deutschen Sprache unterhalten — Verzeihung, ich bin immer noch und schon wieder wütend.

Für Thibaut hat Freiheit offenbar nichts mit unveräußerlichen Menschenrechten zu tun. Sie werden nur gegen Pfand ausgeliehen.

Wir können uns gern darauf einigen, dass meine Kritik an Thibaut und seinem „Tagesspiegel“-Bericht polemisch, unsachlich und nicht objektiv ist. Auf der anderen Seite: Seine Behauptungen sind falsch. Er weigert sich, sie zu korrigieren.

Übrigens: Die Erklärung im Religions-Ressort der BBC-Webseite, es verzichte auf die Verwendung der Begriffe „vor / nach Christus“, steht da seit mindestens vier Jahren.

80 Replies to “Der „Tagesspiegel“ im Kampf gegen Factual Correctness”

  1. Na dann kann man sich nur glücklich schätzen, dass Daily Mail und Co. mit Wissenschaft nichts am Hut haben… sonst würden sie nämlich mitbekommen, dass es nicht nur bei Historikern mittlerweile üblich ist, statt BC/AD BCE/CE (before common era/common era) zu verwenden. Immer diese verdammten politisch korrekten Wissenschaftler!

  2. [W]as daran liegt, dass ich wütend bin. Weil sich seit Jahren immer dasselbe Muster wiederholt: Winzigkeiten, Halbwahrheiten und Komplettlügen werden zu Scheinbelegen dafür gemacht, dass Verfechter der Political Correctness dabei seien, das Abendland zu vernichten, indem sie im angeblichen Kulturkampf gegen den Islam Selbstmord aus Angst vor dem Tode begingen.

    Daumen hoch. Da bin ich ganz Ihrer Meinung. Danke dass sie dagegen anschreiben, auch wenn es wohl ziemlich mühsam ist.

  3. Die Bezeichnung „Common Era“ verweist auf die allgemeine Verbreitung dieser Zählweise. Und dass die christliche Zeitrechnung in der ganzen Welt verwendet wird – spräche das nicht eher gegen die These, dass der Westen den sog. „Kulturkampf“ verliert?

  4. Ein Hauptproblem dieser vermeintlich politisch inkorrekten ist stets, dass sie sich schlicht nicht vorstellen können wollen dürfen, dass das Christentum und seine Symbole nicht für jeden auf dieser Erde ein segensreicher Anblick sind. Genausowenig wie die USA und Coca Cola für alle Menschen für Freiheit stehen, wie das z.B. Springer predigt. Genauso wie viele aufjaulen, die Kopftücher in Schulen verbieten wollen, wenn man dann konsequenterweise auch die Kreuze aus den Klassenzimmern entfernen will.

    Dummheit, gepaart mit Ignoranz ist in einer politischen Diskussion immer besonders eklig. Wobei ich hoffe, dass es sich lediglich um Dummheit handelt. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass jemand, der halbwegs bei Verstand ist, solchen Schwachsinn absondert.

    (Das mit dem „wütend“ unterschreibe ich gerne)

  5. @Linus

    Nun ja, ich bin froh, dass Religion im Allgemeinen auf dem Rückmarsch ist. Vielleicht erledigt sich dieses Problem in hundert Jahren oder so von selbst.

  6. Ja wie jetzt muss ich muss ich meiner Frau doch kein Kopftuch schenken und ich muss den Rasierer behalten.

  7. Immerhin hat Thibaut nun endlich die Hosen runter gelassen:

    „Richtig ist, dass auch ich der Meinung bin, dass sich hinter den Diktaten der politischen Korrektheit eine Asymmetrie der Toleranz verbirgt – und dieser Vorwurf wird meines Erachtens mit guten Gründen gegen die BBC erhoben.“

    Da musste er dann ja nur noch die Stimmen und angeblichen Belege finden, die seiner Haltung entsprachen. Recherche fand da nicht statt. Nirgendwo in dem Artikel finde ich zum Beispiel Belege dafür, dass er mit der BBC über die Vorwürfe gesprochen hat. Er hat lediglich ein paar Äußerungen von Konservativen gelesen und diese dann miteinander verwoben.

    Ich verstehe nicht, wie ein renommiertes Blatt wie der Tagesspiegel einen solch erbärmlichen Pseudo-Journalismus abdrucken kann.

  8. Entlarvend ist ja schon die Rede von der „Asymmetrie der Toleranz“. Da wird das Blockdenken ja schon vorausgesetzt, das „wir gegen die“ gar nicht mehr hinterfragt.
    Ist mir schlecht.

  9. Ja, dann könnte man jetzt polemisieren:

    Die Tat des christlich-abendländischen Terroristen Brevik wurden #inderDailyMailgeboren und #imTagesspiegelgeboren

    Happy seasonal greetings to everybody…

  10. Als wäre die Verwendung von BCE und CE sowas Ungewöhnliches. Ich hör mir gerade einen Podcast an, der sich um die Entstehung der Bibel dreht. Zeitangaben: BCE und CE. Das ist echt nur Nachvollziehen was die Wissenschaftswelt bereits vor Jahrzehnten gemacht hat, nicht angebliche Political Correctness (vor allem wen das Datum selbst alles andere als eindeutig ist, und in dem Jahr einiges passiert ist, aber sicher nicht die Geburt Jesu, die war irgendwann zwischen 7 BCE und 5 CE).

    3 Milliarden Menschen auf der Welt können mit Jesus außer als Beispiel eines guten Lebens nichts anfangen. 1,5 Milliarden halten ihn für einen Propheten, aber nicht den finalen Erlöser (Muslime – die angeblich Bösen in dieser Geschichte), 2 Milliarden sehen ihn ihm den Erlöser. Und da ist jemand überrascht wenn es eine etwas seltsame Idee ist die Zeitrechnung auch 2011 noch an Jesus aufzuhängen?

  11. Das Urkomischste: Als „Verteidigung“ gibt der Herr an, beim Schmierblättchen „Daily Mail“ abgeschrieben zu haben, ohne selbst zu recherchieren. Qualitätsjournalismus, Tagesspiegel, Qualitätsjournalismus!

  12. ein Großteil des Kommentarmobs unter dem Originalartikel aht jedenfalls verstanden was gemeint war und sich über „Gutmenschen“ und nichtanpassungswillig Immigrant_innen beschwert. Mission accomplished, Mr. Thibaut. Dass das ein Artikel mit Hetzerischer Absicht nach Broder-Strickmuister war, kann doch niemand ernsthaft leugnen.

  13. Der tagesspiegel beschäftigt Brandstifter und taugt somit auch nur noch als Grillanzünder.

    (Obwohl ich selbst die „Zeitung–Grillanzünder“-Metapher für disqualifizierend halte. Aber na und, ich bin auch wütend.)

  14. @Nils Holger sen.(21):
    Wobei das auch nicht ganz richtig ist; zwar ist es schwierig, so lange zurückliegende Ereignisse präzise einzuordnen, aber Jesus von Nazareth wurde aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwann zwischen 4 und 6 vor Christus geboren. (Klingt komisch, ist aber wohl so.) Auf jeden Fall starb König Herodes ziemlich sicher im Jahr 4 v.Chr.

  15. huch – wenn ich mir vorstelle, dass ich in meinen büchern schon vor ca. 10-15 jahren nicht mehr v.chr. bzw. n.chr. verwendet habe, sondern die begriffe „vor/nach unserer zeitrechnung“…
    war ich etwa vorreiter für die bbc?
    politisch inkorrekter wissenschaftler?
    oder gar ein heidenkind?

    ich meld mich zwar hier und heut zum ersten mal in einem kommentar, bin aber seit langem stiller und genussvoller mitleser. auch im bildblog.
    weiter so!

  16. Wie oft ist es eigentlich notwendig, BC/BCE bzw. AD/CE überhaupt anzugeben? Das ist doch nur bei Jahrtausende alten Ereignissen/Entwicklungen so. Das der Altbundeskanzler Kohl 1930 n.Chr. geboren wurde und nicht 1930 v.Chr. dürfte bekannt sein.

  17. Hallo,

    eigentlich schätze ich den Tagesspiegel ja als durchaus seriöse Zeitung, die verschiedene Meinungen zulässt und in ihrer Gesamtheit sehr ausgewogen ist (was natürlich auch zur Folge hat, dass mir unliebsame Meinungen artikuliert werden). Aber ich kann mir beim besten Willen nicht erklären, was er sich dabei denkt, einen solchen Schreiberling zu beschäftigen, der nicht nur aus einer der schlimmsten Boulevardzeitungen unkritisch abschreibt, sondern dann auch seinen Fehler noch nicht mal einsieht.

  18. @ mich, #25

    Damit es eindeutig wird, der Klammerzusatz sollte so lauten:

    „was natürlich zur Folge hat, dass *auch* mir unliebsame Meinungen artikuliert werden“

    Wie dem auch sei, die Überschrift des Artikels finde ich deshalb auch nicht ganz zutreffend. Es ist nicht „der Tagesspiegel“, der gegen die Factual Correctness kämpft, sondern Herr Thibaut. So, wie ich den Tsp kenne und einschätze, gibt es garantiert in der Redaktion auch abweichende Meinungen (also von Herrn T. abweichende Meinungen). Warten wir’s ab, vielleicht veröffentlicht er solche ja sogar.

  19. Für mich als überzeugten Christen stellt sich das so dar: Der Begriff vor/nach Christus ist technisch falsch, da Christus nicht im Jahr 0 geboren wurde. Die Zeitrechnung beruht auf einem fiktiven Datum, dessen Festlegung eher unchristliche Ursachen hatte. Aus christlicher Sicht geht mir die Verwendung dieser Begriffe also schlicht am Arsch vorbei.

    Etwas anders sieht es aus, wenn ich das aus kultureller Sicht angehe. Wir haben hier eine Kultur, die wir zwar fälschlicherweise christlich nennen (in Wahrheit ist sie weitgehend humanistisch), aber wir haben verlernt, zu uns und unserer Kultur zu stehen. Ziemlich armselig.

    Zweitens: Und wenn wir uns noch so sehr anpassen, die Religion ist sowieso nur ein vorgeschobener Scheingrund für den islamistischen Terror. In Wahrheit spielen da ganz andere Gründe die Hauptrolle. Das heisst, selbst, wenn wir Alle zu Muslimen konvertieren würden und Bart resp. Kopftuch (oder gleich Burka) tragen würden, würde das uns weder vor dem Terror schützen noch die wirtschaftlichen und sozialen Ungerechtigkeiten aus dem Weg räumen. Man würde andere Gründe für den Kampf gegen den Westen finden.

    Alles in Allem ist diese political correctness nicht nur überflüssig, sondern schlicht schädlich. Richtig müsste es heissen: „Ich weiss, wer ich bin und stehe dazu, und ich respektiere, dass du anders bist“.

  20. „Mit keinem Wort geht Thibaut darauf ein, dass auch die Geschichte falsch ist, die er ebenfalls aus dem Lügenblatt „Daily Mail“ abgeschrieben hat, „dass in einigen Gemeinden Weihnachten bereits durch das Kunstwort ‚winterval‘ (Winterfestival) ersetzt wurde, um Nichtchristen nicht zu verletzen“.“

    *Das* hätte der „Tagesspiegel“-Autor allerdings auch anderswo abschreiben (oder herausinterpretieren) können – etwa bei der ehrenwerten BBC. Auf deren Website kann man beispielsweise dies lesen: „Birmingham City Council used the phrase to describe its programme of festive family events over Christmas and the New Year.

    The change is being made because city council officials hope to create a more multi-cultural atmosphere in keeping with the city’s mix of ethnic groups.“
    Quelle: http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/210672.stm

    Grundsätzlich ist die Neigung, die Adventszeit nicht mehr als solche zu bezeichnen, womöglich aus den USA zu einigen Stadtoberen im Vereinten Königreich geschwappt. Hier in den USA heißt es schon seit Jahren in offiziellen (und semi-offiziellen) Belangen nicht mehr „Merry Christmas“, sondern „Happy Holidays“; die gängige Begründung dazu lautet, dass nicht nur christliche Festtage in den Dezember fallen, sondern beispielsweise auch das jüdische Hanukkah-Fest und dass man mit dem allgemeinen Gruß „Fröhliche Feiertage“ niemanden ausschließt. Ich find’s albern und wünsche weiterhin „Frohe Weihnachten“. Und überhaupt: Früher war mehr Lametta.

  21. @Stefanie: Aus dem verlinkten BBC-Artikel:

    A council spokeswoman defended the name. „Birmingham City Council wants people to celebrate Christmas. Christmas is the very heart of Winterval,“ she said.

    „Far from not talking about Christmas the events within Winterval and the publicity material for it are covered in Christmas greetings and traditional images, including angels and carol singers.“

    She said the council had drawn attention to the city’s cathedral during the festival by placing Christmas lights in the trees around the building.

  22. @Siegfried; #29

    Sie fallen da auf eine Geschichtsfälschung herein. Der Humanismus wurde *gegen* das Christentum durchgesetzt. Erst im Nachhinein tut die Kirche so, als sei der Humanismus ihr Geschöpf. Von der Sklaverei bis zur Hexenverbrennung — das Christentum war zumindest dabei, wenn nicht federführend.

    Bei allen drei monotheistischen Religionen ist die Intoleranz systembedingt. Dass gegenwärtig der Islam den militanteren politischen Flügel hat, das liegt nicht an den religiösen Dogmen, sondern an der sozialen Lage in den entsprechenden Ländern.

  23. Soweit es in dem Artikel um die Art der Berichterstattung und der jounalistischen Qualität im Tagesspiegel geht, möchte ich dem uneingeschränkt zustimmen.
    Die Gesamtproblematik der religiösen Neutralität in der Sprache sehe ich hingegen differenzierter. Mir liegt einfach etwas an den religiösen Festen. Und ich finde es schade, wenn der Weihnachtsmarkt hier jetzt seit Jahren „Sternschnuppenmarkt“ heißen muss und städtische Kindergärten mit den Kindern nicht mehr zu St. Martin gehen, sondern ein sog. „Lichterfest“ feiern. Und das sind keine urbanen Legenden sondern sehr reale Entwicklungen. Ich hänge aus sentimentalen Gründen an den mir vertrauten Namen mit christlichen Hintergrund. Und ich würde auch den Anhängern anderer Religionen nicht vorschreiben wollen, ihre traditionellen Feste religionsneutral zu bezeichnen, um mir die Teilnahme zu ermöglichen – warum auch.
    Andererseits sollten wir Christen unsere eigenen Feste nicht zu romantisch betrachten: Bei vielen handelt es sich z.B. um alte keltische Feiertage, welche von den Christen einfach umbenannt und mit einem eigenen religiösen Hintergrund versehen und somit vereinnahmt wurden. Und der religiöse Hintergrund wird nun eben wieder neutralisiert. Die Feste, die teilweise älter als das Christentum sind, bleiben, die Namen und Hintergründe änden sich – Hauptsache die Leute bekommen ihre Feiern.

  24. Es ist wirklich ärgerlich, wenn sogenannte „Journalisten“ nicht in der Lage sind, ihre Behauptungen kritisch zu prüfen. Da stellt sich doch die Frage, warum man für eine solche Leistung noch bezahlen soll? Ich bin gerne Zeitungsleser, aber solche billigen Kolportagen wie die des Herrn Thibaut kann ich mir vom Stammtischpublikum genauso holen. Von einem Journalisten erwarte ich, dass er seine Quellen prüft, die Fakten prüft, dass er sich wertfrei der Sache nähert, dass er Ungewissheiten einräumt usw.

    Aber wahrscheinlich ist in der Berufskultur von Journalisten schon lange etwas schief gelaufen.

    Für meine eigene wissenschaftliche Arbeit nutze ich journalistische Quellen aus den 1990er Jahren. Dabei ist mir schon oft unangenehm aufgefallen, dass man fröhlich voneinander abschrieb. Besonders störend empfand ich das bei von Journalisten verfassten Politikerbiografien, wenn dort nahezu wortwörtlich Zeitungsartikel von Kollegen zitiert werden und ansonsten jede Quellenangabe fehlt.

    Da stimmt das Verhältnis zu den Quellen schon grundsätzlich nicht. In diesen Journalistenbüchern (ich habe eine ganze Menge davon gelesen) werden ohnehin die meisten Quellen unterschlagen, dafür werden munter Anekdoten aus dem Innenleben der Macht ausgeplaudert und der Leser weiß nicht, woher der Autor das wissen will. Schon hier scheinen die Autoren eher die Verbreiter von Politiker-Legenden zu sein, anstatt diese zu hinterfragen.

    Manchmal ist es so arg, was mir da geboten wird, dass ich schon überlegt habe, der Sache einen eigenen Blog zu widmen.

  25. @Strabo: „Und da ist jemand überrascht wenn es eine etwas seltsame Idee ist die Zeitrechnung auch 2011 noch an Jesus aufzuhängen?“

    Die Zeitrechnung bleibt natürlich an Jesus aufgehängt, egal ob man ihn nun namentlich erwähnt oder seine Geburt exakt oder nur ungefähr datiert. Der Reformator, der etwas auf sich hält, müßte ein ganz neues Referenzereignis heranziehen, wenn er denn ein passendes finden kann.

    Zur BBC etc.: Ob die Fakten wahr sind, ist weniger interessant als die Frage, warum sie sich wahr anfühlen. Aber offenbar fällt die Untersuchung, warum manche Medien so arbeiten können, wie sie arbeiten, und woher der Humus kommt, auf den „urbane Legenden“ fruchtbar fallen, nicht mehr in das eng umgrenzte Ressort des Medienjournalisten. Da muß er dann den Staffelstab an den Kulturjournalisten oder Feuilletonchef weiterreichen.

  26. „Aber offenbar fällt die Untersuchung, warum manche Medien so arbeiten können, wie sie arbeiten, und woher der Humus kommt, auf den „urbane Legenden“ fruchtbar fallen,…“

    Die mangelnde Sorgfalt von Journalisten ist ganz sicher ein Grund für den Erfolg solcher Legenden. Auch wenn Du vermutlich auf die realen Integrationsprobleme hinweisen wolltest.

    Nur: Ein Problem zu bewältigen, heißt auch, es genau zu analysieren. Es gibt in Deutschland aber keine solche analytische Diskussion, sondern eine emotionale wie ideologische. Es fehlt an kühlem Kopf und der Bereitschaft, zu differenzieren. Und hier hätten Journalisten schon ihren Nutzen, wenn sie zwischen Vorurteil und Tatsache unterscheiden würden.

    Als Wissenschaftler kommt mir in diesem Lande jedenfalls der Kaffee ziemlich oft wieder hoch.

  27. @Sascha; #35

    Stimmt, es wäre albern, wenn Christen ihre „traditionellen Feste religionsneutral bezeichnen“. Aber auf die Idee ist meines Wissens noch niemand gekommen, einer Religion vorzuschreiben, wie sie ihre Feste bezeihnet.

    Es geht immer darum, welche Bezeichnungen im Umgang mit Anders- bzw. Un-Gläubigen angemessen ist. Selbst wenn in einem Kindergarten die Kinder aus christlich gebundenen Familien in der Mehrheit sind, finde ich es höflicher, glaubensneutrale Begriffe zu verwenden.

    Ich verwende beispielsweise seit Jahrzehnten den Satz: „schöne Feiertage“, statt den Namen des christlichen Fests zu benutzen — weil ich niemand kenne, für den diese Tage mehr wären als Feiertage. Ich finde es einfach albern, „frohe Ostern“ zu wünschen, obwohl hierzulande nur eine kleine Minderheit überhaupt eine Vorstellung davon hat, was das für ein Fest ist.

  28. @twex; #37

    Man kann den Bezugspunkt der Zeitrechnung auch behalten, ohne dass geklärt ist, ob Jesus überhaupt eine historische Person war. *Alle* Kalenderbezugspunkte ist mythische Daten.

    Bei der Längenmessung ist der/das Urmeter in Paris auch nur von historischem Interesse.

  29. Können wir uns denn nicht auf „AC/DC“ einigen?

    (Mit diesem Kommentar erhoffe ich mir den ehrenvollen Preis für den naheliegendstden Witz des Tages).

  30. Laut Daily-Mail-Artikel möchte die BBC-Abteilung keine »non-Christians« verärgern. Wie der Tagesspiegel-Autor auf die Idee kommt, »multiethnisches Publikum« mit »Nicht-Christen« gleichzusetzen, ist nicht nachvollziehbar.

  31. @Sascha/35 & Helen M./39:
    Wobei ich doch annehmen würde, dass manche „Umbenennung“ wie die angeführten Beispiele (St. Martin – Lichterfest; Weihnachtsmarkt – Sternschnuppenmarkt) überhaupt nichts mit einer unterstellten PC zu tun haben, sondern einfach Versuche sind, originellere, moderne, auffallendere, whatever Begriffe zu finden, also irgendwas zwischen Marketing und einfach nur Wunsch nach Abwechslung oder Kreativität. Ich sehe direkt eine Versammlung älterer katholischer Mütter im Gemeindesaal vor mir, die sich überlegen, wie sie ein möglichst schönes St.-Martin-Fest organisieren können, und während eine der Damen vorschlägt, diesmal bei den Pfeifenmännchen keine Rosinen oder Mandeln, sondern diese Cashew-Nüsse zu nehmen, die sollen ja auch sehr lecker sein, schlägt eine andere vor, den Umzug doch diesmal „Lichterfest“ zu nennen. Und beide würden vermutlich sehr überrascht gucken, wenn sie als U-Boote der Islamisierung bezeichnet würden.
    Ansonsten bin ich mal gespannt, wann der Erste argumentiert, dass uns all die Hotlines, Tickets, Call Centers etc. auch aus Angst vorm bösen Muselmann verordnet wurden.

    P.S.: Warum aber soll es eigentlich erstaunlich sein, dass ein Blatt, das Malte Lehming als Meinungs-Chef bezahlt, Typen wie Matthias Thibaut in einen Broder-Ähnlichkeitswettbewerb schickt?

  32. @inga #41: Falls ich in diesem Leben tatsächlich nochmal in die Not komme, eigentlich »v. Chr« schreiben zu müssen, werde ich darauf zurück kommen. Aber sowas von.

  33. @ Heiko Werning:
    Ihre Vermutung stimmt zumindest für meine Heimatstadt nicht: Dort wurden die Umbenennungen ausdrücklich mit dem Verweis auf Andergläubige begründet.

    @ Helen M (39):
    Ja, Sie sprechen ja genau die Frage an, um die es mir geht, und zu der man freilich unterschiedlicher Meinung sein kann. Ich sehe es so: Der Markt, der jedes Jahr im Dezember hier statt findet hat natürlich seinen Anlass im Advent. Und der gehört nunmal zu einem christlichen Fest.
    Wenn nun Andergläubige oder Nichtgläubige an so etwas teilhaben wollen, dann ist meiner Meinung nach jeder dazu eingeladen. Aber ob man nun unsere Feste und Bräuche mit religiösem Hintergrund eigens dafür religiös neutralisieren sollte, weiß ich nicht. Wirtschaftlich ist das vielleicht sinvoller – schließlich geht es den Beschickern vom Weihnachtsmarkt nicht in erster Linie um die besinnliche Gestaltung des Advents, sondern um Umsatz. Und dem ist es egal, woran der Marktbesucher glaubt.

  34. Ich finde solche Umbenennungen schon recht merkwürdig. Andererseits mag ich es auch nicht besonders, wenn man plötzlich in Berlin den Kindern die Legende von St. Martin nahebringt, bei einem einfachen Laternenumzug ohne besondere Einbindung in irgendeine Organisation. Da kam ein Schauspieler als St. Martin verkleidet und bekleidet von Komparsen. Mir kam das mächtig katholisch vor und damit kann ich absolut gar nichts anfangen. Wohl bin ich dafür, dass man die Hintergründe solcher Tage kennt. Aber als „Ungläubiger“ war mir diese kunterbunte Heiligen-Kostümerie doch etwas sehr fremd.

    Langer Rede kurzer Sinn: Man muss weder Migrationshintergrund haben noch Muslim sein, um sich an gewissen religiösen Praktiken in der Öffentlichkeit zu reiben.

  35. Schluss mit der christlichen Gehirnwäsche üerall!

    Ich verwende das nicht mehr. 2011 nach erfundener Geburt eines erfundenen Religionsstifters

  36. Diese ganzen Diskussionen über wer sich wie von was gestört fühle oder aus vorauseilendem Gehorsam oder so, sind doch ohnehin ein rein mediales (und wenn man Pech hat, politisches) Schattenboxen.

    Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass das irgendjemand, Christ, Moslem, Heide wirklich interessiert, wie jetzt das Adventsshopping genannt wird, oder wonach sich unsere Zeitrechnung meint, richten zu müssen. Jedenfalls keinen, der ncoch recht bei Trost ist. Umso ärgerlicher, dass Pseudo-Populisten da so einen Wind machen.

  37. Von all dem pc-Geblubber abgesehen finde ich ja das Ich-will-mit-religiösem-Brauchtum-nichts-zu-tun-haben-Getue ziemlich albern. Wer das nicht will, soll konsequenterweise auch seine Kinder nicht zum Laternenumzug schicken, keinen Weihnachtsbaum aufstellen und keine Ostereier suchen. Denn selbst wenn der Hinweis korrekt ist, daß Weihnachten und Ostern ursprünglich heidnische Feste waren, die zu Werbezwecken vom Christentum vereinnahmt wurden, so sind ja auch heidnische Feste religiöse Feste. Sich für areligiös haltende Feierwillige feiern dann halt „Jul“ oder dergleichen Blödsinn; Tage werden länger/kürzer/gleichlang wie die Nacht? Völlig reguläre astronomische Vorgänge, die zu feiern es keinen Grund gibt. Schert uns sowieso nicht, denn wir richten unseren Tagesablauf nach der Uhr aus und nicht nach dem Stand der Sonne oder wann die Hühner zu Bett gehen. St-Martins-Umzug? Brauchste dein Kind nicht am 11. November hinzuschicken; am 25. Oktober ist es abends auch schon dunkel. Klar, dann gäb’s halt keinen Anlaß, aber der Anlaß des St-Martins-Umzugs ist ja ebenfalls nichtig.

    Jedenfalls kommen wir nicht drumrum: Viele unserer festen Feiertage sind religiös motiviert, alle haben irgendeinen Anlaß. Nicht jeder Anlaß interessiert jeden, nicht mit jedem Anlaß kann man sich moralisch, sittlich, weltanschaulich identifizieren. Christi Himmelfahrt wurde im Volksmund ja schon zum Vatertag. Weil, Eckensaufen ist mal eine sinnvolle Beschäftigung, herzlichen Glückwunsch, Vadder!
    Ändert aber nichts daran, daß der Anlaß nun mal war, was er war, also soll man auch nicht so blöde drumrumreden, ihn umdeuten oder gar umbenennen wollen, denn das ändert den Anlaß nicht, sondern ruft nur Schwachmaten auf den Plan, die sich über den Political-Correctness-Terror ereifern. Und mich offensichtlich. Ja, bin auch nicht so helle.

    (Die offizielle Abschaffung des arbeitsfreien Sonntags wäre mal ein lohnendes Ziel. Tag des Herrn, daß ich nicht lache! Da, wo es um Kostenoptimierung und Effizienz geht, hat das Wochenende eh keine Bedeutung mehr. Kann man die arbeitsfreien Erholungstage auch gleich individuell verteilen.)

  38. @ über mir, Zum Thema Sonntag meine ich aber, dass der in einigen Landesverfassungen ganz religionsunabhängig als Ruhetag aufgeführt ist… würde aber nicht meine Hand dafür ins Feuer legen und habe jetzt auch keine Lust, das genau nachzulesen.

  39. @Jojo ohne Blog, #52

    „Viele unserer festen Feiertage sind religiös motiviert“

    Wen kümmerts. Wir nehmen die Feiertage wie sie fallen und könnten gern noch ein paar jüdische oder muslimische Feiertage extra einführen.

    „offizielle Abschaffung des arbeitsfreien Sonntags wäre mal ein lohnendes Ziel“

    Auf so eine Schnapsidee kann nur ein Single ohne Freunde kommen, der keinen familiären und freundeskreislichen Terminabgleich benötigt.

  40. @Helen M: Ich falle da auf Nix rein. Mir ist das bekannt, dass der Humanismus _gegen_ das Christentum durchgesetzt wurde. Und zwar gegen das eigentliche Christentum genauso wie gegen die etablierte Kirche(n). Deshalb habe ich ja geschrieben, dass unsere angeblich christliche Kultur keine christliche, sondern eher eine humanistische ist. Was mich persönlich andererseits nicht daran hindert, weniger humanistisch sondern eher christlich zu sein. Aber das nur als Randbemerkung.

    Im Wesentlichen geht mir aus christlicher Sicht aus eben diesem Grund die Verwendung christlicher Begriffe für Feiertage oder andere kulturelle oder sonstige Dinge am Arsch vorbei. Diese Gesellschaft ist nicht christlicher als Bin Laden. Aber immerhin humanistischer. Aus christlicher Sicht sind diese neumodischen Begriffe daher eigentlich korrekt.

    Mir geht es nur aus kultureller Sicht auf den Senkel, dass wir aus Angst unsere Kultur und unsere Geschichte ignorieren, nur, um ein paar durchgeknallte Gleichmacher zufrieden zu stellen.

  41. @48: Zumindest ist Christus keine erfundene Person, sondern historisch belegt. Man mag von der Religion, die er gestiftet hat, halten, was man will, er bleibt dennoch eine historische Person.

  42. @51: Genau! Zumindest, was mich als Christen angeht, kann ich das nur absolut bestätigen.

    Nur aus kultureller/historischer Sicht geht mir das krampfhafte Umbenennen auf den Senkel.

  43. @Siegfried

    Versteh ich das richtig? Sie finden es einen Fortschritt, dass unsere Gesellschaft humanistischer, wenn auch nicht sonderlich christlich. Aber Sie halten es für „durchgeknallte Gleichmacherei“, wenn jemand humanistisches Gedankengut wie Glaubensneutralität umsetzen will.

    Nur zur Erinnerung: es geht darum, ob es sinnvoll ist, statt „v.Chr.“ solche Bezeichnungen wie „vor unserer Zeit“ zu verwenden.

  44. @Siegfried, #57

    Das „krampfhafte Umbenennen“ ist Ihre Wahrnehmung. In der DDR z.B. war die Formel „v.u.Z.“ üblich. Da wurde nach der Wende krampfhaft umbenannt.

    Juden schreiben auch nicht „v.Chr.“, wie Sie sich vielleicht denken können. BCE/CE ist in wissenschaftlichen Texten international schon lange verbreitet, weil eben religionsneutral.

  45. Ich glaube, ich bin mit meiner Kritik am Martinstag missverstanden worden. Ich komme aus einem protestantischen Elternhaus. Mir ist die religiöse Wurzel vieler Feiertage bewusst und ich halte das auch für ein wichtiges Wissen, auch wenn mir der Glaube irgendwann mal abhanden kam.

    Dennoch empfand ich das Getöse um den Heiligen Martin als zu aufdringlich und zu katholisch-folkloristisch. Was auch keine objektive Stellungnahme von mir ist, sondern ein subjektives Geschmacksurteil. Schließlich bin ich damit aufgewachsen, Heiligenverehrung quasi schon als Verletzung des ersten Gebots anzusehen. ;-)

    Ich wollte nur darauf hinweisen, dass man kein Muslim zu sein braucht, um sich an gewissen religiösen Ausgestaltungen von Feiertagen zu stoßen. Das gilt zumindest für die Öffentlichkeit, denn die Religionsfreiheit möchte ich nicht angetastet sehen.

    Man soll schon wissen, welche Wurzeln ein Feiertag hat. Aber daraus soll man auch keine Pflichten ableiten. Ein Feiertag ist das, was die Leute daraus machen und welche Bedeutung sie ihm geben. Es ist absolut legitim, solche ehemals religiösen Feiertage einfach umzudeuten, also für sich selber. Jeder Gläubige muss natürlich weiterhin das Recht haben, den ursprünglichen spirituellen Gehalt des Feiertages zu pflegen.

  46. Wenn schon ein Text wie dieser, in dem nachgezeichnet wird, wie grober Unfug aus unseriösen Quellen durch unhinterfragte Übernahme in ein etabliertes Medium wie den Tagesspiegel in das Gewand scheinbarer Fakten gekleidet und weiterverbreitet wird, dennoch zu Kommentaren führt, in denen mehrheitlich über diese scheinbaren Fakten diskutiert wird statt über den Umstand ihrer Verkleidung und Verbreitung, also darüber, welche Zeitrechnungsbenennung denn nun angemessen sei und wie christliche Feste am besten heißen sollten, dann zeigt das (und jetzt wird der Satz nun wirklich zu lang), was für einen fruchtbaren Boden der Herr Thibaut hier bestellt.

    (Man kann die Kommentare aber auch so verstehen, dass die geschilderte Arbeits- und Argumentationsweise von Herrn Thibaut immerhin derart offenkundig blödsinnig ist, dass sie hier nicht weiter ausdiskutiert werden muss.)

  47. Zur Arbeitsweise von Journalisten habe ich weiter oben schon etwas gesagt. Und mein eigenes Beispiel war letztlich ein Einwand gegen Thibaut und dessen Zusammenhangstellung von Umbenennung und vermeintlicher Islamisierung.

    Wie gesagt: Wenn es gar nicht so unüblich ist, voneinander abzuschreiben, ohne das Abgeschriebene zu prüfen, dann ist auch das Wirken von Thibaut kaum etwas besonderes. Es reiht sich ein in eine Copy-Paste-Kultur.

    Ich habe gerade heute Nachmittag ein weiteres Beispiel für journalistisches Abkupfern gefunden.

    Zwischen diesen beiden Texten gibt es einige bemerkenswerte Übereinstimmungen:
    http://debatare.de/politik-medien/von-johannes-rau-lernen/
    und
    http://www.welt.de/print-welt/article194158/Versoehnen_statt_spalten.html
    Zwei Autoren und nahezu ähnliche Formulierungen. Entweder haben sie voneinander abgeschrieben oder alle beide haben von einer Agenturmeldung kopiert. Aber es zeugt halt nicht von echter Recherche. Hier kommen eher Anekdoten und Legenden im Umlauf und verfestigen sich so durch weiteres Abschreiben zu angeblichen Wahrheiten.

  48. @Hausherr: Stefan, ich teile die Wut und erfreue mich an der Polemik

    @Stefanie (31): „Frohe Weihnachten“ auch als Gruß an jüdische oder muslimische Freunde?

  49. Ob man nun extreme Beispiele raussucht, um die PC zu beweisen oder ob man, wie hier, extreme Beispiele raussucht um die PC zu leugnen macht doch keinen Unterschied. Anstatt sich journalisitsch mit Sprechverboten und Zensur aus Angst auseinanderzusetzen wird hier in einem als journalistisch angepriesienen Medien-Blog politische Stimmungsmache betrieben.

    Schöner Artikel in der Zeit von Martenstein: „Man spürt überall die Angst, etwas Falsches zu sagen“
    http://www.zeit.de/2011/28/Martenstein

  50. @mike #65:

    Anstatt sich journalisitsch mit Sprechverboten und Zensur aus Angst auseinanderzusetzen wird hier in einem als journalistisch angepriesienen Medien-Blog politische Stimmungsmache betrieben.

    Das ist nicht Ihr Ernst, oder? Nach meiner Lesart war ja gerade politische Stimmungsmache der Auslöser für Stefans Wut. Gut, dass sich seine Wut noch nicht abgenutzt hat – angesichts der Skrupellosigkeit diverser Journaillisten während der letzten 10 Jahre.

  51. @65: Erstens sind das keine extremen Beispiele, um die PC zu beweisen, sondern schlichtweg Halb- und Falschinformationen.
    Und zweitens hat SN keine extremen Beispiel rausgesucht, sondern nur den Alltag aufgezeigt.

  52. @Mike

    Wie kann man sich über Zensur aufregen, wenn man noch nicht mal lesen kann?

    Da war nix. Null. Nada. Niente. Kein extremes Beispiel für PC. Kein gar nix. Thibaut spinnt sich irgendwelchen Nonsense zusammen. Genau wie Lügner-Udo, der jeden Tag Moslems findet, die dem Metzger nebenan aufs Schweinefleisch rotzen. Bestenfalls Inkompetenz (also die Motive des Thibaut). Und wenn ein Medienblog (auch noch als journalistisch angepriesen) das thematisiert, dann ist das politische Stimmungsmache?

  53. @Helen M, #58

    Das ist etwas komplizierter. Das mit dem Fortschritt, meine ich.

    Die Kultur vor dem Humanismus war alles Andere als Christlich. Dem gegenüber ist der Humanismus vielleicht ein Fortschritt. Der wichtigste Fortschritt der letzten Zeit ist die Neutralität des Staates gegenüber den Religionen. Leider steht diese Neutralität nur auf dem Papier, denn der Staat ist leider eben nicht neutral.

    Der Humanismus ist eine Religion wie jede Andere auch. Daher kann der Humanismus gar nicht neutral sein. Das Merkmal „Religion“ ist nicht bestimmt durch das Postulat eines „Gottes“. Und unser Staat ist nicht „weniger christlich“, sondern gar nicht. Darf er auch nicht sein, denn er muss neutral sein. Allerdings ist er weitgehend humanistisch, was eine Neutralität gegenüber anderen Religionen leider massiv behindert.

    Was die Verwendung der Zeitbegriffe angeht: Als Christ ist mir die Verwendung von was auch immer schnurz. Ein zur Neutralität gegenüber jedweder Religion verpflichteter Staat kann sich jeden x-beliebigen Termin als Referenz aussuchen und den nennen, wie immer er will. Insofern ist mir „n.u.Z.“ oder was auch imemer egal.

    Ich finde jedoch die Gründe für diese Umbenennungen Shit. Wir haben nun mal eine Geschichte und eine damit verbundene Kultur. Wenn also umbenennen, dann bitte explizit mit dem Argument der Religionsneutralität. Und nicht, weil man irgendwelche Anhänger irgendeiner Religion nicht vergrätzen will. Und auch nicht deshalb, weil man die Anhänger irgendeiner Religion für minderwerte Spinner hält. Der Staat ist zur Neutralität verpflichtet (!), und die Bürger sollten Anhänger anderer Religionen als Bürger respektieren und deren Religion, Philosophie oder Weltanschauung ebenfalls respektieren. Aber dafür muss man weder den eigenen Standpunkt aufgeben noch muss man andere niedermachen oder lächerlich machen oder für dumm erklären.

    Um noch mal auf das Thema zurück zu kommen: Als Christ in einem nicht-christlichen Staat ist mir die Verwendung von Zeitangaben resp. deren Basis oder Referenz egal. Warum sollte ich von einem nicht-christlichen Staat verlangen, Termine der christlichen Geschichte zu verwenden und so zu benennen? Das macht keinen Sinn. Und im Christentum ist auch nicht der Termin wichtig, sndern das Ereignis selbst. Also z.B. nicht, wann Christus geboren wurde, sondern dass. Das wiederum geht einen nicht-christlichen Staat Nix an.

  54. Das ist witzig. Die politisch Unkorrekten behaupten stets explizit oder implizit, dass es völlig egal ist, ob ihre Geschichten stimmen. Wichtig scheint alleine, dass sie mit ihrem Bauchgefühl schon irgendwie richtig liegen, über linke Islamversteher und dem vermeintlichen Untergang des Abendlandes.

    Und falls so einer jetzt mitliest, habe ich da eine Frage an ihn: Wenn ihr euch sowieso nach Bauchgefühl entscheidet, warum müsst ihr dann überhaupt die ganze Zeit Lügenmärchen verbreiten, die ja im Grunde keine Rolle spielen, weil die Grundannahme vom Untergang des Abendlandes nach eurer Einschätzung immerhin richtig ist.

    Wieso reicht die Grundannahme nicht für sich genommen aus und muss mit unrecherchiertem Käse angereichert werden, der, wenn man ihn als solchen entlarvt, natürlich nichts an der eigentlichen Sache ändert?

    Ich hab da so eine Vermutung. Es gibt ja sofort einen Abwehrreflex, der den, der die Wahrheit sagt und Lügen als solche entlarvt, als politischen Gegner einsortiert: Links-grün, Antifa, Muselversteher, etc. Weil es den politisch Unkorrekten nämlich nicht um Wahrheit geht, sondern darum, Stellung zu beziehen. Und wer kritisiert ist in diesem Milieu per Definition der Gegner und Verantwortlich für den vermeintlichen Niedergang des Westens.

  55. Wenn man die Zeitrechnung umbenennt – ist das dann so, wie wenn Chemnitz nicht mehr Karl-Marx-Stadt heißen darf, St. Petersburg nicht mehr Leningrad oder wenn sonstige Straßen und Plätze umbenannt werden, weil ihre politischen Namensgeber kritisch gesehen werden? Ist Jesus ebenso in Ungnade gefallen und warum?

    Natürlich kann man zu neuen Erkenntnissen kommen und bewusst mit gewissen Traditionen brechen. Aber nach meinem Eindruck geht damit allzu oft eine – z.T. aufgezwungene Gechichtsverleugnung und Geschichtsvergessenheit einher, die ich bedenklich finde.

    Wer die Geschichte und Tradition vergisst, kann nicht mehr daraus lernen und versteht auch manches in der Gegenwart nicht (so gut).

    Warum sollte man bei der Zeitrechnung nicht mehr vor oder nach Christus sagen, wenn dies doch nun mal einst der Bezugspunkt war, nach dem die Zeitrechnung ausgerichtet wurde und sich das seit Jahrhunderten nun mal so durchgesetzt hat? Wo ist die Notwendigkeit, diese historische Tatsache (der Entwicklung und Orientierung der Zeitrechnung, nicht Christi Geburt, die sicherlich nicht zu Beginn des Jahres 1 war) zu verschleiern?

    Und ich finde auch, dass, wer im Herbst an einem Fackel-/Lichterumzug teilnimmt, wissen sollte, ob er gerade z.B. bei einem Lamberti-Lichterfest oder einem Martinsumzug unterwegs ist und was es damit ursprünglich mal auf sich hatte, was uns deren Geschichte sagen will. Das ist für mich keine Frage der Religion, sondern elementarer Bestandteil kultureller Bildung. Und die Barmherzigkeit, die Aufforderung, sein Hab und Gut mit Armen zu teilen, die im Mittelpunkt der Martinsgeschichte steht, ist gewiss nicht exklusiv christlich.

    Wenn ich hier die Meinung lese, dass man Feiertage individuell umdeuten könne, trifft dieses Hoch auf den Individualismus bei mir auf Unverständnis. Denn ein Aspekt kultureller Feste ist der Aspekt von Gemeinschaft, von gemeinsam geteilten Wissensbeständen und Überzeugungen. Die individuelle Umdeutung beraubt Feiertage ihres Kerns. Und dabei ist es völlig egal, ob es christiliche, jüdische, muslimische oder weltliche Feiertage sind.

  56. Wie schon die Geschichte zeigt ;-), ist es vermutlich eine Chance für viele Feiertage in unserer Kultur, durch ihre mehr oder weniger schleichende Erweiterung und Umdeutung weiterzubestehen.

  57. @Sue: „Wenn man die Zeitrechnung umbenennt“
    Das ist nicht geschehen, also meinen Sie das als hypothetisches Szenario?

    „– ist das dann so, wie wenn Chemnitz nicht mehr Karl-Marx-Stadt heißen darf, St. Petersburg nicht mehr Leningrad oder wenn sonstige Straßen und Plätze umbenannt werden, weil ihre politischen Namensgeber kritisch gesehen werden?“

    Nein, weil man auch weiterhin vor und nach Christi Geburt sagen darf, und niemand irgendetwas von offizieller Stelle „umbenannt“ oder gar verboten hat. Jeder, der Jesus vorher gut fand, wird es nach dieser Entscheidung wohl immer noch tun.

    „Ist Jesus ebenso in Ungnade gefallen und warum?“
    Nein, und das „warum“ erübrigt sich entsprechend.

    „Warum sollte man bei der Zeitrechnung nicht mehr vor oder nach Christus sagen, wenn dies doch nun mal einst der Bezugspunkt war, nach dem die Zeitrechnung ausgerichtet wurde und sich das seit Jahrhunderten nun mal so durchgesetzt hat? Wo ist die Notwendigkeit, diese historische Tatsache (der Entwicklung und Orientierung der Zeitrechnung, nicht Christi Geburt, die sicherlich nicht zu Beginn des Jahres 1 war) zu verschleiern?“

    Diese Notwendigkeit besteht nicht und deshalb tut das auch niemand. Die allermeisten Leute sagen weiterhin „v.Chr., n.Chr.“, niemand jammert darüber, und weil wir das Glück haben schreiben zu dürfen, was wir wollen, können andere, wie z.B. ein BBC-Redakteur, eine andere Bezeichnung wählen. Freie Meinungsäußerung und so.

  58. @ Jan Ellers, 74: Wenn Sie das Schüren von Ressentiments (Stichwort „Ethnie“ statt „Religion“) und geistiges Brandstiftertum „Nichtigkeit“ nennen, kann es offensichtlich nicht genügend Artikel wie die von Stefan geben.

  59. @Alberto Green:
    Zwischen „Ethnie“ und „Religion“ gibt es sehr wohl Zusammenhänge. Das hat nichts mit „Ressentiments“ zu tun.

  60. @Jan Ellers

    Sie haben Recht. Das hat mit „Ressentiments“ nichts zu tun. Eher schon mit Ressentiments. Das hatte aber Alberto schon gesagt.

  61. Man soll schon wissen, welche Wurzeln ein Feiertag hat. — Milo — 4. Oktober 2011, 13:57

    wie die Wintersonnwende, klar

    Aber nach meinem Eindruck geht damit allzu oft eine – z.T. aufgezwungene Gechichtsverleugnung und Geschichtsvergessenheit einher, die ich bedenklich finde. — Sue — 11. Oktober 2011, 8:30

    wobei sich der Tannenbaum und der Osterhasi ja gegen alle Versuche der Christen, diese Feiertage zu okkupieren, durchgesetzt haben.

    Tatsache ist, auch wenn wir die Zeit mit Uhren messen, dass die Sonnwende heute unverändert wichtig ist – nach wie vor beziehen wir unsere Nahrung aus der Natur, nach wie vor massig Rohstoffe wie Holz und Fasern, und zunehmend Öle für die Energieversorung. Es gibt nur noch wenige, die selbst wissen müssen, wann etwas auszusähen ist, aber unsere Abhängigkeit von der Natur hat nur in manchen Beziehungen nachgelassen – Uhrzeit und Licht wären hier Beispiele.

    Historisch haben immer wieder neue Machthaber und Ideologen Feste und Namen umgedeutet und ausgewechselt – man kann wie bei einer Zwiebel Schicht um Schicht entfernen, und am Ende bleibt dann nichts. Oder man reiht sich in die Geschichte ein, und legt bewusst eine neue Schicht drüber.

    Der Staat ist zur Neutralität verpflichtet (!), und die Bürger sollten Anhänger anderer Religionen als Bürger respektieren und deren Religion, Philosophie oder Weltanschauung ebenfalls respektieren. — Siegfried — 5. Oktober 2011, 10:22 #

    Das sehe ich anders. Die Menschen trotz ihrer Religion respektieren, ja. Die Religion selbst respektieren: Nein.

    Wer an das Spaghettimonster, Jesus, Jahwe, Mohammed oder fligegende, rosa Einhörner glauben will soll das tun – ich bringe diesen Ideologien, und der feierlichen Wichtigkeit, mit der sie ihren Fetischen huldigen, keinen Respekt entgegen. Ich finde das albern und zeige das auch.

    Niemand hat das Recht, dass ich seine Ideen respektiere.

    Wusstet Ihr eigentlich, dass die Ökologen mit ihren 3fach Glasfenstern in Wahrheit nur die Abschaffung des Fensterkreuzes befördern wollten – dass Energieeinsparung und Schallschutz nur der Vorwand für die Dummen war?

    Und als nächstes rauben sie uns die Kreuzschlitzschraube – ich sehe es kommen!

  62. Hallo ihr! Ich möchte nur mal kurz auf 2 Sachen hinweisen:

    – Der englische Ausdruck für „n.Chr. / nach Christi Geburt“ ist „Anno Domini“ (Aussprach: ennou dominei :-D). Das wiederum ist eigentlich lateinisch (wobei es nicht „Annus Domini“ heißt, genausowenig wie „Nach Christus Geburt“; Anno ist Ablativ oder so was – genau weiß ich es nicht, denn mit meinem Latein bin ich schon lang am Ende. Haha.). Wieder auf deutsch heißt das ganze nun „im Jahr des Herrn“.

    Es ist weniger vorstellbar, dass sich ein strenggläubiger Nichtchrist von der Aussage „Helmut Kohl ist 1930 n.Chr. geboren“ verletzt fühlt. Aber es ist eher vorstellbar, dass er sich von der Aussage „Helmut Kohl ist im Jahr des Herrn 1930 geboren“ verletzt fühlt.

    Jedenfalls – und das ist mein Punkt – geht es beim BBC nicht um die Entscheidung „v.Chr./n.Chr.“ oder nicht, sondern um die Entscheidung „vor Christus / im Jahr des Herrn“ oder nicht. Im Deutschen hat man das Problem (dass man durch „AD“-Benutzung Christus indirekt als Herrn anerkennt) also weniger.

    Ein „AC / After Christ“ analog zum „BC / before Christ“ ist auch nicht möglich. Denn dann gäbe es einen Zeitraum zwischen Christi Geburt und seinem Tod, der nicht bezeichnet wäre. (AC gibt es übrigens schon als „ante Christum natum“, das aber „vor Christi Geburt“ heißt.)
    Aus diesem Grund steht „n. Chr.“ auch nicht für „nach Christus“ (das wäre der Zeitraum nach seinem Tod) sondern „nach Christi Geburt“.

    Liebe BBC – wie wärs dann also mit ABC (After the birth of Christ) and, nunja, BBC (before the birth of Christ)?

    Wobei die Anrede „Christus“ für Jesus auch schon eine Glaubensaussage ist. Also lieber n.J. und v.J.? (das hieße dann v./n. Jesu Geburt, nicht Jesus Geburt ;o))

    Ach, ist mir auch echt alles sowas von wurscht.

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